.Mit vollem Recht hat man die Wrsrnsdekulanten neuerdingswiederholt mit einer modernen Räuberbande der-glichen, weil sie sich allein durch Ausplünderung allerehrlichen Arbeiter mästen."Schön, und wir fügen noch hinzu, daß diese Institution nurdie Blüte und Quintessenz des ganzen kapitalistischen Systems ist,in den, nicht nur die moderne Räuberbande der Spekulanten,sondern auch die historische Räuberbande der Grundrentner sichdurch„Ausplünderung aller ehrlichen Arbeiter" mästet. Aber dieseRäuberbanden sind ja verbrüdert, sind ja Blockgenossen!Und die Sozialdemokratie hat doch wahrhaftig weder mit der einennoch mit der anderen das geringste zu tun. Also Schluß mit demplumpen Schwindel! Will das Blatt die Börsen freiheit bekämpfen,seine konservativen Parteigenossen haben dieEntscheidung. Die Sozialdemokraten werden dieser Block-Verlegenheit mit Gemütsruhe zuschauen.Von Stufe zu Stufe.Das Verhalten des freisinnigen Herrn Müller-Meiningen inder bayerischen Abgeordnetenkammer, der, wie wir gestern be-richteten, nicht nur die vom Zentrumsabgcordneten Daller ein-gebrachte Interpellation bezüglich der Stellungnahme der baheri-schcn Regierung zum Reichsoercinsgesetz-Entwurf als eine„Zeit-Vergeudung" bezeichnet hat, sondern auch klipp und klarforderte, daß über Reichsgesetzvorlagcn keine Anfragen an die Re-gierungen der Einzelstaaten gestellt werden, geht selbst der frei-sinnigen„Bcrl. Volksztg." gegen den Strich. Entrüstetschreibt siel„Es wird immer schöner! Jetzt bestreiten die frei-sinnigen Blockfanatiker schon den Parlamenten derEinzelstaaten das Recht, sich mit Dingen der Rcichsgesetzgcbungzu befassen, wenn diese Dinge eine Gefahr für das politischeLeben der Einzelstaaten bedeuten! Das gestrige Auftreten desHerrn Dr. Müller-Meiningen ist geradezu unerhörtund eine unverzeihliche Mißachtung aller Grundsähe freisinnigerPolitik. Der Wcttlauf blockbegeisterter Knecht-seligkeit— die Jagd nach einem Phantom— hat mit demAuftreten des Herrn Müller-Meiningen einen Rekord geschaffen,der nicht mehr zu überbieten ist. Eine Debattewie die gestrige in der bayerischen Kammer eine Zeitvergeudungzu nennen, ist eine Leistung, deren sich Herr Dr. Müller-Meiningen billig schämen sollte. Muh man aus seiner Redeschließen, daß die freisinnige Volkspartei das Vereinsgesetz mitdem etwas moderierten§ 7 wirklich hinunterschlucken wird?Dann könnte eine liberale Fraktion die politische Selbst-cntmannung unmöglich ungenierter betreiben. Man sieht, bis zuwelchem Mangel an Eharakterfestigkcit eine liberale Fraktionunter der Führung von„Opportunisten" gelangen kann. Eswird die höchste Zeit, daß die Wähler den Herren, die an derSpitze stehen, rund heraus erklären: So geht es nicht weiter."Es ist richtig, die freisinnige„Knechtseligkeit" und„politische Selbstentmannung" kann kaum mehr über«boten werden. Die Korruption in den freisinnigen Reihen steigtvon Tag zu Tag— und das hat mit seinen Lockungen derBülowsche Block getan.—Inkonsequenz.Die„Deutsche Tageszeitung" tritt, um den Liberalen dieFreude an direkten Steuern zu verekeln, für eine Dividenden-st euer ein. Sie begründet die Gerechtigkeit dieser Steuer also:„Das erarbeitete Einkommen hat für den Staat einen vielgrößeren Wert als der mühelose Gewinn. Jede Arbeit mit demKopfe, mit der Hand, bringt nicht nur dem Arbeitendem, sondernauch der Gesamtheit Nutzen. Das ist bei dem Einkommen auSKapitalzinsen nicht der Fall. Dieses bringt der Gesamtheit nichtnur keinen Nutzen, sondern legt ihr noch eine gewisse Last auf.Die Arbeit schafft Kapital. Das Kapital befruchtetzwar wieder die Arbeit, abcres zehrt auchan ihr. Einegerechte Steuer wird also das zehrende Zinseinkommen schärferfassen dürfen und müsien als das nützliche Arbeitseinkommen. DerMann, der ein bestimmtes Einkommen erarbeitet, sei er nunLohnarbeiter, Landwirt, Gewerbetreibender, Beamter, gibt demStaate etwas von dem Ertrage seiner Arbeit ab. DerZinsen-, der Dividendcnempfänger jjibt vondem Ertrage der eigenen Arbeit nichts ab,sondern nur von dem Ertrage der Arbeitanderer. Es ist bis zu einem gewissen Grade richtig, daß derArbeiter, der Landwirt, der Gewerbetreibende die Einkommen-stcuer der Hypothekenaläubiger. der Zinsenempfänger, der Divi-dendenherrcn mitbezahlcn mutz."Diese Ausführungen lassen zwar die scharfe Präzision ver-missen, aber für einen Agrarier ist die Erkenntnis, daß die A r b e i tvom Kapital ausgebeutet wird, immerhin ein An-fang. Leider ist das Blatt nicht konsequent. Einmal vergißt esganz die Grundrente, die ebenfalls an der„Arbeit zehrt"und durch die Wucherzölle noch gesteigert wird. Dann aber kannsich der kapitalistisch verseuchte Agrarier die Welt ohne Zehren ander Arbeit gar nicht vorstellen. ES wird ihm daher vor seineneigenen Ausführungen bange und einlenkend versichert er:„Selbstverständlich muß bei diesen Gedankengängen immerberücksichtigt werden, daß das Kapital und deshalb der ZinSeine wirtschaftliche Notwendigkeit ist und daß indem Kapitale gewissermaßen kondensierte, aufgesparte Arbeit derVorfahren und des Besitzers steckt. Die an sich vernünftigenund selbstverständlichen Erwägungen dürfen nicht dazu fubren,den Kapitalismus als solchen grundsätzlich zu bekämpfen und zuverwerfen."Na also: Wir haben schon gefürchtet, daß �-'"»-Oertel dieAufnahme in die Partei begehren wollte.—Die Desorganisation im Flottenverein.Frankfurt M., 21. Dezember.(B. H.) Wie man der„Frank-fürter Zeitung" aus Schwaben berichtet, hat der Ehrenpräsident derOrtsgruppe Kirchheim des Deutschen Flottcnvereins. Graf KarlErnst Fugger, das Ehrenpräsidium niedergelegt und der Orts.gruppe seinen Austritt erklärt. Die ganze Ortsgruppe beabsichtigt,sich aufzulösen. �Geheimbundsprozeft Trofimoff nnd Genossen.Vor einigen Wochen haben wir berichtet, daß die politischeAbteilung des Berliner Polizeipräsidiums den wissenschaftlichenVortrag eines russischen Gelehrten gestört, den Vortragenden undfeine Zuhörer im Zuge zur Rcvierwache geschleppt und fast alleZuhörer nach wenigen Tagen ausgewiesen hat, natürlich nicht ohnein der ungesetzlichen Form von zahlreichen Haussuchungen ihrenSpüreifer noch besonders betätigt zu haben. Aus einigen Schrift-stücken, die der„Vorsitzende" der sogenannten Versammlung beisich hatte, und aus dem Umstände, daß einige Schriften unsererrussischen Bruderpartei, der sozialdemokratischen ArbeiterparteiRußlands, in dem Saale auslagcn, nicht zuletzt aber aus der schreck-lichen Tatsache, daß der„Vorsitzende", Kandidat der MedizinTrofimoff, dieser Partei angehört, hat der Staatsanwalt mit großemFleiße eine Anklage zusammengebaut. Sie lautet auf Vergehengegen die Verordnung über das Vereins- und Versammlungsrecht—wie könnte das anders sein in derAera der..liberalen" Reformen diesesRechtes— und auf Teilnahme an einer Verbindung, deren Dasein,Verfassung oder Zweck vor der Staatsrcgierung geheim gehaltenwerden soll(§ 128 St.-G.-B„ Gehcimbund). Daö erste Vergehen-�'ndet die Staatsanwaltschaft darin, daß Trofimoff eine Versamm-schleu,. in der öffentliche Angelegenheiten erörtert oder beraten,werben sollten, nicht angemeldet und daß. der Vortragende!R. Streltzow als Redner in dieser Versammlung aufgetreten sei.Auch die Anklage wegen Geheimbündelei richtet sich gegen Trofimoffund Streltzow gegen Trofimoff mit der Verschärfung, daß er Vor-steher des Geheimbundes gewesen sei. Wie dieser Gcheimbundzu konstruieren sei, ist bisher ebenfalls ein Geheimnis, das sich jain der Verhandlung aufklären wird.Die Hauptverhandlung findet am 23. Dezember, mittags12 U h r, vor der siebenten Strafkammer des Landgerichts IBerlin unter dem Vorsitz des Landgcrichtsdirektors Splcttstößcrstatt. Als Verteidiget fungieren die Genossen Dr. Oskar Cohn(für Trofimoff) und Dr. Heinemann(für Streltzow). Trofimoffist seit dem 23. Oktober in Untersuchungshaft, und zwar wegen„Fluchtverdachts". Diesen Verdacht zu konstruieren, hat sich diePolizei verblüffend leicht gemacht: Sie hat Trofimoff aus Preußenausgewiesen und konnte dann tönend sagen, daß er ohne Verhaftungdem Arme der preußischen Gerechtigkeit nicht mehr erreichbar seinwürde._Das Ende einer Wahllüge.Bei der letzten Reichstagswahl kam im Wahlkreise Halberstadt-Wernigerode der nationalliberale mit dem sozialdemokratischenKandidaten in die Stichwahl, während die Mittclständlcr den AuS-schlag zu geben hatten. In letzter Stunde verbreiteten die National-liberalen ein Flugblatt, in welchem behauptet wurde, ein Hand-Werksmeister in Halberstadt sei von einem Sozialdemokraten auf-gefordert worden, zum sozialdemokratischen Wahlfonds beizusteuern,Als er schweren Herzens 5 M. habe opfern wollen, habe ihn derSozialdemokrat angeschrien:„Was, nur 5 M.? 2 0 M.müssen Sie mindestens geben, sonst wissen Sie,was passiert!" Diese Erpressungsgeschichte, mit ddr dieMittelständler eingefangen werden sollten, war natürlich vonAnfang bis zu Ende erlogen. Die sozialdemokratische Partei-leitung antwortete sofort in einem Flugblatt und nannte den Per-fasser des nationalliberalen Machwerks einen bübischen Verleumder,so lange er nicht den Beweis für seine Behauptung führe. Außer-dem forderte unser Parteikassierer, der natürlich in erster Linieinteressiert war, den Vorsitzenden des nationalliberalen Wahl-Vereins, LandgerichtLdirektor Boisly, öffentlich auf,den Verfasser zu nennen, damit dieser zur Rechenschaft gezogenwerden könne bezw. ihn aufzufordern, der Wahrheit die Ehre zugeben und zu erklären, daß die Geschichte unwahr sei. Eine Ant-wort erfolgte nicht, worauf unser Parteikassierer den HalberstädterStaatsanwalt ersuchte, gegen den angeblichen Erpresser ein-zuschreiten. Landgerichtsdirektor Boisly und RechtsanwaltDeesen würden den Verfasser des Flugblattes der Staatsanwalt-schaft wohl nennen können. Nun bekannte sich Rechts-'anwalt Deesen plötzlich öffentlich als Verfasser,ohne jedoch gegen die ihm von sozialdemokratischer Seite zugefügteBeleidigung etwas zu unternehmen. Er erklärte, den Namen desHandwerksmeisters nicht nennen zu können, da dieser sonst unterdem TerroriSmuS der Sozialdemokratie zu leiden haben würde.Als ihm die Sozialdemokraten auseinandersetzten, daß sie demMeister nur dankbar sein könnten, wenn durch ihn der Erpresserund Betrüger bekannt würde, berief sich der Herr Rechtsanwaltauf sein— Berufsgeheimnis. Der Staatsanwalt ließdann noch durch die Polizei Ermittelungen anstellen, aber seineBemühungen waren vergeblich, was er dem Parteikassierer mit-teilte. Dieser beschwerte sich bei der Oberstaatsanwalt-schaft in Naumburg, die wiederum den Hälberstädter Staats-anwalt vcranlaßte, weitere Ermittelungen anzustellen. Aber auchdabei kam nichts heraus. Der Erste Staatsanwalt teilte demParteikassiercr mit, daß die Ermittelungen nicht ergeben hätten,daß gegen einen Meister unter Androhung eventuellen Boykotts Er-Pressung verübt worden sei. Rechtsanwalt Deesen habe nach wievor sein Zeugnis verweigert und sein Recht dazu sei durch einennicht anfechtbaren gerichtlichen Beschluß anerkannt worden.Auch die gerichtliche Zeugenvernehmung des LandgerichtsdirektorsBoisly und einiger anderer Mitglieder des nationalliberalenWahlvereins habe keinerlei Ergebnis gehabt, weswegen das Ver-fahren als aussichtslos wieder eingestellt worden sei.Unser hartnäckiger Parteikassierer beschwerte sich aber nochmalsbeim Oberstaatsanwalt, da er glaubte, der Rechtsanwalt könnegezwungen werden, den Erpresser zu nennen, weil er jene Be-hauptungen auch öffentlich als Redner in Versammlungenaufgestellt hatte. Der Oberstaatsanwalt wies jedoch diesmal dieBeschwerde ab. Auch die Anwaltslammer lehnte es ab, gegenRechtsanwalt Deesen vorzugehen.Das ist nun das Ende dieses glorreichen Wahlschwindels. AlleBemühungen, der Sache auf den Grund zu kommen, waren ver-gcblich. Rechtsanwalt Deesen versteckt sich hinter das Berufsgeheimnis und sucht sich dadurch den Anschein zu geben, als ob eretwas wüßte. Einen Grund zu dieser Geheimniskrämerei hat ernicht; im Gegenteil, er hätte alle Ursache, sich von dem gemachtenVorwurf rein zu waschen. So bleibt denn nichts weiter übrig,als die Annahme, daß die Nationalliberalen wieder einmal, wie sooft schon, eine große Lüge gegen die Sozialdemokratie in hie Weltgesetzt hatten/ eine Lüge, die ihren Vätern schon manche un-angenehme Stunde bereitete und vielleicht noch weiter bereitenwird.---____Zwei Kartellschwärmer.Was die königlich preußische Bureaukratie für sonderbare Käuzehervorbringt! Da ist der Geheime Oberregierungsrat L u s e n S k y,der im Oktoberheft der„Deutschen Juristen-Zeitung" sich gegen diegesetzliche Reglementierung der Kartelle ausspricht, weil, wie ermeint— ein wirksame? Mittel zur Anwendung der Staatsgeivaltnicht zur Verfügung stehe. Wie würde der Herr Geheimrat lachenund schreien, wenn man seine Theorie auf die Verbände der Arbeiter-schaft anwenden wollte! Wie würde er zetern, wenn man ihm nach-weisen wollte, daß nach seiner Definition dds Kartell der Arbeiterja auch nichts anderes ist als eine„Vereinigung" von Einzelwillenund daß überhaupt alles, was er zur Rechtfertigung der Kartellesagt, auch von den Koalitionen der Arbeiter gilt.Aber noch kurioser nehmen sich die Aeußerungen des HerrnRegierungsrat a. D. Dr. Henry V o e l k e r, des ehemaligen An-gestellten des Stahlwerksverbandes, in der Dezembernummer der„Deutschen Wirtschafts-Zeitung" aus. Er ist für eine systematischeKontrolltätigleit des Staates— aber„unter aktiver Mitwirkung der Kartelle und ihrer Leiter". Genial!Man macht den Bock zum Gärtner und die Frage ist„gelöst".Jedenfalls ist der Vorschlag Pikant, und noch pikanter wird die Sache,wenn man die Motivierung liest, die Herr Voeller seiner Anregunggratis hinzufügt: die Kartellenquete müsse zu einer ständigenInstitution werden, weil nur aus der persönlichen Berührung zwischenden Staatsbeamten und Kartellvorständen die Regierung einentieferen Einblick in die„Unternehmerseele gewinnen und die leitendenPersönlichkeiten beurteilen lernen würde." Der Herr RegierungS-rat a. D. glaubt nämlich, daß durch den persönlichen Verkehr dieMöglichkeit gewonnen würde, auf die Kartelleiter bestimmend ein-zuwirken, weil ja doch der deutsche Unternehmer sich alsBundesgenosse der Regierung im Kampfe gegendie»der Staats- und Wirtschaftsordnung feind»lich gesinnten Elemente� fühle und wisse. daß er esinfolgedessen{auf einen Widerstreit zwischen seiner Machtstellung undder Autorität der Regierung nicht ankommen lassen würde.—Tie Hauptverhandlung gegen die Grafen Hohenaunnd Lynarwird vor dein Kriegsgericht der ersten Gardedivision um die Mittedes nächsten Monats in Potsdam stattfinden. Die Untersuchungwird von dem KriegsgerichtSrat Dr. Grün Wald geführt, der seitlängerer Zeit in Berlin und Potsdam täglich Zeugen aus demMilitär- und Zivilstande vernimmt. Beide angeschuldigte Offizieresollen sich der„Mil.-Pol. Korrefp." zufolge in militärischem Gewahrsam in Potsdam befinden. Der Sonderaerichtsherr in dem'Verfahren ist. wie bekannt, der Generaladjulant des Kaisers, General-leutnant v. Löwenfeld.—_Der Pleitegeier als Frucht kapitalistische» Protzentums.Mit hoher Genugtuung verzeichnen es täglich aufs neue dieBlätter der uiederschlesischen Grubenherren, daß es ihnen gelungenist, de» letzten Ausbruch des Zornes ihrer Knappen letzthin nocheinmal mit Gewalt zu unterdrücken. Ganz anders aber denken dieGewerbetreibenden und sonstigen Mittelständler über diesen Ausgang.Bereits in Nr. 22g sowie in Nr. 232 verwies der„Vorwärts" An-fang Oktober auf zwei üble Folgeerscheinungen dieser Protzen-maßnahmen: auf die massenhafte Auswanderung derBergarbeiter aus Schlesien und auf die dadurch verursachteprekäre Lage des Mittelstandes. Neue Tatsachen be-weisen, daß wir damals die Folgen noch lange nicht schwarz genuggemalt haben!Wie sich nämlich nicht mehr leugnen läßt, dauert die Masse n-flucht der Arbeiter immer noch an. Und mit wachsendemEntsetzen sehen und beklagen eS die Geschäftsleute MebcrschlesienS.Sie waren es zwar, die bisher den patriotischen Rodomontaden derGrubenprotzen' willig Glauben schenkten; sie sehen aber jetzt ein— freilich viel zu spät!— daß magere Jahre mit häufigen Gerichts-vollzieherbesuchen begonnen haben, und daß sie sich ob des mangelndenZuflusses von Arbeitergroschen bei den Werksherren und ihrenMachern bedanken können. Jetzt sitzt einem großen Teile dieserHereingefallenen das Messer an der Kehle: E i n K o n k u r S jagtjetzt im niederfchlesischen Kohlenrevier den an-deren! Gar mancher Kleingewerbetreibende, der bisher treu zurFahne der Grubenherren gehalten, hat in letzter Zeit sein Büdchenzumachen und— aufs neue zur Hacke und zur Laterne greifenmüssen. Soeben noch Lobpreiser der Ausbeuter, sind sie jetzt selbstderen Opfer!Interessant und zugleich volkswirtschaftlich von Bedeutung istauch das Folgende: Was die Abwanderung der Arbeiter, was dieTeuerung, was die Arbeitslosigkeit bisher nicht vermochte, das be-sorgen jetzt pronrpt die— Werksherren selbst. Sie, die von rührender„Fürsorge für den Mittelstand" überfließen, die nicht genug zeternkönnen über die„Vernichtung des Mittelstandes durch die Sozial-demokratie", sie schalten durch ihre neuen Maßnahmenden Mittel st and einfach aus! Immer mehr nämlich gehensie dazu über, Kraut. Kartoffeln. Fleisch und anderetägliche Bedarfsartikel im Großen selber einzn»kaufen und im Kleinen an„ihre" Arbeiter abzu-geben. Die Ladenbcsitzer aber sitzen untätig da. Und dabei—eine grausame Ironie!— verzeichnet der Bergbau Hoch-k o n j u n k t u r! Was soll es erst werden, wenn der gegenwärtigenHausse im Bergbau die Baisse folgt? Hochkonjunktur— und zugleicheine so niedrige Lebenshaltung, daß der Verbranch ai!Lebensmitteln zurückgeht— kann es eine drastischere Illustrationder Unsinnigkert unserer„herrlichen" WirtschaflS„ordm!ng'geben?_Rentabilität des Gottesgnadcntmns. In dem am Donnerstageröffneten Testament der Königinwitwe Karola ist der König FriedrichAugust von Sachsen zum Universalerben eingesetzt. Das hinter-lassene Vermögen, das in der letzten Zeit noch wesentlich durch denvon König Albert mit anderen Erben eingeleiteten und kürzlich inletzter Instanz gewonnenen Braunschweiaer Erbschaftsprozetz gegenden Grafen Civry vergrößert worden ist, soll sich auf mehr als20 Millionen belaufen.—_Zwei Urteile der Militärjustiz.Das Kriegsgericht in Dresden berurieilte am27. November d. I. den Gardisten Weißkopf vom Garde-rciterregiment wegen Ungehorsams, Beharrens imUngehorsam. Widersetzung und tätlichen Ver-greife ns an einen Vorgesetzten zu der hohen Strafevon acht Monaten Gefängnis, wobei dem Angeklagten noch milderndeUmstände in weitestem Maße und auch der§ 98 des Militär-Strafgesetzbuches(durch Mißhandlung zur Tat geneigt)zugebilligt wurde. Bei diesem Prozeß ist besonders bemerkenswert,wie die„Straftaten" entstanden sind. Der Angeklagte wollte einesTages einen fehlenden Obcrgurt durch einen anderen ersetzen.Er begab sich zu diesem Ztvcck in einen anderen Beritt. Hier fander einen überzähligen Gurt vor, welchen er an sich nahm. Diesbemerkte der diensttuende Vorgesetzte, welcher in diesem Falle einGefreiter(!) war. Dieser forderte den Angeklagten auf, denGurt dort hängen zu lassen. Der Angeklagte schenkte dem keineBeachtung.„Ich sage Dir, Du sollst den Gurt hinhängen!" wardie weitere Anrede des Gefreiten. Als auch nun der Angeklagteden„Befehl" nicht ausführte, versuchte der Gefreite, ihm den Gurtzu entreißen. Der Angeklagte verweigerte aber die Hergabe desGurtes und entfernte sich. Der Gefreite ging ihm nach, griff nachdem Gurt und versetzte den Angeklagten dabei einen Stoßin den Rücken. Dadurch erregt, und in der Annahme, derGefreite wolle ihn weiter mißhandeln, drehte sich der Angeklagteum und faßte zur Abwehr den Gefreiten um den Leib.Auch der Gefreite griff zu und es entstand eine kurze Balgerei, ohnedaß auch nur einer tätlich geworden wäre. Als schließlich derAngeklagte durch fortwährendes Ziehen am Gurt gewahrte, daßes dem Gefreiten nur um den Gurt zu tun war, ließ er loS undgab den Gurt ohne weiteres heraus. Der Gefreite machte vondiesem Vorfall Meldung, man nahm den Angeklagten in Unter-suchungshaft nnd erhob die oben erwähnte Anklage gegen ihn.Gegen obiges Urteil legte der Angeklagte in vollem UmfangeBerufung ein; er wollte freigesprochen sein. Er habe dasAuftreten des Gefreiten als ein rein kameradschaftlichesaufgefaßt, um so mehr, als er mit„Du" angeredet worden ist.Die ganze Sache habe er für einen kameradschaftlichenStreit und als Balgerei angesehen. Wie in der ersten Ver»Handlung, so wurde auch vor dem Oberkriegsgericht dasVerhalten des Gefreiten als ein nicht einwandfreies bc-zeichnet. Der Vertreter der Anklage des Berufungsgerichtes hielteinen tätlichen Angriff nicht für vorliegend, denn der Angeklagtehabe in Notwehr gehandelt. Widersetzung liege aber vor und des-halb beantragte er die Mindeststrafe von sechs Monateneinen Tag Gefängnis! Das Oberkriegsgcricht schloß sichdem aber nicht an. Es hob daS erstinstanzliche Urteil auf undverurteilte den Angeklagten wegen Ungehorsams und Be-Harrens im Ungehorsam zu vier Wochen strengen Arrest.Es liege weder ein tätlicher Angriff noch eineWidersetzung vor, denn bei dem erstercn Vergehen habe derAngeklagte in Notwehr gehandelt und im zweiten Punkte seier sich nicht klar gewesen, daß der Gefreite eine D i e n st-Handlung habe vornehmen. wollen. Auf die seit Mitte Oktoberdauernde Untersuchungshaft wurden dem Angeklagten zwei Wochenangerechnet.—--Ein gewaltiger Unterschied!»>.«-