Für unsere Kinder
hatten. Es war am weitesten von ihnen entfernt, zum Teil verdeckt durch die großen Kanonen. Die beiden feinen Stiefel reckten die Hälse und setzten ihre hochmütigste Miene auf, um die beiden Missetäter sofort in Grund und Boden hineinzubohren.
Aber wer beschreibt ihren Schrecken! Die beiden Stiefel knickten nicht zusammen, sondern sie lachten sie erneut aus und riefen ihnen zu:
" Habt euch nur nicht so, ihr beiden eingebildeten Laffen!"
Fassungslos sahen sich die beiden feinen Stiefel an. So etwas war ihnen noch nicht vorgekommen. Sie waren an Respekt, an Gehorsam, an Unterordnung gewöhnt. In den Hotels behandelten die Hausburschen sie immer mit ganz besonderer Vorsicht und sagten zueinander:
" Dunnerwär, dat sünd aber feine Dinger! Wat de woll fost't hem't!"
Und jetzt geschah ihnen so etwas! Und noch dazu von Stiefeln dritter Klasse! Denn das waren sie sicher; sie waren zwar, wie es schien, von ganz gutem Leder, aber alt und abgearbeitet waren sie. Sogar ein ganz ordinärer Riester saß an dem linken Stiefel. Und solche gewöhnlichen Stiefel wagten, sie, die feinen, teuren Stiefel auszulachen und zu beschimpfen!
Sie richteten sich stolz auf, und dann sagten sie mit vornehmer Würde und beleidigender
Kälte:
„ Sie wissen wohl nicht, mit wem Sie es zu tun haben? Und wie man sich in der ersten Klasse benimmt, scheinen Sie auch nicht zu wissen!"
Die dicken Kanonen glotten furchtsam auf die beiden feinen Stiefel, und die beiden Fabrikstiefel warfen sich in elegante Pofitur. Die beiden geflickten Stiefel in der Ecke aber sagten mit spöttischem Lachen:
Mit wem wir es zu tun haben? Mit zwei aufgeblasenen Faulenzern, die nicht wissen, wie die Arbeit aussieht und wie schwer sie ist. Und wie wir uns zu benehmen haben? So, wie wir es für gut halten, und nicht, wie es zwei Tagedieben gefällt!"
Den beiden feinen Stiefeln verging bei diesen Worten der Atem. So etwas hatten sie noch nie erlebt! Und dabei mußten sie noch sehen, wie die beiden dicken Kanonen ein ganz klein wenig lachten, und auch die beiden Fabritstiefel nickten den beiden frechen Spöttern aufmunternd zu.
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Deshalb freuten sich die beiden feinen Stiefel, als ihr Herr aufstand und in den Speisewagen ging. 3war mußten sie dabei an den beiden frechen Stiefeln vorbei, aber sie machten einen weiten Bogen um sie herum und guckten sie nicht an.
Nur das laute und lustige Lachen der beiden geflickten Stiefel schallte ihnen noch im Gange nach, bis der Zug über eine Brücke donnerte und dabei alles sonstige Geräusch verschlang. Ernst Almsloh.
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Zwei Treibhauspflanzen.
Von Gebe.
( Schluß.)
Das Kind war allein mit dem Gänse blümchen . Als nun das blasse Tageslicht noch mehr erblaßte und die Dämmerung hereinbrach, da stüßte sich die Kleine auf einen Arm und begann zu der Blume zu sprechen, denn Kinder und Blumen verstehen einander.
,, Liebes Gänseblümchen," sagte das Kind, erzähle mir doch von den Wiesen, wo du gewachsen bist! Hier ist die Straße so eng, und die Häuser sind so hoch, daß ich fast niemals den Himmel und die Sonne sehe. Du weißt, wie blau der Himmel draußen auf dem Lande ist, und wie hell die Sonne dort scheint. Du weißt, wie die goldgelben Ahrenfelder und die grünen Wiesen aussehen. Du kennst die lieben Vögel und die hübschen Schmetterlinge und die kleinen drolligen Grillen. Ich habe das alles nur einmal gesehen, aber ich habe es niemals vergessen. Erzähle du mir nun davon, liebes Gänseblümchen!"
Wenn eine Blume Herzeleid empfinden kann, so empfand es das Gänseblümchen in diesem Augenblick, weil es nichts von alledem wußte, wonach das Kind sich sehnte. Ach," seufzte es leise, ich kenne die Felder und die Wiesen nicht; Vögel und Schmetterlinge sind mir fremd; den blauen Himmel und die Sonne habe ich nie anders als durch ein gläsernes Dach gesehen; ich bin ja nur eine Treibhauspflanze."
,, Arme Blume," erwiderte das Kind ,,, Papa sagt, ich wäre auch eine Treibhauspflanze, weil ich zwischen engen Mauern aufwachse, anstatt mich im Freien zu tummeln. Papa sagt, deshalb wäre ich so bleich und mager und altflug, gerade wie du, kleines Gänseblümchen, das jetzt im Februar blüht, während die anderen Blumen noch schlafen. Ach, wie schön wäre es, wenn wir zwei zusammen auf das