Neutralität ist aber nicht nur ein Interesse der Neutralen, es kann auch einelebenswichtige Angelegenheit der kriegführenden Parteien sein. Im Falle Norwegen ist es so, dass Deutschland dieterritorialen Gewässer, also die Dreimei-len-Zone der norwegischen Küste, dazuausnutzt, um seine Handelsschiffe,hauptsächlich beladen mit schwedischem Erz, das besonders im Wintervom norwegischen Hafen Narvik ausverschifft wird, ungestört von der englischen Blockade nach Deutschland zubringen. Der Fall„Altmark" hat ahergezeigt, dass die sehr buchtenreiche norwegische Küste auch anderem als Handelsschiffen dienen kann. Die„Altmark", ein zu einem Hilfskreuzer umgestaltetes Handelsschiff mit 300 englischen Gefangenen an Bord, ist von denEngländern rechtzeitig entdeckt, die Gefangenen befreit worden. Die norwegische Regierung hatte nichts dazu getan, um den Charakter des Schiffes auchnur festzustellen, geschweige denWeitertransport der Gefangenen durchihr Hoheitsgebiet, der sicher unstatthaftwar, zu verhindern. Sie fürchtete denDruck Deutschlands, verletzte damitaber zugleich den englischen Anspruchauf Einhaltung einer wirklichen Neutralität.Wenn aber Finnland erobert ist, derDruck Russlands und Deutschlandsnoch unmittelbarer wird, was wird dannerst aus der Neutralität Norwegens?Dann wird seine Küste unzweifelhaftausgezeichnete Stützpunkte für deutscheoder russische Unterseeboote abgebenkönnen, dann wird das Nördliche Eismeer in noch höherem Grade als heutezur Verbindung zwischen Deutschlandund Russland und zur Angriffsbasis gegen England. Das Eingreifen gegen die„Altmark" war eine deutliche Warnung,dass England diese Entwicklung nichtruhig hinnehmen will und das Kreuzenenglischer Kriegsschiffe vor Murmanskund Petsamo ist eine Bekräftigung dieser Warnung.Hilfe für Finnland! Aber die Schnelligkeit und Wirksamkeit dieser Hilfehängt sehr weitgehend von dem Verhalten der skandinavischen Staaten ab. DieUnterstützung Finnlands ist der einzigwirksame Schutz Schwedens, Norwegensund Dänemarks. Aber so wichtig undwünschenswert dieser Schutz ist, nichtdas allein steht auf dem Spiel. Es sindsehr entscheidende Interessen Englandsund Frankreichs, die einer deutsch-russischen Gleichschaltung eines strategischund wirtschaftlich so wichtigen Gebietsentgegenstehen.Wie diese Interessen gewahrt werdensollen, darüber dürfte in nicht allzuferner Zeit die Entscheidung fallen, unddas energische Vorgehen Englands inNorwegen zeigt, dass die Alliierten kaumlänger gewillt sind, die Initiative denGegnern zu überlassen. Initiative inFinnland kann aber die EinbeziehungRusslands in den Krieg mit den Westmächten bedeuten und die Erweiterung jdes Kriegsschauplatzes würde sich dannnicht auf den Norden beschränken. Deshalb ist die Entscheidung so schwer undfolgenreich. Sie— und nicht die Drohreden Hitlers, an dessen Vernichtungswillen ohnehin niemand zweifelt, wirdden weiteren Ablauf des Ereignisse bestimmen.Dr. Richard Kerndironik der WocheSkandinavische NeatralifiitMontag, 19. Februar 1940Der schwedische König Gustaf V. gabvor dem schwedischen Minüsterrat eineErklärung ab, nach der Schweden nichtriskieren kann, der finnischen„Schwesternation" Waffenhilfe zu leisten, weil dadurch die Gefahr der Verwicklung Schwedens nicht nur in den russisch-finnischen,sondern auch in den Krieg der Grossmächtezu gross sei. Die von der Regierung eingenommene gleiche Haltung ist auf lebhafte Opposition im Lande gestossen.Der norwegische Aussenminister Kohl erklärte vor dem Storthing zum Fall„Altmark", dass der Kapitän des deutschenHilfsschiffes die Durchsuchung seinesSchiffes durch norwegische Behörden abgelehnt habe, und dass sich die Regierungmit dieser Ablehnung zufrieden gab, weildem Kapitän eines Kriegsschiffes diesesRecht auf Ablehnung zustehe. Der Storthing billigte die Haltung der Regierungzum Fall„Altmark".Aus Dänemark hat sich ein neues Kontingent Freiwilliger nach Finnland begeben.Der irische Ministerpräsident de Valeraverurteilte abermals energisch die irischenTerroristen, deren Kampf sich gegen dieFreiheit des irischen Volkes auswirke.In Böhmen und Mähren legen die deutschen Behörden Stammrollen von allenmännlichen Einwohnern an, die zwischen1905 und 1920 geboren sind.Dienstag, 20. Februar 1940Chamberlain erhob vor dem Unterhausgegen die norwegische Regierung den Vorwurf, dass sie durch den Verzicht auf dieDurchsuchung des deutschen Hilfsschiffes„Altmark" gegen das internationale RechtVerstössen habe.Die schwedischen Rechtsparteien veröffentlichen eine Proklamation, in der siezu stärkerer Unterstützung Finnlands auffordern.Die Legion Garibaldi, die schon seit längerer Zeit italienische Freiwillige nachFinnland schickt, kündigt an, dass die Einreihung von 10 000 Legionären in dieKampflinien bevorsteht.Alle land- und forstwirtschaftlichen Unternehmungen in Polen, die sich noch imBesitz polnischer Landwirte befinden, sollen nach einer Verordnung Görings künftig von Deutschen betrieben, also enteignet werden.Mittwoch, 21. Februar 1940Das schwedische Dorf Pajala, das zehnKilometer westlich der flnnländischenGrenze liegt, wurde von sieben sowjetrussischen Flugzeugen bombardiert.Die schwedischen Schiffsverluste während des Krieges werden von der Regierungauf 32 Handelsschiffe mit einer Tonnagevon insgesamt 64 000 Tonnen beziffert. 228schwedische Matrosen wurden getötet und15 werden verraisst. Die meisten Schiffeliefen auf deutsche Minen auf. Von sieben Schiffen steht fest, dass sie von deutschen U-Booten versenkt wurden.Norwegen hat bis jetzt 49 Schiffe miteiner Gesamttonnage von 170 000 Tonnenverloren. 327 Matrosen wurden getötet.Die dänischen Verluste belaufen sichauf 19 Schiffe(insgesamt 73 000 Tonnen)und auf ungefähr 225 Matrosen.In Böhmen wurde eine Anzahl angesehener Tschechen verhaftet, darunter dieLeiter des Roten Kreuzes, der Sokolorga-nisation, des militärgeographischen Instituts und der Direktor einer Munitionsfabrik. Zwei Tschechen wurden zum Todeverurteilt, weil sie eine Scheune voll Weizen in Brand gesteckt haben.Donnerstag, 22. Februar 1940Es wurde ein deutsch-italienisches Abkommen getroffen, nach dem in diesemJahr ebensoviel italienische Landarbeiternach Deutschland kommen wie im Jahr1939.In englisch-rumänischen Besprechungenüber die Aufgaben des neuen rumänischenPetroleumkommissars und über die Petroleumlieferungen an Deutschland wurde einebefriedigende Basis für eine weitere Verbesserung der Handesbeziehungen zwischenEngland und Rumänien erreicht.Freitag, 23. Februar 1940Vertreter der englischen Labour Partyund der französischen Sozialistischen Partei hatten in Paris eine Zusammenkunft, aufder beschlossen wurde, künftighin noch enger zusammenzuarbeiten als seither, zunächst für die Erreichung des Sieges deralliierten Demokratien und später zurSchaffung machtvoller internationaler Einrichtungen zur Sicherung des Friedens unddes Völkerrechts und zur Entwaffnung derNationen.,Ein Horst Wessel-Standbild wurde imBerliner Friedrichshain aus Anlass deszehnten Jahrestages der Ermordung aufgestellt. In den Zeitungen ist nicht mehr dieRede von„der feigen Mordtat kommunistischer Verbrecher", wie in früheren Jahren. Horst Wessel ist jetzt für sein Volkund sein Vaterland gefallen.In dem früheren Deutsch-Südwestafrika,das als Mandat unter der Verwaltung derSüdafrikanischen Union steht, und dasnoch von vielen Deutschen bewohnt ist,wurden bei einer Wahl acht Kandidatender englandfreundlichen Partei des General Smuts gewählt. Die nationalistischePartei bekam nur vier Abgeordnete.Fünfzig schwedische Gemeinden habendie Patenschaft über fünfzig entsprechendgrosse Gemeinden in Finnland übernommen.Sonnabend, 24. Februar 1940Eine belgische Schiffahrtsgesellschafthat eine grössere Anzahl Schiffe der United States Lines gekauft.Von 10 000 ungarischen Freiwilligen fürFinnland, die bereits eingetragen sind, haben sich die ersten 1 000 nach Finnlandbegeben.Die Exekutive der Sozialistischen Internationale trat in Brüssel zu einer Tagungzusammen.Sonntag, 25. Februar 1940Die Aussenminister von Schweden, Norwegen und Dänemark hielten in Kopenhagen eine Konferenz ab. Sie stellten ineinem Schlusskommunique ihre Ueberein-stimmung in bezug auf die Neutralitätspolitik ihrer Länder fest, und sie brachten ihren Wunsch zum Ausdruck, dass derrussisch-finnische Krieg möglichst baldunter Aufrechterhaltung der vollkommenen Unabhängigkeit Finnlands beendetwerden möge. Zur Herbeiführung einesallgemeinen, gerechten und dauerndenFriedens wollen die drei Länder gern jedeAnstrengung auf sich nehmen.sich mit solchen Resolutionen an die demokratischen Völker wendet und dieKriegsverbrecher nicht einmal zu nennenwagt.Sinnlose IVontralllätDie schwedischen Frauenvereine habeneinen Friedensappell an die Frauen allerLänder gerichtet; sie fordern in diesemAppell die Frauen und Frauenorganisationen der ganzen Welt zu einem einheitlichen Protest gegen den Krieg auf, wo- er auch immer auftrete und wie er jetztin Finnland tobe. Die Frauen der ganzenWelt sollten eine gemeinsame Aktion unternehmen und ihr Aeusserstes aufbieten,um die bevorstehende Katastrophe zu verhindern, die die ganze Menschheit bedrohe.Das ist sicher gut gemeint, aber wennein solcher Aufruf einen Zweck habensoll, so muss er sich doch wohl gegen dieFriedensbrecher richten. Wer die sind,das ist doch wohl nach dem Ueberfall auf|lie TschechoslovakeÄ, Polen, Finnlandganz klar. Friedensappelle sind genug ergangen, es käme darauf an, die Männerund Frauen Deutschlands und Russlandsfür den Frieden zu mobilisieren. Die abermüssen schweigen und erfahren den Aufruf nicht einmal. Man dient weder demFrieden, noch der Zukunft, wenn manOrganisierte Aushungerungs-polltlk In PolenGöring und Funk geben das System bekannt, nach dem die gründliche Aushunge.rung Polens betrieben wird. Keine Kartoffel, kein Maiskolben, kein Huhn und keinEi entgeht dem Zugriff der deutschen Beutemacher. In jedem Verwaltungsbezirk derokkupierten Provinzen wurde ein Ernährungsamt eingesetzt, das dem polnischenVolk die Nahrung zu entziehen hat. Es hatdie Anweisungen des zentralen Ernährungs-amtes in Berlin zu befolgen.Jeder polnische Bauer muss sein Getreide, seine Kartoffeln und seine Rüben melden, und er muss angeben, wieviel Rinderund Schweine und wieviel Geflügel er besitzt. Für alles gibt es säuberlich vorge-druckte Formulare und seine Angaben werden von besonderen Kommissaren an Ortund Stelle nachgeprüft. Der Bauer bekommteine genaue schriftliche Anweisung, wievielLebensmittel, wieviel Butter, Milch und Eierer beim Ernährungsamt abzuliefern hat. Vonden Ernährungsämtern aus erfolgt die Versendung der Lebensmittel nach Deutschland.Ohne ausdrückliche Erlaubnis des Ernäh-rungsamtes darf kein polnischer Bauer etwas direkt verkaufen. Für die Lebensmittel, die nach dieser Siebung noch auf denMarkt kommen, haben die deutschen Soldaten und Zivilisten das Vorkaufsrecht.Erst wenn ihr Bedarf befriedigt ist, können die Polen einkaufen. Oft finden siedann leere Marktstände und ausverkaufteGeschäfte vor, denn die deutschen Offiziere und die deutschen Soldaten kaufenLebensmittel in grossen Mengen und schik-ken sie ihren Angehörigen ins Reich.sehen nennt. Kaum ein Goebbelsblatt, dasnicht ganze Bilderseiten von diesen Wehrbauern bringt und kaum ein Bild, das nichtdurch Gestapo-Himmlers holdes Antlitzeinen besonderen Reiz erhält.Aber gerade diese Bilderseiten sind es,die den Naziredakteuren Kummer bereiten.Bei jeder Bildunterschrift, die etwas anderes besagt als„Himmler begrüsst___" musses schief gehen. Gross, stark, gesund undzackig müssen die Photographierten sein,wenn sie sich an Polens Grenze als desDritten Reiches Wehrbauern etablieren sollen. Aber sie haben als Volksdeutsche seitGenerationen in Polen gelebt, und da müss-ten sie dem neuesten deutschen Weissbuch zufolge eigentlich totgeschlagen seinoder wenigstens halb verhungert. In diesem Dilemma erweist sich die Redaktiondes„Völkischen Beobachters" als besonders findig. Sie bringt eine Bildunterschrift, aus der die ganze in vieljährigerRoutine erworbene Biegsamkeit eines Naziredakteurs spricht:„Aerzlliche Aufnahmeuntersuchung, die einen unvorstellbarguten Allgemeinzustand unserer heimgekehrten Volksgenossen feststellen lässt. DieJahre der Not, die Trecks durch Frost undiSchnee haben die abgearbeiteten Männerund Frauen nicht zu erschüttern vermocht."Aber nicht nur die pommerschen Bauernmägde sind so pflichtvergessen. In Al-lenstein in Ostpreussen hat ein jungerMann noch viel gewaltigere Sünden aufsich geladen. Erst war er zu einem polnischen Kriegsgefangenen freundlich, dannhat er Karten mit ihm gespielt, drittensgab er ihm Zigaretten und viertens undschlimmstens erzählte er ihm, was er imausländischen Rundfunk gehört hat. Resultat: Vier Jahre Zuchthaus.XeUnnsrsstors'en über dieWehr bau ernNach der Ernüchterung über die Deutschbalten, die sich in Polen zu einem grossenTeil als wenig anpassungsfähige unddestruktiv wirkende Handelsmänner entpuppten, setzt man im Dritten Reich alleHoffnung auf die neuen Wehrbauern, wieman die aus Wolhynien, Galizien und vomNarew nach Westpolen verhöckerten Deut-Das vlrlffoplasTtc llerrenvolkImmer wieder vergessen viele Deutsche,dass Hitler sie zu Herren eingesetzt hat undaus mangelndem nationalsozialistischemSelbstbewusstsein denken sie, es genüge einfach Mensch zu sein. Da schwenken sichin Pommern die Bauernmägde zur Tanzmusik. Die als Mittänzer zuständigen Heimkrieger sind noch nicht alle zum Fest erschienen. Ein paar polnische Kriegsgefangene, mit denen die Mädchen tagsüber aufden Gütern zusammenarbeiten, dürfen mittanzen. Schon ziehen sich am Himmel dieersten Wolken einer drohenden Rassenschande zusammen und es ist unausdenkbar, was sich zwischen dem Herrenvolkund seinen Knechten hätte ereignen können, wenn die deutschen Heimkrieger nichtschliesslich doch noch so rechtzeitig eingetroffen wären und alle Vorbereitungen getroffen hätten, dass die ihrer Herrenpflichtso wenig bewussten Mädchen gleich amAusgang des Tanzsaales verhaftet und ihrerinzwischen erfolgten strengen Bestrafungzugeführt werden konnten.Ilclbstvorslüniniolung;«Inrch KundrunkAm 13. Februar hat Goebbels in seinemMinisterium vor den„Reichs- undStosstrupprednern" eine Ansprache gehalten, in der er(It. Essener„National-Zeitung" vom 14. 2.)„die Frage der Rund-funkverbrecher behandelte, die keineswegs eine mildere Beurteilung verdientenals der Soldat, der sich durch körperliche Selbstverstümmelung untauglich zumKriege mache".Wer zur Wahrheit vordringt, verstümmelt sein vom Propagandaministeriumzurechtgestutztes Gehirn derart, dass esfür das Dritte Reich unbrauchbar wird-Ein Volk von Selbstverstümmlern IVom Lolbe her„Die Erziehung„vom Leibe her"(durchTurnen und Sport) steht über allen anderen„Fächern". Im übrigen sind alle Bil-dungssloffe, die auf Grund überwundenerVorstellungen in die Volksschule eingedrungen sind, und die mit den Forderungen des Lebens nichts zu tun haben, ausden Lehrplänen ausgeschieden. ManchesNeue, wie zum Beispiel Erblehre, wurdedafür aufgeonmmen..."*(Aus den neuen Richtlinien für die deutsche Volksschule).Deutsche Armutei. Das Reichsernäh-rungsminislerium teilt mit, dass zwischendem 12. Februar und dem 10. März auf bestimmte Abschnitte der Nährmittelkarte„nach Wahl anstelle von je 125 g Kaffe-Er-satz- oder-zusatzmitteln je 10 g Tee bezogen werden können." Jedoch verfüge nichtjeder„Beteiler" über Teevorräte, ein Anspruch auf die Lieferung des Tees bestehealso nicht.