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Petersburg  . 25. Februar. Die hiesige zugespitzte Lage und Sie Befürchtungen besonnener Politiker charakterisiert ein Artikel Professor Maxim Kowalewskys, der großes Aufsehen erregt. Kowalewsky... führt aus:Kaum geivählte Deputierte bekommen vom Ver- bände des russischen Volkes Drohbriefe mit Hinweisen auf das Schicksal Herzensteins I Damit nicht genug. In derNusskoje Snamja" publizierte der Priester Jlliodor unbeanstandet einen Artikel, in dem er offen zu Pogromen aufruft, sie heiligt und den Mördern Dispens verspricht II Genera! Kaulbars aber, der schon während der Oktoberpogrome mir den Mörderbanden synipathisierte, erklärte jetzt, er könne gegen die Odessaer Ausschreitungen nichts tun. Da gerade in diesem Falle Pogrome hervorgerufen werden würden?In einer Woche werden wir"', sagt Kowalewsky,«von der Uribüne unseres-Parla­ments. die Verteidigung modernster, fortschrittlichster europäi- scher Theorien hören. Unterdessen werden wir aber auf den Straßen überfallen, in den Gefängnissen gefoltert. Leben wir in einer Tatarengefangenschaft und kann wirklich die Regierung, für die keine Unantastbarkeit der Person, der Wohnung, der Korrespondenz existiert, uns nicht schützen, sobald die Angreifer Mitglieder des Verbandes' der russischen Leute sind? Die Zukunft ist bei diesen Zuständen nicht nur für das Ausland, sondern auch für uns Russen ein Rätsel." «* Hoffentlich gelingt es dem russischen Volle nun«endlich, das russischeRätsel" zulösen". Wahlresultate. Petersburg. 25. Februar. tMeldung der Petersburger Tele­graphenagentur.) Nach den bis 11 Uhr abends festgestellten Ergeb- nissen sind 402 Abgeordnete zur Duma gewählt, darunter 8g den monarchistischen Parteien angehörend<31 Monarchisten und 53 Mit- glieder der Rechten), 43 Gemäßigte sdarunter 29 Ottobristen); 285 gehören der Linken an(darunter 29 Progressisten, 74 Kadetten, 30 Mitglieder der Arbeiterpartei, 90 Mitglieder der übrigen Parteien der Linken, sonst wie gestern). Nationalisten und Mitglieder un- bekannter Parteistellung wie gestern. Agraruuruhen in Sibirien  . In der letzten Zeit bringe» die Zeitungen fortgesetzt Meldungen über ernste Agraruuruhen in Sibirien  , die zeitweilig zu regulären Gefechten zwischen Bauern und Militär führen. ImTelegraph  " finden wir folgende Schilderung: Alis den Kabinettsländereien, welche die Bauernlandstücke im ganzen Altai  -Gebiet in einem dichten Ring umgeben, wurden feit der Auflösung der Duma die Waldungen von den Bauern un- aufhörlich stark abgeholzt, was zumal mit Beginn des Winters einen wahren Massencharakter annahm, insbesondere in dem Dorfe S a w j a l o w o(Wolost Pautowo  ). Die Be- Hörden versuchten es erst mit Ermahnungen, dann gingen sie zu Drohungen über, aber nichts wollte fruchten. Die Bauern behaupten konsequent, daß das Kabinett und seine Agenten, die Beamten des Altai  - Bergbezirls, auf die Kabinettsländereien und-Wälder nicht das geringste Recht haben, sondern daß der wahre Herr derselben das ganze russische Volk in der Person seiner Dumavertreter sei. Im letzten Monat hatten sich die Gegensätze aufs schärfste zugespitzt. Nachdem eine sehr nachdrückliche Strafandrohung wieder einmal resultatlos ge- blieben war, wurde eine Strafexpedition, bestehend aus zwei Konipagnien unter Anführung des Kapitäns K.   aus BySk, nach Sawjalowo abgesandt. Die Bauern hatten sich bewaffnet mid empfingen die ungebetenen Gäste so trefflich, daß diese schleunigst den Rückzug antreten mutzten. Die Strafexpedition wäre verloren gewesen, wenn nicht der Forstbeamte Totemninow sie auf ent- legenen Waldwegen in Sicherheit gebracht hätte. Kapitän K. und 2 Sttashniks wurden schwer, 25 Strashniks leicht verwundet. Etwa 9 Dörfer der Wolost Ust- Tarysch haben sich mit den Sawjalowcr Bauern vereinigt und holzen dieKäbinettswälder ab. Starte Militärabteilungen mit Maschinengewehren sind gegen die ungehorsamen Bauern abgesandt." **# In der Stadt B a r n a u l fand am 3. Februar ein Zusammen- stoß zwischen dem Militär und einer Volksmenge statt, welche gegen die �Verhaftung des beliebten VolkSredncrs Lehrer S i m a n i n pro- testiert hatte. Das Militär ging in der rohesten Weise gegen die wehrlose Menge vor. Die Antwort war ein allgemeiner AnS- stand.... Alle Arbeite» sind eingestellt, die Läden geschlossen.... Sind das vielleicht Anzeichen nahenden Sturmes? pollrtlche Ckberftcht Berlin  , den 26. Februar 1907. Der Bergetat. W» Dienstag fand im preußischen Abgeordnetenhause die sogenannte Generaldebatte zum Etat der Berg-, Hütten- und.salinenverwaltung statt..Eigentlich war das Interesse an der Debatte schon erschöpft, bevor sie überhaupt eröffnet wurde: die Besprechung des Unglücks auf der Grube Reden vom letzten Sonnabend und die erste Beratung der Berg- Novelle vom Montag hatten den Herren Abgeordneten genug Gelegenheit gegeben, sich über alle einschlägigen Fragen zu äußern. Daher kam es, daß die Diskussion sich bald in Einzelheiten verlor und jeden großen Gesichtspunkt ver- missen ließ. Hervorgehoben zu werden verdient nur die Anschauung' der Regierung über die L o h n f r a g e. Es ist bekannt, daß die Löhne der Bergarbeiter auf den staatlichen Bergwerken in Saarbrücken   und besorchers in Ober- und Niederschlesien ge- ringer sind als auf den Privaten Bergwerken in Westfalen  und daß die Arbeiter an den steigenden Erträgnissen der Verwaltung so gut wie gar keinen Anteil haben. Wir wiesen das erst vor kurzem an der Hand der amtlichen Denkschrift im einzelnen nach. Selbst die natiosialliberalen Vertreter einseitiger kapitalistischer Interessen fanden, daß die Löhne namentlich mit Rücksicht auf die Teuerungsverhältnisse zu gering sind, was sie jedoch nicht Hinderte, sich mit der Lohn- Politik der Bergverwaltung einverstanden zu erklären! Und tvorin besteht diese Lohnpolitik? Die Verwaltung hält, wie Minister Dr. Delbrück erklärte, vor allem auf die Stabili. tät der Löhne und darauf, daß Schwankungen möglichst ver- mieden werden. Deshalb achtet sie streng darauf, daß die Löhne in Zeiten einer guten Konjunktur nur ganz allmählich steigen und daß sie bei sinkender Konjunktur nicht fallen. Das erstere glauben wir ihm gern, mit der letzten Behaup- tung jedoch stehen die Tatsachen nicht im Einklang; denn in Wirklichkeit ist der Verdienst der Bergarbeiter in schlechten Jahren ganz erheblich gesunken. Die Lohnpolitik, wie sie der Bergfiskus betreibt, war vielleicht zur Zeit der patriarchalischen Zustände am Platze. ist es aber nicht mehr in unserem Zeitalter. Die Bergarbeiter verzichten gern auf die Bevormundung durch den Vater Staat. Am Mittwoch wird die Etatsbcratung fortgesetzt. Koburg-Gotha einst und jetzt. Gotha  , 24. Februar. Die vorgestern begonnenen Debatten des gemein schaft- lichen Landtags der Herzogtümer Koburg   und Gotha   stehen im LeMo der heftigen Ängyffe, Wiche die sechs fozmldeMtklltijchea Abgeordneten unker Führung unseres Genossen Bock gegen das ausgesprochen antisozialistische Ministerium Richter zu unternehmen genötigt sind. Mit dem agrarischen Herrn Kuno von Wangenheim, dem früheren militärischen Begleiter, jetzigem Hausmarschall des jungen Herzogs Karl Eduard, ist auch Geheimrat Richter aus Preußen hierher nach Gotha   gesandt, um an die liberalen Traditionen unseres Herzogtums und insbesondere an die. polttische Hinter- lassenschaft der Aera Hohenlohc-Hentig die bessernde Hand zu legen. Da Herr Richter sich als einer der gelehrigsten Schüler der Bethmann-Hollwegschen Schule erwiesen hat, so war er für. die ihm hier zugedachte Aufgabe durchaus der geeignete Mann. Er unterscheidet sich von seinem Vorgänger Hentig, der vor dem Gesetz keinem Unterschied zwischen sozialdemokratischen und nichtsozialdcmokratischcn Staatsbürgern kannte und unter dessen Regierung Genosse Bock unangefochten als Mitglied des Ver- waltungsgerichtshofs fungierte, durch die bekannte politische Eng- Herzigkeit, die ihm die Bestätigung von Sozialdemokraten als Gemeindebeamten verbietet. Genosse Bock unter- zog im Landtag die gesamte Amtstätigkeit des Ministers Richter einer umfassenden Kritik und warf ihm vor. daß mit seiner Person der preußisch-reaktionäre Geist in unser Land seinen Einzug gehalten habe. Das preußische Re- gierungsshstem kennzeichne sich durch Unduldsamkeit, Unfreiheit, Verketzerung Andersdenkender und Andersgläubiger. In Sachen der Nichtbestätigungen arbeite Herr Richter nach dem Schema X ist Sozialdemokrat, kann also nicht bestätigt werden." Genosse Bock war in der Lage, ein hektographiertes Exemplar des bezüglichen Schemas vorzuzeigen. Auch für die agitatorischen Maß- losigkeiten der in Gotha   erscheinenden Regierungszeitung, die die Verschärfung der Klassengegensätze in unserem Herzogtum ge- flissentlich auf die Spitze treibt und streikende Bauarbeiter als herumlungernde Tagediebe" bezeichnete, schob Genosse Bock dem Staatsminister die moralische Verantwortung zu, des- gleichen für die Hetze, die in Waltershausen   gegen den jungliberalcn Bürgermeister Hartmann von Bourgeoisie und Beamtenschaft betrieben werde, weil er sich nicht zu ihrem Agenten im Kampf gegen die Sozialdemokratie hergebe. Staatsminister Richter fühlte sich durch den Vorwurf, ein preußischer Reaktionär zu sein, angeblich nicht getroffen. Er spielte sich auf den empfindlichen Staatsmann hinaus und machte dem Genossen Bock den heiteren Vorwurf, daß er durch seinen Angriff auf Preußen die freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Bundesstaaten störe. Er verschanzte sich in der Frage der Nichtbestätigungen hinter dem Verwaltungsgerichts- hos, obwohl dieser eigenartig zusammengesetzte Gerichtshof drei von den sieben Mitgliedern sind dem Minister dienstlich unter- geordnet sich schwerlich jemals in Widerspruch zu den politischen Grundsätzen des leitenden Staatsministcrs setzen wird. Im übrigen half sich der Minister, indem er die Argumente Bocks kümmerlich" und dessen Ausführungenolle Kamellen" nannte. Ucberhaupt liebt es der Staatsminister, den Sozialdemokraten gegenüber den Ton selbstbewußter Ueberlegenheit und brüsker Ironie anzuschlagen. Seine Verwahrung gegen den Vorwurf preußischer. Reaktion stieß der Herr Staatsministcr in eigener Person wieder um, indem er am Schlüsse der Generaldebatte des Etats die Mitteilung machte, daß gegen unser hiesigesV o l k s b l a t t" der Grobe Unfugparagraph zur Anwendung gelangen solle, weil es zum Boykott nichtsozialdemokratischer Geschäftsleute auf- gefordert habe. Das ist der Gipfel dessen, was wir bisher unter dem Ministerium Richter an preußischer Regierungskunst erlebt haben. Das Lied:Was man nicht definieren kann, sieht man als groben Unfug an!" war bis zur Stunde in koburg-gothaischen Landen nicht gehört. Das Vertrauen in unsere Justiz ist unter der Aera   Richter bereits vielfach erschüttert worden. Im Gegensatz zu früheren Zeiten kam die Aufgabe der Justiz, ein Instrument zur Niederhaltung der politischen Opposition zu sein, in einer Reihe von befremdenden Urteilen zum Ausdruck. Der Streikbrecherparagraph 153 der Gewerbeordnung kam zur rigorosen Anwendung, ein regierungsfreundlicher Redakteur wurde wegen Beleidigung der sozialdemokratischen Gemeindebehörden in Walters- Hausen zu 60 M. Geldstrafe verurteilt, der Redakteur Walter des bis zur Kandidatur Hohenlohe demokratisch redigiertenGotha  - ischen Tageblatts" erhielt wegen Beleidigung der Gothaer Stadt- Verwaltung einen Monat Gefängnis ein Urteil, das sogar dem Reichsgericht unfäßbar erschien und aufgehoben wurde, Genosse Joos, Redakteur des..Volksblatts", erhielt 200 M. Geldstrafe, weil er in dem bekannten Prozeß der Waltershauser Pädagogen ein Titelchen des Wahrheitsbeweises schuldig blieb usf. Die Debatte über diese volksfeindliche Politik setzte auch am gestrigen Tage wieder ein, als das Gehalt des Staats- Ministers<12 000 M.) zur Bewilligung stand. Genosse Denner, unterstützt von den Genossen Wolf, Joos, Bock. Seehofer sprach gegen die Bewilligung des Gehalts. Staatsminister Richter sang in langer Rede wiederum das Lied von dem revolutionären Charakter der Sozialdemokratie. Die Gegensätze spitzen sich zu, auch in Gotha  !-- #» Deutfehes Reich. Die Taktik des Flottenvcreins. Der Generalmajor Keim veröffentlicht abermals einen ful- minanten Artikel imTag", in dem er seinen Kampf gegen das schwarz-rote Kartell" verteidigt. Der jetzt vom Zentrum deWttnzierte angegriffene Flottenverein sei demdemagogischen Teile des Zentrums" ohnehin schon lange verhaßt gewesen. Eine Satzungsverletzung habe der Flottenverein nicht begangen, sonst hätten auch die Kricgervereine, die Gewerkschaften, die zahllosen katholischen Vereine nicht in den Wahl- kämpf eintreten dürfen. Im Flottcnverein dürfe die Richtung der Nuraufklärer" nicht siegen, sonst gehe er einer unrühmlichen Zukunft entgegen, sonst nehme man ihm semeSeele". Fehlt diese Seele, die selbst die Nationalliberalen zu feurigerem Flotten- enthusiasmus aufpeitschte, so werde er bald zu einem Anhängsel des Reichsmarineamts werden und schließlich deröden Vereinsmeierei" verfallen. Während so Jlolten-Keim noch auf stolzen Rossen sitzt, liest ihm bereits dieKreuz-Zeitung  " die Leviten. Sie, schreibt: Das alles ließe sich hören, wenn die Vertreter des Flotten- Vereins sich auf die Bekämpfung der Sozialdemokratie beschränkt und nicht das Z e n t r u m als eine noch größere Gefahr bezeichnet, den kuror proteztsnticu» gegen diese Partei zu Hülfe gerufen hätten. Abc» so wenig man verständigerweise in die Post-, Eisenbahn-, Krieger� und Kolonialvereine den k o n- fessionalen Hader hineinzutragen versucht, so wenig sollte man auch im Flottenverein dieses im schlimmsten Sinne a n t i» national wirkende Gift verbreiten. Herr Viktor Schweinburg beleidigt jene nationalen Vereine ohne jeden Anlaß. wenn er ihnen vorwirft, sie ließen sich durch Sozialdemokraten und Juden von der Erfüllung ihrer nationalen Pflicht abschrecken. Da sehr viele ihrer Mitglieder der Z c n t r u m s p a r t e i an- gehören, andere den liberalen und konservativen Parteien, so ver- bietet sich ihnen eine. Agitation von Vereinswegen gegen eine von diesen Parteien von selbst, und Gott bewahre sie vor dem Eindringen irgend eine? kon» teilip vellev iuxor, bcsiuier ecptestavtlcus sowohl wie des kuror cstllollcus! Daß sie bei den Wahlen geschlossen gegen die Sozia ldemokratie vorgehen, wird Herr Viktor Schweinburg nicht bezweifeln können. Jede andere Agitations- tätigkeit aber dürften und sollten sie nur als Mitglieder politischer Parteien ausüben und es ist Sache der organisierten Parteien. nicht des Flottenvereins, sie dafür zu gewinnen." Die Konservativen möchten also nicht, daß es der Flotten- verein mit dem Zentrum verdirbt. Weitschauender als Herr Keim sehen sie bereits die Zeit kommen, wo das Zentrum gemeinsam mit den Marinefexen eine einzige reaktionäre Masse bildet, deren Ehrgeiz nur noch darin besteht, d i e So zi a l- demokratieniederzureiten"! Auch ein Wahlprotest. Die Konservativen des Wahlkreises Teltow  - B c e s k o w haben Protest gegen die Wahl des Genossen Z u b e i l eingelegt. Begründet wird'der Protest nach demTeltower KreiZ» b l a t t" mit der Tatsache,daß in einem Teil der Unschläge, welche die Regierung in Potsdam   für die Stimmzettel geliefert hat, Stimmzettel vorhanden waren, Welche von der letzten Reichstags- Wahl zu stammen scheinen, da sie die Namen Hammer, v. Winter- feldt und meistens Zubeil trugen." Das Blatt schreibt dazu weiter: Das unglaubliche Vorkommnis wurde in Rixdorf ent- deckt und dort in vier Wahlbureaus festgestellt. Auch in Britz  sind Umschläge mit Stimmzetteln angetroffen. Die Wahlburcaus haben nun wohl festgestellt, wieviele Sttmmzettel doppelt vor- Händen, also ungültig waren; es konnte aber nicht festgestellt werden, wieviele Wähler sich durch den schon vorhandenen Stimm- zettel davon abhalten ließen, von ihrem Wahlrecht überhaupt Gebrauch zu machen. Manche haben sicherlich gedacht, der vor- handene Zettel wäre für den Regierungskandidaten. Außerdem aber oerbreitete sich die Nachricht durch Rixdorf und auch durch Charlottcnburg, Schöneberg   und Steglitz  , wohin sie durch Vermittelung des Oberbürgermeisteramtes Rixdorf ge- kommen tvar, um festzustellen, ob dort auch die gleichen Unrcgel- Mäßigkeiten vorgekommen wären. Das hat sicherlich viele Wähler von der Ausübung ihrer Wahlpflicht abgehalten, da all- gemein geglaubt wurde, die Wahl sei auf jeden Fall ungültig. Es hat daraufhin sogar der Schlepperdienst stellenweise versagt. Der Fall ist ganz neu, und es ist nicht abzusehen, wie die Wahlprüfungskommission sich dazu stellen wird. Jedenfalls ist die Aussicht, daß die Wahl ungültig erklärt wird, größer, als bei sonstigen Wahlprotesten. Auch die Nationalliberale Partei   hat, wie wir hören, aus gleiche� Grunde Wahl Protest erhoben. Für unsere politischen Parteien ist der Protest jedenfalls ein Mahnruf, die Lehren der letzten Wahl zu beherzigen und die vorhandenen Fehler der Organisation zu beseitigen, damit eine Neuwahl sie besser gerüstet findet." DaS unglaubliche Vorkommnis" ist allerdings schlimm genug und stellt den für die Vorbereitung der WohlgesMfte verantwort- lichen Behörden ein sehr schlechtes Zeugnis aus. Daß die Unregel- niäßigkeiten aber so groß gewesen wären, daß sie die Majorität des Genoffen Zubeil umstoßen könnten, ist lediglich ein frommer Wunsch der Unterlegenen. Sollte indes die Wahlprüfungskommission sich etwa auf den Standpunkt stellen, daß wegen solcher Nachlässigkeit der BeHorden der Wahlakt ohne weiteres ungültig werde, so würde auch die Wahl verschiedener bürgerlichen Kandidaten für ungültig erklärt werden müssen, de»n solche unglaublichen Vorkommnisse sind nicht bloß in Teltow  -Beeskow   und nicht bloß in Kreisen vorge- kommen, in denen Sozialdemokraten gewählt wurden. Im übrigen werden die Genossen von Teltow  -Beeskow   aus der Veröffentlichung des Kreisblattes sehen, wie die Gegner eifrig an der Verbesserung ihrer Orgamsatton arbeiten. Es wird für sie des Anstoßes nicht mehr bedürfen, um die Arbeit für die Partei mit allem Eifer aufzunehmen._ AufWürde" haltende Stadtvüter. . In der niederrheinischcn Industriestadt Duisburg  , wo der protzigste Kapitalismus das Szepter führt, gilt für die Wahlen zum Stadtverordnetenkollegium die Bestimmung, daß nur diejenigen Zensiten wahlberechtigt sind, die mindestens die unterste Stufe der Staatseinkommensteuer zahlen, also zu einem steuerpflichtigen Ein- kommen von mindestens 900 M. veranlagt sind. Infolge dieser Bestimmung sind viele Arbeiter von der Teilnahme an den Stadt- verordnetenwahlen ausgeschlossen. Um diese Ungerechtigkeit zu beseitigen, hatten unsere Duisburger   Genoffen im Herbst 1905 an das dortige Stadtverordnetenkollegium den Antrag gestellt, den bisherigen Wahlzensus von 6 M. auf 4 M. herabzusetzen, so daß auch diejenigen Arbeiter wählen können, die ein Einkommen von 660 bis 900 M. versteuern oder zu dem fingierten Normalsteuer- satze von 4 M. veranlagt sind. Zur Begründung ihres Antrages hatten unsere Duisburger   Genossen auf die Rheinische Städte- ordnung verwiesen, die Ungerechtigkeit des Ausschlusses weiter Arbeitcrkreise von dem Wahlrecht bemängelt und nebenbei mit bemerlt, daß in 2 Nachbargemeinden, Dümpten und Alstaden. das beantragte Wahlrecht ebenfalls bestehe. Der Antrag fand am 19. Dezember 1905 im Duisburger   Stadtparlamente zunächst in- sofern seine Erledigung, als das gesamte Kollegium sich auf den Standpunkt stellte:Der Antrag sei gesetzlich unzu- lässig!!" Diese von geradezu frappanter Unkenntnis der elementarsten Grundlagen des Wahlrechts Zeugnis ablegende Ab- Weisung wurde dann noch weiter damit zu stützen versucht, daß der damalige Beigeordnete Lehwald(jetzt Bürgermeister von Rheidt) erklärte:Es sei nicht richtig wie eine An- srage bei den Kommunalverwaltungen in Dümpten und Alstaden ergeben habe, daß dort nach dem 4 M.- Zensus gewählt werde! Auch der durch seine unfreiwillig-komische ReichstagSkandidatur in weiteren Kreisen bekanyt« gewordene Renommierarbeiter Jung stimmte natürlich pflichtgemäß mit den Vertretern des Geldsacks gegen die Ausdehnung des Wahlrechts. Weil nun aber unsere Genossen bestimmt wußten, daß in Dümpten und Alstaden trotz der Erklärung deZ Beigeordneten Lehwald nach dem 4 M.-ZensuS gewählt wird inzwischen ist dies ja auch in der rheinischen Metropole Köln   beschlossen, so ließen sie durch unsere Vertreter in den Kommunalverwaltungen Dümpten und Alstaden nochmals dienstlich anfragen, wie es dort mit dem Kommunalwahlrecht bestellt sei, worauf in der bestimmtesten Form amtlich versichert wurde, daß unsere Genoffen richtig berichtet hätten und daß von Duisburg  leine Anfragen an die Gemeindeverwaltungen eingelaufen seien! Nunmehr richteten unsere Duisburger  Genossen eine zweite Eingabe an die Stadtverwaltung, in welcher der Antrag auf Herabsetzung des Wahlzensus wiederholt und betont wurde, daß trotz der Erklärung deS Beigeordneten Lehwald in den beiden benannten Kommunen der 4 M.-Zensus bestehe, daß die entgegengesetzte Behauptunghaltlos" sei undirre- führend" wirken müsse. So lächerlich es auch scheinen mag, diese beiden Ausdrücke mußten nun als Prellbock dienen, den Antrag auf Erweiterung des Wahlrechts zum zweiten Male abzulehnen. Nachdem der wiederholte Antrag längere Zeit im Schöße der Stadtverwaltung geruht, tauchte er plötzlich vor einigen Tagen in der Tagesordnung des Stadtparlaments auf. Unverbesserliche Optimisten glaubte» schon, der Ausfall der Rcichstagswahl wirke auf die Stadtverwaltung ein in dem Sinne, daß man suchen werde, feurige Kohlen auf die Häupter derNörgler" zu sammeln. Nur zu bald sollten jedoch die Hofsnungen vernichtet werden. Das SellLg halte es»avter leiser Würde", sich mit dem