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freudiger Mensch. Er färbte seine Haare, unterzog sich einer| man meint, die schweren, schmerzenden Tropfen hervorquellen Entfettungskur, machte jungen Damen den Hof, stellte kost- zu fühlen, mit denen Frohsinn und Lebensfreude dahinfließen. bare Pferde in den baufälligen Marstall ein, stedte seine dörf- Er wußte auch: Sie leidet und vielleicht mehr als er liche Dienerschaft in Livreen von falscher Eleganz, und hielt felbst; sie hatte ja nicht einen Beruf, der für alles Trost bietet, offenes Haus. sie hat nur elende Sorgen.

Seine Tochter sah den Augenblick des unabwendbaren Zusammenbruches immer näher herankommen, war aber dem leichtsinnigen Bater gegenüber ohnmächtig. Sie konnte nichts fun, als mühsam und unter Entbehrungen aller Art die Lücken und Risse verkleistern, die hinter der kläglichen Herrlichkeit des zugrunde gehenden Haushalts klafften.

Herr von Henning nahm die Hilfe Brands, der ihn schon mehrmals aus momentaner Verlegenheit gerettet hatte, mit der größten Unbefangenheit in Anspruch. Sobald der hart­gefottene Optimist die Spur einer Neigung des Rittmeisters für Sophie wahrgenommen hatte, stand es für ihn auch fest: Brand wird sein Schwiegersohn und rangiert ihn. In fröh­licher Weinlaune vergaß er sich einmal so weit, daß er in Gegenwart der beiden Anspielungen auf diesen Zukunftsplan machte.

Von Stunde an veränderte Sophiens Benehmen gegen Brand sich völlig; keine Spur mehr des unbefangenen Ver­trauens, mit dem sie ihm bisher begegnet war, auch keine auf­fallende Zurückhaltung, die wieder auszeichnend gewesen wäre. Gleichgültigkeit schien an die Stelle der stillen, tiefen Neigung getreten zu sein, die in ihr erwacht war, ihren Ernst hold durchsonnte, ihr stilles. Wesen lieblich verklärte.

Seitdem Brand das Haus Henning mied, war dort ein Freier aufgetreten, der sich bisher vor dem brillanten Ritt­meister bescheiden im Hintergrunde gehalten hatte, ein Herr von Müller, Major in Pension, von dem es hieß, daß er ein wohlhabender Mann sei und den traurigen Mut haben wolle, das verschuldete Gut Hennings zu übernehmen. Er knüpfte an dieses problematische Erlösungswerk die Hoffnung, Sophie werde sich entschließen, ihm ihre Hand zu reichen. Sie tat es nicht, sie widerstand seinem treuen Werben, dem flehenden Beschwören ihres Vaters.

Brand hörte durch gemeinsame Bekannte ab und zu von ihr in der fernen Garnison, in die sein Regiment versetzt worden war.

Zwei Jahre gingen vorüber, da traf eine überraschende Kunde ein. Müllers Großmut und Güte mußten Sophie end­lich gerührt haben, sie war seine Frau geworden. ( Fortsegung folgt.)

Individualität.

Eine Satire von Ret Marut .

Ein Schauspieler wollte berühmt werden. Aber es gelang ihm nicht.

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Aber Dietrich ließ sich nicht täuschen; er bewunderte die Seelenstärke, mit der sie ihre Neigung verleugnete, den Stolz, aus dem diese Selbstverleugnung entsprang. Zum ersten Es ist sehr schwer, berühmt zu werden. Mancher wird es über­Male erwog er die Möglichkeit, seine goldene Freiheit aufzuhaupt nie. Besonders wenn er wirklich etwas kann und wenn seine geben und sich fürs Leben an ein anderes Wesen zu fetten. Begabung und deren Ursprünglichkeit himmelhoch über dem Durch­Dann hatte er die Wahl: austretenden Gedanken schleu- schnittt steht. derte er nur so hinweg; oder: allen seinen Ueberzeugungen und Grundsägen untreu werden und als verheirateter Mann weiter dienen. Also tun, was er von jeher verschworen hatte: eine Frau, und weiß Gott wie bald, auch Kinder nach­schleppen in kleine Kavalleriegarnisonen, immer bereit, das eben erst errichtete Zelt wieder abzubrechen.

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Militärwirtschaften er hatte ihrer genug vor Augen - waren ihm ein Greuel. Kaum hat die Familie sich seßhaft gemacht, wohnt leidlich, schickt die Kinder in die Dorfschule oder den Dorfschullehrer zu den Kindern, und schon wieder heißt es wandern. Die richtige ärarische Frau" sagt dann zu ihrem Manne: Du brauchst dich um nichts zu kümmern, die Uebersiedelung ist meine Sache." Der Bagagewagen steht vor der Tür und daneben sie und überwacht das Auf­laden der Einrichtungsstücke, der Betten, der Kisten. Ein Kind hängt sich an ihr Kleid, ein anderes ist in Gefahr unter die Näder zu kommen, sowie der Wagen sich in Bewegung setzt, ein drittes heult um sein Schaukelpferd, das ihm davon ge­führt wird. Der ahnungsvolle Engel" sieht es im Geiste schon nach dem Ueberladen auf den Lastzug und von da wieder auf den Fuhrmannswagen mit drei Beinen ankommen, wenn's gut geht. Die Tische und Stühle teilen sein Schick­fal. Im unbekannten Lande, im neuen Haus, das meistens eine Hütte ist, wird dann geleimt, geflickt, die Bude wieder hergerichtet fürs Auge.

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So manche unternehmende Leutnantsgattin lädt schon am Tage des Einrückens in die Station einige Offiziere zum Tee. Auf einer umgestürzten Kiste wird er serviert, aus schartigen Tassen getrunken. Wie der Hausrat aussieht, wie die Kinder untergebracht sind, darüber geht man hinweg mit Leichtsinn und Humor. Aber haben muß man die, ein Pedant darf man nicht sein, für den die schönste Frau allen Reiz verliert, wenn er dahinter kommt, daß sie nicht Ordnung hält in ihrem Wäscheschrank. Ein solcher Mann darf seine Frau nicht in Lagen bringen, in denen die Schönheit der äußeren Lebens­form gar zu oft verlegt werden muß.

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Nein denn, und dreimal nein.

Und nun kam er auf den Gedanken, den er schon als völlig unausführbar verworfen hatte, zurück-den Dienst aufgeben.

Ja, er überlegte, erwog die große Frage aufs neue. Ronnte es einen besseren Beweis geben, daß er liebte, innig und tief? Aber das Resultat seines peinigenden Nachgrübelns war doch wieder nein" gewesen. Und nun stand es fest, und kein Gott hätte daran rütteln können. Dem Rittmeister blutete das Herz. Man sagt das oft so leicht hin: Mir blutet das Herz. Erfahre es nur an dir selbst, wie das ist, wenn fich's zusammenschnürt, immer fester, immer erstickender, bis

Ein halbes Pfund Glück gehört mindestens dazu.

Und Raffinement. Nicht zuletzt, sein Publikum genau zu kennen und richtig einzuschätzen.

ich

Das Glück tam eines Tages in Gestalt des Direktors.

Ihnen! Na, ich sage weiter nichts. Nun zeigen Sie mal, was Herr, da habe ich eine Rolle für Sie. Eine Rolle, fage

Sie fönnen. Knien Sie sich hinein. Mit der Rolle müssen Sie es machen, wenn Sie es überhaupt machen."

Schön," sagte der Schauspieler, das werden wir schon

Inobeln."

Und er spielte die Rolle.

Mein Gott, ja! War ja ganz nett! Er spielte sie recht und schlecht. Recht, wie sie der Dichter gedacht. Und schlecht, wie sie ein anderer Schauspieler auch nicht hätte schlechter spielen können. Ob besser, soll hier nicht entschieden werden. Denn die Individualität ist das eiserne Fundament der Schauspielkunst und nicht wie noch zwei oder drei arme Tröpfe mit veralteten Anschauungen behaupten die angeborene Begabung.

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Die Majorität muß das wissen, denn die hat recht. Bis morgen früb.

Die Zeitungen schwiegen ihn tot. Hatten ihn, der die Haupt­rolle darstellte, einfach gar nicht bemerkt, obgleich sie sogar den mit zwei Zeilen bedachten. Eine Zeitung sogar mit vier und einer Letzten vom Programmzettel, der den Stuhl herausgebracht hatte, halben Zeile, wodurch dieses Blatt im Verkauf die andern um vier­undzwanzig Exemplare überflügelte. Denn es gab genau vierund­zwanzig Agenten.

Der Direktor sagte: Herr, ich habe mich in Ihnen bitter ge­täuscht. Wo sind Sie denn geblieben? Ich habe nicht das ge­ringste von Ihnen gesehen. Machen Sie doch etwas aus der wunderbaren Rolle.

Ich werde mir Mühe geben, Herr Direktor," sagte der Schau­spieler und machte aus der Rolle einen Intriganten mit wildrollenden Augen, roten Struppelhaaren und fletschenden Grimassen.

Die Zeitungen nahmen eine abwartende Haltung ein und der Direktor meinte: Herr, es tut mir außerordentlich leid, persönlich find Sie ja ein ganz netter Mensch, aber davon habe ich nichts. Wenn Sie aus der Rolle nichts machen, fehe ich mich genötigt, Ihre Gage um ein Drittel zu reduzieren. Mindestens."

Darauf der Schauspieler:" Ich werde tun, was in meinen Kräften steht."

Und er spielte die Rolle auf den Liebhaber hinaus, der vor schleimigem Edelmut stant und noch viel weniger natürlichen Instinkt besaß( und dazu gehört viel), wie der selig entschlafene Hütten­bejizer".

Die Folge war, daß ihn die Kollegen nur noch ganz über­höflich grüßten und wenn er den Rücken geivandt hatte, geheimnis­voll hinter ihm her tuschelten.

Der Direktor teilte ihm eingeschrieben" die Gagenreduzierung mit und sagte ihm mündlich: wenn er nicht baldigst aus der Glanz­rolle etwas mache, so sei er vor Gott und den Menschen moralisch verpflichtet, die Gage abermals um ein ferneres Drittel zu reduzieren ( fein Direktor braucht in diesem Falle das Fremdwort: verringern), denn derartigem!- Leistungen könne er billiger haben.