Für unsere KinderNr. l o o o o o o o Beilage zur Gleichheit o o o o o c> o l9l1Inhaltsverzeichnis: Hcrbstinorgm. Von EduardMörikc.(Gedicht.)—„Deutschland, Deutschlandüber alles." Von Noland.— Die sieben Züchten.Von Ludwig Aurbachcr.— Allerlei Kinderspielund Kurzweil in alter Zeit. Von E. Hocrnlc.—Wundersame Ncise einer Mühlenmaus und ihrtrauriges Ende. Von Fr. Pritschow.kerbttmorgm. von cüuaril Mörikc.Im?lebel ruhet noch die Welt,Noch träumen Wald und Wiesen:Bald siehst du, wenn der Schleier fällt,Den blauen Himmel unverstellt,Herbstkräftig die gedämpfte WeltIn warmem Golde fließen.o O o„Deutschland, Deutschlandüber alles."So habt ihr alle gewiß schon einmal ge sungen, nicht wahr? Wenn ihr in der Schuleden Sedantag gefeiert habt oder an KaisersGeburtstag oder bei anderer Gelegenheit. Ihrseid ordentlich begeistert gewesen und habt mitall eurer jungen Kraft und Freude eingestimnit:Deutschland, Deutschland über alles,lieber alles in der Welt!Und der Lehrer hat euch erzählt, wie herrlichalles in Deutschland sei, wie der Kaiser gerechtund weise regiere und über alles wache, undwie überall dafür gesorgt werde, daß es jedemDeutschen wohlgehe. Deutschland sei das ersteLand auf der Erde. Alle übrigen Völker schautenbewundernd und neidisch auf die Deutschen.Vielleicht auch hat der Lehrer erzählt von dembösen Erbfeind, den Franzosen, die immer nurUnfrieden unter die Deutschen gebracht hätten,die immer auf der Lauer lägen, um über unsherzufallen. Und darum, um gerüstet zu sein,hätte Deutschland ein starkes Heer, eine mächtigeFlotte nötig.Das alles habt ihr gewiß schon mehr alseinmal gehört. Habt ihr nun aber auch schoneinmal über das nachgedacht, was euch dain der Schule erzählt ward?Ihr seid stolz darauf, Deutsche zu sein. Wiralle sind es. Wir alle lieben unser Heimatland.Es ist ein schönes Land. Schön sind die grün umkränzten Berge Thüringens, wie die weitenHeiden des Ostens, schön ist das Tal des Rheinsmit seinen Weinbergen und Burgruinen, schönsind auch die sturmumtobten Marschen derNordseeküste. Wir lieben unsere Heimat, weilwir da groß geworden sind, weil liebe Er innerungen uns an sie knüpfen, weil dort alledie leben, die uns lieb und teuer sind. Wirlieben unsere Volksgenossen, wir lieben unseredeutsche Sprache, in der große Dichter gesungenhabe». Aber— sollen wir uns darum besserdünken als andere Völker, sollen wir auf sievon oben herabschauen, sollen wir sie hassenund sogar Kriege mit ihnen führen? Ist inDeutschland wirklich alles so herrlich bestellt,daß sich kein anderes Land mit ihm vergleichenkann? Haben wir wirklich ein Recht zu singen:Deutschland, Deutschland über alles,lieber alles in der Welt!?...Vor einiger Zeit wurden überall in Deutsch land Blumentage veranstaltet. HellgekleideteMädchen verkauften in Menge Blume», weiße,gelbe oder blaue,„für die armen Kinder".Aber wohl nur wenige von all den Fröh lichen, die solche Blunien kauften, dachten anjene, die diese Blumen so kunstvoll hergestellthatten. Das sind arme Frauen und Kinder.In engen Stübchen sitzen sie tagaus tagein.Mit zitternden Händen befestigen sie dieDrähte an die bunten Papierblüten undwickeln um die Stiele grünes Papier. Derscharfe Draht reißt ihnen die Finger blutig.Draußen lacht die Sonne; aber sie findet nichtden Weg zwischen den grauen Häuserwändenin die Räume, wo Frauen und Kinder vonfrüh bis spät über ihre Arbeit gebückt sitzen.Und wie wird den Fleißigen diese harte, freud lose Arbeit gelohnt? Für zwölf Dutzend ferti ger Blumen zahlt der reiche Mann, der dieBlumen machen läßt, sieben bis zehn Pfennig.Denkt einmal nach: für 144 einzelne Blumenganze sieben bis zehn Pfennig. Wie hurtigmüssen die Hände sein, wenn sie nur so vielverdienen sollen, daß diese Menschen nichtHungers sterben! Bei zehnstündiger Arbeits zeit verdient eine Familie etwa sünfzig, sechzig,achtzig Pfennig. Da dürfen aber bis Gedanke»