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Nummer 2

Die Wählerin

Blätter zum Groß- Berliner Wahlkampf

Die freie Preffe, die fchlecht ift, entspricht dem Charakter

ibres Wefens nicht. Die zenlierte Preffe mit ihrer Beuchelei, ihrer Charakterloligkeit, ihrer Eunuchenfprache, ihrem hündifchen Schwanzwedeln verwirklicht nur die inneren Bedingungen ibres Wefens.... Ein Kaftrat bleibt ein fchlechter Menfch, wenn er auch eine gute Stimme hat. Die Natur bleibt gut, wenn lie auch Mißgeburten hervorbringt. Das Weten der freien Preffe ilt das charaktervolle, vernünftige, fchlichte lefen der freiheit. Der Charakter der zenfierten Preffe ift das charakteriofe Unwefen der Unfreiheit, fie ift ein zivili­fiertes Ungeheuer, eine parfümierte Mißgeburt.

Karl Marg

Frauenpflicht am 16. Oktober.

Bon Carl Wermuth.

Den Vorgängen in der Stadtverwaltung hat die Bevölke­rung erst seit neuerer Zeit mehr und mehr Beachtung geschenkt. Das ist erklärlich. Die politische Umgestaltung des 9. Novem­ber hat auch für die Gemeinden grundlegende Veränderungen hervorgerufen. Durch die Beseitigung des Dreiklassenwahl­rechts und die Ausdehnung des gleichen Rechts auch auf das weibliche Element haben unsere Gemeinden ein völlig anderes Gepräge erhalten. Hatte sich auch bereits jahrzehntelang vor­her der kommunale Sozialismus gegenüber der liberalen Alera und der kapitalistischen   Spekulation durchzusehen gewußt, so verschaffte das vermehrte Maß politischer Macht der Arbeiter­klasse erst die ihr gebührende Position, um im Interesse der Minderbemittelten wirken zu können.

will den Plah nicht freiwillig räumen, es ringt mit dem Neuen um weiteren Fortbestand. Als Ausdruck dieses Rin­gens find die Kämpfe in den kommunalen Körperschaften und die am 16. Oftober stattfindenden Wahlen zu betrachten. Die Wahlen gelten für das gesamte Bürgertum als Kraftprobe, den ehernen Gang der so. zialen Enfmidlung in der Gemeinde zu hem men und womöglich alle bedeutsamen Wirt. schafts- und Verkehrseinrichtungen wieder tapitalistisch zu versippen.

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Wie sehr dieses Bestreben vorhanden ist, erhellt daraus, daß die Agitation der Deutschnationalen bis zu den Demo­fraten auf die Herabsehung der fommunalen Betriebe eingestellt ist. Dabei benutzen sie allesamt die Ungunst der trostlosen Finanzverhältniffe, um gegen die ver­meintliche Mißwirtschaft der sozialistischen   Mehrheit Stim­mung zu machen. Die bürgerlichen Parteien verstehen ihr Handwerk; sie verlassen sich auf die Bergeßlichkeit der Wähler­fchaft. Sieht sich der sozialistische Magistrat genötigt, den Gas, Wasser- und Elektrizitätspreis zu erhöhen, so wälzen die bürgerlichen Wahldemagogen nicht etwa die Schuld hier­für auf jene Kreise, die bereits lange vorher die Preise für die unentbehrlichen Rohprodukte um das Fünfzehn- bis 3wanzig­fache erhöht haben, sondern auf die Unfähigkeit der roten Herrschaft" im Berliner   Rathause. Daß die Mehrzahl der Großstädte Deutschlands  , in denen zum Teil bürgerliche Herren das Zepter führen, seit langem weit höhere Preise für Gas, Wasser, Elektrizität von der Bevölkerung fordern, wird wohl­weislich verschwiegen. Indeffen die bürgerlichen Wahlmanöver werden zu einer Zeit angewendet, in welcher bereits offen­fundig feststeht, daß die kommunalpolitische Betriebswirtschaft sich erfolgreich durchzusehen beginnt. Daß der ehemals her­untergewirtschaftete Straßenbahnbetrieb bereits in der kurzen Daß die Frauen an den kommunalen Vorgängen in 3eit sozialistischer Herrschaft so glänzende Ergebnisse aufzu­steigendem Maße interessiert sind, beweist deren rege Teilweisen vermag, fonnte selbst die bürgerliche Presse nicht mehr nahme an unseren Wählerversammlungen für die am verschweigen. Und die einheitliche Umstellung und Reformie­16. Ottober stattfindenden Neuwahlen zu den kommunalen rung der übrigen großen Wirtschaftsbetriebe dürfte in nicht Bertretungen der großen Einheitsgemeinde. Durch mannig- allzu ferner Beit dasselbe Ergebnis zeitigen. Aus den Erträg­faltige Fäden fühlen sie sich heute mit der Gemeinde verknüpft. nissen der Gemeinwirtschaft, die eine private Spekulation nicht Während die Bevölkerung mit dem Staat nur in mittelbaren fennt, werden im Laufe der Zeit wieder die Mittel für die Beziehungen steht, tritt sie in ihren mannigfachen Lebensbe- kulturellen Bedürfnisse der niederen Schichten erwachsen. dürfnissen und gemeinsamen Interessen mit der städtischen Ver­waltung in direkte Berührung. Die Gemeinde muß sich ihrer und Verkehrsbetrieben beschäftigten Angestellten und Arbeiter Das soll nicht auf Kosten der in den städtischen Wirtschafts­Mitglieder von der Wiege bis zum Grabe annehmen. Immer zahlreicher werden die Aufgaben, welche der Staat den Ge- geschehen, sondern auf Grund des Nußeffektes, den eine nach meinden überträgt. modernen Betriebsmethoden eingerichtete Gemeindewirtschaft Der Mutter und Säuglingsschuß, die Errichtung von unter völliger Ausschaltung tapitalistischer Interessen ergeben Kindergärten und Spielplätzen, der Bau und die Unterhaltung muß. Gemeindearbeiter und angestellte sind in der sozialen von Schulen sind zu Aufgaben der Gemeinde geworden. Sie Gemeinwirtschaft nicht mehr Unternehmer, sondern Funktio verfolgt die geistige und körperliche Entwicklung des Kindes näre, die den Einrichtungen des Gesamtwohles dienen. durch schulärztliche Untersuchungen, Schulbäder, Schulspei- Der Werdegang dieser Entwicklung ruft aber auch die fungen, Ferienverpflegung, Waldschulen usw. Daneben geht Frauen in immer stärkerem Maße in den Dienst der die soziale und hygienische Fürsorge der Gemeinde für die Ge- Gemeinschaft Mutter- und Säuglingsfürsorge, Schul famtbevölkerung. Die Errichtung von Kranken- und Siechen- und Jugendpflege find Tätigkeitsgebiete, auf denen die Mit­häusern, von Badeanstalten, Volksparts ufm. find städtische arbeit der Frau dringendes Erfordernis ist. Es kann daher Angelegenheiten. Und die großen, dem Gemeindewohl dienen- auch den Frauen nicht gleichgültig sein, welchen Ausgang die den Wirtschaftsbetriebe sind dank der sozialistischen   Initiative Wahlen am 16. Oktober nehmen. Ein Sieg des Bürgertums fast restlos der privaten Spekulation entrissen und in den Besitz würde nicht allein von politischen Folgen weit über die Grenzen der Gemeinde überführt worden. So, zeigt es sich, daß eine Berlins   hinaus begleitet sein, sondern die Entwicklung der. von sozial denkenden Männern und Frauen geleitete Stadt- größten Gemeinde im Sinne der sozialen Gemeinschaft zum verwaltung für die Bürgerschaft sorgen muß von der Wiege Stillstand bringen. Die Folgen wären unabsehbar. Da­bis zum Grabe. Eine moderne Stadt trägt auf den entscheiden- her fannes für den fortgeschrittenen Teil der den Gebieten ihres wirtschaftlichen und sanitären Lebens weiblichen Wählerschaft nur eine Parole immer mehr den Charakter einer großen Genoffen geben: Mit verdoppelten Kräften in die fchaft. Agitation zu treten, damit am 16. Oktober die Diesem notwendigen Entwicklungsgang des fommunalen Sozialdemokratie Berlins   als starte Gestal­Lebens treten zuweilen starke Hemmnisse entgegen; das Alte terin einer besseren Zukunft hervorgeht.