JOURNAL ANTIHITLERIEN Journal social-democrate destine aux refugies de langue allemande NOUVEL"EN AVANT!" Hebdomadaire en langue allemande Redaktion und Verlag: 30, Rue des Ecoles, Paris -5. Telephone: Odeon 42-58 Nr. 343. SONNTAG, 14. Januar 1940 Aus dem Inhalt: Bericht über eine Reise in Deutschland Finnland und die Folgen Der russlsclie Angriff und der Aorden Wie immer der Feldzug in Finnland -ausgehen möge, schon jetzt ergeben sich grosse materielle und in noch höherem Grade psychologische Wirkungen. Un­zweifelhaft hatte die russische, aber auch die deutsche Politik mit einer in kürze­ster Zeit vollendeten Niederwerfung des finnischen Widerstands und der Okku­pation des Landes gerechnet, um dann in gemeinsamer Aktion gegen die skan­dinavischen Staaten vorzugehen. Die mi­litärische Beherrschung Schwedens , Nor­ wegens und Dänemarks durch Russland und Deutschland ist das Ziel, für dessen Erreichung die Eroberung Finnlands die Voraussetzung bilden sollte. Damit wä­ren dann entscheidende Ausgangspunkte für die Offensive gegen England und die Sicherung der besonders für die deut­ sche Eisenversorgung unentbehrlichen Rohstoffbasis gewonnen. Nachher hät­ten Deutschland und Russland freie Hand zur Ausübung diplomatischen oder kriegerischen Drucks auf die Kleinstaa­ten des europäischen Südostens gehabt, um so das andere wichtige Rohstoffge- biel zu sichern und zugleich die beherr­schende Stellung der Alliierten im öst­lichen Mittelmeer zu gefährden. Der Widerstand Finnlands bedeutet für die Angreifer zunächst einen nicht wiedergutzumachenden" Zeitverlust. Un­terdessen erhält Finnland Unterstützung und die Möglichkeit wächst, diese Hilfe immer mehr zu steigern. Unterdessen verstärken sich die Strömungen in Schweden um! Norwegen , die auf ein aktives Eingreifen drängen. Auf alle Fälle aber steigern sich die militärischen Vorbereitungen Schwedens und Norwe­ gens gegen die eigene Bedrohung und die Entschlossenheit wird fester, dem zu gewärtigenden Angriff die militärische Abwehr entgegenzusetzen. Schien Finn­ land als leichte Beute dem russischen Angreifer anheimzufallen, dem die ande­ren skandinavischen Staaten dann nach­folgen müssten, so wird jetzt Skandina­ vien ein harter Bissen. Was Stalin und Hitler -Ribbentrop als militärische Spie­lerei angesehen haben mochten, würde jetzt zu einem grossen opferreichen Un- lernehmen werden, in dem die skandi­navischen Staaten nicht mehr isoliert blieben. Und wie in Skandinavien gehen Unterdessen die Rüstungen in den mei­sten Balkanstaaten weiter, wächst auch bei diesen Neutralen der Zwang, aber auch der Willen zum Widerstand gegen die Angreifer. Das ist der Hintergrund, auf dem sich die grosse diplomatische Arbeit Englands und Frankreichs voll­zieht, von der Daladier kürzlich gespro eben hat. Eine andere unmittelbare Wirkung Ist die Inanspruchnahme der russischen �Virtschaft, die nicht über das voraus­gesehene Mass hinaus geht. Das ohne­bin unzureichende und miserable Irans - portsystem erweist sich den Kriegsan- torderungen nicht gewachsen, und schon �er kleine finnische Krieg muss in der Schon normalen Anforderungen nicht ge 'achsenen Wirtschaft bedenkliche Stö- rungen hervorrufen; der starke Einsatz (1er Luftwaffe und der motorisierten For- c'ie russische Eigenproduktion schon in biationen steigert den Oelverbrauch, dem llentücliland heute Die Flucht in die Sachwerte Prlialporsoncii häufen Rönl�enapparate GöringsNational-Zeitung" vom 4. Ja­nuar behauptet: Durch Produktionssteigerung eine wachsende Kaufkraft zu schaffen und dadurch eine allgemeine Hebung des Le- bensslandes des Volkes zu erreichen, ist und bleibt der Grundsatz der nationalso­zialistischen Wirtschaftspolitik." Allerdings, so fährt das Blatt fort, stehe im Augenblickdie Versorgung der kämpfenden Front mit allem von ihr be­nötigten Rüstungsmaterial im Vordergrund", so dass eine Beschränkung des zivilen Be­darfs nötig sei. Der Staat tue deshalb gut daran, die Kaufkraft des Publikums her­abzumindern. Es gibt eine Reihe von Volksgenos­sen, die nach der Beschränkung ihrer Kaufkraft für Lebensmittel und Beklei­dung heute weniger dafür aufwenden als unter normalen Umstünden. Sie werden versucht sein, diese freigewordene Kauf­kraft in anderen Waren, die nun einmal im Kriege nicht lebensnotwendig sind, anzulegen. Ein deutliches Beispiel für diese Entwicklung war das Vorweih­nachtsgeschäft im Einzelhandel. Die Um­sätze waren enorm. Es wird niemand behaupten wollen, dass der Kauf eines Röntgenapparates durch eine Privatper­son auch nur etwas mit einem lebens­notwendigen Bedürfnis zu tun hätte. Diese unbestreitbaren Auswüchse einer freien Kaufkraft müssen unterbunden werden." Da der Anleiheweg keine Gewähr für die volle Erfassung der freien Kaufkraft biete, seien erhöhte Steuern das beste Mit­tel. um den Volksgenossen vor überflüssi­gen Anschaffungen zu bewahren. Man sieht, die im ersten Abschnitt ge­prieseneallgemeine Hebung des Lebens­standes" macht Fortschritte. Wenn die nationalsozialistische Wirtschaftspolitik ih­ren Grundsätzen weiter derartig treu bleibt, wird bald kein deutscher Untertan mehr ein Hemd auf dem Leibe haben. Dieses ahnend, kauft jeder, der noch ein paar Mark übrig hat, die überflüssigsten Dinge. Himmler lässt auf eigene Faust liiu rieh len Am 23. Dezember hat Himmler durch das DNB folgende Meldung verbreiten las­sen: Der vom Sondergericht Breslau zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilte Fritz Brehmer wurde am 21. Dezember 1939 bei Widerstand gegen die Staatsgewalt erschossen. Brehraer hatte sich an An­gehörige gefallener Soldaten herange­macht und unter der Angabe, Näheres über das Schicksal der Gefallenen zu wissen, auf gemeinste Weise Geld zu er­schwindeln versucht." Es ist in Deutschland üblich geworden, dieses Vergehens wegen die Todesstrafe zu verhängen. Da sich der Sonderrichter nach Himmlers Ansicht zu milde gezeigt hat, ist das Urteil durch die Himmlergar­de korrigiert worden. DenWiderstand gegen die Staatsgewall" hat bestimmt nicht der Gefangene, wohl aber der Son- derrichtcr begangen, und dem dürfte er nicht gut bekommen. Friedenszeiten kaum genügt. Statt Pe-|erfolgt. Hitler muss Schweden und Nor - troleumlieferant für Deutschland zu wer­den, wird Russland sowohl das gelizi- vvegen in Schach hallen, his er den eige­nen Anteil an der Beute erhält. Stalins sehe wie einen Teil des rumänischen Krieg in Finnland ist Krieg gegen Eng- Oels selbst in Anspruch nehmen. Trans- I and und Frankreich , und ihn führt Sta- portschwierigkeiten und eigener Mehr­bedarf an allen kriegswichtigen Produk­ten wird Russlands Wirtschaftshilfe für Deutschland vollends zu einer zu ver­nachlässigenden Grösse herabdrücken. Aber noch wichtiger als die materiel­len Folgen sind die psychologischen Wirkungen, die zuerst von dem Ueber- fall auf Finnland , dann von dem mili­tärischen Versagen Sowjetrusslands aus­gehen. Als Stalin den Pakt mit Hitler schloss, als derFührer des Weltprole­tariats" mit demfaschistischen Blut­hund" den Bruderkuss tauschte, da gab es immer noch Leute, die sich über das ihnen so unerwartete Schrecknis zu trösten suchten; gewiss es ist abscheu­lich, vom moralischen Standpunkt ver­werflich; aber vom Standpunkt einer reinen Machtpolitik sei es vielleicht ein wirkungsvoller Schachzug. Habe Stalin nicht die baltischen Staaten seinem Ein- fluss unterworfen und so den deutschen Drang nach Osten zum Stillstand ge­bracht? Habe er damit nicht Hiller eine schwere Niederlage zugefügt? Dass Sta­ lin durch den Abschluss mit Hitler den Krieg, den er nun ausbeutet, erst herbei­geführt, dass er Hitler in den Krieg ge­gen den Westen bewusst hineingestossen hat, wurde von diesen Leuten schlau verschwiegen, und sie betrogen sich selbst und andere mit der Hoffnung, einmal werde sich Stalin doch noch als Feind Hitlers erweisen. Der Angriff auf Finnland hat solch törichten und etwas schmierigen Einbildungen ein Ende ge­macht. Nicht mit diplomatischen Druck­mitteln allein wie gegen die baltischen Staaten, mit brutaler militärischer Ge­walt wird gegen Finnland vorgegangen. Das Vorgehen ist nicht gegen Hitler , son­dern im engsten Einvernehmen mit ihm liu als tatkräftiger Bundesgenosse Hit lers. Der Ueberfali auf Finnland ist zu gleich die ärgste Provokation, und keine Entschuldigung mit machtpolitischen Erwägungen sonderbar genug im Munde angeblicher Sozialisten kann die moralische Empörung beschwichti­gen. Stalin und seine ganze Gefolgschaft ist gerichtet, und von diesem Schlag wird sich der Bolschewismus und Kom­munismus in allen seinen Spielarten nicht mehr erholen. Dazu kommt das Versagen des bol­schewistischen Regimes bei seiner er­sten Kraftprobe. Sicher muss man die Schwierigkeiten des Terrains und die Härte des Klimas berücksichtigen; es bleibt das vollständige Versagen der mi­litärischen Führung, der Organisation und der Vorbereitung des Feldzugs. Die Rote Armee ist nicht nur schlecht ge­führt, ihre Kadres'schwierigen Aufga­ben kaum gewachsen; noch bedenkli­cher ist, dass ihre Ausstattung mit Klei­dung und Schuhwerk offenbar mangel­haft, die Zufuhr von Lebensmitteln und Munition unzureichend ist. Mit gewal­tigstem Aufwand wurde ein ungefüges Werkzeug geschaffen, aber die richtige Verwendung bleibt aus. Man muss sich erinnern, dass 1914 die Armee des Za­ren in Ostpreussen eingedrungen, dass sie nach einem Monat das österreichisch- ungarische Heer bis hinter Lemberg zu­rückgetrieben hatte; und die Armee Sta­lins weicht in der gleichen Zeit vor den kleinen finnischen Streitkräften hinter die russische Grenze zurück! Es ist nicht einmal das militärische Ereignis, es ist vielmehr der Leichtsinn, die Frivolität, die mangelnde Vorbereitung, die unzu­längliche Durchführung des Feldzuges, men anhaftet, das das Urteil über die militärische Kraft des Sowjetreiches be­stimmen muss. Und wie wurde der Kampfwert der Sowjetarmee gepriesen, nicht nur von der russischen Propaganda und ihren kommunistischen Söldlingen, sondern von allenFreunden der Sowjetunion " und so manchenlinkssozialistischen" Nachbetern. Vor diesen Massen von Flugzeugen und Tanks würde diesmal der deutsche Widerstand schnell erlah­men, das ungeheuere russische Kriegs­potential, die ungeheuere Kriegsindu­strie würde Unwiderstehlichkeit bewäh­ren; ein von Hitler befreites Deutsch­ land im Bunde mit der siegreichen Sow­ jetunion würde der Welt das revolutio­näre Gesetz diktieren. Es war nicht leicht, gegen den Un­sinn den manche Leute noch bis vor kurzem alsmarxistische" Konzeption auszugeben wagten aufzukommen. Vergebens blieben kritische Einwendun­gen. Vergebens wurde darauf hingewie­sen, dass das russische Kriegspotential schon durch den prekären Stand der russischen Wirtschaft begrenzt sei. Diese russische Wirtschaft selbst wurde ja durch direkte Propagande verherrlicht. In Wirklichkeit ist die russische Wirt­schaft trotz der unbeschreiblich schreck­lichen Opfer, die sie dem Volke aufer­legt hat, nie über das Stadium einer Man­gelwirtschaft hinausgekommen. Was sich in Russland vollzogen hat, war eine mit dem Aufwand furchtbar brutaler Gewalt, aber auch mit Hilfe derkapi­ talistischen " europäischen und amerika­ nischen Technik und ihrer Spezialisten betriebeneursprüngliche Akkumula­tion" von Kapital in Verfügung derto­talitären" Staatsmacht, die alle Greuel der kapitalistischen Akkumulation, wie sie Marx beschrieben hat, weit in den Schatten stellt. Die ökonomisch schädli­che Kolchosierung z. B. mit der Expro- das Abenteuerliche, das dem Unterneh- Ipriierung und Vertreibung von hundert-