1870 der neugegründeten Partei Still tand und Niedergang brachte und als ein Protest gegen die Annexion Elsass Lothringens   das Wutgeheul der natio­nalistischen Meute gegen ihn entfesselte. Nach dem Kriege begann die grosszügige kapitalistische Entfaltung der deutschen  Volkswirtschaft und mit ihr der Aufstieg der deutschen   Arbeiterbewegung. Es he stäligte sich, was Bebel im November 1870 an Jacobi geschrieben hat:Mögen auch momentan die Schläge noch so hageldicht auf uns niederfallen, die Zu­kunft gehört uns, und ich glaube wohl behaupten zu dürfen, dass die Ernüchte­rung nach 1870 noch schneller eintritt wie nach 1866. Die Entwicklung der Dinge schreitet rasend schnell vorwärts, und unsere grössten Gegner sind es, die sie gegen ihren Willen am meisten för­dern." Die Sozialdemokratische Partei  trat das Erbe der deutschen   Demokratie an. Die rasend schnelle Entwicklung der Dinge, auf die Bebel sich verliess, trug die Partei durch die Jahre des So­zialistengesetzes hindurch. Nach dem Ende des Sozialistengesetzes begann der glanzvolle Aufstieg. In Gestalt der So­zialdemokratischen Partei erlangte die deutsche Demokratie abermals mächtige Werbekraft in Deutschland  . Sie verband die aus dem Prinzip der Freiheit abge­leiteten Forderungen mit den sozialisti­ schen   Bestrebungen, die aus dem Soli­daritätsgefühl der ständig wachsenden Industriearheiterschaft emporstrebten. Sie wurde zur Wortführerin der For­derungen aus den Revolutionsjahren, an denen das Interesse der bürgerlichen De­mokraten erkaltet war. Sie war deshalb immer mehr als eine Arbeiterklassenpar­tei, sie war immer die Partei der de­mokratischen Opposition gegen das bis- marcksche und das wilhelminische Reich in Parlament, Wahlen und allge­meiner Volksbewegung. Wie die Partei eine Volkspartei, so war August Bebel   ein wahrer Volks­führer. Seine Bedeutung und seine Stel­lung in der Partei, im Parlament und im deutschen   politischen Leben war eine Symbolisierung der Demokratie. Er war der erste grosse Führer, der nicht von Geburt und Rang war, keiner von vorn­herein zur Führung bestimmten Gesell­schaftsschicht entstammte und nicht den offiziell abgestempelten Bildungsgang gegangen war, sondern der alles sich selbst, seiner Arbeit und seiner Persön­lichkeit verdankte. Er war der grosse Redner, der auf den Schrei gedrückter Volksmassen nach Erlösung antwortete. Er wirkte durch die unerschütterliche Stärke seiner sittlichen Ueberzeugung, durch die Gewalt seiner inneren Empö­rung über Unrecht. Er war beseelt von Kampfgeist, von Oppositionsgeist, von gewaltiger Vitalität. Er war die Verkör­perung des Bildungs- und Kulturwillens der deutschen   Arbeiterschaft. Die Deut­ sche   Sozialdemokratie ist immer eine Partei der europäischen   Zivilisation ge­wesen, sie hat sich stets zugehörig ge­fühlt zu der grossen humanitären Bewe­gung, die durch alle Völker hindurch­geht. August Bebel  , der grosse Vorkämpfer der deutschen   Demokratie im Zeitalter des Wilhelminismus hat einen unermüd­lichen Kampf gegen all das geführt, was das Hitlersystem heute vom Wilhelmi­ nismus   übernommen hat. Er hat ge­kämpft gegen eine Heeresorganisation, die undemokratisch und antidemokra­tisch war, bestimmt, eine Stütze des Oh- rigkeitsstaates und ein Instrument des Angriffskriegs zu sein, er hat gekämpft gegen die imperialistischen Tendenzen, gegen die Politik der Willkür, der Pro­vokationen, der Angriffe. Er vertrat .icht nur die Interessen des Friedens und der Verständigung der Völker, son­dern auch die Interessen des deutschen  Volkes gegen eine Politik, die es in die Katastrophe führen müsste. Er hat den Massen des deutschen  Volkes das Rechts- und Wohlfahrtsideal des Sozialismus als Glaube an eine bald bevorstehende Erlösung verkündet, er hat die Kampfaffekte der Volksmassen durch seine Persönlichkeit und seine glänzende Rednergabe gestärkt, er hat eine gewaltige politische Energie ge­sammelt. Diese Energie hat in den Zeiten des wilhelminischen Kaiserreichs drei Formen der Entladung gefunden: in der Begeisterung für den Führer, der die Idee symbolisierte, im aufopfernden Aufbau der politischen Massenorganisa- Chronik der Woche Ameriko und die zukunflise Wirfscliaftsordnun; Uonlag, 5. Februar 1940 Der Oberste Kriegsrat der Alliierten tagte in Paris   und fasste, wie Chamberlain er­klärte, die wichtigsten Beschlüsse seit Kriegsbeginn. In der sowjetrussischen Handelsvertre­tung in Paris   wurde von der französischen  Polizei eine Haussuchung vorgenommen. 31 Mitglieder der kommunistischen   Partei wur­den verhaftet. Ebenso wurde das russische  ReisebüroIntourist" und die Sowjetschule in Paris   polizeilich durchsucht. Der russi­ sche   Botschafter in Paris   hat gegen diese Massnahmen protestiert. Die Sowjetunion   gehört nach ihrem Aus­schluss aus dem Völkerbund nunmehr auch dem Internationalen Arbeitsamt in Genf  nicht mehr an. Die Oberbefehlshaber der belgischen und der holländischen Wehrmacht   wurden durch andere Persönlichkeiten ersetzt. Wegen des Verkaufs von Lebensmittel­karten standen in Königsberg   31 Personen vor Gericht. Der Prozess dauerte neun Tage. Der Hauptangeklagte wurde zum Tode verurteilt, ausserdem wurden Zuchthaus­strafen bis zu fünfzehn Jahren verhängt. Dienstag, 6. Februar 1940 Das italienische Kriegsmaterial für Finn­ land  , das von Deutschland   zuerst beschlag­nahmt und dann nach Italien   zurückgesandt wurde, ist nach Finnland   auf dem Weg über Frankreich   transportiert worden. Aus Südtirol   kommen täglich 200 bis 300, manchmal auch 800 Deutsche  , die für Deutschland   optiert haben. Sie bleiben zu­nächst in Innsbruck  , wo die Nationalsoziali­sten einen ganz neuen Stadtteil für sie er­richten wollen. Mittwoch, 7. Februar 1940 Der wegen Spionage zugunsten Deutsch­ lands   verurteilte Elsässer   Charles Boos ist hingerichtet worden. Der englisch  -japanische Zwischenfall wur­de in der Form beigelegt, dass die englische  Regierung von den 21 Deutschen  , die sie von dem japanischen DampferAsama Ma- ru" herunterholen liess, neun wieder frei­gibt, weil sie als nicht waffenfähig gelten. Die beiden irischen Terroristen Richard und Barnes wurden in Birmingham   hinge­richtet. Das Sondergericht in Stettin   verurteilte den 33jährigen Kurt Westphal zum Tode, weil er gegenüber der Frau eines im Felde stehenden Soldaten zudringlich wurde. Das Gericht in Danzig   fällte ein Todes­urteil gegen den 42 Jahre alten Max Cohen  , weil er mit einer arischen Freundin zusam­mengelebt hat. Donnerstag, 8. Februar 1940 Das amerikanische   Parlament lehnte mit der knappen Mehrheit von 108 gegen 105 den Antrag eines Mitgliedes ab, die Kosten für die amerikanische   Botschaft in Moskau  zu streichen und die Botschaft ganz aufzu­geben. Die Vereinigten Staaten   von Nordamerika  haben Finnland   und China   einen Kredit von je zwanzig Millionen Dollar eingeräumt. Freitag, 9. Februar 1940 Die Zwangsumsiedlung der Deutschen  aus Wolhynien   und Galizien   ist beendet. Im Laufe von 42 Tagen wanderten 118 000 Deutsche   nach Westpolen aus, wo sie zu einem grossen Teil bereits das den Polen  geraubte Land erhielten. Das französische   Gelbbuch ist bisher in Nach dem türkisch  -englisch  -französischen einer Auflage von mehr als 300 000 Exempla- Wirtschaftsabkommen vom 8. Januar 1940 ren erschienen.| erhält die Türkei   von den Alliierten, wie jetzt bekanntgegeben wird, einen Kredit von 25 Millionen Pfund für den Ankauf von Kriegsmaterial, ein Golddarlehen von 15 Millionen Pfund und ein weiteres Dar­lehen von 3,5 Millionen Pfund zur Bereini­gung der türkischen   Clearingschulden bei den Alliierten. Sonnabend, 10. Februar 1940 Präsident Roosevelt   hat den amerikani­ schen   ünterstaatssekretär Sumner Weltes zu informativen Besprechungen, jedoch ohne Vollmachten, nach Europa   entsandt. Er wird zuerst nach Italien   fahren, dann sind Besuche in Frankreich  , Deutschland  und Grossbritannien   vorgesehen. Gleich­zeitig wird bekanntgegeben, dass die ameri­ kanische   Regierung offiziöse Besprechungen mit einigen neutralen Regierungen ange­knüpft hat, die wahrscheinlich auf alle neutralen Staaten ausgedehnt werden. Es handelt sich dabei um eine Umfrage über die Möglichkeit, nach Kriegsende ein ge> sundes Wirtschaftssystem zu errichten und die Rüstungen zu beschränken. Zwischen Italien   und der Türkei   wurde ein Handelsabkommen getroffen, durch das der Wert der zwischen beiden Ländern auszutauschendenWaren im neuen Jahr dop­pelt so hoch sein soll wie in den vorherge­henden Jahren. Die Türkei   wird hauptsäch­lich Getreide, Olivenöl, Mineralien, Baum­wolle und Wolle liefern und Italien   wird mit Maschinen, Automobilen, Baumwollwa- ren und chemischen Produkten bezahlen. In der Türkei   wurden deutsche Inge­nieure, Techniker und Spezialarbeiter, die in Werften, Waffen- und Munitionsfabriken arbeiteten, entlassen. Sie sind sofort nach Deutschland   zurückgekehrt. In den schwedischen Gewerkschaften werden die Kommunisten von allen Ver­trauensämtern ausgeschlossen. Die französische   Kammer sprach nach einer Geheimsitzung der Regierung Da- ladier einstimmig ihr Vertrauen aus. Die neue Hydra Publikum teeren Volkss:«>iii4>lnsol)aft Je mehr die deutsche Kriegsnot um sich greift, desto deutlicher tritt eine Erschei­nung zutage, die den Herren des Dritten Reiches   viel Kopfzerbrechen macht. Das sorgsam atomisierte Volk, das in einzelne, streng überwachte Zwangsverbände einge­schachtelt worden ist, findet sich plötzlich wieder in einer gleichsam neutralen Eigen­schaft zusammen in einer Eigenschaft alsPublikum". Die Mitglieder der Par­tei, der Arbeitsfront, der Werkscharon, der OrganisationKraft durch Freude  " und all der anderen Gruppen wagen nicht aufzu­begehren, aber alsPublikum" sind sie un­zufrieden und äussern diese Unzufrieden­heit recht kräftig. DerRuhrarbeiter", ein amtliches Blatt der NSBO und der Arbeitsfront, beschäf­tigt sich in seiner 2. Februarausgabe 1940 mit den misslichen deutschen   Verkehrsver­hältnissen und zitiert die Worte eines Ver- kchrsfachmannes: So schwierig, rein sachlich genommen, die Verkehrsverhältnisse auch immer sein mögen, schPmm und ungesund werden sie doch eigentlich erst durch die Unver­nunft des Publikums....Dieses Publikum ist selbst sein eigener und grösster Feind." DerRuhrarbeiter" fragt erschrocken: Wer ist dieses Publikum? Was ist das für eine Unvernunft, die so plötzlich auf­taucht und vorhandene Schwierigkeiten noch vergrössert?" Das Blatt der Arbeitsfront fleht seine Le­ser an, in sich zu gehen und sich der ge­fährlichen Rolle bewusst zu werden, die dieses unheimliche neue Etwas spielt und an der jeder einzelne Deutsche beteiligt ist: Das Publikum... ja, Donnerwetter, das bin ja ich selbst. Diese Masse, die sich da drohend auf die Strassenbahntür zu­wälzt, ich stehe ja mitten in ihr. Dieser Haufe, der da missvergnügt vor einem Fischgeschäft herumsteht..." usw. Das Publikum, so versichert die Zeit­schrift, sei etwasgeheimnisvoll Anony­mes", nicht zu packen, nicht zu fangen. Da gebe es z. B. den Herrn Unbekannt, der nach zehnstündiger Arbeitszeit in eisiger Kälte vergeblich auf die Strassenbahn war­tet. Dieser Herr Unbekannttritt wenig­stens für diesen Abend aus der Volksge­meinschaft aus" und so hätte der Schrei­ber hinzufügen können in das Publikum ein, das der Volksgemeinschaft den Krieg erklärt zu haben scheint. DerRuhrarbeiter" setzt seine scheinheili­gen Beschwörungen fort, hinter denen sich in Wahrheit schon soviel Skepsis verbirgt, dass man den Verfasser beinahe zum Pu­blikum zählen könnte. Tatsächlich wird ja eine Sache nicht dadurch besser, dass man sie immer wie­der schlecht nennt und noch schlechter Man kann den deutschen   Menschen nicht über den Leisten einer kolelkfivier- ten Normalkreatur schlagen, die so oder so still hält, sondern wir bleiben nun ein­mal in dieser arteigenen Weise Indivi­dualitäten mit all unseren Schwächen und Vorzögen. Eine dieser Schwächen aber besteht tafsächlich darin, dass'wir uns häufig, und zwar immer dann, wenn uns irgend etwas nicht passt, in d'e Ano- nvmität und Verantwortungslosigkeit des Publikums flüchten. Es scheint eben manchmal leichter zu sein, als Publikum zu schimpfen, denn als Volksgenosse ver­nünftig und einsichtig zu denken." Also müsste man das Publikum eigent­lich abschaffen? Aber nein, versichert der Ruhrarbeiter", Publikum muss schon sein. Wir wol­len ja nicht ständig mit den Kanonen der Weltanschauung durch den Alltag ziehen." Das he'sst, wir können das Publikum nicht abschaffen, auch wenn wir möchten. Hitler   hat versichert, das deutsche   Volk werde seinen Führern nicht in den Rücken fallen. Möelich. Aber wie wäre es mf dem deutschen   Publikum, das lieber heut als morgenaus der Volksgemeinschaft aus­treten" möchte? Politisches Gesindel. Die tschechischen macht... Aber immerhin steht fest, dass Kommunistenführer Gotlwald und Schroe dieser Verkehr in letzter Zeit für uns ral sind aus Moskau   nach Prag   zu* alle eine böse Nervenprobe war." Und nun wird plötzlich deutlich, wo das Gerede hinauswill; rückgekehrt. Gleichzeitig haben die deut­ schen   Behörden mehrere tschechisch® Kommunisten aus den Konzentrationsla­gern entlasssen. tion der deutschen   Arbeiter, in den Wahlerfolgen der deutschen   Sozialde­mokratie. Die Sozialdemokratische Par­ tei  , die Erbin der deutschen   Demokra­tie, das war das grosse Erbe, das August Bebel   hinterliess. Die Partei hat ihre ge­schichtliche Herkunft nie verleugnet. Sie hat in der Weimarer Republik  , als sie in die Periode der staatspolitischen Wirksamkeit eintrat, bewiesen, dass sie die wahre Erbin der deutschen   Demo­kratie ist. Die deutsche Sozialdemokratie ist heute so wenig tot, wie die deutsche De­mokratie als geistige Bewegung tot ist. Ihre Aufgabe steht heute klar vor ihr; im neuen Deutschland   die Partei der grossen Volksmassen zu werden. Im Zentrum ihrer Politik steht wie in den Programmen der deutschen   Demo­kratie zwischen 1863 und 1870 ein überragendes nationalpolitisches Pro­blem: die freiheitliche Gestaltung der deutschen   Zustände und die Sicherung der Demokratie in Deutschland  , die al­lein die staatliche Zukunft des deut­ schen   Volkes tragen können. Das na­tionalpolitische Programm, von dem August Bebel   in seinen Anfängen ge­meinsam mit der deutschen   Demokratie ausgegangen war, war grosszügig aber die Volkspartei war damals von der praktischen Politik und von der Macht weit entfernt. Die deutsche So­zialdemokratie, deren Zentrum im Aus­land ist, könnte heute noch machtloser erscheinen als die deutsche Demokratie damals. Aber wie Bebel   1870, in der Zeit des Niedergangs seiner Partei, in der Epoche der nationalistischen Hoch­flut, kann sie heute mit sicherem Vor­ausblick sagen: Uns gehört die Zukunft! Wir werden es sein, die den dritten gros­sen Wiederaufstieg der deutschen   De­mokratie führen, in uns wird sich die deutsche Demokratie verkörpern. Unser® Aufgabe ist es, die Forderungen deutschen   Arbeiterschaft, die sich n:lC? den Jahren der Unterdrückung durch den Staatsdespotismus ergeben werde11' zu verschmelzen mit den grossen I'01' derungen, die aus dem Prinzip der Freiheit am Ende der Despotie hervor' wachsen werden. So wie sich die deu  ' sehe Demokratie um 1870 herum ei!icr gänzlich veränderten Situation gCof11 übersah, so hat sie auch heute e'ne veränderte und ganz neue Situation zu meistern. Die grosse Aufgabe d® politischen Befreiung und der Me sterung der Situation weist auf Saui'h hing hin weist über den men einer Klassenpartei hinaus. eine solche Partei hat Aussicht, die ü"1 geheueren Schwierigkeiten zu übefWi0� den, mit denen Deutschland   nach d' sem Krieg zu ringen haben wird, u führend bei der Neuorganisah0 Deutschlands mitzuwirken. G."