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Und das möchtet Ihr nicht?"
„ Eher heut wie morgen. Aber kann man denn? Was soll man denn anfangen, wo Franz die lahmen Beine hat? Wenigstens sizzen wir doch hier mietefrei, und was man zum Leben braucht, verdient er mit seiner Klebe- Arbeit."
„ Und leicht hast Du es auch nicht."
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„ Ach nee! Die Arbeit! Alle Woche zweimal die Treppen reinemachen, fünfe vorn und zweimal fünfe hinten, aufwischen und Decken bürsten, Fenster puzen und den Messingbeschlag abreiben und dann noch den ganzen Tag auf der Lauer liegen: Klingelt auch keiner, dem Du aufmachen mußt? Und dann das Wohnung- Zeigen Eben ist man die vier Treppen runter gekommen, dann muß man wieder rauf." Sie brach ab und machte sich am Herd zu schaffen, wandte sich aber schon im nächsten Moment mit ansbrechender Heftigkeit herum: Und was hat man für all die Schinderei? Ein elendes Loch, wo man sich den Tod holt; und wenn nicht den Tod, so doch genug fürs Leben... Und Du hast es auch nicht am besten." " Nein, das hab' ich nicht." Die andre seufzte.„ Wenn nur unser klein Lieschen erst wieder gesund wäre! Der Doktor sagt, sie foll aufs Land, ja wie denn? Geld dazu hab' ich nicht. In die Ferienkolonie friege ich sie auch nicht, ich kann ihr ja teine Kleider dazu kaufen, vielleicht ist sie bis dahin auch schon tot." Sie sah hoffungslos ins Leere.
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" Ja, das Leben ist schwer." „ Aber nicht für die Reichen." " Nein, für die nicht ich sehe es in oben wie die schon bloß wohnen, so etwas hast Du überhaupt noch nicht erlebt. Ich werde es Dir mal zeigen. Soll ich?... Ja, tomm!" Sie hatte die Küchenschürze an den Riegel gehängt; nun griff sie nach einem Schlüffelbund,
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Die Base erhob sich zögernd:" Aber, aber Du bist müde die Treppen " Ach, ob ich sie einmal mehr steige oder nicht, darauf kommt es mun auch nicht an. Mach nur, che es dunkel wird. Wir gehen über den Herrschaftsaufgang, heut sind sie oben alle ausgefahren, da kann ich es riskieren."
Langsam fliegen fie die teppichbelegten Marmorstufen empor. Trude Behrens wies auf die glänzende bunte Bracht:" Das Haus hier ist das feinste am ganzen Kurfürstendamm . Hier in der ersten Gtage wohnt der Wirt und in der zweiten ein Kommerzienrat. Die beiden obersten stehen leer, die dritte ist aber schon vermietet, da zicht Ostern ein Fabrikbesiger ein. Die werde ich Dir zeigen." Sie hatte die hohe Flügelthür aufgeschlossen, ein weiter geräumiger Korridor nahm sie auf. Trude ging voran. Sichst Du, hier vorn, das find die Salons. Vier Zimmer in einer Flucht, und jedes hat einen Balkon, ist das nicht schön?"
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Die Base strich mit der Hand über die farbenprächtige Tapete. „ Die fühlt sich wie Sammet an."
„ Ja, das ist eine ganz neue Art, die findet man nur in den feinen Wohnungen. Sich mal, die Thüren hier kann man seitwärts in die Maner schieben, dann wird aus zwei Stuben eine große, da haben sie Rann, wenn sie tanzen wollen. Und hier ist das Musikzimmer." Sie traten in einen fleineren Raum, der ganz im Stil einer Rosenlaube ausgemalt war, während aus den Ecken die Reliefs bedeutender Musifer heruntergrüßten. Die Base ging fopfschüttelnd weiter.„ Was ist denn das hier?"
Ja, ich habe auch schon manchmal gedacht, es sollte überhaupt bloß Herrschaften geben. Wozu sind wir noch da?"
Um die Wege zu fegen, Trude." en addit " Ja, um die Wege zu fegen." add s Und als faßte fie plötzlich ein Grauen, schlugen sie die Balkon thür zu und stürmten durch die leere Wohnung nach dem Ausgang.
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Erinnerungen an Thackeray und Dickens . Der Franks furter Zeitung" wird aus London geschrieben: In einem fürzlich veröffentlichten autobiographischen Wert giebt der als Theaterdirektor Charles Dickens und William M. Thackeray zum besten. Hollingshead bekannt gewordene John Hollingshead einige Erinnerungen an Thackeray , als dieser" Cornhill Magazine" herausgab. war seiner Zeit Mitarbeiter diefer beiden Schriftsteller und half damaligen Chef schildert er folgendermaßen: Thackeray war Seinen einem Omnibus zu fahren, und zwar am liebsten auf dem weder stolz, noch aufgeblafen. Er schämte sich nicht, auf Siz neben dem Kutscher. Oft habe ich ihn durch Regentsstreet fahren sehen; eins seiner Beine hing weit über den Tritt hinab. Der Mann aus dem Volk kannte ihn nicht so gut wie Charles Dickens , er war nicht populär und verschwand in der Menge wie Hollingshead neben Thackeray durch die internationale Ausstellung, jeder andre gut gekleidete Gentlemen". Im Jahre 1862 spazierte als fie Benjamin Disraeli begegneten. Die beiden Männer schauten einander an, ohne ein Erkemungszeichen zu geben. Thackeray hatte im Punch" Disraelis Roman Connigsby" als Codlingsby" ver spottet, was den Staatsmann so beleidigte, daß er Thackeray ignorierte. Redacteur war Thackeray ein herzensguter, freundlicher und zu gänglicher Mann. Dickens hatte als Redacteur Artikel gern, die feltfame Züge des Lebens schilderten, und Hollingshead wurde damit beauf tragt, ihm dergleichen Schilderungen zu liefern. Charles Dickens pflegte seine schriftstellerische Arbeit zwischen 10 1hr morgens und 2 1hr nachmittags zu verrichten; dann unternahm er seine weiten einlament Spaziergänge von 20 englischen Weilen, in dem Wahn, daß anstrengende geistige Arbeit durch ebenso anstrengende förperliche lebung ausgeglichen werden müsse. Hollingshead ist der Ansicht, Su den fünfziger Jahren war Didens' Lieblingswohnsitz Gads daß Dickens mit seinen Gewaltmärschen seine Gesundheit ruinierte. Hill, in der Nähe von Rochester in Kent , auf der Landstraße nach Dover , ungefähr 28 englische Weilen vom Strand entfernt. ft marschierte er nachmittags über Waterloo Bridge erhobenen Haupts, wie ein Distanzläufer, und kam spät am Abend todmüde auf seinem Landfit an. Sein Geschmad in Bezug auf Kleidung war nicht sehr gut; er liebte schreiende Farben. Er fonnte sich nicht ganz von den leberlieferungen seiner Jugendzeit losmachen, als der Dandy d'Orsay in der Männermode den Ton angab. In seinen fleider, Ladschuhe, weiße Halsbinde, Weste von grünem Plüsch Haufe trug er einen seltsamen Gesellschaftsangng: schwarze Bein und schwarze Sammetjacke. Er war sich seiner gebietenden Stellung in der Litteratur wohl bewußt und las in den letzten fünfzehn Jahren seines Lebens keine Besprechungen seiner Werke mehr. Er wußte, daß er seine Gruft in der Westminster- Abtei ver
dient hatte.
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,, Theekessel." Neber„ Theekessel" als Scheltwvort findet sich in der Zeitschrift für hochdeutsche Mundarten" eine Studie von O. Weise, in der folgendes ausgeführt wird: Die Wendung,„ das „ Das Hinterzimmer? Ach das kann man nehmen, wozu mau ist ein Theekessel", d. h. ein Tölpel, ist nicht nur im Volksmund in will; die unten haben es als Garderobenzimmer eingerichtet. Die Deutschland gebräuchlich, sondern hat auch in der Litteratur Eingang Dame, die hier einzieht, will cs, glaube ich, auch dazu nehmen, aber gefunden. Jakob Lenz , der Jugendfreund Goethes, sagt in seinem mun fomm' man nach dem Speisejaal, jetzt gehen wir nach hinten." Drama" Der Hofmeister ":" Ein Mann, der es gegen ein Frauenzimmer Durch die große Berlinerstube traten sie auf einen zweiten Sorri- so weit treibt, ist entweder ein Theekessel oder ein Bösewicht". In dor, die Base wies nach links:„ Das sind wohl die Schlafstuben?" vielen Sprachen finden sich Belege dafür, daß ein hohler Kopf als Die andre lachte:" Das? Ach wo! Das liegt nach dem Hof und ein leeres Gefäß bezeichnet wird. Im Französischen giebt es eine den Pferdeställen; das ist die Mädchenkammer und die Dienerstube. Redensart bête comme une crache, auch wird das Wort coquemar Die Schlafzimmer liegen hier nach den Gärten, hast Du es nicht( Topf, Steffel) in gleichem Sim gebraucht. Steffel allein bezeichnet draußen am Mietszettel gelesen, nach großen Gärten?" außerdem noch einen Ofenhocker, Stubenhocker, daher namentlich häufig einen Lehrer, mur ist es fraglich, ob bei dieser Bedeutung von Sessel auch der Gedanke an die Hohlheit des Kopfes vorgeschwebt hat oder etwa eine ähnliche Vorstellung, wie sie in der Schülerscene von Goethes Faust mit den Worten ausgesprochen ist:„ Mir wird von alle dem so dumm, als ging' mir ein Mühlrad im Kopf herum." Dann würde das Wirbeln des kochenden Wassers im Kessel dem Herumwirbeln der Gedanken im Kopf entsprechen.-
Die Angeredete antwortete nicht, sie eilte durch die Zimmer flucht, die sich von neuem vor ihnen aufthat und stieß in dem letzten die Balkonthür auf, mit einem Ruf des Entzückens blieb sie auf der Schwelle stehen:„ Das ist schön!"
" Ja, das ist noch schöner als die Straße vorn." Trude war neben sie getreten:„ Wenn es Frühling wird, ist da alles ein Blühen. Ein Springbrumien ist auch drin. Sieh!"
Aber die andre folgte dem weisenden Finger nicht, sie stand wie im Traum:„ Wein meine Liese da hineinkönnte!"
" Ja, oder mein Mann."
" Dürft Ihr denn nicht?"
Wir? Ach was dentst Du! Das ist bloß für die Herrschaften. Höchstens mal, wenn ich die Wege fegen muß."
Ach so," die Base trat einen Schritt vor und beugte sich über die Balfonbrüstung, Trude faßte ihren Arm:„ Nein, nein, thu das nicht, ntan fönnte uns sehen."
Aber die andre tam nicht, sie stand noch immer und sah über die großen Gärten fort, und während sie nachdenklich ins Leere blickte, fagte fie:„ Eigentlich ist das ganze Leben bloß für Herr schaften da."
„ Eigentlich ja."
„ Sie haben alles, was sie wünschen können. Sie wohnen in den schönen Wohnungen, an den großen Gärten, wir können nie hinein."
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Volkskunde.
- Ueber den Wachholder sprach Elisabeth Lemke in der letzten Sigung des Berliner Vereins für Volkskunde". Wie wir einem Bericht der Boff. 3tg." entnehmen, zählte sie einleitend die bekanntesten und bedeutungsvollsten Namen diefer Pflanze auf ( Glückholder, Manchandel, Kranewitt, Kaddick, Fenerbaum u. a. m.) und gab deren Erklärung. Die immergrüne Farbe, die fast allen Gefahren troßende Kraft und Lebenszähigkeit, fotvie die außer ordentliche Heilkraft des Wachholders haben ihn von jeher in uns zählige Beziehungen zu Kult, Cage und Brauch gebracht. Ein gehend schilderte die Vortragende die Benutzung von Beeren, Harz und Holz beim Räuchern, so bei Andachten, Leichenbegängnisfen, Strankheiten, abergläubischen Handlungen, Festlichkeiten usw. Ursprünglich sollten wohl die wohlriechenden Harze und Beeren den üblen Geruch des versengten Fettes bei Brandopfern mildern. Dieser Gebrauch dehnte sich schließlich dahin aus, daß das Verbrennen des