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nächster Zeit doch noch erscheinen. Unter den Quittungen tragen drei die Namen Züricher Einwohner. Ist es vielleicht aus diese drei Seelen noch auf eine besondere Er- Pressung abgesehen? Das scheint doch der Sinn dieser neuen Verlautbarung." Cäsar Schmidt's Wege sind wunderbar. Liberale Unwissenheit. Die kundigen Thcbancr der ,, Saale-Zeitung"(Nr. 198 vom 28. April) schreiben: Unsere Reichsverfassung gebietet: Neichsrecht bricht Land- recht. Und dennoch hat die sürstlich Lippesche Landesregierung unter dem 13. April 1892 eine Verfügung erlassen, in der die Staatsbeamten des Fürstenthnms augewiesen werden. An- gehörige der bayerischen Landestheile nur dann zur Eheschließung zuzulassen, wenn sie durch amtliche bayerische Bescheinigung nachgewiesen haben, daß sie den Vorschriften des bayerischen Heimalhsrechts genügt haben. Auf diese Weise wird dem bayerischen Reseroatrecht außerhalb Bayerns Geltung verschafft, während doch das Reichsrecht das in dem bayerischen Heimalhsrecht liegende Ehehinderniß nicht anerkennt." Selbstverständlich ist diese Verfügung der Lippeschen Landesregierung durchaus korrekt; sie ist eine nothwendige Konsequenz der zu Recht bestehenden Zustände. Die staats- rechtliche Weisheit derSaale-Zeitung", die einmal etwas davon läuten gehört hat, daß Reichsrecht Landrecht breche, ist sich nicht bewußt, daß das bayerische Heimathsrecht ein verfassungsmäßig gesichertes R e s e r v a t r e ch t ist, das die Anwendung der reichsgesetzlichen Vorschriften betreffs des Unterstützungswohnsitzes auf Bayern ausschließt. Aber es ist eine alte Erfahrung, daß die bürgerliche Presse über die Verhältnisse jenseits der Mainlinie so schlecht unterrichtet ist, als ob Süddeutschland eine patagonische Provinz wäre. Tie ultramontanen Sittenrichter. Im öfter- reichischen Abgeordnetenhause richtete der Klerikale Zallinger eine Interpellation an den Justizminister wegen einer an- geblich blasphemischdn Stelle in dem in derNeuen Freien Presse' erscheinenden RomanHermann Jfinger' von Adolph Wilbrandt. Anarchistische Kundgebung in London ". Mit dieser Ueberschrift bringen die Zeitungen, welche die Aus- staffirung des Rothen Wauwaus geschäftsmäßig betreiben, sensationelle Schilderungen eine,großen' Kundgebung, zu der das Begräbniß der Frau eines der im Bureau des Commonweal' Verhafteten Mowbray den Anlaß gegeben. In Wirklichkeit waren höchstens 200 Personen gegenwärtig, und unter diesen höchstens ein paar Dutzend sich Anarchisten nennende. Mowbray selbst ist beiläufig gar keinAnarchist', und hat seinen Mitverhafteten, den sehr zweifel- hasten Nicoll, vor Gericht aufs Entschiedenste desavouirt. Die krampfhaften Versuche der Londoner Polizei, den Prozeß gegen dasCommonweal" zu einem Ereigniß ersten Ranges aus- zubauschen, scheitern an der Jämmerlichkeit des leser- und einflußlosen Winkelblättchens und an der absoluten Be- deutungslosigkeit der zwei Angeklagten, die übrigens beide vor die Geschworenen verwiesen sind. Mowbray ist gegen Kaution, die William Morris für ihn stellte, aus der Unter- suchungshaft entlassen für Nicoll wurde keine Kaution angenommen. Belgische Dynamiterek. Wir haben dieser Tage gezeigt, wie der Tynamit-Schrccken in Belgien von Polizei und Gerichten künstlich gemacht wird. Jetzt kommt anS L üt t i ch die Nachricht, daß am 23. April in einem Hause am Platze St. Pierre eine Dynamitexplosion stattfand, durch welche an dem Hause ein erheblicher Schaden ver- ursacht wurde.Menschen sind nicht verletzt worden. Man nimmt an, daß die Bombe auf ein Fensterbrett des Parterre- geschosses niedergelegt war. Die Zimmer sind vollständig verwüstet, die Möbel zertrümmert. Der Staatsanwalt und die Polizeibehörde haben sofort die Untersuchung begonnen." Der erste Mai steht vor der Thür! Zum bulgarischen Gesaudtenmord. Der Straf- Gerichtshof in Konstantinopel hat gegen die Brüder Niko- laus und Raum Tufektschiew, welche in der bulgarischen Note vom 12. Apbil nebst Wladimir Schischmanow als die intellektuellen Urheber der Ermordung des Dr. Wulkowitsch bezeichnet werden, eine Vorladung erlassen, in welcher sie ausgefordert werden, binnen 10 Tagen vor dem Gerichtshose zu erscheinen, widrigenfalls sie aller ihrer bürgerlichen Rechte verlustig erklärt werden und ihr etwa in der Türkei befind- liches Vermögen konfiszirt wird. Wenn nun auch Niemand annehmen kann, daß diese Dorladung irgend einen praktischen Talente eine große Zukunft vor sich; wir können sie fordern und Ihnen eine würdige Stellung verschaffen; Sie werden dabei das treibende Element in unserem Vereine sein, wie es auch Dr. Lutz war, und auf diese Weise leisten Sie jedenfalls der Sache der Freiheit größere Dienste, als wenn Sie sich aus einen extremen Standpunkt stellen und auf so einem verlorenen Posten vielleicht untergehen, nutzlos und dann wohl auch unbeweint.' Beide waren in dieser Zeit an einem entfernten Fenster stehen geblieben, durch welches Lange gedankenvoll sah. Endlich wendete er sich nach dem Haupt der Liberalen um und meinte: Herr Doktor, ich bin durchaus nicht der Mann, der irgend eine Verständigung zurückweist, aber ich stehe im Auftrage einer großen Zahl von Menschen, die politisch so- wohl, wie materiell benachtheiligt werden. Wollen Sie für diese etwas thun, wollen Sie das allgemeine gleiche und direkte Wahlrecht als gerecht und richtig anerkennen. wollen Sie zu gleicher Zeit sich dafür erklären, daß dem Ausbcutungssystem der Kapitalisten zum Schaden der ar- bettenden Klasse ans irgend eine Wei,«, nothigenfalls durch Etaatshilfe, ein Ende gemacht wird,.dann könne» Sie aus mich, wie auf alle meine Freunde rechnen." Raffmaus überlegte eine Weile und erividerte dann: Ich bin durchaus nicht abgeneigt, etwas für die arbeiten- den Klassen zu thun, aber Ihr Wahlrecht, obwohl ich es im Prinzip nicht verwerfen will, ist meiner Ansicht nach zur Zeit noch nicht reis. Wir bringen die Arbeitermassen damit "den Jntriguen der Konservativen und Reaktionäre ent- gegen. Die gebildete Mittelklasse ist jetzt die Trägerin der Kultur, ihr muß die Herrschaft gesichert werden, sonst gehei» wir rückwärts, statt vorwärts." (Fortsetzung folgt.) Erfolg haben werde, so ist immerhin von Interesse, daß die Einbeziehung der Brüder Tufektschiew in den Prozeß gegen die Mörder des Dr. Wulkowitsch überhaupt, wenn auch nur formell, stattgefuuden hat. Die Thatsache beweist zunächst, daß die türkischen Behörden von der Mitschuld der ge- nannten Individuen überzeugt sind, und sie kann in ge- wissem Sinne als eine vorläufige Antwort der Pforte auf die bulgarische Note aufgefaßt werden. Von Schischmanow, der gleichzeitig mit den Brüdern Tufektschiew in der Note genannt wird, ist in der Vorladung nicht die Rede. Natürlich, dieser Anstifter des Meuchelmordes ist das ver- hätschelte, vom Zaren beschützte Schooßkiud der russischen Regierung. Brasilianische Wirren. Aus Rio de Janeiro wird gemeldet, daß die Regierung den auswärtigen brasilianischen Konsuln verboten hat, Schiffen, welche nach Malta Grosso, dem Gebiet, das sich von der brasilianischen Föderativ- republik losgetrennt hat» bestimmt sind, die erforderlichen Papiere auszustellen. Vavkeinackmrliken. Zur Maifeier. Herr Eugen Richter bezeichnet in der Freisinnigen Zeitung" die Maiseier als eine Spielerei, über die sogar unter der Sozialdemokratie die Meinung sehr getheilt sei. Unter dieser Flunkerei verbirgt sich lediglich der tiefe Aerger, welchen die Ritter vom goldenen Kalbe gegenüber jeder Heer- schau des von ihnen ausgebeuteten Proletariats empfinden. Jeder Mai-Manifestant ist ja ein lebendiger Protest gegen die ver- wesende kapitalistische Wirthschaftsordnung. In Dresden ist der geplante Festzua nicht genehmigt worden.Dringende Gefahr für die öffentliche Ruhe und Ordnung" gab den formalen Grund ab. Europa wird»unmehro beruhigt schlafen können. Auch in Magdeburg ist ein Umzug partout nicht angängig. Dagegen giebt's in Sonneberg früh sogar Reveille. Nach- mittag Waldpartie durch den Eichberg nach dem Schloßberg. In O f f e n b a ch ist der Aufzug wegenzu befürchtender Verkehrsstörungen" untersagt. Es liegt darin das Zu- geständniß, daß die Arbeiterfestlichkeiten die Gunst der Volks- massen für sich haben; bei Kriegervereins- und sonstigen Schaustellungen der Patrioten bleibt in'Offcnbach jedenfalls immer noch Platz genug, daß selbst die umfänglichste Droschke durchkommen kann.' Das öffentliche Volksfest, welches in Mannheim unter freiem Himmel abgehallen werden sollte, ist deshalb unbedingt zu verbieien gewesen, weilnach den be­kannten Anschauungen der Einberufer die öffentliche Erörterung politischer und sozialer Fragen in einer den Widerspruch der An- gehörigen anderer Volkskreise herausfordernden Weise bestimmt zu erwarten" stand undin Erwägung, daß am gleichen Tage durch die Maimesse und die Rennen große Menschenmassen aus Stadt und weiterer Umgebung herangezogen" werden, welche Um- ständedringende Besorgniß einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit erwecken" mußtenund gleichzeitig in Verbindung mit der freien und unbegrenzten Lage der Versammlungsstätte die Wiederherstellung der Ordnung ungewöhnlich" erschweren würden. In Dessau , Bromberg , Zerbst , Eöthen und Jeßnitz in A n- halt, überall wird der 1. Mai gefeiert. Die gegentheilige Hoffnung der Gegner ist getäuscht. Den Bielefeldernge- reicht zum Bescheide", dag dem Antrag betreffend Genehmigung eines öffentlichen Aufzugs am 1. Mai �sticht nachgegeben wer- den kann". Die Leitung der Wiener Arbeiterpartei traf, wie der Telegraph berichtet, eine Reihe von Anordnungen, um einen ruhigen Verlauf der Kundgebung am 1. Mai zu sichern. Um bV» Uhr soll der Aus- zng nach dem Prater stattfinden; allen Versammlungen sollen Resolutionen vorgeschlagen werden betreffs des achtstündigen Arbeitstages sowie betreffs der Einführung des allgemeinen direkten Wahlrechtes für alle Staatsangehörigen, einschließlich des weiblichen Geschlechts, und zwar vom 21. Lebensjahre ab. In Lemberg beschlagnahmte die Polizei die für den 1. Mai be- stimmten Extranummern der polnischen Arbeiterblätter. In Heide (Schleswig-Holstein ) verbot der Bürgermeister Volks- Versammlung und Kommers, weileine Agitation der Sozial- demokratie im Anschluß an die allgemeine Bewegung' bezweckt würde. Wie aus Bochum berichtet wird, sind die zum 1. Mai angekündigten Bergarbeiterfeste verboten worden. Aus Zürich schreibt man derFrankfurter Ztg." Die Maifeier der Arbeiter wird hier auch die Kunst als Agitatrons- mittel benutzen. Die Idee eines Festspiels hatte lange schon die Leiter der Angelegenheit beschäftigt, zumal in dem baumumrahmten Sihlhölzli eins akustisch auter und doch umfangreicher Schauplatz gefunden worden ist. Die ursprünglich ins Auge gefaßte geift- reiche dramatische StudieGlühende Wipfel" des Lyrikers Henkell hat sich als unaufführbar erwiesen. Ein hiesiger Schrift- Neller hat nun ein kurzes Stückchen geschrieben, welches von Arbeitern aufgeführt wird. Es wird darin das Erscheinen zweier historischer Figuren aus der Blüthezeit deS Handwerks inmitten der heutigen Arbeiter dargestellt. Aus dem Konflikt der Anschau- ungen gehen versöhnende Meinungen hervor, die Wahrheit rein und edel zu verfechten. Aus Breölau wird uns über eine Gerichtsverhandlung, die in Sachen einer Privatklage des dortigenGeneralanzeigers" wider den Reichstagsabgeordncten K u n e r t am 2». April statt- fand, geschrieben: Wie in den übrigen Fällen handelt es sich auch hier um ein Preßdelikt, dessen Verfolgung längst verjährt ist, ohne daß richterlicherseits eine Handlung vorgenommen worden wäre, durch welche der Lauf der Verjährung hätte, unter- brochen werden können. Um diese für den Privatkläger allerdings sehr mißliche Folge um so mißlicher, als ihn nach Einstellung des Versahrens selbst die Kosten desselben treffen müßten ab- zuwenden, wurde ein großes Maß von Scharfsinn seitens seines rechtsgelehrten Vertreters ausgewendet. Er entwickelte nämlich fol- gende Theorie: Die Verjährung sei unterbrochen worden einmal durch den das Hauptverfahren eröffnende» Beschluß, gleichviel ob dieser zu- lässig gewesen sei oder nicht. Denn da das Gesetz keinen Unterschied zwischen zulässigen und unzulässigen Handlungen mache, so müsse eben auch eine unzulässige Handlung zur Unterbrechung der Ver- jährung geeignet gewesen sein. Die Verjährung sei alsdann unterbrochen worden durch die richterlichen Reproduktions- Verfügungen. An sich seien letztere allerdings bedeutungslos; allein maßgebend seien die Erwägungen des Richters, welche zu denselben Anlaß gegeben und ohne Zweifel darin bestanden hätten, daß durch jene Verfügungen die Strafversolgung erniög- licht werden müßte, so daß hierin recht eigentlichgegen den Thäter wegen der begangenen That" gerichtete Handlungen ge- funden werden könnten. Die Verjährung habe aber serner auch während der Dauer der Reichstagssessiongeruht". Denn es sei ja die Fortsetzung des Verfahrens abhängig gewesen von einer Vorfrage, deren Entscheidung in einem anderen Verfahren habe erfolgen müss-n(§ 69 Str.-G.-B.)z nämlich der Frage, ob sich der Kaiser eiwa für die Schließung des Reichstags entscheiden und so die Immunität des Angeklagten zum Erlöschen bringen werde. Das Gericht hat nach Lage der Sache geglaubt, den Beschluß über Einstellung des Verfahrens aussetzen zu müssen bis nach Erledigung der gegenwärtig beim Reichsgericht schwebenden Sache, in der ebenfalls die Einstellung des Verfahrens als ver- jährt beantragt worden ist. Tiefe Entscheidung dürft« jedenfalls für die gesammten Versahreu von präjudizieller Bedeutung sein. AlS Lüge bezeichnet die Bielefelder Volksmacht' in Nr. 97 vom 26. April die MiUheilung eines Korrespondenten derKreuz- Zeitung ', worin es u. a. hieß:im übrigen hat sich aber bei der sogenanntenSchlacht von Spenge" gar nichts ereignet, was zu einer Anklage wegenLandfriedensbruchs" hätte Anlaß bieten können. Ernstliche Verletzungen haben nicht stattgefunden." Ebenso tritt dieVolksmacht" der Behauptung, Pastor Jskraut habe sich um den Schutz der von den Bauern bedrohten Sozial« demokraten diegrößten Verdienste" erworben, in einer Weis» entgegen, die es für uns außer Zweifel stellt, daß dieKreuz, Zeitung" von ihrem Korrespondent auffällig unverschämt be- schwindelt worden ist. »» Aus derdeutsche» Bender". Im C am min(Pommern ). woselbst am letzten Sonntag erst die zweite von sozialdemokratischer Seite veranstaltete Volksversammlung abgehalten worden ist, zählt der sozialdemokratische BereinVorwärts" bereits 60 Mit- glieder, und eine Reihe von Slrbeitern, die wegen sonst zu fürch« lender Maßregelung nicht Mitglieder wurden, unterstützen ihn privatim durch Beiträge. Genosse Prang, der den ersten Anstoß zur Agitation für unsere Prinzipien gegeben, ist jetzt aus der Arbeit entlassen worden, weil die Innung seinem bisherigen Meister, der ganz wohl mit ihm zufrieden war, Geldstrafen und sogar den Ausschluß aus der Innung androhte, wenn er den sozialdemokratischen Gesellen nicht entlasse. Prang mußte, um in Cammin bleiben zu können, darauf das Schuhmachergewerbe selbständig betreiben, und schlägt sich nun so gut durchs Leben, als das einem mittellosen Klein Handwerker heutzutage möglich ist. Die Stettiner Arbeiterschaft aber wird beim Jahrmarkt an den Ständen der Camminer Schuhmachermeister, welche bis auf unseren Genossen Prang säinmtlich der Innung angehören sollen, noch viel kühler vorübergehen, als die letzteren der Sozialdemo- kratie gegenüberstehen. Unserer Sache selbst ist der gewerbliche Boykott des Genossen Prang nicht schädlich gewesen Eammtn betheiligt sich diesmal schon an der Maifeier. AuS dem Odenwald wird uns geschrieben: Seit einiger Zeit werden hier in König und Umgegend zahlreiche Arbeiter- blätter und andere Schriften unter den Ardeitern(meist Pfeifen- drechsler und Zigarrenarbeiter) und Kleinbauern vertheilt, resp. zum Lesen verborgt, was in dem Keinen Städtchen, das ungefähr 2600 Einwohner zählt, natürlich Aufsehen erregt. Der hiesige evangelische Pfarrer hat eZ darauf für nothwendig gehalten, im Anschluß an seine zweite Osterpredlgt ein ernstes Mahnwort an seine liebe Gemeinde zu richten, in welchem er die sozialdemo- kratische Gottlosigkeit geißelte und vor der Weiterverbreitung unserer Lektüre warnte. Der geistliche Herr scheint aber seine Lieben nicht genau zu kennen, denn die Leute fordern schon selbst von uns Blätter, und das ist auch ganz natürlich. Der Arme. Bedrückte, von aller Welt Verlassene, er findet ja doch nur bei unserer Partei Trost und Gerechtigkeit. Die Verhältnisse im Innern deS Odenwaldes find mit die denkbar schlechtesten; 12 bis 16stündig« Arbeitszeit, 8 bis 10 M. wöchentlicher Verdienst, das ist das Loos, was hier dem Arbeiter beschieden. Offen als Sozialdemokrat sich zu be- kennen, ist aber hier keine Kleinigkeit; denn wer für un- sere Partei eintritt, kann darauf rechnen, mit Schmutz be- warfen zu werden, und wäre er der tugendhafteste Mensch. Es fehlt noch an dem nöthigen Muth unter der arbeitenden Bevölkerung, und dies hat in dem Mangel an Fühlung unter den Gesinnungsverwandten seine nächste Ursache. Der Kleinbauernstand,(große" Bauen, giebt es hier nicht) bei 2 bis 3 Kühen lebendem Inventar vegitirt er eben nur; ein Jeder hofft schon wieder von der Obsternte, daß diese gut aussallen möchte. Damit halten sich Biel «. Sie klagen durchweg Alle, daß die wirthschasttichen Berhältniffe sich bedeutend verschlechtert haben. Trotz ihrer Bedrängniß stehen aber sehr Viele unserer Sache noch kalt gegenüber. Der Grund liegt darin, daß nicht ihnen bekannte Personen für die Sozialdemokratie agitiren, sondern meist Ge« offen aus großen Städten, die ihnen fremd sind und vor denen fle täglich gewarnt werden. Die Böckelianer leisten in Ver- hetzungen Großartiges. Dem I. Mai wollen die geistlichen Herren hier ebenfalls so viel wie möglich Abbruch thun; sie halten an diesem Tage allenthalbenchristliche" Arbeiterversammlungen ab, in welchen Prediger, und wie sich die Leute sonst nennen, Referate zun, Besten geben. Doch wird sich auch hier die Wahrheit und das Recht endlich breite Bahn brechen, und wenn zum künftigen 1. Mai die herrlichen Melodien der Marseillaise und der übrigen Arbeiter- lieber in den Bergen widerhallen, dann werden sich auch die Gegner, trotz ihrer erbärmlichen Manipulationen, zu unserer Ge- nugthuung sagen müssen: Die Sozialdemokratie keimt und grünt überall, es ist vergeblich� Mühe, st« auszurotten. DaS Fraternifireu der'gescheiteste» Geistlichen mit dem Sozialismus ist den Bürgerlichen schon lange ein Greuel. So macht in Nr. 291 derPosener Zeitung" vom 20. April ein Privateigenthümler seiner schweren Sorge über die Stöckerei Luft. indem er sagt:Wenn die frommen Herren behufs Hebung der allgemeinen SiMichkett kurzer Hand die alsbaldige Verstaatlichung der städtischen(oder auch der ländlichen?) Wohnung»,» vor­schlagen, wie es aus dem evangelisch-soziale« Kongreß geschehen ist und wie es mancher Pfarrer und sozialökonomische Dilettant schon lange that, so hört dabei doch ungefähr der Spaß auf.' Es folgen dann eine Reihe Lobpreisungen der Sozialdemokratie, die sowohl theoretisch wie praktisch den Borzug verdiene und daS Historische und Organische in der Entwicklung weit mehr respek- lire, als die Herren Stöcker und Wagner, und dann wird gesagt, die Pastorenbewegung sündige nicht blos in dem, womit st« dem Sozialismus entgegenkommen will, sondern auch in dem, womit sie ihn bekämpft, z. B. dem Vorwurf, daß sie dem Menschen die Zufriedenheit raube. Es sei gar nicht einzusehen, warum es«in Vorzug sein solle, wenig Ansprüche an das Leben zu stellen, die Steigerung der Bedürfnisse wäre vielmehr«in Haupthebel der Zivilisation, und wo sollten die Unternehmer bleiben, wenn die Massen noch weniger konsumirten als schon jetzt? Für eine solche Unlernützung müsse die bürgerliche Gesellschaft danken. Man sieht, die alte Gesellschaft mag anfangen, was sie will, Alles was sie beginnt, ist nur Wasser aus die Mühle d« Sozial» demokratie. »» Polizeiliches, Gerichtliches tc. In Tirschenreuth (Overpfalz) wurden die Genossen Erhard und Siebenbürger aus Nürnberg vom Schöffen- gericht zu je 100 M. Geldstrase ebensoviel wie das vor- gängige Strafmandat festsetzte verurtheilt, weil sie auf einer Agitationstour in der Oberpfalz sozialdemokratisch« Schriften gewerbsmäßig" oder dochaußerhalb geschlossener Räume" ohne polizeiliche Erlaubniß vertheilt hatten. Es waren nicht weniger als 29 Belastungszeiigen geladen. Gegen das Urtheil ist natür- lich Berufung eingelegt. Das M ü n ch e« e r Landgericht I verurtheilte den Mechaniker D i e h l und den Buchbinder Wasserburger zu je 3 Tagen Hast, weil sie im vorigen Jahre bei der Rückkehr von der Maifeier eine rothe Fahne vorangelragen und Hochrufe aus die soziale Republik ausgebracht haben sollen. Das Landgericht kam damals zu einem freisprechenden Erkenntniß; das Reichs» gericht verwies aber das Urtheil, soweit die Angeklagten von der Uebertretung groben Unfugs freigesprochen waren, zur noch» maligen Verhandlung an das Landgericht zurück. In den reichs» gerichtlichen Urtheilsgründen wird, nach der Mittheilung den Münchener Post" gesagt, daß schon das bloße Zurschaulragen einer rolhen Fahne als des Wahrzeichens der Sozialdemokratte alsgrober Unfug" zu betrachten sei. Schon eine Betheiligung an einer Gruppe, oder an einem Zuge, welchem eine rothe Fahno vorangetragen werde, sei als grober Unfug zu betrachten. Das Landgericht sprach daraufhin die Verurtheilung ans. Kritik an der Reichsgerichtsauffaffung üben, ist überflussig, da ohnehin schon jeder weiß, daß Irren menschlich. Genosse Gustav Lehmann aus Dortumud hat am Freitag das Gefängmß verlassen, woselbst et eine TVainonatiat Straf« verbüßte.