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Frauenwille ift Gotteswille, aber der Tod ist stärker als de
Frau.
Es war ja nicht möglich, daß der Leiermann nasse Füße bekommen hatte, während er im Herbst bei Schmutz und Regen Fraußen am Wegrand fand und seinen Leierkasten brehte; das fonnte also nicht die Ursache sein zu der Erkältung, bem Husten und den Schmerzen im Rüden, avischen den Rippen und in der Brust. Frau Olson ließ ihn zwei Jaden anziehen, und er trabte mit seinem Instrument hinaus zum Kirchhofsweg, denn der Herbst war seine beste Saison, und es ging nicht an, sich auf die Bärenhaut zu legen, wenn man sein Ziel erreichen wollte, einmal im Galawagen mit Silberschmuck zu Grabe gefahren zu werden.
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Zum zweitenmal mußte das Krankenhaus sich seiner annehmen. Von der Landstraße aus wurde er hingebracht- er fiel auf seinem Posten, sagte Frau Olson später, denn lange Zeit verging, che sie sich von ihrem Schmerze zu erholen und ein so vernünftiges Wort zu sprechen vermochte.
Auf der schwarzen Tafel über dem schmalen Eisenbett im Krankenhaus stand eine Nummer und wunderliche mit Kreide geschriebene Buchstaben und Zahlen. Pleuritis 39-40-41 stand da und die Schwester saß am Bett des Kraufen, seine Hand in der ihren, und hörte geduldig seine Phantasien mit an von einem Sarg mit Engelsköpfen und Löwenfüßen in einem Leichenwagen mit Draperien und Fransen und schwarzen Pferden mit Schabracken und Federbüschen und sie mußte lächeln bei der lehten Bitte des armen Krüppels, daß der Sarg innen hundertalveiundachtzig Zentimeter lang sein sollte,
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Strindberg noch von den zur Rede und Debatte stehenden Proble men das rechte Bild.
Strindberg war nicht im mindesten der Mann, der aus" Haß" seine Werte schrieb. Wenn er also die Eheprobleme, die Probleme des Zusammengeschloffenfeins von Mann und Frau in der The behandelt, so bedeutet das eben, daß er( als echter Forscher und Psychologe) diese Probleme und Phänomene als ungeheuer wichtig ansah, mit denen er als Kulturpsychologe und Dichter sich auseinanderseßen mußte. Das Intereffe Strindbergs an diesen Din gen lag natürlich verankert in seinem persönlichen Leben; aber das bedeutet wenig; er fühlte, sah, erlebte hier Weltkonflikte, Welt. tragit. Seine Psychologie in den in Betracht kommenden Dichtungen ist ganz furchtbar scharf, wahr und einseitig. Das bringt bor allem den Eindruck hervor, er hasse das andere Geschlecht. Versteht man hier das Wort Haß in üblicher Weise, wird die ganze Meinung über Strindberg falsch.
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Im tiefsten Grunde, meine ich, hat taum je ein Dichter die Er log nur sich Frauen mehr geliebt, als gerade Strindberg. und den Frauen nichts vor. Er wollte keine Abgründe mit dünnen Brettern überbrücken. Er riß vielmehr die Bretter, die Konven= fion und Gesellschaft darüber gelegt hatten, mit fühnen Händen fort und zeigte, selbst schaudernd, andere schaudernd machen, hinab in die gähnenden Tiefen der Menschenseele. Er liebte die Frauen mehr als sie sich selber liebten er hatte ein Idea! vom Weibe, und er liebt den höheren Typ Weib. Man könnte ja fragen, ob ein Mann gerade am meisten befugt sei, das Ideal des neuen Weibes aufzustellen. Und ich will die Frage hier auch nicht lösen. Am nächsten Morgen wurde die Tafel abgewischt und das Wir stehen aber vor der unabweisbaren Tatsache, daß die Männer Bett erneuert, um den nächsten Patienten in Empfang zu nehmen, aus Urantrieb ihre Ideale von der Frau nun einmal machen, und Hier aber, bei Strindberg, ber wohl auch sein Lebensziel erreicht hatte. Ständig passieren umgekehrt die Frauen vom Mann. biele Leichenzüge die Stadt über die Landstraße zu dem großen spricht für St. die in der Tat bohrende, wenn auch quälende, Kirchhof feine Leichen, Leichen zweiter und dritter Klasse. Der so doch wahrheitsdurstige Psychologie der Frau. Zeiermann ist nicht unter ihnen. Er war ein Krüppel ohne Folgert man nun aus der Tatsache, daß die Frau bei St. so Familic, und die Aerzte fanden ihn interessant. Die Dozenten, oft schlecht wegkommt", er fei ein Frauenhaffer gewesen( und Denn hinter all Kandidaten, Studenten jeder nahm etwas von ihm, und sie nur das), so ist das nicht weitblickend genug. tragen die Verantwortung, wenn er am Tage des Gerichts seine diesen Werken, in denen scheinbar der Haß wütet, steht, ungeschrieGlieder sammeln soll, sagte Frau Olson, die zu spät tam mit dem ben, die große Liebe und vor allem die gewaltige Sehnsucht Strindein Meter zweiundachtzig Zentimeter langen, mit Engelsköpfen bergs nach dem lieben und gütigen Weibe. Steht auch in anderen Werken direkt geschrieben. Er wollte sich nicht, weltmännisch und Lötvenfüßen geschmüdten Sarg. lächelnd, mit einem so sind sie nun einmal" mit der Frau Er abfinden; er hatte den brennenden Blick in die Zukunft. lechate nach Erhöhung und Vervollkommnung. Und darum ist es so verkehrt, beim Worte vom" Haß bei Strindberg" stehen zu bleiben( welcher Haß nur scheinbar ist) und nicht zu sehen, wie er sich sehnt nach dem neuen Weibe und seiner Liebe.
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Und das Gericht mußte eingreifen, und es nahm alles, mit Haut und Haar; der Leierkasten, das Bett, die Sparkassenbücher, alles wird nun von der Behörde aufbewahrt, die nach den Erben fucht.
Aber Frau Olson steht draußen und kann singen:„ Ach du lieber Augustin, alles ist weg." Und sie trocknet sich die Augen, geht wieder in die Familien, scheuert und wäscht und ist Schweinefleisch, Kohl und Erbsen bis zu dem Tage, da sie denselben Weg gehen wird wie der Leiermann.
( Uebersetzt von Rhea Sternberg.)
Strindbergs frauenbaß".
Bei Gelegenheit der Besprechung Strindbergscher Werke( besonders Dramen) ist von Strindbergscher Frauenpsychologie, vor allem aber von seinem Frauenhaß gesprochen worden. Immer wieder hat Strindberg Frauencharaktere geschildert. Am meisten in feinen Dramen. Die Art, wie es oft geschah, hat ihm den Titel eines Frauenhaffers eingetragen. Es verlohnt somit vielleicht, die Frage nachzuprüfen, ob St. dieser große Haiser auch gewesen sei; es verlohnt sich jedenfalls, auf dies interessante psychologische Problem das Augenmerk zu richten. Ja, ich möchte sagen, daß St. Frauenhasser gewesen sei, erscheint den meisten so evident, daß der Kunst- und Kulturpsychologe daraus die Mahnung ziehen dürfte, nun einmal genau nachzuprüfen, wie es sich damit verhält. Strind bergs persönliches Leben kann hierbei ruhig ausgeschaltet werden, einmal, weil nicht sein persönliches Leben zur Debatte sicht, sondern seine Kunst-, Lebens- und Menschenanschauung; zum zweiten, well Strindberg gerade zu den Menschen und Dichtern gehört, die ihr Leben ganz furchtbar, tragisch ernst nahmen, denen die Kunit aus ihrem schmerzenreichen Leben floß( und nur daher) furz: deren Kunst im wesentlichen nichts anderes ist als die Darstellung ihres Lebens, oder: als die in der Darstellung sich manifestierende leberwindung des Lebens.
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Wir brauchen aljo als Unterlagen wirklich nichts anderes als die betreffenden Dichtungen. Und da muß man ja sagen, verständlich ist es schon, daß die Meinung von Strindbergs fanatischem Weiberhaß auftam; denn wie er das Problem der Frauenpsyche sowie das Problem der Ehe anfaßt in seiner Dichtung, vor allem in einer Reihe Dramen( Der Vater, Kameraden, Fräulein Julic, Gläubiger usw.), das zeigt sowohl geniale wie einseitige Psychologie. Das zeigt aber auch den gewaltigen Dichter, der bei aller Einfeitigkeit groß bleibt. Und vor allem: wenn man nicht sieht, was Sahinter liegt, hinter diesem scheinbaren Fanatismus, mit dem er( mit unerschrodener unerbittlicher Hand) die Seele der Frau, seine eigenen Wunden, jeine eigenen Sehnichte und die immer wieder aus dem ehelichen Zusammenleben ausbrechenden Konflikte des Mannes wie der Frau bloßlegt ich sage: wenn man nicht sieht, was dahinter liegt, gewinnt man weder vom Dichter
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Einseitig war er in seiner Psychologie, in der Bewertung der Gheverhältnisse und probleme. Das ist ein Manko bei ihm. Er berücksichtigte nicht, wie viel den Konflikten der Ehe, dem auflodernden Gegensatz zwischen Mann und Frau auf Rechnung der ganz einfachen banalen Tatsache zu sehen ist, daß Mann und Frau ja eben zusammen leben müssen. Daß sie so vertettet sind. Zog nicht in Erwägung, ob nicht, wenn zwei Frauen oder zwei Männer ebenso unlöslich zusammengebunden wären, dann nicht ebensolche Konflikte heraufkommen würden? Hier liegt meines Erachtens der Kern der Frage. Hier hätte psychologische Forschung anzujeßen, wenn sie etwa darüber Klarheit schaffen will, ob die Schuld" an den Ehekonflikten vorwiegend die Frau oder den Mann trifft. Aber die Frage wird faum zu lösen sein. Der Begriff des " Schuldseins" follte hier ganz fortgetan werden( follten Eheleute Es sollte ganz einfach der( vorhandene) auch gar nicht fennen). Gegensatz der Geschlechter scharf ins Auge gefaßt, tief erlebt werden. Das ist die Aufgabe und das Problem des Künstlers ( auch bei Strindberg). Die Praxis des Lebens sucht das Kompromiß des tatsächlichen und möglichen Zusammenlebens zu finden. genialer Dichter wie Strindberg, ein so unerschrodener Dichter dann fordern, daß er immer gehört wird; denn groß ist er immer, Karl Röttger . auch dort, wo er selten) cinseitg wird.
Kleines feuilleton.
Weihnachtsmarkt.
Ein
R. Voigtländers farbige Steinzeichnungen. Will ein Wandbild gute Freundschaft mit uns halten, so muß es sich neben uns mit eigener Straft behaupten können. Es genügt nicht, daß es sich unseren Stimmungen und Gedanken fügt: es muß mit uns harmonieren, aber zugleich stärker sein als wir selbst, fo daß es uns mitzwingen fann und wir ihm willig folgen. Wer möchte ein Bild in seine Stube hängen, das ihm ärgerlich ist? Wie kann der bildnerische Wandschmud in Gastwirtschaften uns die gesuchte Ruhe beeinträchtigen, oder wenigstens: wie gleichgültig bleibt er 1113 oft! Und doch brachte der wirt die Bilder an die Wand, um seinen Gästen die Gemütlichkeit und die Lust zum Bleiben zu erhöhen. Der Kneipwirt, der für viele fehr verschieden geartete Menschen sorgen muß, hat's freilich besonders schwer. Aber in unseren Wohnstuben sind wir selber Herr, und hier werden wir uns, sollen wir uns gegen das Mergerliche und Gleichgültige auflehnen wie Faust gegen den ungebärdigen Pudel: