WeUlanf der PinselTotentanz In PolenIm tausendjährigen Reich muss sich dieKunst sputen, sonst wird sie von der Entwicklung Lügen gestraft; sie muss Aktuali-tätenschau werden. Stolz verkündet die Nazipresse, wie sich die Maler abgejagt haben,um die blutigen Vorgänge im Osten auf dieLeinewand zu bannen. In Krakau werdeeine Ausstellung eröffnet, in der ein Malernamens Kyffhäuser laut„National-Zeitung(5. 2.) das„Erlebnis der Ueberführung derDeutschen aus Wolhynien und Galizien ineiner Reihe von Studien und Skizzen festgehalten hat..." Die Toten und Krankenfehlen. Dafür jedoch schonte sich auch derKünstler nicht: die Bilder entstanden„inDeutsch-Przemysl nicht selten bei mehr als30 Grad Kälte", was auf dem Gebiet derMalerei zweifellos einen beachtlichen Rekord darstellt. Was ist daneben die Kunsteines Rubens oder eines Tizian, die in teilsgemässigtem, teils warmem Klima entstand?Noch heroischer geht es in der BerlinerAusstellung zu, in der die Gemälde vom Polenfeldzug zu sehen sind. Man liest in der„Berliner Morgenpost" von Malern,„diemit ihrem Pinsel draussen eingesetzt wurden". Da sieht man„den Polenkämpfer,über stürzende Mauerreste vorwärts dringend", und unweit des Helden die junge,„Volksdeutsche Frau, auf dem feinen, reinrassigen Gesicht mit den verhangenenblauen Augen liegen die Spuren ausgestandener Schrecknisse"... Die slawische Mischung muss man sich hinzu denken. Zwischen den beiden aber ist längs der Wändedie Hölle los:„Zwischen rauchenden Trümmern,ausgebrannten Gasometern, gesprengtenBefestigungswerken geht unaufhaltsamder graue Heerbann vorwärts... Brändelohen auf, zerschossene uralte Wälderwirken wie mystische vorzeitliche Gebilde. Tote Pferde bezeichnen mit ihrenaufgedunsenen Leibern die Rückzugsstrasse einer grossen geschlagenen Ar-mefe..."Denn Hitler nannte sich nicht umsonstden Friedenskanzler. Man vermisst in derAusstellung allerdings die verjudeten neuenBundesgenossen, die vom Osten her der polnischen Armee in den Rücken fallen. Aberdas kommt wohl noch.„Totentanz in Polen" nennt sich die eine Blattfolge; sie wirdmit ihren Geschwistern einmal in den Museen eines freien Deutschland als Dokument hitlerdeutscher Schande hängen.Die Ausstellung„eröffnete ReichsleiterRosenberg". Hei lewet noch! Warum fehltnoch immer eine Bilderserie, mit der dieAustreibung der Deutschen aus dem Baltikum dargestellt wird? Es müsste ja nichtgerade Rosenberg sein, der die einleitenden Worte spricht.Die Keim Stil in nieWiclnkincl— ein«f ndenslilnimlins:?Ha«!« undJHenschliclikeitDer Roman„Erziehung zum Menschen"(Verlag Oprecht, Zürich) will nicht nurein mahnendes Zeitbild sein, sondernauch eine Auseinandersetzung mit der nazistischen Hasslehre. Sein Schauplatz istein Schweizer Landerziehungsheim, undder Autor, Werner Johannes Guggenheim,verwendet viel Dialog, um die Gegensätzeaufeinander platzen zu lassen. ZweiSchüler stehen einander in Feindschaftgegenüber: ein jüdischer und ein nationalsozialistischer, reichsdeutscher. Zwischenihnen der Leiter der Schule, eine Wyne-ken-Gestalt. Er lehrt dem leidenden jüdischen Jüngling, dass es für ihn nur eineinnere Erlösung gibt; über das persönliche Schicksal hinauszuwachsen. Und ersucht dem anderen, dem verkrampftenjungen Hitlcrdeutschen, die ewigen Wahrheiten nahe zu bringen: Was die Menschenverbindet, was sie gemeinsam haben, istgrösser und wichtiger als alles, was sietrepnen könnte. Sein eigntes Volk überalles zu lieben, ist nicht genug Menschenliebe. Der Nazijüngling sucht sich mit dergrossen Phrase zu helfen:„Es geht umetwas, das geschehen muss, damit das andere, von dem sie sprechen, wieder seinkann". Der Erzieher lässt ihm kein Entweichen:„Aus Missachtung und Vernichtung jener Werte, die wir für die höchsten halten, können nie noch höhere undgrössere Werte erwachsen..."Der Autor macht es sich nicht leicht;er hält sich nicht bei den Methoden undGreueln der neuen Barbarei auf, er suchtmitten ins Schwarze ihrer Dschungelseelezu greifen. Dabei geraten die Dialogemanchmal etwas breit,(akjademisch-lehr-haft und bei den beiden Schülern höherals ihren achtzehn Jahren gegeben ist.Und doch packt die Entwicklung derKonflikte— mindestens bis zum Ablauf.Das Packende entspringt nicht nur derbeklemmenden Gegenwart, nicht nur demdüsteren Gegenspieler, der im Hinter-Im germanischen Schattenreich Niflheim,neben dem Brunnen Hvergelmir, sitzt derDrache Nidhogg und benagt hämisch dieWurzeln der Weltesche Yggdrasil. Oh düsteres Symbol nordischer Götterlehre, haben deine Dichter die braune Rassenforschung vorausgeahnt? Wir sind dem Tohuwabohu, das die SS-Zeitung mit derRevision des braunen Rassismus anrichtet, noch nicht hinreichend gerecht geworden. Es bleibt ein Rest, peinlich zu tragen, nämlich die Frage: Sind die völligentarteten britischen Germanen nicht dochvielleicht in irgendeiner Weise jüdischerHerkunft? Das„Schwarze Korps" wird dieAngst nicht los, auch diese Theorie könnteeines Tages von Streicher oder einem anderen Besinnungslosen ausposaunt werden,um die Engländer völlig zu erschlagen unddie Germanen endgültig zu entlasten. Sindin England nicht einige Forscher noch inneuerer Zeit daran gegangen, das von Rassebelletristen entdeckte„geistige Judentum" der Engländer wissenschaftlich zuerklären, und zwar mit den zehn verschollenen Stämmen Israels? Stand das nichtsogar in der„Times" vom 1. Oktober 1937?Mit Beklemmung zitiert die SS-Zeitung ausdiesem„Times"-Artikel:„Die zehn verschollenen StämmeIsraels nannten sich(siehe Arnos 7,9und 7,16) auch„Haus Isaaks" oder in ihrer Sprache„Beth Sak"(die vom HauseSak-Isaak). Die Römer machten darausSacae, die Deutschen Sachsen und dieEngländer Saxons. Und somit ist bewiesen, dass die Sachsen, Angeln, Jütenund Dänen, die um das Jahr 450 n. Zw.nach England kamen, nichts andereswaren als die Nachfahren der nach Assyrien verschleppten Israeliten, das auserwählte Volk Gottes!"Das„Schwarze Korps" lehnt diese Theorie mit lodernder Entrüstung ab. Denn gehörten die Sachsen, Angeln, Jüten, Dänenzu den zehn verschollenen Stämmen Israels, sind Widukind und seine Tapferennichts als ganz gemeine Semiten, ist Germanien NN eine alte jüdische Domäne—was bleibt denn dann von unseren germanischen Ahnen noch übrig? Nur die jüdische Urgrossmutter... Hier musste etwasgeschehen. Hier musste die SS ein kategorisches Veto sprechen, um Schlimmereszu verhüten. Halt!— donnert darum das„Schwarze Korps", weiter gehen verboten:„Es ist nun einmal geschichtlich erwiesen, dass die Engländer im wesentlichen germanisch und mit der keltischenUrbevölkerung so gut wie restlos nordischen Ursprungs sind. Ihre Insellagebewahret sie in viel stärkerem Masse alsjedes kontinentale Volk vor fremdenEinströmungen..."Das ist auch uns lieber, denn wir hattendie Sachsen schon einmal für gewisse Notfälle als neuen Weltschuldigen, als Juda-Ersatz vorgeschlagen. Sind aber die altenSachsen jüdischer Herkunft, dann nichtminder die heutigen sächsischen Namensvettern. Damit zerfiele unsere Theorie vonder arteigenen sächsischen Tücke und den! slawisch überlagerten, hinterlistigen Welt-herrschaftsplänen der Weisen von Kötzschenbroda restlos zu Zunder. Dann müssteman sich nach einem anderen Juda-Ersatzumtun, von anderen Scherbenhaufen gar! nicht zu reden. So weh es auch tut, esist immer noch besser, jene zehn Stämmeverschollen sein zu lassen und den englischen Weltfeind als peinlich entartete, be-| denkliche Variante dem unglücklichenGermanentum anzulasten, als ganz Deutschland samt Skandinavien dem Streicher-schen„Stürmer" zum Frasse hinzuwerfen,welche Katastrophe der„Times" so pas-! sen könnte!Wer aber hilft uns Deutschen aus demi rassischen Tohuwabohu wieder heraus?Der Mitbürger jüdischer Herkunft weisswenigstens ungefähr, woher er kommt, werjedoch wagt noch, Näheres über uns ger-1 manische Bastarde resp. über unsere Vorfahren auszusagen?,Je länger die braune Rassenforschungunsere Vergangenheit aufhellt, um so dunkler wird es um unsere Ahnen.B. G.gründe lauert, sondern vor allem demdramatischen Aufbau der Szenen. Der Roman ist aus einem Drama entstanden. Daswird ihm gegen den Schluss hin zumNachteil. Das Menschliche siegt in drama-tisch-rühender Handlung. Dies happy endmüsste kein Fehler sein, aber es verlangt, um auf der Höhe des Anlaufs zubleiben, eine besonders feine Hand. Wasepisch verdämmern müsste, wird vom Autor zu dick, zu überdeutlich aufgetragen.Es fehlt Luft um diesen Anprall der Geschehnisse, es fehlt da epische Distanzund künstlerische Aufteilung. Der Dialogwird zum Uebel. Schade, denn bis zu seinem Höhepunkt ist das Buch ein fesselndes, lebendiges Zeitbild. Die Jünglingesind„gesehen", im ganzen Wesen desHitlerjünglings wird das Epidemische derInfektion greifbar, die Schule lebt unddas ganze Buch ist geboren aus tieferhumanistischer Gesinnung. rg.bei der Kohlennot besonders schwer. Siefriert. Mehrere Berliner Theater mussten!wegen Mangel an Heizung schliessen. DerBerichterstatter erzählt darüber hinweg:„Es kommt sehr häufig vor, dass Karten gekauft werden, die dann erst amkommenden Freitag abgeholt werden sollen", meint die Verkäuferin. Also Stichwort: Lohntag. Man will sich rechtzeitigeinen vergnügten Sonnabend im Theatersichern, deshalb wird schon am Montagoder Dienstag bestellt."Denn was soll der Hitlerdeutsche mitseinem Lohn anfangen, wpnn ihm das Wa-renkaufen verboten wird? Für die Inflationsparen? Neu ausgerichtet flüchtet er zurseichtesten Sensation.nilscbbrot und«ptelcEin Berichterstatter des„Angriff" wolltegern etwas über die Volksstimmung erfahren. Er befragt eine Kartenverkäuferin:„Am meisten gefragt ist die leichteMuse", erzählt die eifrige Kartenverkäuferin.„Musik, Tanz, schöne Frauen, etwas zum Lachen— das wollen die Leuteheute sehen! Und dann Sport! Nie habees soviel Nachfrage nach Radrennen,Boxkämpfen und Eisveranstaltungen gegeben..Doch die leicht bekleidete Muse hat esIn �voni�en XeilonFür seine Verdienste im verflossenen unermüdlichen Kampfe gegen den Bolschewismus wird Baldur von Schirach vom kommunistischen Jugendverband(Moskau) eineSammlung deutscher und russischer Bücherals Geschenk erhalten.„Im Zeichen derFreundschaft der Jugend der beiden befreundeten Länder", wie es in russischenBlättern heisst.VEnde Dezember wurde in München eineAusstellung„Raubstaat England" eröffnet.Die Nazipresse berichtet laufend über denAndrang. Die Jugend wird in geschlossenen Trupps hingeführt. Wann kommt inden Demokratien eine Ausstellung„Kreuzzug wider die Barbarei"?Aerxtllclie KonsultationEs ist den deutschen Aerzten verbotenworden, ihren Patienten Unterernährungzu altestieren. Stärkungsmittel sollen nurin den dringendsten Fällen verschriebenwerden.„Und dann, Herr Doktor, werden beim Laufendie Deine so schwer, und der Kopf tut so weh,und wenn ich, um uns Margarine zu kaufen,nur zwei bis drei Stündchen im Milchgeschäft steh,so muss ich den Best meines Tages verschnaufen."„Ich sagte schon— ich kann nichts entdecken.Das Herz ist intakt und die Lunge gesund.TVo könnte sich nur Ihre Krankheit verstecken?Zufrieden mit Blutdruck und Böntgenbefund—Wie ist es, vielleicht will das Essen nicht schmecken?Die appetitanregenden Pillen..."„Nur das nicht, Herr Doktor, das fehlte mir noch.Ich stopf mich ja gegen den eigenen Willenmit viel zu viel Bäben und Weisskraut und doch—ich kann und ich kann meinen Hunger nicht stillen."„Der Zehnte heut mit dem gleichen Gebrechen.Moment mal— die Türe ist hoffentlich zu.Ich sag Ihnen etwas. Doch nicht drüber sprechen,Sie machen mich unglücklich, halten Sie Buhl(Neigt sich zum Ohr des Patienten)Die deutsche Ernährung hat mancherlei Schwächen."„Und gibls kein Mittel?"—(flüsternd)„besseres Essen!"„Wenn man es bekäme, spräch manches dafür."„Es wäre zum Beispiel nicht unangemessen,wenn endlich in Deutschland... Man klopft an die Tür.„Heil Hitler I"—„Heil Hitler"—„Und, jef nicht vergessen!"Aus BraiinauDie nationalsozialistische Presse richteteinen heftigen Angriff gegen den leitendenBeamten des Arbeitsamtes in Braunau amInn:„Ein Mann mit dem Namen Wysogor-ski erlässt von dorther ein Rundschreiben, das den Verdacht erregt, der Verfasser habe das letzte halbe Jahr in seligem Schlafe verbracht. Dabei stammtes immerhin aus dem Dezember 1939.Herr Wysogorski predigt: Wenn von denpolnischen Gesindekräften eine hundertprozentige Leistung verlangt wird, ist esauch natürlich, dass der Mann, der sichfür die Arbeit freiwillig gemeldet hat,genau so bezahlt, verpflegt und behandelt wird, als eine einheimische Kraft. Esist auch selbstverständlich, dass die Polen anständig und menschenwürdig untergebracht werden und nicht in einemStall oder sonstwie unbewohnbaren Raumzu leben verurteilt werden..."Die Zeitungen nehmen besonders denpolnischen Namen übel und behaupten,Herrn Wysogorski seien„während des langen Schlafes offenbar die Ahnen erschienen". In der Tat hat Braunau am Inn eineetwas gemischtrassige Bevölkerung. Aberin diesem besonderen Falle ist es denkbar,dass einem bisher treu nationalsozialistischen Beamten plötzlich die Augen aufgegangen sind und dass er vor der Bestialität erschrickt, der er selbst die Wege mitgeebnet hat. Das versetzt die braune Pressein einen Tobsuchtsanfall. Hier, so heisstes, höre die Romantik und höre der Spassauf. Einheimische Arbeitskräfte seienVolksgenossen, und für die Polen sei einStall als Wohnraum noch viel zu gut.Herr Wysogorski wird abtreten müssen.Aber wenn das deutsche Volk eines Tagesmit den Massen gemessen wird, mit denenes heut die anderen misst, wird einem gewesenen nationalsozialistischen Funktionärauch das späte Abschwören nicht mehr helfen.Sie nennen's Streit fürs Vaterland,In welchen sie dich treiben.Oh Volk, wie lange wirst du blindBeim Spiel der Gauner bleiben?Sie selber sind das Vaterlandund wollen kleben bleiben.Gottfr. Aug. Bürger.BEZ U GSBEDIN G UN GENDer NEUE VORWAERTS kostetImp. Union, 13, rue Möchain, Paris.Le Girant: Albert MARION.