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So ist doch der Zusammenhang so flar, daß es feinen Zweifel daran gibt. Was helfen alle Maßnahmen zur Bekämpfung dieser verheerenden Volkskrankheit, was helfen die Aufwen­dungen für Lungenheilstätten und ähnliche Einrichtungen, wenn die halb Cenesenen nach ihrer Entlaffung wieder ihre gesundheitswidrigen Löcher aufzusuchen gezwungen sind?

Schon an diesen wenigen Beispielen sehen die Frauen, was für sie in den Gemeinden auf dem Spiele steht, wie not­wendig ihr Eingreifen ist und wie sehr sie die Pflicht haben, in ihrem eigenen Intereffe und in dem ihrer Familie Hand ans Werk zu legen. Weisen wir ferner noch hin auf das Gebiet des Schulwesens und auf das der Armen= und Waisenpflege, erinnern wir an die Fürsorge für die Arbeitslosen und für die Kriegshinterblie= benen und Kriegsbeschädigten, so wird keine den­fende Frau sich ihrer Pflicht entziehen. Aussicht auf Erfolg wird ihre Arbeit aber nur dann haben, wenn sie hand in Hand geht mit den sozial empfindenden und von sozialem Geiste beseelten Männern, mit anderen Worten, wenn die Frauen sich der Sozialdemokratischen Partei anschließen.

Die Sozialdemokratie, die den Frauen die Gleichberechti­gung errungen hat, wird auch kämpfen für die Beseitigung aller Mißstände, und sie wird um so eher ihr Ziel erreichen, wenn Männer und Frauen zum Klassenbewußtsein erwachen und Schulter an Schulter den Kampf aufnehmen gegen die fapitalistische Wirtschaftsordnung mit ihren Begleiterscheinun­gen, den Kampf um Menschenrechte und Menschenwürde, den Kampf um eine bessere Zukunft für uns und unsere Kinder.

,, Dem frah' ich die Augen aus," tobte Frau Kluge. ,, Damit ist nichts getan. Sie müssen helfen, daß unsere Ge meindevertretung richtig zusammengesetzt wird, damit wir auf die Lehrer einwirten tönnen. Das ist das Beste. Halten wir noch unsere Augen offen bei der Wahl der Elternräte, dann werden solche Dinge verschwinden. Unsere Leute müssen dafür sorgen, daß wir vernünftige Lehrer in die Schulen friegen!"

Es ist aber auch zum Verrücktwerden. Aber einen Brief schreib ich dem Lehrer...."

Wieder wurde die Szene unterbrochen. Der Gasaufnehmer kam, ,, Schon wieder?" rief Frau Kíuge.

,, Ja, schon wieder, und teurer ist es auch geworden," sagte der Mann mit dem Buch.

,, Da haben Sie's wieder, Frau Meerlein, mit Ihre Wählerei, Nu haben wir doch die vielen Sozis im Rathaus und das Gas wird immer teurer."

,, Kunststück, wenn Kohlen, Beamtengehälter, Arbeiterlöhne in die Höhe gehen, fann auch der sozialdemokratische Stadtverordnete nicht um die Teuerung herumfommen. Aber er tann durchsehen, daß die unteren Einkommen weniger davon betreffen werden, wie" bie

oberen."

,, Allerdings, meinte fleinlaut Frau Kluge. Aber man merkt nichts davon."

,, Wie es wäre, ohne unsere Genossen im Stadtparlament, fönnen wir faum ahnen."

Gretel hielt immer noch ihre Backe.

,, Scher dich nu in den Kindergarten und heuf' nich hier rum." ,, Ach, Mutter, leß mich daheim, der is' ja so weit." ,, Birste mal gehn! du sollst mal sehn, wenn du dich nu nich wegtrollit."

Ein Vormittag im Quergebäude links... das aud) mit den Kindergärtens: Eine sozialdemokratische Stadt­

Bon Theodor Thomas.

Was gibt es doch für sonderbare Menschen. Man schüttelt oft den Kopf und fragt sich, wie ist es nur möglich! Die Frau Kluge, von der ich hier erzählen will, war nicht etwa von besonderer Art, fie war wie viele, wie schon der erste Blick in die Wohnung zeigte:" Schlicht und einfach, dabei aber doch jenes Etwas, das dich sofort stubig macht, jenen Mangel an politischer Erziehung, der bei der ,, Morgenpost" anfängt und bei der Königin Luise über dem Bett aufhört. Findest du auf dem Tisch noch zerriffene Hefte: Liebe im Felfengrab" und einige zerlesene seichte Bändchen aus dem Ramschladen, dann brauche ich dir über Frau Kluge nichts mehr zu fagen: Du hast sie erkannt, trotz der sauberen Dielen und den hübschen Staubfängern, die überall umherliegen, die bei ihr zur guten Stube gehören, wie Soda zuni Waschen.

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Wählen?" fagte Frau Kluge. Unfinn, es wird ja doch nicht anders, ob ich hingehe oder nicht."

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Diese Antwort gab sie der kleinen Frau, die gegenüber wohnte, die ihr ab und zu den Vorwärts" zusteckte, aber leider feststellte, daß sie außer der Seimwelt" ,,, Bolk und Zeit" und mal unter dem Strich wenig beachtete.

Alles andere ist in der Morgenpost" viel leichter und aus führlicher beschrieben, viel mehr Brühe davon gemacht."

,, Das ist es ja gerade," erboste sich Frau Meerlein, denn bei diesem Kitsch braucht man nicht zu denken; das sind Bettelmann fuppen, die unsere Frauen geistig veröden lassent"

,, Run nein," verteidigte sich Frau Kluge ,,, man wird doch da auch sehr gebildet. Es ist ja doch einerlei, jedem ist sein Schicksal bestimmt!"

,, Da haben Sie gleich so eine Phrase aus Ihrer Lesemappe. Unsinn ist das, jeder hat den Hammer zu schwingen, um am Ge­sellschaftsbau mitzuzimmern, dann werden sich auch seine Ber­hältnisse verbessern."

,, Das ist mir zu hoch!"

,, Natürlich, so was steht nicht in Ihrem Blatt!"

Es wäre der schönste Streit entstanden, wenn nicht der Steuer­zetteimann angestiegen gekommen wäre.

Wat für Frau Kluge, det finn Sie doch," fagte er. ,, Na immer." Sie riß den Umschlag ab. Ach, du liebe Jute, Sie meenen wohl, wir stehlen unser Geld, das soll ich zahlen?"

,, Mir jcht det nischt an. Machen se det mit die Steuerbehörde ab. Doch für Sie, Frau Meerlein hab ich was. Morjen!"

Wie entgeistert schaute Frau Kluge den Steuerzettel an. Sehen Se, da haben Se gleich den Beweis! Ihr Schimpfen nützt gar nichts, wählen Se richtige Leute, dann werden die Steuern

richtig verteilt!"

Die Augen von Frau Kluge wurden böse. Das ist ja.. Da ertönte unten ein Geschrei auf der Treppe. Ihre Gretel kam aus der Schule mit verweinten Augen und rotem Kopf. Schon von weitem plärrte fie:

Mir hamm'se va'hcun. Lehrer Zeidler hat mir vafleppt, bloß wegen meine Bücher, die, wo ich nicht mit hatte!"

Gretel ging. Als sie fort war, sagte Frau Meerlein: So ist verwaltung wird die Kindergärten, die Krippen, die Säuglings­heime ganz anders zu organisieren wissen, wie die Bürgerlichen, die unsere Not nich kennen."

Aus dem fünften Stock humpelte Mutter Krause herbei: Nu,

wohin?"

3um Armenpfleger. meine paar Groschen halen." Sie blieb stehen: Was das für schwere Gänge find. Zu dem Mann geh ich so ungern, der tut immer so, ich weiß nicht wie."

,, Bagasche, dreckige, totschlagen müßte man sie," bemerkte Frau Kluge.

,, Frau Kluge, Sie woll'n alle totschlagen, verhau'n und gleich die Augen ausfragen. Damit wird gar nichts gebessert. Richtig wählen, damit das Armenamt von unseren Leuten durchsetzt wird, damit die Armenpfleger aus unseren Streifen kommen, damit das Jugendamt usw. unseren Ideen zugänglich ist. Das allein hilft."

Weiß Gott ," unterbrach die alte Frau Krause, so genau red' mein Sohn auch immer."

Die Klugen war sehr nachdenklich geworden: Eigentlich haben Sie recht, Frau Meerlein. Man überlegt sich's erst gar nicht so." Die Morgenpost" fagt Ihnen das freilich nicht, aber Thr eigener Berstand müßte es Ihnen jeden Tag fagen!" Frau Kluge war nachdenklich geworden.

Also, daß Sie auch eine Freude hamm', ich geh' mit Ihnen am 16. Oftober wählen. Sie hamm ' recht, man mertt's auf Schritt und Tritt."

,, Das heute morgen mar ja nur ein fleiner Teil dessen, was es bei dieser Wahl alles zu bedenken gibt. Denken Sie nun mal erst an alles andere, an die Markthallen, an die Säuglingspflege, die Gesundheitsämter

,, Hör'n Sie uff, hör'n Sie uff! Da wird einem ja ganz rappel­töpfig, da merkt man ja erst, wie dumm unsereener is. Wo haben Sie nur das alles her?"

,, Dort her, wo man unsere Interessen vertritt, aus der Partei und der Arbeiterpreffe."

Frau Kluge wird sicher am 16. Ofteber einen Jozialdemokratischen Stimmzettel abgeben. Gibt es aber nicht noch Tausende solcher Frauen? Schaut euch um, öffnet auch ihnen die Augen, gewinnt, werbt auch sie für unseren Dienst am Bolke!

Mammons Gebote.

Der Mammon ftellt feine zehn Gebote auf, so gut wie Gott . Die habt ihr beherzigt... Du sollst nicht verächtlich vom Mammon reden; denn er läßt feinen ungestraft, der das tut. Du solist sechs Tage des Mammons Geschäfte verrichten und am fiebenten an ihn denken. Du sollst den Mammon ehren, auf daß du lange lebest und es dir mohlgehe bei den Wertpapieren, die er dir gibt... Du sollst stehlen, soviel du kannst. Du sollst falsche Zeugnisse reden und falsche Brattifen gegen deine Nächsten anwenden; denn das ist dem Mammon gefällig.

Pfarrer Rutter( Sie müffen").