Nummer 5

6. Februar 1921

Die Wählerin

Blätter zum Wahlkampf in Preußen

ie Menfchen müffen als denkende und erkennende Wefen ihre Lebensbedingungen, d. h. ihre fozialen Zuftände und alles, was damit zufammenhängt, zielbewußt beftändig ändern, verbeifern und vervoll­kommnen, und zwar dergelta't, daß für alle Menichen­wefen gleich günftige Daleinsbedingungen vorhanden find. Jeder einzelne foll feine Anlagen und fähigkeiten zu feinem eigenen wie zum Wohle der Gelamtheit entwickeln können, er darf aber nicht die Macht haben, anderen oder der Gefamtheit zu Ichaden. August Bebel

Wohlfahrt und Landtagswahl.

Bon Gertrud Hanna  

Die Frauen, die am 20. Februar an die Wahlurne treten, tragen mit dem Stimmzettel bie Entscheidung über das Schicksal von Millio­nen Menschen in der Hand. Die Frauen, die die Mehrzahl der Wäh'er ausmachen, sind ausschlaggebend dafür, wie in Zukunft über bes Bolkes Wohl entschieden wird.

Wer zu so verantwortungsvoller und entscheidender Etellung nahme berufen ist, hat die Pflicht, vor Abgabe des entscheidenden Siimmzettels genau zu prüfen, welcher unter den vielen der richtige ist. Die Auswahl tann für diejenigen nicht schwer feln, die aus der Vergangenheit lernen können und nicht vergessen haben das Ber­halten der Parteien und ihrer Vertreter in den Parlamenten zu den Fragen, die das Volkswohl berühren.

teiligung der Strantentaffen an der Tuberkulolebekämpfung und Schaffung von Heilstätten für Kranfe und Erholungsbedürftige, fo stießen fie auf schärfften Widerspruch im Parlament, bet ber Re­gierung und bei den behördlichen Organen. Rur   schrittweise und im ständigen Kampf gegen die Machthaber in Preußen und im Reich fonnten die Arbeiterorganisationen Einrichtungen zur Bekämpfung underschuldeter Not in der Bevölkerung schaffen, die zu schaffen Auf gabe der Regierung gewesen wäre und die sie hätte. Ichaffen müssen, wenn die Zusammensehung des Parlaments in Preußen und im Reich eine andere gewesen wäre.

Wenn man freilich heute die Wahlflugblätter und Wahlartikel der bürgerlichen Barteien liest, besonders die der Deutschnationalen, der Deutschen Volkspartei   umd des Zentrums, bann erwedt es den Anschein, als wären immer nur sie für die Interessen der Hilfs. bedürftigen Bevölkerung eingetreten und als würden nur durch fie deren Intereffen gewahrt. Wo aber waren diese Parteien und wo war ihr gutes Herz für die hilfsbedürftige Bevölkerung in ber Zeit, mo fte die Macht hatten und der Staat die Mittel besaß, um mit Leichtigkeit all das zur Durchführung zu bringen, mas sie heute ber Bevölkerung im Wahlkampf versprechen? Die Sozialdemokraten ordnete im Preußischen Landtag   vertreten. Eine so geringe Schl bis zum 9. November 1918 nur durch 8 Abge. fonnte natürlich nur herzlich wenig ausrichten.

maren bamals.

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für die hilfsbedürftige Bevölkerung einzutreten, aussieht, zeigt deub Wie es im übrigen mit dem guten Willen der Rechtspartelen, lich ihr Berhalten in der Frage der Reform des Hebammenweens. Die wesentlichten Borarbeiten bazu waren schon im Herbst 1919 fertig. Durch Schuld der Deutschnationalen, der Deutschen   Bolkss partet und des Rentums ift der Gesetzentwurf erst im September 1920 der Preußischen Landesversammlung zugegangen.. Auf diese Tatsache ist es in der Hauptfache zurückzuführen, daß das Gefeß noch nicht verabschiedet werden konnte.

Durch den langen Krieg und seine furchtbaren Folgen ist der Berfonenfreis fehr erheblich größer geworden, die auf Fürsorge durch ben Staat und seine Einrichtungen angewiesen sind. Heute ist aber Illustrationen, so u. a. das Berholten der Rechtsparteien, wenn es Auch andere Bortemmniffe liefern zu dieser Frage prächtige auch der Staat in einer großen Notlage, und es ist heute nicht mehr galt, der Regierung Mittel zur Verfügung zu stellen für Ausgaben, so leicht wie früher, fürsorgerisch zu wirken. Um so notwendiger ist die sie selber beschlossen hatten. So haben sie z. B. verhindert, daß es deshalb, das Parlament und die Regierung so zusammenzusehen, durch Besteuerung des Grund und Bodens dem Staate daß von vornherein die Garantie gegeben ist: Die Notlage des Einnahmen aufließen und sie haben weiter durch breimalige Bolles findet Berücksichtigung, soweit dies nur irgend angängig ist. Stimmenenthaltung bei namentlicher Abstimmung( die fle Diese Garantie gibt nur die Sozialdemokratische übrigens felber beantragt hatten) das Parlament beschlußunfähig Bartel. gemacht, das andernfalls die Selbstbewirtschaftung der staatlichen Domänen beschlossen hätte.

Dem reichen Breußen der Borfriegszeit wäre es ein Leichtes gemefen, Fürsorgeeinrichtungen zu treffen, die dem größten Teil der Aus diefen Borgängen müssen die Wählerinnen ersehen, daß bamals hilfsbedürftigen Personen ausreichende Hilfe hätten ge- nicht Wahlprogramm und Wahlreden ufm. allein den Charakter währen können. Entscheidenden Einfluß im alten Preußenparla- einer Partei enthüllen, sondern daß diefer nur zum Ausdruck kommt ment hatten die bürgerlichen Bartelen, vor allen Dingen die Kon- durch das Berhalten in entscheidenden Momenten. Wer aber über fervativen, die Nationalliberalen und das Zentrum. das Verhalten der Rechtsparteien informiert ist, wird keineswegs Wenn nur eine der start im Preußenparlament vertreten gewefenen daraus den Schluß ziehen können, daß das Volf in seiner Mehrheit Parteien ernsthaft gewollt hätte, dann hätten Mittel für Wohlfahrts- gut fährt, wenn es am Wahltage feine Stimme für die Rechts­pflege in größerem Umfange zur Verfügung gestellt werden müssen, partelen abgibt.

als es geschehen ist.

Nur die Sozialdemokratische Bartel hat zu jeder

Die ausschlaggebenden Parteien des alten Preußenparlaments Reit bewiefen, baß fie für die hilfsbedürftige Bevölkerung eintritt überließen aber die Wohlfahrtspflege in der Hauptsache den pri- und daß sie jede Gelegenheit benuht, um ihre Forderungen auch vaten Vereinen, die fast ausnahmslos tonfeffionellen durchzulegen. Sie hat sich nicht wie unsere Brüder und Schwestern Charakter trugen. Sie ließen es zu, daß die geringe behördliche von links damit begnügt, in Verfammlungen und schriftlich Forde Wohlfahrtspflege armenpflegerischen Charakter trug und rungen zu erheben und Kritik zu üben, sondern sie hat im so überaus minimal und von Folgen begfeltet war, daß Leute, die Parlament, in der Regierung und auch an anderen auf sich hielten, fie nur im alleräußersten Notfalle in Anspruch Stellen praktische Arbeit geleistet und hat dadurch nahmen. Für Arbeitslose hatte das alte Breußen überhaupt erreicht, baß eine ganze Weihe von Gesetzen und Beschlüffen zustande teine Mittel übrig. Arbeitstofenunterstüßung war nach Ansicht gekommen sind, die trotz aller Mängel dennoch den Geist der neuen Der damals Herrschenden eine Prämie auf die Fautheit" Beit aimen, den zu erhalten und zu fördern wir am 20. Februar und wurde deshalb abgelehnt. Wollten die organisierten Arbeiter berufen sind, indem wir und Arbeiterinnen sich und ihren Klaffengenoffen aber felber helfen burch Ausbau ihrer Organisation und wie beispielsweise durch Be

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sozialdemokratisch wählen!