855 Ich hörte Stimmen, hörte Pferdegestampf, vieler Menschen I Schritte näherkommen. Und als ich mich umfah, bog soeben ein langer, impofanter Trauerzug in die hohe Pforte ein.

Hinter den Reihen der hohen, dunklen Tujabäume glänzte das goldene Kruzifir, von den Chorknaben der hohen Geistlichkeit vorangetragen, deren weiße und violette Stolen und Gewänder vor der finsteren, efeubehangenen Mauer seltsam leuchtend den Weg hinan wanderten.

Der Herzensbund.ee

Von Jean Bouchor.

Durch das Entgegenkommen des Pariser Verlages Plon- Nourrit tönnen wir die nachstehende Probe aus dem vielbeachteten Roman L'Ironie sentimentale" von Jean Bonchor veröffentlichen. Die Szene schildert den Zusammenstoß des Bantiers Dumière, cines Jain in strupellosen Geschäftsmannes, mit einem reichen und beschränkten jungen Mann, der sich um die Tochter. Dumières bewirbt, nachdem sie sich ihm, ohne ihn indes zu lieben, in einem unbedachten Augenblick hingegeben hat. Die Redaktion.

Mit einem Male setzte der Musikchor, den ich noch nicht wahr­genommen, mit gedämpften Hörnerstimmen ein. Das alte, schöne Scheidelied von Feuchtersleben wogte mit weichen, wohligen minis Klängen über den Totenacker: Es ist bestimmt in Gottes Rat, daß man vom Liebsten, was man hat, muß scheiden.

Der Zug zog langjam bergan. Dem Waiſenfinde am Armengrabe aber näherte sich jetzt der Totengräber, richtete es auf, sprach ein paar eindringliche Worte und deutete mit ausgestreckter Hand auf die weiterliegenden Felder. Da schlich das Kind, das schlechtgekleidete, verstört von dannen.

Und die Gemeinde der Leidtragenden umstand das Grab. Zylinder blizten im Spätsonnenschein. Blumendustüppige Kränze hügelten sich am Rande der Gruft.

Ach ja! Und nun ward der wohlgeachtete, allseits beliebte, ehrenwerte Weingroßhändler Flüring und Co. auch in die kühle Erde gesenkt.

Die Damen weinten, die Herren schlugen die Augen nieder, die Musik spielte den schwermütigen Chopinschen Trauermarsch und der Chorknabe schwenkte das kunstvolle Weihrauchgefäß, daß davon die blauen, atembeklemmenden Würzewolken weitum wogten. Und die alten, lateinischen Gebete tamen murmelnd von den dünnen Lippen des geistlichen Herrn Propstes von St. Stephan, es murmelte die Menge ihm eintönig Antwort.

Des geweihten Wassers Tropfen vom göttlichen Segen fielen in das Grab hinein auf den prunkvollen Sarg, fielen auf die seidenen Schleifen, auf die Blumen in den Kränzen, die nun auch sterben mußten, fielen auf die gebeugten Häupter der Tief­betroffenen und Teilnehmenden.

Das goldene Kruzifir senkte sich über die Gruft, Fahnen wehten dem Toten da drunten ihr Lebewohl. Das kleine Schützen­bataillon des Kriegervereins stellte sich auf und ließ die sorgfältig geladenen Schüsse aus den Büchsen donnernd über das Grab in den Abendhimmel fahren.

Ein paar Ehrenreden wurden gehalten, indes auf dem Fahr­wege schon eine Reihe eleganter Kutschen vorfuhren und die Ge­meinde langsam auseinanderging.

Das Feld wurde leer. Etwas tiefer gesenkt, verschwand das goldene Vortragkreuz, an dem Christus, der Welt Heiland, hing, hinter den Grabmälern, Büschen und Trauerweiden.

Mit dem Musikchor, der eine flotte Jägerkavalkade intonierte, wogte das Trauergepränge durch die Hügelalleen zur Stadt hinab, in das weite, wilde Meer des Lebens hinein.

Aus ihren Gräbern hier oben schauten die Särge der beiden jüngsten, schweigiamen Bewohner des stillen Landes in den dämmerdunklen Novemberhimmel.

Und ein einziger, ein schlichter Herr Kaplan, trat aus einem Seitenpfad an das Grab des Armen, weil er davon wußte und seines Amtes zu walten hatte. Sprach ein stilles Gebet, warf mit gelassener Hand auch ihm des Weihwassers Gnade auf den letzten, unbekannten Weg und ging davon.

Auch das arme Mädchen jah ihn nicht mehr.

Als auch ich ging, hatte sich der Totengräberbursch über die Schaufel und Schollen gemacht. Dumpf follerte die schwere Erde in die Tiefe.

Kinder und kleine Beute mit blauen Kerzenschachteln unter den Armen, frochen schon zwischen den Hügeln umher, hatten ihre liebe Buddelei und glaubten große Dinge zu tun. Alte Männer und junge Mädchen, Frauen und Burschen gingen ins Tor hinein, gebückt, als ob ihnen etwas im Nacken size, sahen sich an, grüßten sich, gingen weiter und schwiegen.

Es wollte dunkel werden. Gestalten verschwammen im Dämmerlicht. Schatten und Träume wurden lebendig und wan­derten mit den Menschen, mit ihrem Tun und dunklen Wollen ver­brüdert hinan zum stillen, großen Bergfriedhof.

Da drangen aus der Tiefe der Stadt die schweren, harten Glodenflänge an mein Ohr, mahnten mich, daß es an der Zeit sei, daß ich zur Kohlengrube müsse.

Und mit dem Gedanken an das laute, bannende Leben er­wachte in meinem Ohr der leise wuchtende Schall, der heimlich zitternde, urgründige Aufruhr des Kampfes, von dem in die stolzen Sinne des Erlebenden der troßig entschlossene Wille kommit, die frohe Zuversicht an das Licht, an die Helle der erlösenden Sieger­tage.

Umschauend blieb ich stehen. Droben, auf den abendeingehüll­ten Grabfeldern der katholischen Seite brannten schon hier und dort die dünnflimmernden Kerzenlichterpünktchen.

Mir wars, als müßte ich mit gewaltiger Stimme den Menschen zurufen: Ihr im Dunkeln! Ihr tut Unrecht, um eure Toten zu trauern! Werdet wach und lebendige Menschen!

Ich lächelte nur still für mich und ging sinnend nach Hause. wan Otto Wohlgemuth .

Der Banlier eröffnete das Gespräch ohne alle Umstände; Pehchalat war ihm nicht sympathisch, und noch bevor der unglückliche junge Mensch den Mund aufgetan hatte, suchte Dumière schon nach einer Redewendung, mit der er ihn loswerden könnte. Sie haben mir etwas zu sagen?" fragte er. " Ja," murmelte Beychalat.

"

Muß es jetzt fein?" erkundigte sich Dumière, indem er seine " Sie müssen wissen, Papiere ordnete, als rüste er sich zum Gehen. ich habe gerade in diesem Augenblid-" Pehchalat nahm all seine Straft zusammen, denn er wurde mit jeder Anrede Dumières von Mal zu Mal wankelmütiger.

Es handelt sich um die Hand von Fräulein Maud." " Ja, sie heiratet den Baron d'Orge. Woher wissen Sie das?" fragte Dumière, der den Sinn der Worte Peychalats nicht ver­standen hatte.

Dieser stand im ersten Augenblick von der unerwarteten Mit­teilung wie vom Schlage getroffen, dann aber fand er die Kraft zu erwidern: Aber diese Heirat ist ja ganz unmöglich.

Er wagte nicht zu sagen, warum.

llebrigens schien Dumière feinen Einwand völlig überhört zu haben, und Pehchalat geriet in eine immer größere Erregung. (" Sie kann ihn ja nicht lieben", sagte er.

"

" So, so," machte Dumière. Na, und-?" ,, Sie liebt einen anderen."

" Wen?" motsust esmisl

Mich!"

" Herr", sagte Dumière, indem er sich erhob, meine Tochter heiratet in diesem Monat den Baron d'Orge. Ist es notwendig, Ihnen zu sagen, daß Sie demnach keinerlei Aussicht haben...?" " Ich bitte Sie, versichert zu sein, daß ich schwerwiegende Gründe habe, zu handeln, wie ich es tue. Und wenn Ihre Tochter mich heiraten muß Muß?!" fuhr Dumière auf. Ja, Herr, was fällt Ihnen denn ein?" Ich müßte mir sehr schwere Vorwürfe machen, wenn ich Maud nicht beiraten würde."

"

" Diese Anspielung verstehe ich nicht." Pehchalat wurde aschfahl.

" Ich spiele auf garnichts an", stotterte er. Dennoch... Maud kann jezt nur noch mir gehören!"

Der Bantier tat einige Schritte auf den Besucher zu, indem er. ihn vom Kopf bis zu den Füßen musterte.

" Ja, sind Sie denn wahnsinnig? Sie sprechen ja von meiner Tochter, als wenn...

So ist es..." bestätigte Peychalat, und er fühlte, wie ihn zu schwindeln begann.

Die Faust des Bankiers fauste wutbebend auf ihn nieder. Lassen Sie mich!" freischte Pehchalat.

" Idiot!" schrie der Bankier. Wollen Sie etwa mir weismachen, daß meine Tochter Ihre Geliebte sei?!"

Beychalat, der von dem Stoß in eine Ecke getaumelt war, rang mühsam nach Fassung. Seine Liebe mußte ihm mehr gelten als sein Leben, wenn er sie auch jetzt noch verteidigte.

"

" Ich habe ja nur die Wahrheit sagen wollen," stieß er hervor. Und wenn ich doch bereit bin, sie zu heiraten. " Heiraten! Himmelsakrament!. " brüllte Dumière außer sich. Heiraten!... Scheren Sie sich hinaus, aber schleunigst, und wenn Sie mir je wieder vor die Augen kommen- wenn Sie meiner Tochter je vor die Augen kommen

Seine Stimme versagte vor Wut, und die Schmähungen, mit denen er den anderen überhäufte, waren nur noch unartikulierte Laute. Beychalat war in einen Seffel gesunken und ließ alles wider standslos über sich ergehen. Einen solchen Auftritt hatte er nicht er wartet. Es hatte ihm übermenschliche Anstrengungen gekostet, vor Mauds Vater hinzutreten, um ihre Umbesonnenheit zu entschuldigen und wieder gut zu machen, und nun nach alledem mußte er sich noch gefallen lassen, daß man ihn wie einen dahergelaufenen Strolch und Dieb behandelte.

Der Banfier war freidebleich vor Wut und völlig außer sich. Und solch eine Partie!" schrie er und schlug mit der Faust auf den Tisch, so daß Beychalat entsetzt auffuhr. Fünfzigtausend Franken­Rente! Und Baron obendrein! Und Sie, die Sie meine Tochter in gemeinster Weise verführt haben... um auf diesem Wege... Aber, ha das soll mich nicht fümmern! Meine Tochter heiratet den Baron, das werden Sie sehen! Nie gebe ich meine Einwilligung zu einer anderen Verbindung, nie! Ha, zum Teufel! Ich weiß schon, was Sie planen so ein Standälchen mit einer gut eingefädelten Erpresiung, nicht wahr? Sie werden Ihr blaues Wunder erleben! Ja, das ist so Ihre Sorte... Aber den Augenblick haben Sie gut