Weckruf.Von Tlar a Bohm-Schuch.Eo müde jchleicht der graue Tag und schleichen alle Tage,Die Freude schläft, das Leid ist wach, und wach sind Rot und Plage.Die Sorge geht mit uns zur Ruh und weckt uns morgens wieder,Sie töirckt uns noch im Traum« zu und wirst uns endlich nieder.Hohnlachend zwingt sie uns zur Fron, die wir zum Lichte streben,Elend ist unserer Arbeit Lohn und unser ganzes Leben.Wir schmachten nach der Sonne Licht, wann wird das Heil unswerden,Das uns're Sklavenkettcn bricht und uns erlöst aus Erden?....Was-klagt ihr dumpf und bang und schwer und klirrt mit eurenKetten?Euch kommt kein Heil vom Himmel her, ihr müßt euch selbst erretten.Seicht Sklaven mehr, nein, Menschen sein und frei zum Himmelschauen.Für alle locht der Sonnenschein, für olle blüh'n die Auen.Nur wollen müßt ihr, stolz und stark und euch die Hände reichen.Einsetzen müßt ihr Mut und Mark und nicht vom Pfade weichen.Erwacht aus eures Elends Not und brecht vereint die Ketten.Hier hilft kein Himmel und kein Gott, ihr müßt euch selbst erretten.Die Mütter.Von Elli Radtte.Friedrichshain. Die goldenen Strahlen der Oktobersonne fließenüber Sandwege und Spielplatz und lasten den weißen Kies undden grünen Rasen aufleuchten. Die Luft ist stisch und kühl, aberdie Sonnenstrahlen wärmen wohlig. Zwei Kinder spielen ein-trächtig im Sande. Leise jauchzende Stimmen erwecken ein glück-lichcs und frohes Gefühl. Die beiden Buben haben sich kleine Ver-ticfungen in den Sand gegraben und kullern nun mit Eicheln undMurmeln� Wer in die Kute trifft, hat gewonnen.Zwei Frauen sitzen auf der Bank. Die eine ist jung. Siestickt an einem neuen Kittelchcn. Die andere ist älter. Graue Haare,Falten zwischen den Augenbrauen und von der Nase zum Mundherab. Die Kinder spielen, und die Frauen kommen ms Gespräch.Die ältere erzählt, daß der Kleine das Kind ihrer Tochter ist, dietagsüber im Bureau arbeitet. Der Mann ist gefallen, im letztenKriegsjahre. Das Kind hat seinen Vater nie gesehen.„Ja, der Krieg, der entsetzliche Krieg.. Die jüngere iststill und blickt zärtlich zu ihrem Jungen hin. Der kommt ange-laufen und schmiegt seinen Blondtopf in ihren Schoß.„Wie ttun nur alle die Mütter leid, die ihren Sohn In demschrecklichen Morden hingeben mußten, und auch ihr Kind hat einstso fröhlich im Sande gespielt und mit seiner Mutter gescherzt undgeschmeichelt, so wie der Kleine hier!*Die ältere blickt auf. Ihr Gesicht ist hart geworden.„Ja, und noch immer gibt es Menschen, die an die Möglichkeiteines neuen Krieges denken!*„Ja, man hört und liest oft davon. Es wäre entsetzlich. Wennich daran denke, daß mein lieber kleiner Junge auch einem solchenSchicksal entgegensehen sollte— ich könnte wahnsinnig werden. Aberwas können wir dagegen lim? Wir Frauen sind ja vollkommenmachtlos! Wenn die Menschheit wieder Krieg will, dann könnenwir nichts dagegen tun.*„Dho!* Die grauen Augen der älteren blitzten.„So macht-los sind wir nun doch nicht! Wir können uns dagegenwehren, wir brauchen nur zu wollen! Und wer willden Krieg? Die Menschheit? Nein, die will ihn nicht. Die ver-abscheut ihn für alle. Zeiten sie hat ihn erkannt. Wer den Krieg will,das ist nur ezne kleine Schar. Aber sie hat noch viel Macht inHänden und sie nutzt sie aus, gewissenlos und skrupellos!"Fragend sind die Augen der jungen auf die andere gerichtet.„Und was könnten wir da tun, wir Frauen?"„O, viel, sehr viel. Gerade, weil wir Frauen und Mütter sind.Wir dürfen nicht dulden, nimmer und niemals, daß der Gedankedes Hasses und des Mordes von den Herzen unserer Kinder Besitzergreift. Wir müssen uns dagegen wehren mit Händen und Füßen,daß man ihre jungen Seelen vergiftet mit Kriegsgeschichten undSchlachtcnschilderungen. Sehen Sie die Lesebücherunserer heutigen Schuljugend an. Noch immer findenSie darin die Verherrlichung des Machtgedankens, der Gewalt, nochimmer hängen die Bilder der Hesresführcr, der Generäle in vollemkriegerischen, barbarischen Schmuck in den Schulen, den Kindern zumVorbild. Noch immer gibt es viele Lehrer und Lehrerinnen, dieihren Beruf mißbrauchen, um Haß zu säen, um Begeisterung fürKanonendonner und stürmende Kompagnien zu entfachen. Wollenwir länger zusehen, wie unsere Jugend vergiftet wird, wollen wires dulde-», doß das reine Empfinden des Kindes zerstört wird undkriegerische Mordgedanken von jungen Lippen misgefprochettwerden?! Nein, wir müssen unsere Macht erkennen. Wir müssenunserem Willen Ausdruck geben. Und da Ist jetzt wieder einmal dieGelegenheit gekommen. Möge sie keine Frau, keine Mutter unbe,nutzt vorübergehen lasten! In kurzer Zeit, am 16. Oktober,wählen wir in Groh-Berlin die neue Stadtver,ordnetenversammlung. An uns liegt es, dafür zu sorgen,,daß solche Menschen hineinkommen, die ihren Einfluß dahin geltendmachen, daß endlich in die Schulen der Geist derreinen Menschlichkeit einzieht. Unsere Stadtverordneten,Männer sowohl wie Frauen aus dem Volke, sollen dafür sorgen.daß all den reaktionären Lehrern und Lehrerinnen das Handwerkgelegt wird, daß die Schulbücher mit militaristischer Propagandaentfernt werden, daß es keine„Schulausflüge" zum Antiken Tempelnach Sanssouci mehr gibt, und daß die Lehrer den Kindern vonder wahren Nächstenliebe und nicht von Krieg und Mord erzählen.Das können aber nur die Männer und Frauen der sozialistischenParteien tun. Denn alle anderen hängen viel zu sehr am Kriegund an dem System, das den Krieg verschuldet hat, als daß sie ihnernsthaft bekämpfen wollten. Und darum wählen am 16. Oktoberalle Fraueu und Männer die Liste der Sezialdemokraiijchen Parteilfin öie MüöenlBon Erna Büsing.Wahl, wieder Wahl, ach, so gedehnt wird das ausgesprochen, daßman fast körperlich die Interesselosigkeit empfindet. Ja, es gibt Wahl»mW«, auch unter denen, die nicht von Natur aus lau sind, die nichtin sträflicher Dcmachlässigung der eigenen Jnteresten sich um daspolitische Leben nicht kümmern. Ja, es gibt Wahlmüde auch unterden Frauen, die wissen, daß sie zu uns gehören. Aber angegriffen«Gesundheit, verursacht durch die Ueberarbeitung im Kriege und di«schlechte Ernährung, der häusliche Pslichtenkreis, wenn es gilt, klein«Kinder zu betreuen, oder gar der Beruf können es mit sich, bringen,daß eine Beteiligung am Parteileben nur in Zwischenräumen möglichist. Schon dadurch sind sie schwer benachteiligt. Denn wer vomParteileben durch irgendwelche widere Umstände ferngehalten wird,dem fehlt gar leicht der Schwung, dem kommt gar leicht das inner«Gemeinschaftsgefühl abhanden. Namentlich sind in solchen Fällendie Fragen der Taktik oft schwer verständlich, sie wirken leicht ver<wirrend und lösen Unmut aus.Die Müden wissen wohl, es hieße für sie tatsächlich wirtschaftlichSelbstmord begehen, wenn sie bürgerlich wählen würden. Das wer,den sie auch niemals tun. Sie denken aber womöglich nicht daran,daß es auch zur Stärkung der kapitalistischen Interessen dient, wennsie ihrer Wahlpflicht nicht nachkommen. Die Sozialdemo«k r a t i e will den Schutz der Schwachen, daran müssen imsonderheit die Zermürbten denken. Je mehr Stimmen für die SPD.abgegeben werden, desto wirkungsvoller kann sie ihn ausüben. DieSozialdemokratie will nicht nur Schäden lindern und aufdecken, nein,sie bekämpft stets die Ursachen der Nöte. Nur so kann für einebessere Zukunft Pionierarbeit geleistet, nur so kann für ein besseresMenschentum der Weg bereitet werden. Wir Frauen aber hoffenauf ein« bessere Zukunft, das liegt tief verankert in unserem Sein.Und weil wir Menschheitsgläubige sind, sind wir mit der Sozial--demokratie verbunden. Wir Frauen wollen helfen, wir möchtenfördern, wir streben vorwärts. All' unser Wollen aber nützt nichts,wenn es keine gesetzgeberische Verwirklichung findet, und diewiederum kann es nur finden, wenn bei jeder Wahl die SPD. einestets wachsende Stimmenzabl erhält.Das Fundament des höchsten Turmes der Welt ist unsichtbar,tief in der Erde. Das Fundament der stärksten Partei Deutschlandsruht in der Masse des Volkes. Ein Fundament ist oft unsichtbar,aber es muß unbedingt zuverlässig sein.So muß auch Verlaß sein auf die Müden, auf die gehetztenkleinen Existenzen. Sie müssen im entscheidenden Augenblick auf denPlan treten; und sie haben wahrlich nicht viel zu tun, sie brauchennur den Zettel der SPD. in die Wahlurne stecken. Keine denke zugering von sich, eine jede, sei sie auch noch so müde und„abge»kämpft", ist zu etwas nütze. Es handelt sich doch oft nur um ganzgeringe Kleinigkeiten. Es ist mitunter schon etwas nütze, wenn inZeiten des Mißmuts und des Sturmes gegen die Partei mal jemandsich findet, der nicht die Mundwinkel bänaen läßt. Es nützt schonwas, wenn man dann und ixMt«, Ver'Freundin einen aufklärendenArtikel oder eine gute Broschüre zu lesen gibt, wenn man amWahltage Frau Soundso den richtigen Stimmzettel in die 5)cmddrückt, auf die kleinen Kinder der Nachbarin aufpaßt, damit sie selbstwählen gehen kann oder ein oltes Mütterchen über den Fahrdaucmbegleitet. Keine denke zu gering von sich! Es gibt so viele kleine,unsichtbare Arbeiten. Diese auf sich zu nehmen muß jede bereit sein,denn es Handell sich um den Sieg der Menschlichkeit, um den Siegdes sozialistischen Gedan kensl