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Nummer 4

30.Januar 1921

Die Wählerin

Blätter zum Wahlkampf in Preußen

Eile tut not!

Nur noch diesen Sonntag liegen die Wählerlisten öffentlich aus. Wer versäumt hat, sich davon zu überzeugen, daß sein Name in der Liste verzeichnet steht, läuft Gefahr, daß et am 20. Februar feine Stimme nicht abgeben kann.

Gerade die Frauen haben die Notwendigkeit noch nicht begriffen, sich rechtzeitig selbst um die Richtigkeit der Listen zu bemühen. Deshalb jagen wir ihnen in letter Stunde: Geht sofort in das öffentlich bekanntgegebene Lofal eures Bezirks, um euch durch eigene Nachfrage zu überzeugen, daß ihr als Wahlberechtigte eingetragen sind. Aber wirklich so fort! Säumt nicht längert Es ist wirklich so: Eile tut not!

Warum und Wie?

Bon Anna Blos  .

Warum sollen Frauen wählen? Wie sollen Frauen wählen?

Als der 9. November 1918 den Frauen das Wahlrecht brachte, war die Begeisterung unter den meisten von ihnen sehr groß, noch größer das Liebeswerben der Parteien, die der Frau bisher die politische Wahlberechtigung absprechen wollten.

Das Interesse vieler Frauen für die politische Freiheit und die Rechte, die sie ihnen brachte, hat inzwischen sehr ab­geflaut. Viele, die sich vorher überhaupt nicht um Politit ge­fümmert hatten, machten sich ganz unklare Begriffe von der Wirkung des Frauenstimmrechts, die sich nicht in die Tat um sezen fonnten. Andere, die eifrig um das Frauenstimmrecht gefämpft hatten, glaubten ebenfalls, mit der Verwirklichung müsse eine bessere, schönere Zeit für die Frauen kommen. Sie alle leiden unter großer Enttäuschung.

Die Frauen vergessen, daß das Stimmrecht doch nichts mehr ist wie eine Waffe. Daß sie die Waffe gebrauchen lernen und wie sie sie gebrauchen, davon hängt nicht nur ihr eigenes Geschick, sondern auch das ihrer Kinder ab.

Die Nöte der Zeit sind nicht geringer, sie sind größer geworden seit Ende des Krieges. Woran liegt das? Zum Teil natürlich an den Folgen des Versailler Friedens vertrages, der Deutschland   so viele Existenzmöglichkeiten nimmt, ihnen aber feine neuen dafür gibt.

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Und doch, wieviel schlimmer ist noch alles geworden, als es vor sechs Monaten war, d. h. seit der neue Reichs tag gewählt wurde. Solange die Sozialdemokraten noch in der Regierung waren, fetzten fie all ihren Einfluß dafür ein, daß die wichtigsten Lebensmittel rationiert und zu Höchstpreisen verkauft wurden. Seit wir eine neue bürgerliche Regierung haben, wird nach und nach eine Ware nach der anderen dem freien Handel ausgeliefert. Die Not der Hausfrau wächst ins Riesen große, wenn sie fast für alles, was das tägliche Leben er fordert, weit mehr als das Doppelte zahlen muß, was es noch im Juni 1920 kostete. Rindfleisch ist von 6 Mart auf 14 Mart gestiegen, Nährmittel, wie Haferflocken, die für Kinder so wichtig sind, fosten das Doppelte gegen früher. Der Zentner Kartoffeln hier und da für Minderbemittelte foftet 20 bis 22 M. Die meisten Hausfrauen in Deutschland   müssen aber bis zu 60 M. zahlen, um überhaupt Kartoffeln zu er­halten. Alles ist im Ueberfluß zu haben für die Hausfrauen, die Geld haben.. Die vielen aber, deren Wirtschaftsgeld knapp

bemessen ist im Verhältnis zu der Lebensmittelteuerung, und die täglich rechnen und rechnen, müssen sich doch fragen, wie ist. Die Regierung, die alle wichtigen Lebensmittel freigegeben eine so ungeheure Teuerung in so furzer Zeit möglich hat, steht unter dem Einfluß von Parteien, denen die wahre Not des Volkes fremd ist.

Hausfrauen, besinnt Euch darauf, daß Ihr wählen müßt und daß Ihr die Vertreter der Sozialdemokratischen Partei wählen mußt, die ausschließlich für Eure Interessen eintritt, die Ruch helfen will, eine wenigstens erträgliche Les bensweise zu führen.

die strenger durchgeführte Gewerbeaufsicht, die für hygienische Der Sozialdemokratie danken die Arbeiterinnen Arbeitsbetriebe und für Schuh an gesundheitsgefährlichen Maschinen zu sorgen hat. Sie danken ihr die Möglichkeit, als Betriebsrätinnen mitzuwirken bei sozialen Einrichtungen, bei Lohnfestsetzungen usw. Diese Neuerungen finden noch heute den Widerstand der meisten bürgerlichen Parteien. Weiter­gehende Forderungen werden kaum durchzuführen sein, wenn die Sozialdemokratie durch Eure Schuld, d. h. durch Abgabe eines Wahlzettels für eine andere Partei an Einfluß verliert.

Auch die Neuregelung des Gesetzes über Wochenhilfe und Wochenfürforge, das allen versicherten, aber auch den nicht­versicherten Wöchnerinnen in ihrer schweren Zeit Hilfe bringt, verdanken die Frauen der Sozialdemokratie. Auch dieses Ge­seg fann mit ihrer Hilfe noch besser ausgebaut werden, wenn sie entsprechend start im Parlament vertreten ist.

Und nun erst die Mütter! Wie warm tritt die Sozial demokratie für die Erziehung, die leibliche und seelische Pflege der ehelichen wie der unehelichen Kinder ein! Sie will dem Kleinkind wie dem Schulkind helfen, daß es zum tüchtigen Menschen heranwächst, ohne Unterschied der Herkunft. Sie verpflichtet Staat und Gemeinden, den Eltern wie den unver­heirateten Müttern bei der Sorge um ihre Kinder beizustehen.

Die Sozialdemokratie hat sich bemüht, bei der Reichsver­fassung, wie bei den Verfassungen der Bundesstaaten, die Interessen der Hausfrauen, der Arbeiterinnen und Beam­tinnen, vor allem aber der Mütter aufs wärmste wahrzu nehmen. Wenn ihr das nicht in dem Grade gelungen ist, wie sie es gewünscht hätte, so liegt das zum größten Teil an dem Widerstand, den die bürgerlichen Parteien ihr leisteten.

Auf Grund der Verfassungen läßt sich eine Reihe von Gefeßen und Forderungen verwirklichen, welche den Frauen zum Segen werden können. Sie dürfen sich aber nicht durch die Versprechungen locken lassen, die ihnen von rechts gemacht werden, daß durch Herstellung der früheren Zustände sich ein Paradies schaffen ließe. Sie dürfen sich auch nicht durch die Phantastereien der äußersten Linken verleiten lassen, die ihnen das Elend der jezigen russischen Verhältnisse als das Himmel­reich schildern wollen. Wer die Parteien von rechts oder links stärkt durch Abgabe eines Wahlzettels für die einen oder die andern, der beschwört neue Kriege, neues Elend über Deutsch­ land   herauf. Das wollen die Frauen doch gewiß nicht!

stehen, ist den Frauen Gelegenheit gegeben, Fehler wieder Jetzt, wo die Wahlen in Preußen vor der Tür gut zu machen, die uns im Juni so schwer geschädigt haben. In Breußen ist ja durch die Revolution nicht nur den Frauen das Wahlrecht gegeben. Auch das ungerechte Dreiflassen­wahlgefeh wurde aufgehoben. Wieviel ist da gut zu machen, was in früheren Landtagen an den Minderbemittelten gefün digt wurde. Das wird Zelt brauchen! Daß es aber nicht zu lange Zeit braucht, dazu könnt Ihr Hausfrauen, Ihr Arbeiterinnen, Ihr Mütter helfen durch Abgabe des Wahl­zettels

für die Sozialdemokratie.