Der Schauspieler: Ich werde mein Bestes dransezen." Die Rolle wurde zu einem geistreichen Spötter gefnetet.

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folgungswahn erfaßte Inspizient wurde mit dicen Tauen gebunden und mit Mundknebeln zum Schweigen gebracht.

Der Dichter rannie wie ein Wiesel die Zuschauerreihen entlang und erbat sich überall die Programme aus, weil er berechtigte Bweifel hegte, ob das wirklich sein Stück fei, was da oben ge­spielt wird.

Die Mehrzahl der Zeitungen ignorierte ihn. Einzelne aber waren barmherziger. Dabon nannte eine den Namen der Rolle und schrieb dahinter in Klammern drei Fragezeichen. Eine andere tat dasselbe, nur daß sie in die Klammer ein Ausrufungszeichen in Gänsefüßchen seite. Die aber, in der der bissigste Rezensent saß, mauerte in die Klammer zuerst einen Doppelpunkt und dahinter ein Semikolon hinein. Das hatte der Schauspieler wirklich nicht verdient. Die Kolleginnen verbaten sich ganz energisch, daß er sie ferner- Agenten und zwölf Direktoren perfekte Verträge unter glänzenden hin duze.

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Und der Direktor eingeschrieben:- infolge unserer Ver­einbarung auch um das zweite Drittel der vertraglich festgesetten Gage reduziert. Mithin erhalten Sie ab 1. kommenden Monats nur noch Mündlich: Herr, ein weiteres Drittel kann ich Ihnen nicht mehr streichen. Ein solcher Barbar bin ich denn doch nicht, daß ich Ihnen auch noch die Möglichkeit nehme, Hafergrüße zu essen. Aber im Interesse der Ehre meines Unternehmens das Publikum haben Sie mir ja bereits hinausgespielt muß ich Sie dringend ersuchen, aus der Rolle endlich mal was zu machen. Ich will auch mal was verdienen und nicht immer bloß zusetzen. Sie interessieren nicht, Herr! Verstehen Sie? Sie interessieren nicht, das ist näm­lich die Hauptsache beim Theater. Sie haben eben keine Indivi­dualität."

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Der Schauspieler:" Herr Direktor, ich gelobe Ihnen, mein Herzblut, meine Seele werde ich hineinlegen. Sie sollen zufrieden fein.

Er machte aus der Rolle im ersten Aft einen eleganten Cauſeur, im zweiten Aft machte er daraus eine Art Faun, der mit den Worten und Sätzen herumraste wie ein wildgewordener Affe, im dritten Aft vermengte er beide Gestalten zu einer undefinierbaren und im vierten wurde er wieder vernünftig.

Zum ersten Male seit hundert Jahren wurden da wieder faule Eier auf die Bühne geworfen und das Publikum verlangte stürmisch fein gutes Geld zurück.

Die Zeitungen machten hinter seinen Namen drei Kreuze und drohten außerdem, das Theater zu boykottieren, weil man dort feines Lebens und seiner gesunden Vernunft nicht mehr sicher sei.

Das Publifum raste. Nief den Dichter, den Direktor, den Re­gisseur und hob den Schauspieler mit tosendem Jubel von der Bühne herunter und zog im Triumph mit ihm ums Theater.

Nach der Vorstellung erhielt der Schauspieler von vierundzwanzig Bedingungen. Aber sein Direktor versprach, die Gage um das Zehn­fache zu erhöhen und ihn für kontraktbrüchig erklären zu lassen, falls er einen der angebotenen Verträge annehmen würde.

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" Sehen Sie," fügte er überhöflich hinzu, ich habe es Ihnen doch immer gesagt, an der Rolle ist was dran. Sie müssen nur was draus machen. Sie fönnens doch. Warum denn nicht gleich so? Die Individualität ist die Hauptfache. Etwas Besonderes machen. Etwas noch nie Dageweſenes. Richtig braucht es nicht zu sein. Diesen Firlefanz überlassen wir der Provinz. Sie trinken doch heute abend ein paar Mumm extra" mit mir.?" Die Kollegen zogen tief den Hut und wagten vor lauter Ehrfurcht nicht mehr, ihn anzusprechen. Und die Kolleginnen sagten, das mit dem Nichtmehrduzen" das hätten sie nicht so gemeint, das hätten fie eigentlich ganz anders gemeint, so um die nächste Nuance mehr ins Gegenteil. Er hätte es in seiner übergroßen Bornehmheit nur falsch verstanden.

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Die Zeitungen schrieben, er scheine sich zu entwickeln und es sei die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, daß bei genügendem Fleiß und mehr Herausholen der Individualität vielleicht noch etwas aus ihm würde.

Ein Rezensent aber, der zwar temperamentvoll, dafür aber sehr jung und unerfahren war, infolgedessen mit den Intimitäten eines geordneten großstädtischen Theaterbetriebes und den Kunstanschauungen und Launen des maßgebenden Theaterpublikums nicht genügend vertraut sein konnte, schrieb: Herr Soundso ist gestern völlig verrückt geworden. Wir hatten das schon lange erwartet, aber nicht geglaubt, daß es so schnell und schmerzlos gehen würde."

Den suchte der Schauspieler auf, schüttelte ihm die Hand und fagte zu ihm: Herr Doktor, ich bin noch nie Ihrer Meinung ge­wesen. Heute aber gebe ich Ihnen in allem recht."

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Der Rezensent fragte: Wieso?" Aber der Schauspieler war schon wieder zur Tür hinaus und hörte es nicht mehr.

Die Parkettreihen lichteten sich immer mehr. Die sonst darauf geseffen hatten, saben sich jetzt lieber Schauer- und Sittenfilms an. Die Kultivierteren unter ihnen aber besuchten den neuesten Operettenschlager Der Chauffeur mit dem Drehwurm". Hier er­Der Rezensent mußte soviel über die Worte des Schauspielers holten sie sich von dem veredelnden Einfluß des ernsten Dramas. nachdenken, daß er schließlich gezwungen war, seinen Beruf aufzu Der Direktor fannte das Stück nicht wieder und erklärte dem geben und Modeberichterstatter zu werden. Daß es auch noch ehr­Schauspieler saugrob, er werde von seinem Kündigungsrecht Gebrauchliche Künstler geben könnte, daran glaubte er trog seiner Jugend machen, er verbitte sich solche Hanswurstiaden. nicht mehr.

Die Kollegen und Kolleginnen spieen vor ihm aus, und die feine Partner waren, drehten ihm auf offener Szene den Rücken zu.

Nun wurde aus der Rolle ein mummelnder Tattergreis. Der eiserne Vorhang mußte fallen, um zu verhindern, daß un­schuldig Blut vergossen würde.

Der Direktor zum Schauspieler:" Sie unverschämter Betrüger, geben Sie sofort die Rolle ab. Oder wollen Sie mich noch länger für einen Ochsen halten, daß ich so lange Geduld mit Ihnen hatte und an Sie glaubte? Sofort die Rolle abgegeben und dann aber raus! Aber schleunigst! Sie sind ja geradezu gemeingefährlich.

Raus!"

Der Schauspieler draußen:

( Heißt in hochdeutscher Uebersetzung: Sie können mir den Buckel einmal hinauf und einmal herunter rutschen.)

Dann ging er nach Hause und rief: Wenigstens sollt Ihr sie nicht lebendig haben!" Nahm die Rolle, zerriß sie in unzählige fleine Feßen und streute sie mitten in sein Zimmer.

Als sich aber niemand fand, der den heroischen Mut besaß, die Unglücksrolle bis Abend zu übernehmen und die Souffleuse außer­dem stockheiser war, sollte er die Rolle heute abend noch mal spielen. Zum letzten Male.

Und weil es zum letzten Male war und ihm sonst auch alles gleichgültig sein konnte, hob er die Fezen vom Fußboden auf und legte fie wahllos aneinander, wie sie ihm gerade in die Hand kamen. Aus Langerweile lernte er dann die Rolle so, wie sie jetzt zusammen­gestellt war.

So spielte er auch am Abend die Rolle. Aus Rache und Bosheit. Sämtliche Mitspielenden, Herren wie Damen, wußten nicht mehr aus noch ein. Sie liefen durcheinander wie ein irrsinniggewordener Ameisenhaufen und redeten wie im Fieberwahn.

Die Dekorationen stimmten nicht mehr. Wenn vom Heißen Sommer die Rede war, lag dicker Schnee auf den Dächern und wenn einem andern die Sonne blendete( wie er laut Rolle jagte), dann war finstere Nacht. Es regnete in den Salon und mitten im Urwalde standen Plüschmöbel. Der Vorhang fiel direkt in die großen Sätze hinein oder zerschnitt rücksichtslos die wichtigsten Dialoge. Und wenn er hochgezogen wurde, standen die Feuerwehrleute auf der Bühne im Wege herum( wie überhaupt immer) und die Theaterarbeiter rannten in Hemdsärmeln umber und fluchten und schimpften( auch wie überhaupt immer). Der Regiffeur mußte un­unterbrochen mit kaltem Wasser begossen werden und der vom Ver­

Das Publikum führte Schlachten auf, um Billette zu erlangen. Der Direktor wurde Millionär.

Der Dichter faufte sich ein Landgut.

Dem Schauspieler baute man noch zu Lebzeiten ein herrliches Denkmal.

Bon all den tausend großen und kleinen Leuten, die mit Hilfe eines Denkmals der Menschheit bekannt werden sollen, gehörte er zu den wenigen, die es ausnahmsweise mal ehrlich verdient haben. Ganz ernsthaft gesprochen.

Denn er hatte am besten begriffen, was seine Zeit von ihm verlangte und was seine Zeitgenossen unter Individualität ver­standen.

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Die Schlüffeldichtung.

Als vor einer Weile in einer Tageszeitung Fredsas Roman Erivin Bernsteins theatralische Sendung" abgedrudt wurde, hieß es eines Tages, daß ein vielumstrittener Bühnenleiter sich in diesem Werke in wenig wohlwollendem Sinne porträtiert gefunden habe und sich darob beleidigt fühle. Fast um dieselbe Zeit wurde aus Burschenschaftlerkreisen Beschwerde geführt, daß der junge Dichter Siegfried Krebs in einem Roman August Binzer  , oder das Ende der Romantik" den Verfasser des Burschenliedes Wir hatten gebauet ein stattliches Haus", entgegen den biographischen Tatsächlichkeiten, als einen recht bedenklichen Charakter gezeichnet habe. Bald nachher ging durch die Presse die Notiz und man fühlte sich an die Erregung gemahnt, die noch heute in dem Eifel­dörfchen Eisenschmidt ob Clara Viebigs Weiberdorf" herrscht daß die Bewohner einer französischen   Insel den Autor eines Ro­mans Die Töchter des Regens", den die Académie Goncourt   aus­gezeichnet: André Lévignon, verklagt, weil er in seinem Wert die Sitten und Gebräuche ihres Gilandes in sehr ungünstigem Lichte gezeigt. Daß gegen einen Dichter der Vorwurf laut wird, er habe sich in einem Werke Indiskretionen gegen irgendeinen seiner Mit­menschen zuschulden kommen lassen; er habe in seinen Gestalten diesen und jenen abkonterfeit, ist nichts Neues, und des öfteren ist es sogar wegen derartiger Dinge zu Prozessen gekommen. So mußte vor Jahren Hermann Stehr   auf Gerichtsbeschluß hin be­stimmte Teile einer Novelle ausmerzen oder umschreiben, weil sich ein Irgendjemand durch die Bildähnlichkeit verletzt fühlte, die er darin in Beziehung auf sich zu entdecken glaubte. Als um 1905 der Leutnant Bilse aus Forbach   wegen eines Romans, in dem er