JOURNAL ANTIHITLERIEN

Neuer Vorwärts

Sozialdemokratisches Wochenblatt

NOUVEL" EN AVANT!" Hebdomadaire en langue allemande Redaktion und Verlag: 30, Rue des Ecoles, Paris - 5. Téléphone: Odéon 42-58

Journal social- démocrate destiné aux réfugiés de langue allemande

Nr. 351. SONNTAG, 10. März 1940

Aus dem Inhalt

Tagebuch des Henkers

Der groesste Raub der Welt­geschichte

Volkswagen im Himmel

Krise der Neutralität

Neutralitätsprobleme der kleinen und grossen Mächte

Tagebuch des lenkers

8. Februar

Wie die braune Mordjustiz rasf

Ein halbes Jahr währt jetzt der Krieg... Für wen hat die Zeit gearbei­tet? Deutschland hat Polen , den schwa­chen Gegner, niederwerfen können. Aber der starke Gegner blieb von jedem An­griff verschont. Die Front im Westen Hörndler aus Schwabach , der im Oktober war von Anfang an erstarrt. Hier ver­1 Hinrichtung. 1939,, dreimal Frauen in räuberischer Ab­harrt der Krieg bis jetzt in der Vorbe­Hingerichtet wurde der vom Sonderge- sicht und unter Ausnützung der Dunkel­reitung eine Vorbereitung nach aus richt Hannover wegen homosexueller Ver- heit überfallen hatte". gebrochenem Krieg von bisher beispiel- führung Minderjähriger zum Tode verur­loser Dauer. Die Zeit dafür gewonnen teilte Erich Kohlberger aus Konitz . zu haben, ist unbestreibar der grosse Vorteil der Alliierten. Denn Deutsch­

9. Februar

14. Februar

19. Februar

3 Hinrichtungen.

Es wurden drei Todesurteile des Son­dergerichts Königsberg vollstreckt. Der erste Verurteilte, Anton Rafalski aus Al­ lenstein , hatte ,, den Wehrsold, den ihm 1 Hinrichtung, 4 Todesurteile. durchfahrende Frontsoldaten gaben, da­Vollstreckung des Todesurteils gegen mit er ihn an ihre Angehörigen schicke, den 21 jährigen Josef Baumann aus Trier. unterschlagen und vergeudet". Der zweite, temberg ,,, nützte die in Ostpreussen in­Das Posener Sondergericht fällte vier folge der Truppenansammlung vorüberge­über den Stand vom Sommer 1939 hat lich, Majewicz und Walczak, die sich an- zu aus, um Frontsoldaten zu betrügen und steigern können, nach dem Entzug von der zu bewuchern". Der dritte Verurteilte, ein Am gleichen Tage wurde Heinz Müller geblich am 1. September 1939 an Millionen Arbeitskräften und nach der aus Höhr- Grenzhausen hingerichtet. Delikt:» Misshandlung von Volksdeutschen" be- Jude namens Hans Blumenthal ,,, hat durch Drosselung seiner Einfuhr durch die Landesverrat. Blockade.

land war vorbereitet; es war minde- 4 Hinrichtungen, 1 Todesurteil. stens seit 1936 in voller Kriegswirt- Das Urteil des Sondergerichts Berlin ge- Delikt: Raubüberfall unter Ausnützung der Christian Rein aus Oberdigisheim, Würt­schaft; man kann mit Fug bezweifeln, gen Andry Sidor, 24 Jahre alt, Vasil Sabor, Dunkelheit. ob es die eigentliche Kriegsproduktion 22 Jahre alt und Michael Repko, 18 Jahre

nach der Mobilisation noch wesentlich alt, ist vollstreckt worden. Die drei Verur Todesurteile gegen die Polen Szyfter, Wa- hend eingetretene Warenverknappung da­

fallen und beraubt.

Das Sondergericht Köln verurteilte Ernst Barwig aus Hagen- Haspe wegen ver­suchten Einsbruchsdiebstahls unter Aus­nützung der Dunkelheit zum Tode.

10. Februar

teiligt haben.

1 Hinrichtung.

16. Februar

Hingerichtet wurde Max Wilke aus Ber­ lin- Köpenick , der sich gegenüber der. Mutter eines im Polenfeldzug gefallenen Soldaten wahrheitswidrig als ein Kamerad

fortgesetzte fahrtseinrichtungen geschädigt".

Betrügereien Kriegs- Wohl­

1 Todesurteil.

23. Februar

Das Sondergericht Berlin I fällte das Todesurteil gegen den 16 jährigen Claus

Ganz anders war die Lage der Alliier­ten. Sie waren nicht so ,, erzbereit" wie Deutschland . Der Feldzug in Polen gab ihnen die notwendige Zeit. Ungestört konnte die Mobilisierung durchgeführt, die Wirtschaft auf den Krieg umgestellt Hinrichtung des vom Sondergericht des Sohnes ausgegeben und so einige Wert- Kienscherper, der am 5. Februar seine werden. Seitdem ist ihr Kriegspotential Nürnberg zum Tode verurteilten Eugen gegenstände erschwindelt hatte. von Woche zu Woche gewachsen; es hat den deutschen Vorsprung, der auf ein­

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1 Hinrichtung.

Mutter ermordet hatte.

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zelnen wichtigen Gebieten bestand, be- bruar enteignet und der öffentlichen während des ersten Halbjahres von den Anfang an spielt, bei dem Grossmächte reits eingeholt, und überflügelt das deut- Bewirtschaftung" unterworfen worden. Alliierten organisiert und in fortschrei- wie Japan , die Vereinigten Staaten, Ita­sche Potential je länger je mehr. Viel- Die Durchführung der Enteignung un- tendem Mass durchgeführt wird. In ih- lien und juristisch Russland aus­leicht wird ein künftiger Historiker kon- tersteht einem Generalvertreter. Dieser rer weiteren Entwicklung stösst sie auf serhalb des Krieges geblieben sind, hat statieren, dass das Opfer Polens den kann aber auch die bisherigen polni- das Problem der Neutralen. den kleinen Neutralen sehr gegen ihren Sieg der Alliierten gesichert hat. schen Besitzer zwingen, auf ihrem Grund Denn das Problem der Neutralen ist Wunsch und gegen ihr Interesse ent­Gewiss, auch Deutschland sucht die zu bleiben und ihn nach den amtlichen in diesem Krieg von ganz anderer Be- scheidende Schlüsselstellungen gegeben. Zeit zu nützen. Soweit es die unterwor- Vorschriften zu bestellen nämlich so deutung als im letzten. Einmal gab es Dabei verknüpfen sich strategische und fenen Gebiete- Böhmen , Mähren , Slo- lange bis ein deutscher Siedler gefunden damals keine neutralen Grossmächte, wirtschaftliche Interessen zu einem un­wakei und Polen nicht einfach aus- ist, der den Polen ersetzt. Man kann sich bis auf die Vereinigten Staaten , die zuflösbaren Ganzen. Schwedens Eisen­raubt, versucht es deren Wirtschaft für vorstellen, mit welchem Eifer der neue schliesslich gleichfalls die Neutralität erzlieferungen an Deutschland sind für seinen Kriegsbedarf zu organisieren. Die Staatssklave den Boden bestellen, mit aufgaben; das heisst aber, es gibt in dem dessen Kriegführung einfach unent­Aufgabe ist leichter auf dem industriel- welcher Sorgfalt er Vieh und Geräte be- jetzigen Krieg Mächte, die hinter das, behrlich, würden sie verhindert, so wäre len Gebiet. Die Produktion der grossen handeln wird, um möglichst gute Ueber- was sie als ihr Neutralitätsrecht in An- Deutschland in einigen Monaten nicht Industriewerke Böhmens oder Polnisch- schüsse für den verruchten Peiniger zu spruch nehmen wollen, eine grosse mi- imstande, seine Rüstungsindustrie im Oberschlesiens lässt sich ohne allzu erzielen! Man darf zuversichtlich hof- litärische Macht einsetzen können. Dar- notwendigen Umfange aufrechtzuerhal­grosse Schwierigkeiten auf den deut- fen, dass die Politik die Wirtschaft er- auf müssen die Kriegführenden in ganz ten. Schweden und Norwegen sind aber schen Rüstungsbedarf umstellen und schlagen wird. Zudem zieht die Dikta- anderer Weise Rücksicht nehmen als zugleich die Durchgangsländer, durch stösst hier nur auf die Hemmungen der tur hunderttausende, insgesamt wohl früher. Zweitens ist die Funktion der die allein Finnland die nötige Truppen­Rohstoffbeschaffung und die Unwillig- über eine Million, agrarischer Arbeits- kleinen Neutralen weit bedeutungsvoller hilfe von den Alliierten gebracht wer­keit der in Sklaven verwandelten Arbei- kräfte aus den tschechischen, slowaki- geworden. Die Neutralität Belgiens den könnte. Fällt aber Finnland , dann ter und Angestellten. Viel schwieriger schen und polnischen Agrargebieten wurde im letzten Krieg nicht wegen der gerät Skandinavien so oder so in Ab­ist die Ausbeutung des Agrargebiets. heraus, die die fehlenden deutschen wirtschaftlichen Bedeutung des Landes hängigkeit von Russland und Deutsch­Nach der Verwüstung des Krieges, nach Landarbeiter ersetzen sollen. Auch dies von Deutschland vergewaltigt, sondern land, die damit unumschränkte Verfü­den Härten dieses ausserordentlichen muss dazu beitragen, dass die Ernte- aus rein militärischen Erwägungen, um gung über das wichtige Rohstoffgebiet Winters hätten die Feldarbeiten in Po- ergebnisse dieser Gebiete sehr stark ab- das beste Aufmarschgebiet gegen Frank- erhielten. Und ähnlich liegen die Ver­len an sich schon sehr stark im Rück- sinken werden, um so mehr da das blok- reich zu erhalten. Die Türkei und Bul- hältnisse auf dem Balkan . Rumänien , stand bleiben müssen. Mit seinem Ger - kierte Deutschland auch nicht imstande garien, Griechenland und Rumänien um nur dies zu nennen, ist nicht nur an manisierungszwang hat Hitler diese ist. den notwendigen Dünger bereitzu- schlossen sich aus ihren eigenen macht- sich wichtig für die Petroleumzufuhr Schwierigkeiten noch ungeheuer ver- stellen. politischen Gesichtspunkten den Krieg- nach Deutschland ; seine Stellung würde Auf keinen Fall ist die Produktions- führenden an, und der Druck, den die auch militärisch von grosser Wichtig­mehrt. Viele tausende Polen sind aus den Westprovinzen vertrieben worden, steigerung, die Deutschland in dem Kriegführenden auf sie ausgeübt hatten, keit bei einem Konflikt mit Russland . um Raum zu schaffen für die gewaltsam eigenen Wirtschaftsraum erzielen könn- entsprang militärischen und nicht wirt- Die Krise der Neutralität der Klein­dahin verpflanzten Balten, Deutsche aus te, für die Kriegsführung, wenn sie erst schaftlichen Erwägungen. Natürlich staaten wird so zu einer notwendigen Ostpolen , Südtiroler . Württemberger und zu den grossen Materialschlachten ge- hatte die Stellungnahme dieser Länder Folge der Konstellation dieses Krieges. Badenser, die zum Teil gar keine Land- führt irgendwie ausreichend. oder ihr späteres Schicksal im Kriege Jetzt, gerade mit Abschluss des ersten Eine solche Umsiedlungs- Deutschland bleibt nicht nur auf die auch wirtschaftliche und bisweilen Halbiahrs, tritt aber auch ein ernstes politik würde selbst in normaler Zeit Aufrechterhaltung, sondern auch auf die bedeutsame Folgen; aber sie waren Neutralitätsproblem zunächst zu einem gewaltigen Produk- Steigerung der Einfuhr kriegswichtiger nicht die Ursachen, die sie in den Krieg Grossmacht betrifft. England und tionsrückgang führen müssen. Wie nun Waren angewiesen. Deshalb ist die zogen. Frankreich haben als Repressalie gegen gar im Kriege! Aber damit nicht genug. Durchführung der Blockade ein kriegs- Ganz anders diesmal. Die eigentüm- die Verwendung magnetischer Minen Das gesamte polnische Bauernland in wichtiger Faktor von allergrösster Be- liche Konstellation dieses Krieges, bei Anfang November die Verhinderung je­den eingegliederten Ostgebieten" ist deutung. Diese wirtschaftliche Kriegs- dem bis jetzt der Wirtschaftskrieg, die der Ausfuhr deutscher Produkte be-­durch einen Erlass Görings vom 20. Fe- führung ist auch bisher die einzige, die Blockade, eine so gewichtige Rolle von schlossen. Um den betreffenden Län­

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