1. Beilage zum„Vorwärts" Berliner Volksblatt. Nr. 101. Somtavend. deu 30. April 1892. 9. Jahrg. Vsvlslmenksvevichke. Abgeordueteuhauö. 83. S i tz u n g v o m 23. A p r i l, 11 U h r. Am MimsUrtische Gras Eulenburg, v. B ö t t i ch e r, Herrfurth, v. Schelling, V.Berlepsch, Miquel, v. Heyden, Thielen, Bosse. Die erste Berathung des Nachtragsetats betr. das Ge- halt des Ministerpräsidenten»vird fortgesetzt. Abg. Enueecerus(natl.): Ich glaube nicht an die lange Dauer der Trennung der Aemter des Neichskanzlers und des Mnnsterpräsidenten, aber das ist kein Grund gegen die Be- willigung, in Bezug auf welche der Landtag nicht ganz frei da- steht wie bei anderen Bewilligungen. Auf die Rede des Herrn Stöcker einzugehen, ist mir keine Freude, weshalb das erlassen Sie mir wohl. Herr Stöcker hat es als einen Fehler bezeichnet, daß I86L die Indemnität nachgesucht wurde. Von seinemeng- herzigen politischen Standpunkt aus, bei seinem beschränkten politischen Horizont ist das ja sehr begreiflich. Bismarck und Kaiser Wilhelm waren damals der Meinung, daß der Sieg der preußischen Truppen nicht ausgenutzt werden dürfe gegen einen Theil des eigenen Volkes, welcher den Sieg doch mitbestritten hatte. Bismarck fand damals die Einigung mit der liberalen Partei. Um des Deutschen Reiches willen und daneben auch um des inneren Friedens willen ist die Indemnität nachgesucht worden. Wenn Herr Stöcker das als einen Fehler betrachtet, so stellt er «ine engherzige Parteipolitik höher als das Eintreten für das Vaterland und für den Frieden. Einem solchen Beurtheiler ver- gangener Zeiten muß natürlich auch die Gegenwart ein Buch mit sieben Siegeln sein. In dem Ansturm gegen das Volksschul- Gesetz sieht Herr Stöcker nur die Mache nationalliberaler Thcaterdirektoren. Die Tausende von Städten, die Universitäten, die drei Minderheitsparteien, die beim Volksschul-Gesetz zusammengingen, das sind alles nationalliberale Theaterdirektoren, auch die Konservativen, welche sich gegen das Volksschul-Gesetz ausgesprochen haben. Herr Stöcker ha: von sich auf andere ge- schlössen. Er verdankt einen großen Theil seiner Erfolge der Agitation. Wenn die Sache länger gedauert hätte, dann hätte ex einen Petitionssturm für das Schulgesetz zu Stande gebracht. Er irrt sich darin, er hätte allenfalls einige Parteiversammlungen auf seine Seite gebracht, aber niemals die Städte, die Univer- sitaten,_ die Männer, die nur im Interesse der Sache, nicht im Jateresse der Partei das Wort ergriffen haben, hätte er nicht für sich gewonnen. Von einer Verständigung über das Volks- schul-Gesetz war keine Rede; das geht aus den Kommissions- Verhandlungen deutlich hervor. Der Kultusminister hat ein neues Volksschul-Gesetz nicht in Aussicht gestellt. Jeder liberale Mann möge aber bedenken, daß eine solche Vorlage sich wiederholen kann, daß es dann darauf ankommt, die Volksschule zu vertheidigen. Ein Schuldotationsgesetz würde uns sehr erfreulich sein. Herr von Huene meint allerdings, daß dabei auch die konfessionelle Frage in Betracht komme. Ich glaube, daß man mit gutem Willen ein solches Gesetz machen kann, ohne auf diese prinzipielle Frage einzugehen. Die höchste rhetorische Blüthe des Abg. Stöcker, aber auch die größte Leistung seiner Wahrheitsliebe war die Wiederholung der Caprivi 'schen Worte von dem Kampfe zwischen Christenthnm und Atheismus. Er sprach allerdings von Christenthum und Antichristenthum; er wollte einen Artikel eines einzigen nationalliberalen Blattes als Beweis dafür anführen. terr Stöcker befindet sich im Jrrthum, wenn er glaubt, die ozialdemokratie durch em streng erkenntnißmäßiges, auf die Worte der Dogmen werthlegcndes Christenthum bekämpfen zu können. Es giebt aber Dogmen, welche viele Leute nicht glauben können, die trotzdem auf dem Boden des Christenthums stehen; es handelt sich dabei um Lehren, die nicht Christi Lehren, sondern die Lehren späterer Zeit sind. Zu diesen Leuten gehören nicht blos liberale, sondern auch konservative Männer, wie z. B. der Feldmarschall Graf v. Molike dazu gehörte, dessen christliche Ge- sinnung Niemand bestreiten wird. Es ist bestritten worden, daß die Gegensätze, die Aussichtslosigkeit einer Verständigung überhaupt vorhanden gewesen wären. Aber Herr von Huene hat selbst die Unversöhnlichkeit der Gegensätze betont. Das Zentrum stellt sich auf den Standpunkt der missio canonica oder wie Gras Ballestrem in Breslau sagte: Freiheit der Kirche und Freiheit der Schule, d. h. Freiheit des kirchlichen Einflusses auf die Schule.(Zustimmung im Zentrum). Diese Freiheit der Schule wäre ihre Unterwerfung unter die Kirche. Wir haben für eine andere Schulsreiheit gekämpft und diesen Kampf werden wir immer wieder aufnehmen.(Beifall). Kultusminister Bosse: Ich bin dahin falsch verstanden worden, daß ich die Vorlegung eines Dotationsgesetzes als un- möglich bezeichnet hätte. Eine solche Vorlage ist möglich, aber es kann Niemand gehindert werden, dabei die ganzen konfessionellen Gesichtspunkte zur Sprache zu bringen. Solche Erörterungen wollte ich nach kurzer Amtsführung nicht hervorrufen. Ich will durchaus nicht prinzipiellen Erörterungen aus dem Wege gehen; ich werde die Entscheidungen sachlich treffen nach bestem Wisse». Ich kann aber doch nicht alle Erlasse meiner Amtsvorgänger, so den betr. der Dissidenten, prüfen, ob sie meiner Ansicht widersprechen. Das wird ganz allein im Lause der Dinge kommen. Tan» werde ich die Entscheidung treffen und zwar nicht allein, sondern in Gemeinschaft mit dem beiheiligten Minister.(Beifall rechts). Abg. Lieber(Z.): Herr Enneccerus behauptet, daß es sehr viele Dogmen gebe, welche viele Christen nicht glauben könnten. Wenn er sich auf den Grafen Mottle berufen hat, so kann uns doch der nicht als Kirchenvater entgegengehalten werden. Kennen die Herren denn nicht das Wort des Stifters der christlichen Religion, des Sohnes des lebendigen Gottes: „Wer nicht für mich ist. der ist wider mich"'s Den hier A». wesenden wird von Niemand Atheismus und Antichristenthum vorgeivorfen werden; aber die Bewegung draußen werden wir wohl so bezeichnen können. Die Zurückziehung des Schulgesetzes ist draußen überall als eine Niederlage des Christenthums be- zeichnet worden.(Gelächter links.) Redner beruft sich auf die „Allgemeine Zeitung ", welche den Liberalen den Vorwurf macht, daß sie sich nicht kräftiger gegen den Neliglonsunterricht� m der Schule ausgesprochen haben. Der Kampf gegen drei e» Auti- christeiithum muß durchgetämpft werden, denn der Staat geht zu Grunde, wenn die Entscheidung gegen das Christenthum aussallt; dann kommt der Sozialismus zur Herrschaft. In der Schulfrage ist das Zentrum einig, da giebt es keine Schallirungcn, wre rn mehr politischen Fragen. Die Herren, welche von der Priester- schaft, von hierarchischen Bestrebungen u. s. w. sprechen, scheinen die Schule als etwas in sich Abgeschlossenes, als Selbstzweck zu betrachten. Wir betrachten die Schule als eine Einrichtung, welche Verpflichtungen gegen die Familie, den Staat, die Kirche, die Menschheit, aber auch gegen Gott hat. Dieses Dienen der Schule wird vollständig vergessen. Herr Richter hat gesagt: Bei der durchgreifenden Wendung, die eingetreten ist, hätten sämmtliche Minister ihr Amt niederlegen müssen. Herr Rickert meint, die anderen Herren, außer den beiden Haupt- betheiligten hätten die Tragweite des Schulgesetzes nicht erkannt. Herr Miquel wird sich wohl diese Entschuldigung nicht aneignen; denn er mußte doch am ersten wissen, wofür er die sauer ver- dienten neun Millionen aus der Einkommensteuer hingeben sollte. Die Streichung des Verfassungsartikels über die Schule können wir nicht zugeben. Wenn nach der Streichung der drei auf die Kirche bezüglichen Artikel noch ein Artikel der Verfassung Werth hat, dann ist es der Artikel über die Schule. Der Kampf um die Schule wird ein heißerer Kulturkampf werden, als der kirch- liche Kulturkampf. Es ist seltsam, daß die Deutschfreistnnigen solche Verfaffungsartikel als nicht mehr zeitgemäßen Idealismus betrachten.(Widerspruch links.) Die Selbständigkeit wird jetzt an den Parteien wieder höher geschätzt; ich freue mich, daß die Zeiten vorüber sind, wo alles nach einem Manne sah, wo alles durch einen übermächtigen Willen niedergehalten wurde. Solche Gegensätze, wie sie bestehen, müffen doch lieber offen dargelegt werden, damit eine Gesundung herbeigeführt wird. Ein sestcs Bündniß des Zentrums mit den Konservativeu bestand nicht, und wenn es bestanden hätte, ist Herr v. Kardorff etwa auch der An- sicht des Herrn v. Zedlitz , daß dem deutschen Volk gegenüber der schwarzen Jnternationalcn noch eine größere Aufgabe gesetzt sei als gegenüber der rothen Internationalen? Sie würden jaunfehlbar der rochen Internationalen in den Rachen fallen, wenn die schwarze Internationale nicht wäre!(Große Heiterkeit.) Wenn die Entwickelung der Zeit zur Selbständigkeit hindrängt, dann werden sich große Gegensätze geltend machen und schließlich allein bestehen; alles mittelparteiliche dazwischen wird fortfallen. Damit bin ich mit Herrn v. Kardorff fertig.(Abg. v. Kardorff, der während diescr Bemerkungen dem Redner in kurzer Ent- fernung gegenüberstand, verläßt mit einer Verbeugung gegen den Redner seinen Platz, was große andauernde Heiterkeit hervor- ruft.) Die Universitäten und die städtischen Kollegien bilden nicht die überwältigende Mehrheit des Landes, diese steht auf unserer Seite. Bezüglich des Dotattonsgesetzes bin ich mit dem Kultus- minister einverstanden. Der Minister hat uns von einer Ver- waltungspraxis gesprochen, aber was nützt uns, die wir in raschem Wechsel die Ministerien Mühler, Falk, Puttkamer , Goßler, Zedlitz und Bosse haben vorübergehen sehen.(Große Heiterkeit.) Ich bedauere, daß man. statt eine geschlossene Mehr- heit zu benutzen, sich wieder auf die Vcrwaltungspraxis zurück- ziehen will. Wenn etwas an den Ereignissen zu bedauern ist, so ist es das, daß eine starke Regierung zurückgetreten ist(Zuruf: Goßler ist auch zurückgetreten), und zwar zu einer Zeit, wo nichts nolhwendiger ist, als eine starke Regierung.(Zuftimmung im Zentrum.) Wir trauern dem Grafen Zedlitz nach, dessen der Bewegung gegen das Schul- ist der einzige Minister, den ans seinen Grundsätzen stand (Zustimmung im Zentrum.) erklärt, daß er nur das Fazit aus Sturz das eigentliche Ziel gesetz war. Graf Zedlitz ich gesehen habe, der und mit ihnen fiel. Der Ministerpräsident hat einer Rechnung gezogen, die er nicht ausgestellt habe. DaS ist richtig. Aber bedauerlich ist, daß er kein Wort des Bertrauens für die Parteien gehabt hat, die bisher die Regierung unterstützt hatten. Nicht Sie, Herr Ministerpräsident, sind ausgezischt worden, fondern ausgezischt worden ist das vollständige Jgnoriren der Parteien, welche das Schulgesetz fertig zu stellen bereit waren. (Zustimmung im Zentrum, Gelächter links.) Warum spricht man von der Entlastung des Reichskanzlers, während alle Welt weiß, daß man einen Ministerpräsidenten brauchte, weil Graf Caprivi aus diesem Posten nicht mehr bleiben wollte. Früher ist man nicht so zart gewesen in der Berücksichtigung der Minderheiten, welche gegen die Gesetze waren, wie dies der Ministerpräsident gestern ausgeführt hat. Er wird an diesem Standpunkt nicht für alle Ewigkeit festhalten, sonst würde sein Ministerium an einer unausrottbaren Unfruchtbarkett leiden. Eine gesetzliche Fest- legung des christlichen Charakters der Volksschule ist eine Roth- wendigkeit und wenn der Kultusminister gesagt has, er werde ohne Rast aber auch ohne Hast diese Gesetzgebung im Auge be- halten, so hoffe ich, daß er mit dem„ohne Hast" seinem Vor- gänger nicht einen Vorwurf der Ueberstürzung machen wollte; man köunte eher über die Langsanckeit der Fertigstellung des Schulgesetzes kiagen, und ich hoffe von der Arbeiskraft des Ministerpräsidenten immer noch, daß wir uns bald wieder mit einem Volksschul-Gesetzentwurs beschästigcn werden.(Beifall im Zentrum.) Ministerpräsident Graf Eulenburg: Da der Vorredner mir den Rücken kehrte, konnte ich nicht alle seine Ausführungen so genau hören, um ihm ganz richtig antworten zu können. Er hat mich bedauerlicherweise noch niemals so ungerecht beurtheilt als heute. Wenn er mir vorwarf, daß ich in meiner ersten Be- merkung nicht der Parteien gedachte, die sich für das Volksschul- Gesetz interessirt habe», so bemerkeich darüber: Ich konnte mich an die Parteien nicht wenden, das ist nicht meine Aufgabe. Daß die Entlastung des Reichskanzlers nicht die Ursache der Ein- setzung eines Ministerpräsidenten ist. ist richtig. Ich habe nnr die Vortheile hervorzuheben gehabt, welche aus der aus anderen Gründen geschehenen Berufung eines Ministerpräsidenten folgen. Man sollte doch wirklich nicht davon sprechen, ob es noch zu- lässig sei, zu verlangen, daß die Volksschule auf christlicher Grund- läge bestehen soll. Auf welcher anderen Grundlage bewegt sich denn die Volksschule überhaupt als auf der christlichen? Sind wir denn dem Verdacht ausgesetzt, daß wir jemals auf eine andere Grundlage treten wollten oder könnten? Das ist nur künstlich herbeigezogen, um das Vertrauen zu stören. Das Ver- trauen kann allerdings nur durch Thaten erworben werden; aber sehr verschieden ist es, wenn man von Männern von vornherein sagt: Sie verdienten kein Vertrauen. Dazu habe weder ich. noch mein Kollege Bosse Anlaß gegeben. Ich verstehe das Bedanern über die Zurückziehung des Gesetzes und ich theile das Bedauern (Hört! rechts), nicht daß ich glaube, daß etwas zu Stande ge- kommen wäre, aber der Lauf der weiteren Verhandlung hätte zur Klarstellung der verschiedenen Standpunkte geführt und eine bessere Grundlage für die weitere Arbeit gegeben als wir gegen- wärtig haben. Abg. Friedberg(natlib.): Wenn Herr Lieber es abgelehnt hat, den Grafen Moltke als Kirchenvater zu betrachten, so können wir ihn, trotz der Religionsstunde. die er heute dem Hause er- theilt hat. auch nicht als Kirchenvater ansehen. Er hat ebenfalls von dem Kampf des Christenthums gegen den Atheismus ge- sprachen, aber nicht den Beweis dafür erbracht, daß man die Zurückziehung des Schulgesetzes als eine Niederlage des Christen- thums betrachtet hat. Die religionslose Schule soll zum revolutronären Sozialismus führen. Wir haben aber keine religionslose Schule; auch die Simultanschule ist nicht reliaions- los. Aber wen» wir einmal dem Stachen der rothen Jnter- nationalen versallen sein sollten, dann ist es mir nicht gleich, wer mich herauszieht; ich lasse mich nicht von jedem heraus- ziehen.(Heiterkeit.) Wir haben eine Volksschule auf christlicher Grundlage; gerade das Zentrum wollte die Grundlage ver- schieben. Eine bemerkenswerthe Aeußerung des Herrn v. Huene war die von der„sogenannten" Kultur. Er verlaugt seitens der Regierung eine Rücksichtnahme auf das starke Zentrum und wundert sich, wenn die Regierung auf andere groß« Parteien im Lande Rücksicht ninunt! Besser als Herr Stöcker hat es Graf Ballestrem verstanden, die Gegner des'Schulgesetzes zu zeichnen: er sprach von den ungläubigen Professoren, welche den Materialismus und Atheismus lehre» und damit der Sozial- demokratie vorarbeiten, von den Protestantenvereinlern, welche die Gottheit Christi leugnen, vom evangelischen Bunde, welcher die Konfessionen zu Gunsten des Unglaubens auf ein- anderhetzt und von den Altkatholiken und Reformjuden! Wenn Graf Ballestrem in seiner Breslauer Rede vom ver- storbenen Abg. Wiudthorst gesprochen hat als von dem General- stabschef unseres Herrgotts, so ist mir das unfaßbar. Den Ausdruck, der mir auf den Lippen schwebt, will ich lieber unter- drücken. Das Zentrum niacht jetzt den Eindruck, als wenn es weder über einen himmlischen noch einen irdischen Generalstabs- chef verfügt.(Heilerkeit.) Herr Stöcker bezeichnete die Gegner des Schulgesetzes gleich dein Reichskanzler als Atheisten. Die Petition der Universität Halle ist angeregt von der dortigen theologischen Fakultät; sind das auch Atheisten gewesen? Die Petitionsmache haben die konservativen Geistlichen ebenfalls ver- standen. Der Gegensatz zwischen Konservativen und Liberalen ist nothwendig, ich glaub« aber, daß dieser Gegensatz sich all- mälig abschwächen wird. Ich bin der Ueberzeugung, daß die Konservativen sich ihren Einfluß nur bewahren werden, wenn sie gemäßigt sind. Die persönliche Meinung des Kultusministers achten wir; da ihn Herr Lieber heute schon zu den Todten ge- warfen, so hoffen wir, daß er wie jeder Todtgesagte recht lange leben wird; wir hoffen auch, daß er uns ein Schuldotationegesey vorlegen wird. Die vollständige Streichung des Schulartikels aus der Verfassung hat Herr Richter nicht verlangt. Graf Ballestrem meinte in Breslau , daß die Krone schlechte Rathgeber gehabt habe, wir halten die Rathgeber für gute, die den Streit der Parteien unterbrochen haben. Ich hoffe, daß der Friede erhalten bleibt, dann wird Preußens Schule wie in aller Zeit die beste aller Staaten sein.(Beifall links.) Abg. Porsch(Zentr.) bestreitet, daß ein Dotationsgesetz ge- inacht werden könne, welches sich nur auf die Regelung der Lehrergehälter beziehe. Es müsse dabei auch die Frage des Schulvermögens und ähnliche Fragen behandelt werden. Das Zentrum verlange für sich keiue besondere Stellung. Es hätte beim Goßler'schen Entwurf nmjorisirt werden können, deshalb mußte sich die Minderheit auch jetzt gefallen lassen, beim Zedlitz- schen Entwurf majorisirt zu werden. Statt deffen hat d,e Re- gierung einen Entwurf, der im Landtage eine sichere Mehrheit hatte, aus Rücksicht auf die Minderheit zurückgezogm. Christen- thum und Atheismus sind die weltbewegenden Gegensätze; viele leisten unbewußt dem Atheismus Vorschub, weit sie sich über diese Gegensätze nicht klar sind. Die Voltairianer meinten, daß den Luxus des Unglaubens sich die oberen Klaffen leisten könnten, aber wehe, wenn der Unglaube die großen Maffen erfassen sollte. Diese Leute»varen ungläubig, aber klug. Jetzt nimmt der vierte Stand das Recht des Unglaubens für sich in Anspruch. Gegen den Volksschul-Gesetzentwurs haben sich auch erklärt Pastor'Schwalbe-Bremen, der alle diejenigen nicht als Atheisten betrachtet, die an das Gute glauben, und Professor Felix Dahn , dem das alte deutsche Heidenthum höher steht als das Christenthum. Den Antiseniitismus erklärt man für eine Schmach des Jahrhunderts, aber den Kampf gegen Kirche und Priesterthum verurtheilt man nicht. Zu hoffen ist immer noch, daß wir auch über die Kreise der Kon» servativen hinaus nnt Christen zu einer Verständigung gelangen. Die Mittelparteien erklären allerdings, sie wollten kerne kon- fessionslose Schulen, aber sie entscheiden sich auch nicht für die konfessionellen Schulen, weil sie für die Simultanschulen schwärmen, die entweder generell oder für einzelne Fälle verlangt wird. Die Minderheit ist in dieser Beziehung durchaus nicht homogen. Vom christlichen Standpunkt muß man den christliche:, Religions- Unterricht verlangen und vom freiheitlichen Standpunkt muß man den Eltern die Sicherheit geben, daß ihre Kinder in ihrer Religion, in der von der Kirche anerkannten Weise unterrichtet werdey. An der Entrüstung gegen das Schulgesetz haben sich Leute betheiligt, die dasselbe überhaupt nicht gelesen hatten, sie zogen ihre politische Belehrung einzig und allein aus ihrer Zeitung. Nach dieser Richtung hin hat die Presse einen ver- verblichen Einfluß ausgeübt. Wenn der Entwurf Gesetz geworden wäre, hätte man eine Aenderung des Schulwesens kaum bemerkt. Deshalb mußte es um so schmerzlicher sein, daß die Vorlage zurückgezogen wurde, weil man sie durch eine Majorität von Zentrum und Konservative» nicht fertig stellen wollte. Abg. v. Rauchhaupt(k.): Ich war betroffen darüber, daß gestern, als ich davon sprach, daß uns keine Zeit gelassen worden sei, die Gegensätze zu überwinden, auf der linken Seite ein Hohn- gelächter ertönte. Wenn ein ähnlicher Ton in der Kommission angeschlagen wurde, wie namentlich von Herrn v. Kardorff, so kann ich begreifen, daß man das nicht ertragen konnte. Herrn v. Kardorffs Rede, die heftiger war, als die heutige Rede des Herrn Friedberg, zeugte wohl von seinen, schlechten Gewissen über das Bündniß, das er eingegangen ist, welches bis zur äußersten Linken reicht. Unsere Erklärung ist bemängelt worden; wir haben bedauert, daß uns keine Zeit gelassen worden ist, eine Verständigung herbeizuführen. Unser Programm verlangt d,e konfessionelle Volksschule und wir hätten gewünscht, daß ein Schulgesetz zu Stande gekommen wäre, welches unsere Jugend religiöser erzieht, als es jetzt geschieht. Man hat uns der Gouveruemea. talität geziehen. Waren wir unselbständig, als wir d,e Land- gemeinde-Ordnung und die Handelsverträge ablehnten, als wir das Sperrgelder-Gesetz, welches unannehmbar war, umwandelten? Ein Bündniß haben wir mit dem Zentrum niemals geschlossen; aber können Sie uns die Anlehnung an das Zentrum verdenken, wenn die anderen Parteien uns im Stiche gelassen haben. Man hätte doch das Ende der Berathung abwarten sollen? Die Mög- lichkeit der Vereinbarung lag vor, wenn allseitig ein verständiges Nachgeben stattgesunden hätte. Darin liegt die unangenehme Situation für die konservative Partei, daß der Schein erweckt wird, sie hätte die Vereinbarung gehindert, während man doch von anderer Seite d,e weitere Berathung unmöglich gemacht hat. Es liegt nicht im Sinne des Schweigers Moltke, daß man das. was er in seinem Kämmerlein sich abgerungen hat, in die Oeffentlichkeit getragen hat. Herr von Kardorff glaubte, bei diesem Gesetz noch konservativ gewesen zu sein; er hat uns als Liberale verschrien, weil wir die allgemeine Wahl für die Schulvorstände zulassen wollen. Diese allgemeine Wahl besteht schon jetzt. Wir haben ja auch Verbefferungen beantragt. Herr von Kardorff hat gesagt, das Deutsche Reich sei aus der Indemnität aufgebaut worden; nach- den, Herr Stöcker die Indemnität als einen Fehler bezeichnet hat, hat Herr Richter behauptet, daß die Konservativen gegen die Indemnität gestimmt hätten. Das ist nicht wahr. Die Kon- servativen haben dafür gestimmt, aber die Fortschrittler dagegen. gerr Richter hat auch von dem Eidbruch gesprochen. Davon nn überhaupt keiue Rede sein. Die Verfassung giebt dem Herrenhaus das Recht, den Etat in toto zu verwerfe», aber sie giebt nicht an, was dann geschehen soll. Was soll die Staats- regierung dem gegenüber thun? Es war ein hoher Akt politischer Weisheit des Fürsten Bismarck, das muß ich gegen Herr» Stöcker sagen, daß er die Jndenmttät beantragte. Aber das Deutsche Reich beruht darauf nicht, sondern auf den preußischen Siegen von 1866. Di« nationalliberale Partei ist auf die Indemnität gegründet worden. Es ist geradezu verwerflich, das Verhalten des Fürsten Bismarck so abfällig zu kritisiren.(Beifall rechts). Wir wollten das Schulgesetz nach unseren konservativen christlichen Grundsätzen gestalten; hätten die Nationalliberalen dabei mit- gehen wollen, dann hätte das geschehen können; aber sonst hätten wir es auch ohne die Nattonalliberalen gemacht. Das Haus wäscht heute seine schmutzige Wäsche. Ich hätte gewünscht, daß die Debatte in versöhnlicherem Charakter geführt worden wäre
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten