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einen lockenden Raum, in dem Weite über Weite emporstieg
Da plötzlich ließen mich durchdringende Schredensschreie aufin spielenden Lichtern und Farben. Als er plöglich, schwin- fahren. Ich sprang auf, und als sei ich vom Blik getroffen, bannte delns auf den Zinnen, stillestand und sich umfah, merkte er, das furchtbare Schauspiel mich auf den Boden fest. daß das schwedische Mantelmodell mit offenem Mund dasaß, und daß Griff und Hannover ihn lächelnd betrachteten. Wie eine rote Wolfe fühlte er das Blut in den Wangen brennen und über seine Stirn streichen. Da war er wieder einmal dem Taumel verfallen... Griff bemerkte seine Verwirrung und schlug ihm aufs Knie. Hannover begann mit der Schivedin zu scherzen, indem er ihren sfanischen Tonfall nach ahmte, was von seiten des grimmigen Masseurs einen galanten Scherz vorstellen sollte. Und währenddessen fand Griff Zeit, Helge zuzuflüstern:
Junge, was ist mit Dir? Zum Teufel, darum brauchst Du Dich doch nicht zu schämen! Das zeigt doch bloß, daß Du noch Feuer hast unter der Asche. Andere arme Teufel haben sich so lange hier herumgetrieben, daß sie durch und durch hölzern geworden sind; nichts als außen die Rinde; und innen Holz Holz Holz Nicht einmal das mehr- wurmstichig und verrottet ah, pfui Teufel!
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Und als Bendel, noch viel verlegener als zuvor, mit Tränen in den Augen dasaß wie ein empfindsamer Backfisch, fuhr er in ernſtem Ton fort, indem er ihn aufmerksam
betrachtete:
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Du sprichst von ihr von dieser Varietésängerin als wäre sie eine Märchenprinzessin; und wer weiß, vielleicht ist sie das auch. Du müßtest sie kennen lernen; das ist das Befte für Dich. Da läufst Du in den Sielen dieser verdammten Linie, für ein bettelhaftes Gehalt, und wirst zuletzt wie alle anderen hier! Wir alle hätten das nötig! Was tut's, ob es auch die größte Schimäre ist, die es auf der Welt • gibt! Glaubst Du, ich wüßte nichts von Deinen Versuchen, über das Gitter hinauszuflattern? Einmal war es die Malschule, und dann war es die Bibliothek. Bei mir war's dasselbe; ich hab' meine Violine herausgeholt und die schwierigsten Etüden von Paginini und Spohr durchgeschuftet dent' bloß! Und das hoch oben in einem Boardinghouse in einer Kammer, nicht größer als eine Garderobe. Bis mir der Arm brannte und ich zu Boden taumelte und wußte, wo ich hingehörte! Nein Du, damit gebt's nicht. Aber solch eine Prinzessin aus Fleisch und Blut die vielleicht bringt einen so weit, daß man rebelliert, daß man protestiert, sich etwas vornimmt, ehe es zu spät ist. Ja, ja, Du; ich meine es gut. Aber ich glaube nicht an Malerei und Musik und Kunst für uns! Das ist bloß wie die Bücher bei Martell in Newberry etwas, das uns hilft, äußerlich die Illusion aufrechtzu erhalten. Wirklich ist es nicht, und das ist der Fehler. ( Fortsetzung folgt.)
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Das Pferd.
Mitten auf der neugedeckten Chaussee saßen die Kinder im Sande und spielten. Das Bild steht mir noch scharf vor Augen, und ich glaube, ich werde es zeitlebens vor mir sehen, wie mir die folgende Szene überhaupt in der Erinnerung bleiben wird. waren ein Mädchen von sieben oder acht Jahren, mit rotem Gesicht, großen, blauen, trenherzigen Augen, recht schwarzem, dichtem Haar, das ihr unordentlich um den Kopf und in den Nacken hing. ein Bube von vier oder fünf Jahren, dick, rosig und blond, der wie ein Zwerg aussah in der zu weiten und zu langen geflicten Hoje, die von abgenutten Trägern gehalten wurde, deren Schnallen fast die fleinen Schultern berührten, und endlich ein kleines Kind, das im Röckchen dasaß, mit großen, ausdruckslosen Augen und einem blonden Wuscheltopf mit kleinen Löckchen.
Ich weiß nicht, was fic fpielten. Wahrscheinlich gar nichts. Mit den schmußigen Händen rührten sie im Sande, sonnten sich und spielten wie junge Tiere in der lauen Frühlingsluft. Niemand behütete sie. Der ganze kleine Weiler schien selige Mittagsruhe zu halten. Wie verlassen kauerten sich die wenigen Hüttchen zu beiden Seiten der Landstraße, die sich endlos und schnurgerade awischen zwei Reihen Buchenbäume hinzog.
umhertrochen, fam ein großer, schwerer Karren mit Segeltuchdach, Da auf der Straße gerade vor mir, wo eben noch die Kinder von einem kräftigen Braunen gezogen. Der Sand dämpfte das Rollen der Räder zu einem leichten Knirschen. Und während ich die zitternden Hände an die Schläfen preßte und den Mund öffnete, ohne daß ich jedoch ein Wort hervorzubringen vermochte, gewahrte ich mit dem gleichen blitschnellen Blicke, daß der Fuhrmann schlafend auf dem Bauche unter dem Verded lag. Die beiden größeren Kinder, der Knabe und das Mädchen, hatten sich an den war sorglos mitten auf dem Wege fiben geblieben und ahnte nichts Graben der Landstraße geflüchtet. Der Kleine aber, das Bübchen, von der furchtbaren Gefahr. Es blieb mir nicht einmal Zeit, hinzuzustürzen schon ging das Pferd über ihn hinweg.
Doch nein, nicht über ihn hinweg. Gerade im Augenblick, da ich meinte, die Hufe würden das Kind zermalmen, blieb das Tier eine Viertelsekunde stehen und senkte den Kopf zu dem Kleinen, wie um Witterung zu nehmen. Dann spreizte es die Vorder- und Hinterbeine weit auseinander und schritt langsam mit dem Karren über ihn hinweg, ohne ihn auch nur zu streifen.
Rufen und Schreien erscholl und Türen wurden heftig aufgerissen. Der Knabe und das Mädchen heulten unter den Schlägen, die sie bekamen. Und bleich, mit aufgelöstem Haar stürzt ein fassungsloses Weib hinzu und hebt den Kleinen unversehrt auf. Von dem Lärm wacht auch der Fuhrmann auf, springt von dem arren, wendet sich um, und als er sicht, was da eben vorgefallen, stößt er schreckliche Flüche und Verwünschungen aus und schläge aus Leibeskräften mit der Peitsche auf das Tier ein.
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Erst da lege ich mich ins Mittel mit Tränen in den Augen stürze ich hinzu. Erwürgen möchte ich diesen Menschen. Doch ohne zu begreifen, wie dies vor sich ging, noch wie es möglich war, beruhige ich mich schon wieder, noch bevor ich ihn erwische. Vollständig ruhig bin ich, als ich die Hand auf seinen Arm lege und mit sanster, versöhnender Stimme zu ihm sage:
" Schlage das Tier nicht, Kamerad. Komme lieber eins trinken."
Er hört auf zu schlagen, wendet sich um und sieht mich mißtrauisch, noch immer zornfunkelnden Auges an. Und ich muß es offen geftehen: ein unaufgeklärtes und unerklärliches Drama spielt sich in meiner Seele ab. Wenn er noch einmal, wenn er nur noch wezje ihn nieder und erwürge ihn. Das ist sicher, ich fühle es. ein einziges Mal auf das Tier losschlägt, stürze ich mich auf ihn, Schlägt er nicht mehr, so verzeihe ich ihm, und ich habe das Gefühl, ein gutes Werk damit zu tun. Zum erstenmal wird meine Sanftmut ein wenig menschliches Empfinden und Mitleid in ihme weden, die dann in Zukunft sich noch oft in ihm regen werden. Er schlägt nicht mehr.
haben, was sonst unvermeidlich geschehen würde. Wie bei der Berührung eines sympathischen Fluidums muß er wohl in seiner veiwilderten Seele die Sanftmut und das Mitleid empfunden haben, die meinem Herzen entstrahlen. Da plöblich ist er ganz besänftigt er wirft die Peitsche über das Segeldach und hält das Pferd an. Ich wende mich um. In dem Gewirr der lebhaft gestikulieren den Leute, die sich inzwischen angesammelt haben, rufe ich die Wirtin und bestelle zwei Glas. Dann gehe ich zum Pferde, nehme den Kopf zwischen die Hände und liebkose es, liebfose es in bebender Rührung.
In der seltsamen Glut meines Blickes muß er wohl gelesen
wahr?"
" Fuhrmann, ich kann ihm doch ein wenig Safer geben, nicht Meinetwegen," antwortete der Mann leise, fast beschämt. Die Frau kommt mit den Gläsern, und wir stoßen an. Ich verlange eine Portion Hafer für das Pferd. Sie bringt ihn in
einem Korbe.
Der Fuhrmann nimmt seinem Tiere das Gebiß aus dem Maule, und während es mit eifrigem, hungrigem Mahlem aus dem Korbe frißt, den ich in der linken Hand halte, streichele ich ihm mit der rechten Kopf und Mähne.
Ich tue es sanft, langsam und oft. Wieder und wieder lieb fose ich dieselben Stellen. Und plöglich will ich fast ersticken vor Rührung und breche in dummes Weinen aus. Ich vermag die Tränen nicht zurückzuhalten.... troß allen Bestrebens, es zu tun, rinnen sie weiter und sollen es auch.
Und sie netzen die letzten Körner, die das gute Roß prustend auf dem Boden des Korbes zusammenlieft.
Nun ist es fertig. Das Weidenförbchen ist leer. Der Fuhrmann legt ihm den Zaun an und der Karren rollt von dannen. Ich reiche dem Manne die Hand, in der sich ein Silbergeldstück verbirgt.
So, da könnt Ihr Euch unterwegs nochmals stärken!" Der Mann wagte mich weder anzusehen noch ein Wort zur reden, so gerührt war er.
Vor der einzigen Schenke des Ories hatte ich mich im Schatten auf eine Bant gesetzt und war selbst halb eingeschlummert, denn ich hatte eine lange Radtour hinter mir. An diesem entzückenden, Einen Moment blieb ich noch stehen, um dem Karren nach warmen Maitage hatte ich schon etwa vierzig Kilometer zurückzublicen. Es mußte wohl etwas nicht in Ordnung sein, denn nachgelegt, und das Ziel meines Ausfluges war fast noch mal so weit. dem er ein Stückchen gefahren, hielt der Fuhrmann von neuem So schlummerte ich denn ein wenig, mit geschlossenen Augen, die und stieg ab. Ich sah, wie er am Halsgeschirr etwas in Ordnung turze englische Pfeife im Munde, aus der ich hin und wieder einen brachte. Bevor er aber wieder unters Segeltuch froch, streichelte Heinen Zug tat, und ein fükes Wohlbehagen rieselte mir durch er dem Gaul die Mähne und flopfte ihm freundlich den Hals. Me Glieder. Dann stieg er wieder auf das Fahrzeug, und ich sah die Peitsche