Ar. 282. 28. IahrMz. t Knlm i>ts Lmiick" Krim WlllsdlR SonMbend, 2. DtZtülbtt l9!t. Keickstag. 214. Sitzung bomFreitag. den 1. Dezember. vormittags 11 Uhr. Nm Bundesratstisch: Dr. Delbrück. Aus der Tagesordnung steht zunächst die zweite Lesung des Gesetzentwurfs über die Ausgabe kleiner Aktien in den Konsulargerichtsbezirken und in Kiautichou. Die Kommission hat das Gesetz auf die Konsulargerichts- bezirke in China und auf Kiautschou beschränkt. Abg. Freiherr v. Richthofen <k.) erklärt das Einverständnis seiner Freunde mit den Kommissionsbeschlüssen, zumal sie der Vorlage einen lokalbeschränkenden Charakter gegeben haben. Abg. Dr. Arendt sRp.) begründet einen Antrag, nur kleine Aktien in anderer Währung zuzulassen und als untere Grenze statt 200 M. das Hundertfache der Einheit der betreffenden Währung festzusetzen. Die Kommissionsbeschlüsse bedeuten gewiß eine Verbesserung, aber sie gehen noch nicht weit genug. Abg. Raab<Antis.): Ich halte an meinem grundsätzlichen Wider- spruch gegen das ganze Gesetz fest und überlasse die Verantwortung der Regierung und den zustimmenden Parteien. Abg. Frhr. v. Gmnp<Rp.> polemisiert gegen den Abg. Dr. Arendt und biltet um Annahme der Kommissionsbeschlüffe. Direktor der ReichSbanl v. Glasenapp wendet sich gegen den Antrag Arendt. Abg. Dave(Vp.): Auch wir sind mit den Kommissionsbeschlüssen einverstanden. Herr Arendt hat als k'outiksx maximus der „Geheimlehre" des Währungsproblems(Heiterkeit) diese Frage auch hier wieder hereingezogen. Die Schwierigkeiten sind aber wirklich nicht so groß, wie er sie geschildert hat. Herr Arendt hat die jährliche Vorlage einer Denkschrift über die Ausführung des Gesetzes verlangt. Er will uns offenbar wieder wie früher alljährlich eine lange Vorlesung über die schwierigsten Probleme der Währungsfrage halten; das dürfte aber zur Förderung der Arbeiten des Reichstags wenig beitragen.(Sehr wahr I links.) Abg. Görcke(natl.) tritt für die Kommissionsbeschlüffe ein. Abg. Geck(Soz.): Meine Freunde werden das Gesetz auch in der jetzt vorliegenden Form ablehnen. Den Abänderungsanträgen in der Kommission haben wir zugestimmt, weil die Tendenz des Gesetzes dadurch ge- mildert wird. Allerdings betrachten wir das Gesetz nicht, wie Herr Arendt, als Ausnahmegesetz, vielmehr als Einnahmegesetz(Heiterkeit), das, wenn es erst einmal in China eingeführt ist, auch seinen Weg nach Europa finden wird, sehr zum Schaden der Arbeiter und kleinen Leute.(Znstinimung bei den Sozialdemokraten.) Abg. Dr. Arendt(Np.) begründet einen Antrag, nach welchem dem Reichstage alljährlich eine Denkschrift über die Ausführung und Wirkung dieses Gesetzes vorgelegt werden soll. Auf diese Weise behalte der Reichstag eine Kontrolle über die Ausführung dieses Gesetzes. Meinen anderen Antrag ziehe ich zurück, da er Aussicht auf Annahme nicht hat.(Heilerkeit.) Abg. Nacken(Z.) erklärt sich für da? Gesetz in der ihm von der Kommission gegebenen Fassung. Damit schließt die Debatte; das Gesetz wird angenommen, der Antrag Arendt auf alljährliche Vorlegung einer Denkschrift wird � gegen die Stimmen der Rechten und der Sozialdemokraten a b- gelehnt. Es folgt die dritte Lesung des Gesetzes betreffend Erhebung von Schiffahrtsabgabe». Abg. Dr. Frank- Mannheim(Soz.): Meine Freunde lehnen das Gesetz auch in der dritten Lesung ab. Wir sind überzeugt, daß die Zukunft uns recht geben wird. Wir halten das SchiffährtSabgabengesetz für geeignet, das Ansehen Deutschlands in der Welt zu schädigen. Vor wenigen Wochen erst. bei der Marokkodebatte, ist das politische Elend Deutsch- lands offenbar geworden, die Ohnmacht der deutschen Volksvertretung im Vergleich zu der Macht der Parlamente in Paris und London . Heute wird die wirtschaftliche Rückständig- k e i t Deutschlands gezeigt. In den Weststaaten kennt man SchiffahrtSabgaben nicht, wir in Deutschland wollen auS der Rumpelkammer der Vergangenheit wieder die alten Binnenzölle unter neuem Namen herausholen.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) kleines feuiUeton. Nm einen Pfennig. In der..Köln . Ztg." lesen wir: Man liest ab und zu, daß besonders gewissenhafte Staatsbehörden Geldbeträge von ö, 3, vielleicht auch 2 Pf., die zu Unrecht erhoben worden sind, dem Berechtigten durch besondere Boten mit der Post zustellen ließen, wobei sich in der Regel die Bemerkung daran knüpft, daß bei einer weniger bureaukratischen Geschäftsbehandlung Rück- crstattungen derart geringer Beträge nicht vorkommen würden. Ganz vereinzelt dürfte aber der kürzlich vorgekommene Fall sein, daß eine Gemeindebehörde von der Staatsbehörde eine Steuer von 1 Pf.(einen ganzen Pfennig) erhebt. Durch die Art der Erhebung wird der Fall noch interessanter. Ein süddeutscher, etwa 20 Minuten von der Bahn entfernter Ort, hat von der staat - lichen Eisenbahnvcrwaltung Einkommensteuer anzusprechen. Das Bürgermeisteramt schickt nun der zur Einreichung der Steuer zu- ständigen staatlichen Eisenbahnbehörde einen Steuerzettel, wonach an Gemeindceinlommcnsteuer für das laufende Steuerjahr 1 Pf. zu entrichten ist. Die Versendung des Steuerzettels an die Eisen- bahnbehörde kostet 10 Pf. Porto. Die Eisenbahnbehörde schickt nun den Stcuerzettcl zur Prüfung an die Eisenbahndirektion, von der er mit Prüfungfvermerk versehen zurückkommt. Elftere Behörde trägt den Steuerzettel in ein Verzeichnis ein und beauftragt mittels einer Anweisungsverfügung die Kasse der nächstgelegenen Eisen- bahnstation mit der Zahlung und Verausgabung bei Z... Die Eisenbahnkasse schickt den Pfennig durch den Amtsdiencr an das Ortssteueramt. das für den Empfang bescheinigt. Vielleicht gelang eS auch, den Ortssteuerbeamten auf dem Bahnhof zu erwischen und ihm den Pfennig einzuhändigen, vielleicht konnte der Amts- dicner die Steuer gelegentlich eines anderen Gangs entrichten, vielleicht mußte er auch einen besonderen Gang machen, da die Steuer für den und den Monat verrechnet werden muß. Damit ist aber der Pfennig noch nicht vollständig untergebracht; die Eisen- bahnkasse muß ihn in ihrem Kassenbuch verausgaben und in die monatliche Amtsrechnung eintragen. Die Amtsrechung geht an das Revisionsamt der Eiscnbahndirektion, wo die Einnahmen und Ausgaben der Eisenbahnstationen paragraphenweise in eine Ueber- ficht aufgenommen werden. Erst nachdem der Pfennig bei den anderen Ausgaben für Steuern versammelt ist, kann der Fall als vollständig erledigt betrachtet werden. Doch nein, der Beamte, der die Amtsrechnung prüft, beschäftigt sich auch noch mit ihm. Er überzeugt sich, daß der Pfennig richtig vom Steuerzettel in die Amtsrechnung, und zwar bei dem richtigen Paragraphen eingetragen wurde und bestätigt die vorgenommene Prüfung durch ein roten—. Eine Ausstellung„Stätten der Arbeit". Eine eigenartige Idee liegt dem Plan einer Ausstellung zugrunde, die unter dem Titel „Stätten der Arbeit" zunächst im März 1912 in Dresden in der Galerie Ernst Arnold eröffnet werden und dann eine längere Tournee durch Deutschland antreten soll, wobei sie besonders in Eilen sich einer Ausstellung„Die Industrie in der bildenden Wir sind auch überzeugt, daß da? SchiffahrtSabgaben- gefetz die internationale Macht st ellung des Reiches schädigt. Durch die„geniale" Politik der deutschen Reichs- regierung ist unser Verhältnis zu England und Frankreich mit jedem Tage„korrekter" geworden und unser intimes Verhältnis zu Italien schreit geradezu nach Scheidung. Das einzige größere Land, das uns zur Seite steht, ist Oesterreich , das durch diese Vorlage jetzt anfs neue verstimmt werden soll.(Sehr wahr! bei den Sozial- demokraten.) Was nach Jahrzehnten noch keinem österreichischen Staatsmann gelungen ist, die Einigung der österreichischen Parteien und Nationalitäten, das ist jetzt dem deutschen Reichskanzler gelungen. In Wien ist eine Interpellation eingebracht gegen den Plan Deutschlands , die Bestimmungen des Elb- schiffahrlsvertrageS zu ändern, und alle Teile der Volks- Vertretung sind mit der Negierung einig in der Ablehnung dieses Planes.(Hört I hörtl bei den Sozialdemokraten.) Das muß doch auch eine Rückwirkung haben aus die Beziehungen der beiden Länder. Ich glaube, durch das Gesetz, das wir heute machen wollen, wird den Feinden Deutschlands in Oesterreich eine willkommene Waffe in die Hand gegeben.(Zustimmung bei den Sozialdemo- kraten.) Auch Deutschlands Beziehungen zu denkleinen Staaten werden gefährdet. Durch unsere Kongopolitik sieht Belgien aus, wie ein aufgestörter Bienenkorb. Das Miß- trauen gegen Deutschland ist im Wachsen, die Presse hetzt tagtäglich gegen Deutschland . Jetzt sind wir im Begriff, auch das Nachbarland Belgiens , die Niederlande, gegen Deutschland in Harnisch zu bringen. Man glaubt dort, Deutschland will sein Schwergewicht benutzen. um Holland zu zwingen, auf seine Rechte zu verzichten. Das soll nach derselben Methode ge- schehen, wir man die süddeutschen Staaten dazu gebracht hat, „freiwillig" den SchiffahrtSabgaben zuzustimmen. Wir sind vcr- pflichtet, heute schon dagegen Protest zu erheben, daß die Beziehungen Deutschlands und der Niederlande in Frage gestellt werden, um dieses Gesetz zustande zu bringen. Es ist geradezu unverantwortlich, daß Deutschland , um vielleicht im preußischen Landtage ein paar Millionen im Etat zu sparen, seine Stellung in der Welt derart schädigt.(Lebhaftes Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Auch nach innen ist die Vorlage nicht eine Stärkung des Reichsgedankens, sondern des Partikularismus. Man be- trachtet die Borlage als eine Kriegserklärung des Norden? gegen den Süden, man hat die M a i n l i n i e neu entdeckt. AuS dem Geist de? Par- tikularismus erklärt es sich auch, daß Sie die wichtigste deutsche Wasserstraße nicht ausbauen wollen, daß Sie die Mosel » und Saarkanalisation unterlassen. Die Vorlage wird die Empörung der breiten Volks» massen wecken, weil sie verteuernd auf die Lebensmittel wirken wird. Statt einer Oeffnung der Grenzen für Fleisch, bringen Sie jetzt eine Verteuerung des Brotgetreides.(Sehr wahr I bei den Sozial- demokraten.) Daß die Konservativen davon entzückt sind, versteht sich von selbst. Die Lorlage ist Geist von ihrem Geist und eS war symbolisch, daß ein aller Kanalgeguer, der Abg. W i n ck l e r, es war. der bei der zweiten Lesung einen Triumphgesang über diese Vorlage anstimmte. Das Zentrum war eine Zeitlang schwankend; in den süd- deutschen Landtagen und Bürgerausschüssen hatte es den Anschein erweckt, als ob es mit der Linken zusammen die SchiffahrtSabgaben ablehnt. Jetzt ist eS umgefallen bis auf eine Säule, den Abg. Birk- meyer.(Zuruf im Zentrum: Auch diese Säule stürzt I> Um diesen Rückzug zu decken, greift das Zentrum die Parteien und Abgeordneten an, die gegen die Schiffahrtsabgaben sprechen und behauptet, es sei bei dem Wahlkampf in Konstanz nicht wegen seiner Haltung zu den Schiffahrtsabgaben, sondern nur durch Lügen und Verleum- düngen seiner Gegner unterlegen. Wegen des losen Zusammenhangs der Konstanzer Wahl mit den Schiffahrtsabgaben will ich nicht näher darauf eingehen, sondern nur bemerken, daß das Zentrum in seiner Verzweiflung jetzt in Konstanz verbreitet, daß die Mannheimer Handelskammer eine Gegnerin der Schiffbarmachung des Oberrheins sei. Aber diese Lüge hat kurze Beine. Das Gegenteil ist festgestellt. Weiter hat die Zentrumspartei die verleumderische Behauptung auf- gestellt, daß die sozialdemokratische Partei sich in Konstanz ihre Wahlkosten von den Liberalen habe zahlen lassen. Auch diese Lüge ist sofort an zuständiger Stelle berichtigt worden.(Vizepräsident Dr. Spahn: Ich bitte Sie, zur Sache zu kommen!) Gewiß sind die Wahlkosten nicht durch die Kunst", die aus Anlaß des hundertjährigen Jubiläums der Krupp- schen Gutzstahlfabrik im Kunstmuseum der Stadt veranstaltet wird, angliedern wird. In der Welt der Hochöfen, in den Häfen und auf den Lagerplätzen hat der bildende Künstler unserer Tage dank- bare Motive für sein Schaffen gefunden, und die Ausstellung soll zeigen, welchen Einfluß die Stätten der Arbeit auf die moderne Kunst gewonnen haben und wie umgekehrt die künstlerische Schöpferkraft die Schönheit dieser neuen Motive als Ausdruck für den Geist unseres Jahrhunderts erkannt hat. Das Programm ist so weit als möglich gefaßt; alle Gebiete der bildenden Kunst außer der Architektur sind einbezogen, und die Beteiligung soll sich nicht allein auf Deutschland beschränken. Das Amt der Jury für die Einsendungen haben Mitglieder verschiedener Künstlergruppen, darunter auch der Münchener und Berliner Sezession , der Direktor der Dresdener Gemäldegalerie u. a. übernommen. Batcrlandslose. Die Pariser Wochenschrift„Opinion " veröffent- licht eine Statistik der Ignoranz, die in einem französischen Regiment mittels einer Prüfung der jungen Soldaten aufgestellt worden ist, und die klerikale Preffe glaubt in ihrem Ergebnis ein Argument gegen die weltliche Volksschule zu finden. Von SO Soldaten, die mindestens fünf Jahre die Schule besucht hatten, haben 11 keine Ahnung von Napoleon gehabt, 12 wußten nicht, was Elsaß-Lothringen , 9 nicht, daß 1870 ein Krieg gewesen sei, 17 kannten Bismarck nicht und 4 hielten ihn für einen Franzosen, 6 wußten nicht, was sie sich unter dem„Vaterland" vorzustellen halten und 0 hatten keine Ant- wort auf die Frage, was die Fahne sei. Davon, daß eS 1789 eine große Revolution gegeben habe, wußten 25— also die volle Hälfte— nichts. Diese Resultate beweisen sicher, wie wenig die pomphaften Redensarten der Bourgoisrcpublikaner über die Ideale und Ergebnisse der Volksverziehung bedeuten; aber sie zeigen nicht minder deutlich, welcher Schwindel sich hinter den patriotischen Phrasen verbirgt, die den freigeistigen und den klerikalen Bourgeois gemeinsam sind. Da schreiben die Zei- tmigen jeden Tag, die„Nation" sei über diese oder jene Bagatelle, die sich in Afrika zugetragen hat,„erregt", Minister halten tönende Ansprachen über die Bereilschast des ganzen Volkes, unter die Fahnen zu eilen, und nun stellt sich hcralis, daß so und so viele Soldaten dank der herrlichen Fürsorge, die das„Vaterland" für sie gehabt hat. nicht einmal die Existenz dieser liebevolle» Mutter kennen. lind das gilt, wie ähnliche Proben anderswo bewiesen haben, nicht für Frankreich allein. Es scheint wirklich nicht, als ob in den bürger- lichen Staaten die heimische Kultur so groß wäre, daß sie den Export in einer abenteuernden Expansionspolitik notwendig machte. Ein verblichener Stern. AuS Paris wird berichtet: In einer kahlen Kammer der Passage Aeaux-Arts haust eine ehe- malige Berühmtheit, nun ein Gestrandeter. Er nagt am Hunger- tuche. weil man ihn nicht hungern läßt. Dies klingt wie ein tolles Paradoxon und ist doch nur traurige Wahrheit. Der arme Teufel in der kahlen Kammer ist S u c c i, der Hungerkünstler, der einst die ganze Welt bereiste und durch sein Fasten ein hübsches Stück Geld verdiente. Doch man ward seiner müde, nur das Neueste Schiffahrtsabgaben aufgebracht(Heiterkeit), ich bin auch nur darauf eingegangen, nachdem das Zentrum seine Stellung � zur Vorlage durch die Hineinziehung der Konstanzer Wahl zu kaschieren versucht hat, um die vom Zentrum verbreiteten Wahllügen zurückzuweisci!. Ich stelle fest, daß die Sozialdemokratie, die allein als geschlossene Fraktion den Schiffahrtsabgaben Opposition macht, damit aufs neue bewiesen hat. daß sie die wahre und aufrichtige Freundin der Verkehrsfreiheit ist.(Bravo ! bei den Sozialdemokraten.) Abg. Bareuhorst(Rp.): Ich will mich nicht wie der Vorredner auf das hohe Rotz der auswärtigen Politik schwingen.(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Das verstehen Sie auch nicht! Heiterkeit.) Ich bitte Sie nur einer von mir eingebrachten Resolution zuzu- stimmen, wodurch die Regierung aufgefordert wird, bei Durchführung der Strontregulierung die Interessen der heimischen Fischerei ge- nügeiid zu wahren. Minister v. Breitenbach: Das hat die Regierung bisher getan und wird es auch in Zukunft tun. Abg. Ocscr(Vp.): Die Mehrheit meiner Freunde lehnt die Vor- läge nach wie vor ab. Wir verzichten darauf, neue Antrage ein- zubringen, weil sie doch aussichtslos sind. Das Gesetz ist durchaus unvollkommen; es bringt als Ersatz der Aufhebung der Abgaben- freiheit keine greifbaren Vorteile. Der größte Mangel ist die Nichtaufnahme der Mosel - und Saarkanalisierung infolge deS Wider- staudes Preußens. Damit schließt die Generaldebatte. In der Spczialdebatte werden die einzelnen Artikel und Para- graphen mit großer Mehrheit angenommen, desgleichen in der G e s a m t a b st i m m u n g d a S ganze Gesetz. Für dasselbe stimmen von den Fortschrittlern die württembergischen Abgeordneten Hautzmann, Payer und Naumann. Sodann wird in der zweiten Lesung der Privatbeamtenversicherung fortgefahren. § 10 bestimmt, daß versicherungsfrei sind: 1. Reichs-, Staats-, Gemeindebeamte, Geistliche, Lehrer an öffentlichen Schulen, vorläufig beschäftigte Beamte und Geistliche, 2. Angestellte in Eisenbahn -, Post- und Telegraphenbetrieben des Reichs oder der Bmidesstaaten, die Aussicht auf Uebernahme in das Beamten- Verhältnis und Anwartschaft auf eine ausreichende Invaliden- und Hinterbliebenenrente haben, 3. Personen des SoldatenstandeS, die eine versicherungspflichtige Tätigkeit im Dienst oder während der Vor- bereitung zu einer bürgerlichen Beschäftigung ausüben, 4. Personen, die während ihrer wissenschaftlichen Vorbereitung Privatstundcn erteilen, 5. Aerzte, Zahnärzte und Tierärzte. Abg. Dr. Schultz(Rp.) beantragt, in Ziffer 6 einzufügen„Rechts- anwälte", d. h. also die Rechtsanwälte von der Versicherung auS- zuschließen. Abg. Hormann(Vp.)(schwer verständlich) scheint Sicherheit da- gegen zu verlangen, daß die Rechtsanwälte zu Beiträgen heran- gezogen werden, ohne Vorteile dafür zu erhalten. Abg. Roth(Wirtsch. Vg.) tritt für den Antrag Schultz ein. Ministerialdirektor Caspar bezeichnet den Antrag als überflüssig, da Recbtsanwälte sicherlich nicht unter das Gesetz fallen, worauf auf eine Aufforderung des Abg. Haußmann(Forlschr. Vp.) Abg. Dr. Schultz(Rp.) den Antrag, als nunmehr gegenstandslos ge- worden, zurückzieht. Abg. Molkcnbuhr(Soz.): Wir beantragen zwei Abänderungen des 8 19. Erstens bg- antragen wir in Ziffer 1, der die Beamten, Geistlichen und Lehrer versicherungsfrei läßt, das Wort„vorläufig" zu streichen. Es kommt manchmal vor. daß Lehrer— akademisch und seminaristisch vor- gebildete— wegen nicht genügend taklfester Gesundheit nach vor- läufiger Beschäftigung im Staatsdienst keine definitive Anstellung im Staals- oder Gemeindedienst erhalten und daher genötigt sind, Stellen etwa an Privatschulen anzunehmen. Es wäre eine unbillige Härle, diese meist doch nicht auf Rosen gebetteten Leute der Wohl- taten der Versiwerung zu berauben, um dem Staat oder der Gemeinde Beiträge zu sparen. Ziffer 2 bezeichnet als versicherungsfrei Angestellte in Eisenbahn -, Post- und Tclegraphenbetrieben, die Aussicht auf Uebernahme in das Beamtenverhältnis und Anwartschaft auf eine genügende Invaliden- und Hinterbliebenenrente haben. Hier beantragen wir, die Worte „Aussicht auf Uebernahme in das Veamtenverhaltnis" zu streichen. Dieser unser Antrag bewegt sich in der gleichen Richtung, wie der. den ich eben begründet habe. Auch hier können wir eS mir miß- billigen, wenn die Aussicht auf Uebernahme in das Beamten- Verhältnis genügen soll, um den Betreffenden von der Versicherung und Sensationelle ist in der Welt der Artisten beständig. Seit Jahren fand Succi kein Engagement mehr. In seiner Not dachte er an Paris , wo er im Jahre 1836 Triumphe gefeiert. Damals sah er im Grand Palais ganz Paris vorbeidefilieren; noch größere Erfolge hatte er in Trohes, woselbst er sich auf einige Tage lebendig Hegraben ließ; hierauf in Nauen , wo er achtzig Stunden lang auf einer Säule unbeweglich aufrecht verharrte und so das Wunder des heiligen Simeon erneuerte. Seine letzte Hoffnung beim Sonnenuntergang seines Ruhmes sollte nicht ganz getäuscht werden; von einem Vergnügungsetablissement des Montmartre erhielt er einen ziemlich günstigen Engagementsantrag. Aber die Polizei verbot sein Auftreten: es sei ein unmoralisches Schauspiel, einen Menschen leiden zu sehen. Alle Proteste des armen Succi halfen nichts, und er, der während der Zeit seiner Produktionen durch 1646 Tage hindurch hungerte— mehr als vier Jahre!—, sieht sich des Rechtes auf weiteres Hungern verwehrt und muß nun betteln, um nicht Hungers zu sterben! Lebendiges Strandgut der Weltstadt...._ Notizen. — Musikchronik. Im nächsten„PopulärenLieder'» Konzert, das am Sonntagnachmittag 4� Uhr im Blüthner- s a a l stattfindet, wirken mit: Marianne Geyer(Lieder zur Laute). Marie Fuchs(Volkslieder), Robert Koppel (Lausbubengeschichten und Gesänge). Gustav Lazarus (Improvisationen am Klavier). — Vorträge. Auf Veranlassung der Berliner Freien Studentenschaft spricht am Sonnabend um 8'/� Uhr Professor O st w a l d im Dorotheenstädtischen Realgymnasium(Georgenstr. 30/31) über: «Wesen und Ziele des Monismus". — Die Volksvorstellungen der Engagements- losen. Friedrich Holthaus , dem früheren Vizepräsidenten der Genossenscbaft, ist vom Polizeipräsidium die Erlaubnis erteilt worden, mit a ch t Ensembles, von denen jedes bis zu 12 Mitgliedern zählen darf, Vorstellungen von Schauspielen, Lustspielen, Possen und Schwänken zu geben. Auch die B a u p o l i z e i hat ihr Entgegen- kommen bewiesen und 10 Säle freigegeben, in denen von heute an bis zum 15. Dez. und wieder vom 25. Dez. bis 31. März 1912 ge- spielt werden darf. Die ersten Vorstellungen werden wohl schon Anfang Dezember stattfinden können. — Wenn der Vorhang fällt... Das Schauspiel Peter FehrS Model l)e von Johannes Tralow , das selbst von einem Hoftheater angenommen ist. wurde aus sittenpolizeilichen Gründen von der Zensur in D a n z i g verboten. Nunmehr liegt die Entscheidung deS Regierungspräsidenten auf die Beschwerde dcr Direklion vor. Das Verbot erfolgte danach, weil„beim Fallen des Vorhanges"(im zweiten Akt) keiner dcr Zuschauer darüber im Zweifel sein kann, welcher weitere Vorgang verschleiert werden soll. Es ist dies wohl das erste Mal, daß ein Stück verboten wird, nicht weil das auf der Bühne Dargestellte anstößig wirkt, sondern weil das Nichtdargestellte verletzt. Di« Polizei hat hi« zweifellos den Grundsatz besofct: Gedanken sind zollfrei, daher za verbieten.
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