»Das Leichenbegängnis der Eroiorbcten.Bei dem gestern um H3 Uhr nachmittags von der Leichen-Halle des Mgemeinen Krankenhauses aus stattgesundenen Bc-gräbnis der ermordeten Marie Schmidt spielten sich wüsteSzenen ab. Bereits um die Mittagsstunde strömten aus allenniöglichen Bezirken Leute im Leichenhof zusammen, um die ineinem vernickelten Metallsarge aufgebahrte Leiche zu sehen, derenGeficht mit einem Schleier bedeckt war. Um 1 Uhr kam es vorder Leichenkammer zwischen den Neugierigen zu einem erbitter-ten Handgemenge. Man hörte laute Hilferufe und sah Frauenmit heruntergerissenen Kleidern. Auf dem Boden lagen zer-brochene Schirme und zertretene Hüte."Diese Presse und dieses Publikum sind offenbareinander wert.Vom �sakrmarkt des Lebens.Der„Croft für Zecher".Wenn man einmal in drastischer Weise erkennen will, wie sehraie kapitalistische Welt von den schmutzigsten Geldinteressen be-herrscht wird, braucht man sich nur einmal den Kampf anzusehen,den die Interessenten des Alkohol kapitals gegen die A b st i-n e n t e n führen.Es kann nicht bestritten werden, daß der Alkoholismus einfressender Schaden an unserem Volkskörper ist. Wennman mit einem Blick das Meer von Elend überschauen könnte,das dem Alkohol seine Entstehung verdankt, kein Mensch würdemehr einen Tropfen über die Lippen bringen, hat einmal ein eng-lischer Schriftsteller nicht ohne Grund gesagt.Was fragt aber das Alkoholkapital nach menschlichem Elend,wenn der Profit ins Wanken gerät?In der niederträchtig st en Weise wird offen oder aufjournalistischen Schleichwegen die öffentliche Volksmcinung überden Alkohol von den Interessenten des Alkoholkapitals vergiftet.Weder aus die Wahrheit noch auf die nationale Gesundheit wirdauch nur die l e i s e st e Rücksicht genommen, wenn es sich um dieerhabene Aufgabe handelt, die Menschen zum Saufen zu bringen.Mägen die Schäden des Alkoholismus weiter fressen, wenn nurder Profit nicht sinkt!In Frankfurt a. O. hat sich nun die königliche Regierungveranlaßt gesehen, diesem gewissenlosen Treiben mit einem Erlaßentgegenzutreten.Der Erlaß hat folgenden Wortlaut:„Verbreitung von Plakaten der Alkohol»interes senken.In letzter Zeit werden in vielen Wirtschaften Plakate aus-gehängt, die, auf angeblich wissenschaftlicher Grundlage be-ruhend, veranschaulichen sollen, daß die völlige Enthaltung vonAlkohol auf den menschlichen Körper schädlicher wirkt, als selbststarker Alkoholgenuß. Die Plakate führen entweder den voneinem Plakat des Deutschen Vereins gegen Mißbrauch gei-stiger Getränke entlehnten Titel:„Was jedermann vom Alkoholwissen muß", oder den Titel:„Trost für Zecher". Die HerrenLandräte und Ortspolizeibehövden ersuche ich, dahin wirken zuwollen, daß diese Plakate, die der Förderungder Völlereizu dienen geeignet sind, verschwinden. Die Wirte werden daraufaufmerksam gemacht, daß das Aufhängen derartigerPlakate bei einem Äonzessionsentziehungsvcr-fahren wegen Förderung der Völlerei als BeweismittelVerwendung finden könnte. Der Regierungspräsident."Wir find im allgemeinen durchaus keine Freunde von behörd-kichen Eingriffen des gegenwärtigen Staates.Im vorliegenden Fall aber handelt es sich um einen gemein-gefährlichen Betrug, den aufzudecken ein Vevdienst ist.Eine Strafpredigt an die ßefitzenden.In einem Feuilleton-Artikel des„HannoverschenTageblattes" befaßt sich ein Mitarbeiter sehr abfälligmit der Festfütterei der„besseren" Gesellschaft. Wer im ge-sellschaftlichen Leben stehe, so heißt es, sei Zeuge eines Un-f u g s, wie er schlimmer nicht gedacht werden könnetman gebe Fest a u f F e st, Essen auf Essen. Frühersei man so bescheiden gewesen, zu einem einfachen Abend-essen einzuladen, heute aber gebe man spät abends ein„E ssen von einer kaum noch zu überbieten-den Anzahl von Gängen mit den raffiniert teuerstenund seltensten Leckerdissen; zu jedem Gange reichtman einen Extrawein". Auch �en sogenanntenFestessen widmet der Verfasser einige Sätze.„Bei jederGelegenheit, ob einer kommt oder geht, ob er in sein Amttritt oder es verläßt, ob man ein Jubiläum oder einen pa-triotischen Gedenktag begeht: Festessen!" Ja, so weit seies gekommen, daß„ein so ernst heiliger Gedenktag wie dervon Preußens Erhebung in diesem Jahre nicht nurdurch Gottesdienste und feierliche Akte in Schul- und Uni-versitätssälen, sondern zugleich durch solenne Festessen i nden Hotels begangen wurde. Den Tag, da das deutscheVolk die schwersten Opfer rüstete, zu den härtesten Entbeh-rungen sich vorbereitete, glaubt man nicht besser als durchein opulentes Fe st essen m it auserlesenenGängen und Sekt feiern zu könne n." Das WortWallensteins sei zur bitteren Wahrheit geworden:„Dies Ge-schlecht kann sich nicht anders freuen als bei Tische".Der Verfasser dieser Strafepistcl weiß offenbar Bescheid.Ob er dabei an die Festschmauserei bei der Einweihung� desneuen Rathauses in Hannover gedacht hat,— diesesEssen kostete pro Person 40 M.— wissen wir nicht. Jeden-falls erhöht es noch den Reiz seiner Auslassungen, daß das-selbe„Tageblatt", das diesen Artikel bringt, durch dreiseiner Redakteure bei dem 40-Mark°Essen zur Rathausweihevertreten war!_Ein einziger proteftler.Ein Badener schildert der„Frankfurter Zeitung" folgendeskleine Erlebnis auf der Bahn:„Ein Eilzug fährt von Heidelbergnach Mannheim. Ein Salonwagen ist angehängt, in dem sich dieGroßherzogin-Witwe Luise befindet. In Friedrichsfeld geht derSchaffner durch alle Wagen und sagt in näselndem Tone:„InMannheim niemand aussteigen, bis die Groherzogin Luise denZug verlassen hat!"In Mannheim fährt der Zug langsam ein, alle Passagierestecken die Köpfe zum Fenster hinaus. Eben wird vom Hoswagenein Trittbrett heruntergelassen, der Bürgermeister mit einem mäch-tigen Bukett und noch einige hohe Beamte stehen vor dem Hof-wagen und machen ihre Knixe.Im letzten Wagen will ein robuster Mann heraus, der Schaff-ner springt herbei und wehrt es ihm.„So lasse Sie mich doch raus,ich.Hab' wichtige Geschäfte!" ruft jener.„Niemand darf raus,"schreit der Schaffner,„dort vorne ist die Großherzogin und da darfniemand raus."„Ich sag' Ihne, ich geh' raus," schreit der Passa-gier,„ich hob ja nix dagege, daß da vorne die Großherzogin is,aber ich Hab' Geschäfte und geh' raus."—„Sie bleibe drinn."„Ich geh raus."—„Un Sie bleibe drinn." Da macht der Manndie Türe auf, der Schaffner schlägt sie wieder zu: es schreit nocheiner, er muß raus. Mit einem Ruck fliegt die Tür wieder ausund der Passagier steht auf dem Perron und schreit aus Leibes-kräften:„Ich bin doch keen Sträfling, daß sie mich nit raus lasse,ich Hab' zu tun in Mannheim und Hab' gar nix dagege, daß davorne die Großherzogin is und daß die annere deshalb nit rausderfe, aber ich Hab' Geschäfte," schreit er fort und sort und gehtdabei durch die Sperre. Wie er schon durchgegangen ist, ruft ihmder Schaffner nach:„Non, ich will Ihne meinetwege durchgehnlosse." Da lacht der Passagier laut auf und ruft:„Danke schön."Ist es nicht sonderbar, daß nur der eine Passagier gegenüberder devoten Willkür der Beamten sein Recht wahrte?— Allerdings lSpiel und Sport.Ist die Gründung eines Arbeitcr-FuhballbunbeS nötig?Uns wird aus turnerischen Kreisen geschrieben: Mit dieserFrage beschäftigen sich zurzeit verschiedene Fußballvereine, die demDeutschen Fußballbunde angehören. Durch die letzten Vorgänge:Beitritt des D. F. B. zum Jungdeutschlandbund, Teilnahme an dermit allem hurrapatriotischem Klimbim vor sich gegangenen Stadion-einweihung sind viele Fußballspieler, die ja zu 80 Proz. auS Arbeitern sich zusammenfetzen, stark verschnupft worden. Das ist zubegrüßen. Es beweist nämlich, daß der sporttreibende Arbeiterauch Sinn für andere Dinge behält, nicht in Sportfexerei unter-gehen will, vor allem aber sich nicht als Werkzeug von den Herr-schenden Klassen gebrauchen lassen will. Die arbeiterfeindlichenTendenzen des Jungdeutschlandbundes, seine gegen die Interessen.der Arbeiterschaft berechnete Einwirkung auf die proletarischeJugendbewegung ist erst kürzlich im Reichstage gebrandmarkt wor-den. Den Weg, den der D. F. B. heute einschlägt, Träger vonNationalstolz, Vaterlandsliebe und Patriotismus zu sein, wollenviele Mitglieder der Vereine des D. F. B. nicht mit wandern.Besonders unter den Vereinen des Brandenburgischen Ballspiel-Verbandes hat diese Mißstimmung Nahrung gefunden. Man hatdie Anregung gegeben, einen Arbeiter-Fußballbund zu gründen.Obgleich es den Arbeitern in den Fußballvereinen bekannt feindürfte, daß in Arbeiterturn- und sportvereinen, die dem Arbeiter-Turnerbunde angehören, auch das Fußballspiel gepflegt wird(diebürgerlichen Verbände haben mit der Sperrung der Fußballplätzedafür gesorgt, daß wir nicht unbekannt blieben), bringt man unsin den Fußballvereinen eine gewisse Kühle entgegen. Es ist einezu Unrecht bestehende Antipathie der Sportler im allgemeinen gegendas Turnen, das hierzu verleitet. Und doch sind beide Arten,Fußball und Turnen, körperliche Ucbungen, die sich gegenseitigergänzen. Ein anderer Einwand ist. daß der Fußballsport unterOberleitung der Turner in seiner EntWickelung gehemmt werde,■im turnerischen Gebiete nicht die Entfaltung erreiche, wie sie dieFußballspieler gern wünschen. Demgegenüber muß bemerktwerden, daß die Arbeiterturn- und Sportvereine Groß-Berlins,jetzt: Märkische Spielvereinigung, seit zwei Jahreneinen geregelten Fußballbetrieb unterhalten, ähnlich dem der bürger-lichen Ballspielverbände. Auch mehrere Fußballverewe beteiligtensich hieran. Dem Spielbedürfnis ist in weitgehender Weise Rech-nung getragen. Der Gedanke: Gründung eines Arbeiter-Fußball-bundes, muß daher prinzipiell zurückgewiesen werden, weil er eineSonderbestrebung neben schon bestehenden und anerkannten Arbeiter-organisationen' darstellt. Wie auf anderen Gebieten der Arbeiter-bewegung der Zentralisationsge danke vorherrscht, so auch im Gebietder Körperpflege.Die MärkischeSpielvereinigung fetzt sich zusammenauS rund 00 Vereinen(3000 aktive Spieler), die in die SpielbezirkeGroß-Berlin, Kottbus-Forst, Luckenwalde, Rathenow-Brandenburggruppiert sind. Die Vorarbeiten für den kommenden Herbstspiel-betrieb sind im besten Gange. Der eventuelle Anschluß von Vereinenmutz baldigst nachgesucht werden. Auskünfte erteilt der ObmannPaul Schmidt, Berlin N. 20, Grünthaler Str. 3.Radrennen im Olympia-Park.Das Internationale Flieger-Kriterrum amSonntag brachte als Hauptnummer des Programms mit WillyArend, Egg, Hourlier, O. Meyer, Perchicot, Pol-ledri, Pouchois, Walter R ü t t und Schür mann unserebesten Fahrer in den Wettkampf. Das Rennen bildete gewisser-maßen eine Fortsetzung des Großen Preises von Paris, der amSonntag vorher von denselben Fahrern bestritten wurde und mitdem Siege RüttS endete. Das Kriterium wurde in 12 Vorläufenvon je drei Fahrern und die Reihenfolge nach Punkten gewertet,Es erzielten Rütt 4, O. Meyer 5, Hourlier 6, Schürmann 8, Perchicot 9, Pouchois 9, Arend 10, Polledri 10 Punkte, Egg war nach demzweiten Lauf gestürzt und hatte aufgegeben. Den Endlauf be-stritten Rütt, Meyer, Hourlier und Schümann. Hourlier kam vorMeyer und Rütt ein, so daß jeder die gleiche Punktzahl(7) erzielte;es wurde daher ein Entscheidungslauf notwendig, der von Rüttknapp vor Hourlier und Meyer gewonnen wurde. Den Dauer-fahrern war das Theile-Erinnerungsfahren über 75 Kilometer indrei Läufen und ein 30-Kilometer-Fahren für die ö-Klasse vörbe,halten. Die Rennen waren vom Wetter begünstigt und erfreutensich guten Besuches.Ergebnisse:30- Kilometer-Rennen: 1. Pawkc in 23 Min 45»/. Sek.,2. Erxleben.Rekordfahre» mit Motorführung, 2000 m. 1. N ettclb eck1: 48, 2. Seros.Th e i l e- ErinnerungS- Fahren: 1. Laus(20 im),1. Serös in 14: 40, 2. Didier. 2. L a u s(25 im). 1. S e r ö s in17: 55'/,. 2. Didier. 3. Lauf(30 Jnn). 1. Didier in 21: 25,2. Ncttclbeck. 6 eres war nach dem 10. Kilometer infolge Reifenschadensgestürzt und hatte ausgegeben.Gesamtwert ung: 1. E er ö S, 2. Didier, 3. Nettelbcck.A. Stellbrink hatte zu dem Rennen gemeldet, komite aber infolge der amvorigen Sonntag bei einem Sturz in Zürich erlittenen Verletzungen nichtfahren.Internationales Flieger-Kriterrum. IL Laufe überje 800 m. 1. Rütt, 2. Hourlier, 3. O. Meyer ufw.P r ä m i e n f a h r e n. 8000 m. 1. P a w le in 10: 45; 2. K. Müller.Rundenprämien gewinnen Pawke und W. Bchrcnd je 3, Amelang, Hiepel,Jockiel je 2, Grüneberg, Hansel, Leuters, K. Müller, Nätebus, Schulz,Wehlitz je 1. 29 Fahrer im Rennen.__eine Lusmalerei gebunden war, Sonntags herüberkommen konnte;als sei er jetzt schon Ehemann.Und am nächsten Samstag kam Artur. Schlank, braun, gutangezogen, fröhlich und energisch. Ich prüfte ihn nachher imHerrenbade bis auf die Nieren.(Wenn das Wetter schön ist, gibtdas Herrenbad zwischen 11 und 12 das Bild einer antiken Ghmnestra.Man hat geschwommen und dies bißchen Bewegung und Nacktheitmacht selig; nun liegt man in der Sonne, man steht, man geht aufund ab, immer nackt, ganz Körper, voll de? Verlangens, jeden Tageine solche Stunde der Freiheit zu verleben, voll der Bewunderungfür die muskulösen, fettlosen, braun und mattschimmernden Leibervon ein paar fünfzehnjährigen Knaben, die in der kleinen Sand-arena ringen: breite Schultern, schmale Hüften, schlanke Beine.Griechentum.)Artur ist ein famoser Kerl, sachlich und männlich, obwohl erKünstler ist; ein kühnes Auge und gelocktes Haar, auch das läßt anHellenisches denken. Warum hat er sich eigentlich mit der Konsuls-tochter verlobt? Sie ist nicht häßlich, gar nicht, aber sie hat schmale.blasse Lippen, sie wird immer sehr vernünftig sein.Am nächsten Morgen. eS ist Sonntag, wache ich vom Licht auf.daS strahlend sieghaft durch die gelben Vorhänge bricht. Was gibtes schöneres, als in den Ferien vom Blau des Himmels geweckt zuwerden? Die Lungen dürsten nach Luft— es ist herrlich, diesenDurst zu sättigen—, die Muskeln hungern nach Bewegung; schnell,rasch die Kleider an, die Fenster aufgerissen und nach dem Frühstückgeläutet. Konsuls find auch schon an'f nnd auf der Veranda klirrendie Tassen.Aber wie ich den Schlips umbinden will, geht vor dem Hauseeine Musik los. Zwei Mann, Drehorgel und Piston. Auch das istDalschenstimmung. Ich kenne euch. Ihr seid Pfälzer Musikanten.die icb einst dort oben im Nusfischen gerührt mit Trinkgeldern be-schenkte, weil ihr den Landsmann herauskehrtet. Ihr klopft die weitenOstseeprovinzcn ab, denn mit dem Patriotismus ist ein Geschäftzu machen; aber daß ihr die Ostsee bis hierher brandschatzt, alleAchtung I Sie haben immer das Neueste auf ihrer Walze und ausder Glanzzeit der Matchitche ist eine Glanzzeit der„geschiedenenFrau" geworden.„Im Schlafcoupe, im Schlafconpö" und„Kind,du kannst tanzen wie meine Frau" fängt es an und wenn es ans-hört, ist's der diesjährige Schlager„Puppchen. du bist mein Augen-ftern". ES dauert keine fünf Minuten, da heult der erste Hund, derKonsul pfeift ebenso unerträglich mit. Artur schimpft und nur daSFräulein erklärt, fürs erste höre sie ganz gern ein paar Melodien.Ich meinerseits stecke philosophisch eine Zigarre an und legemich aufS Sofa. Manchmal bricht die Musik ab. dann kam einI Obolus geflogen. Plötzlich beginnt bei Konsuls eine erregte DtS-[ kufsion.Artur muß etwas Empörendes gesagt haben, denn der Konsulpustet und schnaubt vor Mißachtung.„So'ne Idee kann ooch nurin'nem sogenannten Kiinstlerkopfe entspringen." Ja, aber was dennfür eine Idee?„Solche zwei ErzHalunken, die dem Herrgott denTag hinwegstehlen und statt zu arbeiten sich mühelos einen HaufenBatzen zusammen betteln!"Die Tochter fängt an zu vermitteln.„Das ist doch nur einSpaß von Artur. so schlimm hat er es doch nicht gemeint". Undsie scheint Artur einen Wink zukommen zu lassen, denn er meintkühl:„Ich-verstehe deine Aufregung nicht, lieber Papa, und ichhalte es für das Vernünftigste, Minchen macht sich zum Spazieren-gehen fertig. Ich springe so lange zur Post hinüber."Es ist unklug von ihm, daß er dem Konsul da? Feld räumt,denn dieser geniert sich nun gar nicht mehr und gibt der Befürchtungdeutlichen Ausdruck, daß ein Mann mit solchen Ansichten keineGarantien für eine sichtbare Schätzung von Arbeit, Erwerb undGeld biete. Und endlich kommt es heraus: Artur hat die zweiPfälzer„eigentlich ganz vernünftige Leute" genannt, weil sie„stattin einer Fabrik sich abzuschinden", ziemlich mühelos ihr Geld ver-dienten; und der Gedanke, so die Sommerfrischen abzugrasen, sei„eigentlich eine Idee". Lieber Artur. was soll daraus werden?Minchen verteidigt dich nicht sehr lebhaft.Als ich mich zum Nachmittagskaffee wieder mit Konsuls auf derVeranda versammelte, hatte ich den Zank längst vergessen. S i ewaren mitten drin. Und die AuSeinanderse�ung war prinzipiell ge-worden. Artur wehrte sich sehr ernst, und sein Gegner war nichtmehr der Papa allein, sondern auch die Tochter.Artur: Zuerst war es nichts als eine Laune, die mir durchden Kopf ging und die man ausspricht, wenn man sich in heitererGesellschaft befindet...Konsul: Bei einem anderen würde ich eS gelten lasten, aberKünstler bestehen überhaupt nur aus Laune, und dabei machen sieLaunen z» dem, was bei anderen Grundsätze sind.Artur:... Aber da ihr nicht cinnial daS Körnchen Wahr-heit, das in meiner Behauptung steckte, begreisen wollt, so bin ichinzwischen dazu gekommen, zu finden, daß man auS dieser kleinenWahrheit sehr wohl eine große machen kann.Konsul: Hörst du es, Minchen?Artur:.... Und daß ein Mensch das Recht hat, zu wählen,ob er sinnlos schuften oder durch eine kleine Tätigkeit sich so vielverdienen will, als er unbedingt braucht.Konsul: Minchen IM i n ch e n sagt nichts.Artur: Ich selbst bin ein unermüdlicher Arbeiter, aber des-wegen habe ich doch Tage, wo ich mich frage, ob die ganze Kulturmit ihren Fabriken und ihrem niederträchtig verteilten Reichtumeinen Sinn hat, und wo ich einen Fischer, der aufs Meer fährt undnicht mehr arbeitet, als er braucht, oder sonst irgendeine der tausendunabhängigen Existenzen für vernünftiger halte als uns alle. Istman da, um zu arbeiten, oder um ein bißchen Genuß von seinembißchen Leben zu habeu?In diesem Augenblick hört man die beiden Pfälzer am anderenEnde des Dorfes musizieren. Sie haben gewiß eine reiche Erntegemacht, aber sie sind raffiniert. Sie haben eine neue Nummer ein-gefügt.„O alte Burfchenherrlichkeit", eine Spekulation auf die altenHerren und ihre Senttmentalität. Ich lache mich halbtot, Arturaber nenne ich jetzt einen doppelt famosen Kerl. Der Streit nebenantritt in ein letztes Stadium.Konsul: Nach alledem, mein lieber Freund(!), beginne ich inder Tat in Erwägung zu ziehen, ob eine Verbindung zwischenmeiner Tochter, die von meiner Art ist, und einem Künstler vollsolch auftührerischer Ansichten Dauer und Glück verspricht.Minchen: Papa!Artur: Minchen, ich bitte dich jetzt, für mich da? Wort zu er-greifen.M i n ch e n: Artur meint eS sicher nicht so schlimm, lieberPapa, und ist sicher auch bereit, seine Ansichten zurückzunehmen, wenner dir damit einen Gefallen erweisen kann.Artur: Liebe Hermine, ich möchte vorher eine Bestätigungaus deinem Munde, daß du wenigstens verstehst, wie man einesolche„Ketzerei" aussprechen und vot allem, wie man sie empfindenkann.Konsul trommelt mit den Fingern auf den Tisch und siehtMinchen an, Artur sieht Minchen ebenfalls an.M i n ch e n: So lange du selbst von einer Laune sprachst, habeich dich begriffen, aber wenn du daraus eine unchristliche Lebens-cmfchauung machst, kann ich dir nicht folgen. Ohne Arbeit, harteArbeit, kann ich mir das Leben nicht sittlich denken.Konsul: Das nenne ich, mir aus dem Herzen gesprocheit.Artur: Sollten wir wirklich nicht zusammenpassen?Minchen: Es liegt an dir, lieber Artur.Artur(zieht die Uhr): Ich kann heute nicht weiter denken.In einer Biertelstunde geht der Zug. Ich schreibe dir, Hermine.Leb wohl!Er verschwindet. Die Pfälzer spielen: Glaudsaimls igitur, indas der Kooful ebenso falsch wie lebhast einfällt. Minchen weintNehmen wir an, daß Artur bester pfeifen kann.