Liebe Zreunöm! Deine Antwort hat mir große Freude bereitet. Da» Leben ist in der Tat ein einziger Kampf, dem keiner ausweichen kann. Wohl gibt es Stunden der Ermüdung, wo das Ruhsbedürfnis sich geltend macht, Feierstunden, die aber doch nur der Sammlung neuer Kräfte dienen. Wohl denen, die das fchönste und kostbarste Kleinod, ihre Gesundheit, besitzen und die ihre Kräfte nicht nur zur Selbsterhal» hing, sondern auch im Interesse der Hilflosen, Kranken und Schwachen verwenden Für diese Hilfsbereitschaft sind wir Frauen besonders geeignet, doch unserem Wirken war ja bisher eine sehr enge Grenze gesetzt. Als politisch Entrechtete konnten wir Frauen auf die Gesetzgebung keinerlei Einfluß ausüben. Heute ist es anders! Am 2 0. Februar müssen auch die Frauen an die Wahlurne treten und der Partei ihres Vertrauens die Stimme geben. Bis dahin wollen wir die politisch noch unreifen Frauen aufrütteln, sie ausklären, daß sie gleich uns den Stimmzettel der S o z i a l d e m o- tratischen Partei Deutschlands   in die Wahlurne legen. Du willst nun bei dieser Aufklärungsarbeit helfen und den Frauen insbesondere Aufschluß geben über die Partei, die sich den schön klingenden Namen:»Deutsche Volkspartei  " zugelegt hat. Das freut mich außerordentlich! Denn gerade diese Partei ist es, die den Frauen bei der Reichstagswahl im Juni 1920 eine rosenrot« Zukunft versprochen hat. Sie wird auch weiter in erster Linie die Geldsackinteresien vertreten, die Drohnen über die Ar» beitsbienen stellen. Lein volksparteiliches Täuschungsmanöver kann diese Tatsachen wegleugnen. Unfähigkeit sozialdemokratischer Minister soll nach Aeußerungen führender Volksparteiler die große wirtschaftlich«, sozial« und sinan- ziell« Rot herbeigeführt haben. In Wirklichkeit hat die Kriegs- Politik der Deutschen Volks» und der Deutschnationalen Voltspartei Deutschland   zu Boden geworfen. Wahr ist, daß unter Mit wir» tung sozialdemokratischer Minister ein kleiner Aus- stieg im Wirtschaftsleben sich bemerkbar mochte. Seitdem aber da« Rcichsschiff unter Führung von Männern der Denk- fchen Volkspartei gesteuert wird, verschlechtern sich die wirtschaftlichen Verhältnisse. Der Postminister G i e» b e r t», Mitglied der Zentrumspartel, hat kürzlich offen zugegeben, daß die wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland   so traurig sind wie nie zuvor. Wo sind die versproche- nen niedrigen Kartoffel-, Fleisch» und Eierpreise? Wir spüren nichts davon. Statt Abnabme der Arbeitslosigkeit ist eine Zu- nähme zu verzeichnen, statt der versprochenen Besserung der Finan- zen ist die Schuldenlast größer und größer geworden. Und wie steht es mit den Steuerlasten? Die Steuerscheu der Besitzenden ist zu gut bekannt und sie wird auch heute noch von den Vertretern der Volkspartei aufs nachdrücklichst« unterstützt. Die große Masse soll nach wie vor den Reichssäckel füllen. Liebe Freundin, das wahre Gesicht der Volkspartet zu zeigen, ist eine lohnende Aufgabe. Du tust recht daran. Und ich hoffe, daß noch viele andere Müschwestern deinem Beispiel folgen werden. Dir und deinen Lieben alle» Gute. Deine Hanna Reitze. Dürfen wir /lntisemiten fein! Von Erna Büsing. Das schwere Kriegserleben mit all seinen tausendfältigen Aus- Wirkungen und die Rot des Tages stempeln uns zu mürrischen Menschen. Unter dem ständigen Druck wirtschaftlicher Verelendung sind wir leicht reizbar, aufgebracht und die Unzufriedenheit frißt an uns. Di« Gründe unserer innerlichen Zerrissenheit und Miß» stimmung aber suchen wir eifrigst bei den anderen. Ja, wir fiebern förmlich danach, einen Blitzableiter zu finden. Diesen Zustand jedoch nutzen Demagogen aus, um auf olle Art und Weise zu hetzen. Wider ihr besseres Wissen tragen sie Bcr- wirrung in breite Volksschichten. Einerseits, um den Zorn von den wahrhaft Schuldigen abzulenken, andererseits, um möglichst unbemerkt ihren dunklen Machenschaften nachgehen zu können. Auf diesen beiden Grundpfeilern wurde auch der Antisemitismus er- richtet. Er ist wahrhaft nicht dafeinsberechtigt und er könnte überhaupt nicht bestehen, wenn der geistige und sittlich« Niedergang nicht gar zu sehr um sich gegriffen hätte. Namentlich die Deuffchvöikischen reißen ihren Mund setzt so weit aus, daß talsächlich ihre eigenen Ohren in Gefahr kommen, verschlungen zu werden. Diese Heldischen Germanen sagen sich eben, auch die ungeheuerlichst« Lüg«, stet» wiederholt, wird glaubhaft. Was bringen sie nicht alles gegen die Juden vor! Da wird die Behauptung aufgestellt, die Juden feie» Fremdlinge. Wie ist denn aber die Sache? Schon Im 4. Jahr- hundert gab es in Köln   a. Rh. eine jüdisch« Kolonle, bis zum Jahre 1000 waren die Juden gleichberechtigt. Mit den Kreuz« Zügen fingen die blutigen Verfolgungen der Juden in Deutschland  an. Di« Juden sind keine Fremdlinge, sondern wir haben eben in unserem Baterland 840 000 Deutsche  , d'« jüdischen Glaubens, sind. Die Religion aber sollte doch jeder aufgeklärte Mensch für die aller- ureigenste Privatsache betrachten. Dann wird darauf hingewiesen, daß die Juden Spezialisten einiger Berufe sind. Run, die Christen machten sie meistenteils dazu. Z. B. war vor Zeiten die Ausübung des Geldverleihgeschäftes den Christen nicht erlaubt, folglich ging es an die Juden über und selbst noch Friedrich II.   von Preußen verbot den Juden, den Aus- enthalt auf dem platten Lande. Die Juden wandten sich in er- höhtem Matze der Wissenschaft, der Kunst und der Literatur zu. Also, sie gingen vornehmlich auf Gebiete, wo der Mensch nur durch persönliches Können bestehen kann. Und die sonst dem Persönlich- keitskult huldigenden Deutfchvölkischen sind eigentlich den Juden gar manche Verbeugung schuldig. Aber die Antisemiten wollen sie nicht kennen, weder Wassermann noch Ehrlich, wcdet Vallin noch Lieber- mann. Ach ja, im Mittelalter mußt« man Christ sein, um Staats« bürger sein zu können. Und es gibt eben Menschen, treuteutsch, chrsstlich und national, für deren Entwicklungsstufe das Mittelaller noch zu hoch liegt. Die Herren von der äußersten Rechte» haben>a den Antise- mittsmus auf ihrem Programm, sie saugen die Allerweltsweisheit bequemerweise aus einem Schlagwort und das heißt:Schuld ist an allem der Jude". So soll er auch Deutschland   in den Krieg ge- trieben haben. Aber bei Kriegsausbruch hatten wir keinen einzigen jüdischen Diplomaten und die Diptomaten waren doch Mitbestimmer des Geschickes eines Millionenvolkes. Der Jude konnte nicht aktiver Offizier werden und einzig und allein der Kaiser, der Kaiser von Gottesgnaden, konnte staatsrechtlich den Krieg erklären. Doch wie am Kriege, so soll der Jude auch an der Revolutivn derSchuldige" sein. Ein Ansgestoßener wird eigentlich nach Naturgesetz radikal und so verstSrtten auch viele Juden dle Kampf- front de» Proletariats. Jedoch eine Revolution wird nicht gemacht, dle Revolution war naturnotwendige Entwiiklnng. Das Volk soll wieder entrechtet werden, darum betreiben ds« Rückschrllller den Antisemitismus. Sie wollen wieder Ausnahme- und Sondergesetze. Er st sollen die Juden die Gleich- berechtigung verlieren, dann die Frauen, dann die Arbeiter und dann die Sozialisten schlechthin. Frauen, merkt Ihr, wohin die Reise gehen soll? Die über- zeugte Sozialistin   sieht das, nicht erst seit gestern und heute, son- dern schon seit langem. Die finsteren Machte des Rückschritts aber rechnen auf die unklaren, nicht denken wollenden Frauen, sie fpeku- lieren nämlich, ehrlich gesagt, auf deren Dummheit. Dorum  , Ge- nossinnen, denkt stets daran und sagt es auch:Wer Judenhetz« betreibt, arbeitet der Gegenrevolutton in die Hände". Legt Euch nicht selbst die Leine um den Hals. Geöankensvlitter. Ich meine, die Ziele der Sozialdemokrat-ie werden sich ebenso gewiß friedlich verwirklichen, als unsere Gegner Verstand und Ehrlichkeit baben. Wilhelm Liebknecht   sHochverrat imd Revolution). Eine gescheite Frau hat Millionen geborener Feinde alle dummen Männer. Marie v. Ebner-Eschenbach  . Geschäft in Menschenaugen. Seit dem Krieg« haben sich die Bedürfnisse der Menschen ge- ändert. Das geht aus vielen Verössentlichungen des Handels und der Industrie hervor. Ein Beispiel ist wieder in dem Bericht einer chüringifchen Handels- und Eewerbekammer zu finden. Da heißt es: künstliche Menfchenaugen. Das Gefchäftsbild'war Im ersten Vierteljahr 1020 inlälg« der durch den Krieg und den geringen Wert der deutschen   Mark ge- schasienen außergewöhnlich guten Absatzverhält- nisse nach dem Ausland ein besonders günstiges. Di» allgemeine wirtschaftliche Krise führte jedoch in den folgenden Mo- naten zu einem empfindlichen Rückschlag. Erst gegen Ende des Jahres trat eine Wiederbelebung des Geschäfts ein. Einig« Sellen weiter heißt es In dem Bericht: Puppenaugen. Die Geschäftslag« in der Puppenougenindustri« während de» Berichtsjahres N'iiß im allgemeinen als schlecht bezeichnet werden. ... Der deutsche Markt hatte nur geringen Bedarf an Puppen- äugen. Di« Konjunktur in künstlichen Menschenaugen hat stch bedeutend gehoben. Der Absatz in Puppenougen ging zurück. Die Kinder spielen nicht mehr mit Puppen oder die Puppen sind zu teuer>e» worden. Aber däp Geschäft in Menschenougen floriert, Der Krieg hat dt» Menschen erhaben und glücklich gemacht. Er war ein Stahlbad.