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Für unsere Kinder
andere sehr verbreitete Gewohnheit, die tausendmal schlimmer ist als das Töten der Singvögel: das ist das Halten der Vögel in Räfigen! Fast in jeder Wohnung hängt am Fenster ein Bauer, hinter dessen Gitter ein Vögelchen auf und ab hüpft und von Zeit zu Zeit seine lauten Triller erschallen läßt. Und sagen wir es offen gar viele von den jungen Leserinnen und Lesern dieser Zeilen haben sich schon sehnlich gewünscht, einen solchen Singvogel im Bauer zum Geschenk zu bekommen. Ich kerine auch manchen gelehrten Mann, der in seinen freien Minuten nach der trockenen Arbeit am Schreibtisch oder beim Bücherlesen damit Erholung sucht, daß er vor feinen Vogelkäfig tritt, den Mund spitzt und dem armen Gefangenen darinnen seinen Gruß pfeift, Hansi" ruft oder das Vögelchen mit Wasser und Körnern versorgt. Die Familie pflegt dann wohl gerührt auf den Vater zu schauen, der trotz seiner ernsten Arbeit so viel weiches Gemüt besitzt, um am Zeitvertreib mit dem Tierchen Gefallen zu finden.
Dieses Gefallen an Vögeln im Käfig beruht aber bei Erwachsenen wie bei Kindern auf nichts anderem als auf Gedankenlosigkeit und Gefühlslosigkeit. Denken wir nur einen Augenblick nach! Ein Rottehlchen, ein Stieglitz , ein Dompfaff oder ein anderer Singvogel wird irgendwo im fernen Walde gefangen, wo er frei herumflog und sich des Lebens freute. Er wird in einen kleinen Käfig gesperrt, sieht die Welt nur noch durch die Gitterstäbchen und fann die Flügel gar nicht mehr gebrauchen, die ihm zum Fliegen im unbegrenzten Luftraum gegeben sind. Sich hoch hinaufschwingen, die Flügel start anspannen, bald ruhig schweben, bald sich pfeilschnell in den Lüften tummeln, sich dann wieder herunterlassen, im Sonnenlicht baden welche Lust für einen Vogel! Das alles wird dem Tierchen im Käfig nie und nimmer zuteil. Auf und ab zu hüpfen zwischen dem Boden des kleinen Käfigs und dem Holzstäbchen, das etwas höher querüber angebracht ist: das ist nun alles, was ihm vergönnt ist. Reiche Leute können sich zwar größere Käfige leisten. Aber wenn das Bauer auch, sagen wir einen Meter lang und breit wäre was ist das im Vergleich mit dem freien Luftraum, mit dem großen Walde und den Wiesen, über die zu fliegen und zu flattern des Vogels Lebenselement ist! Fliegen kann er im großen Käfig ebenso wenig wie im fleinen, und damit ist er zum traurigen Dasein eines Krüppels verurteilt.
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Freilich sorgen jetzt die Menschen für den Vogel: er kriegt regelmäßig sein Futter und ein wenig Wasser im Glas- oder Porzellannäpfchen, das so groß ist wie ein Salzfaß. Aber diese Versorgung mit Lebensmitteln ist nicht eine Wohltat für den Vogel, wie sich die Menschen einbilden, sondern das größte Unrecht, das man ihm antun kann. Die Sorge für den eigenen Unterhalt und den der Kinder gibt dem Leben des Vogels den eigentlichen Inhalt. Wohl bringt das für ihn auch Kummer und Angst mit sich, Kampf mit anderen Vögeln, manchmal Hungerzeiten. Doch was ist schließlich das Leben ohne Mühe und Kampf, ohne Sorge und Lust! Die Hauptsache ist, daß das Tier dabei in der Freiheit die eigenen Kräfte, den eigenen Scharfsinn, den eigenen Mut üben und entwickeln kann. Und die Anspannung aller Lebensgeister gibt erst dem Leben Sinn und Glanz. Nun befommt der Vogel jeden Morgen eine Handvoll Körner und einen Napf voll Wasser in den Käfig, aber seine Flügel, sein Kopf, seine Sinne bleiben unbeschäftigt, die Kräfte seines Körpers und Geistes werden träge und schläfrig, und dumpf schleppt sich sein sinnloses Dasein dahin, ohne Aufregung und Gefahr, aber auch ohne Freude und Reiz.
Dazu kommt noch etwas sehr wichtiges: der Vogel im Käfig ist meist einsam, von seinen Freunden und Verwandten getrennt, des Familienlebens beraubt. Jedes Geschöpf hat das Bedürfnis, mit seinesgleichen in geselligem Verkehr zu leben. Wie unglücklich fühlt sich der Mensch, wenn er durch Zufall oder zur Strafe nur einige Monate verleben muß ohne die Möglichkeit, andere Menschen zu sehen und zu sprechen. Und nun denke man sich ein fleines Vögelein, das für sein ganzes Leben lang aus der Gesellschaft seiner Verwandten und Freunde gerissen und unter die Menschen gestellt wird, mit denen es sich nicht verständigen kann, die ihn nichts angehen, mit denen es nichts gemein hat. Außerdem kann sich der gefangene Vogel kein Weibchen nehmen
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die Sänger in den Käfigen sind ja meist Männchen fann nicht in der Brunstzeit seine Fähigkeiten und Vorzüge zur Unlockung des Weibchens spielen lassen, kann nicht für die junge Brut als Beschützer und Ernährer sorgen, kurz, die Hauptquelle seiner Lebensfreude ist ihm genommen. An den Höfen der mohammedanischen Fürsten gibt es Männer, die man durch grausame Verstümmelung entmannt, zu sogenannten Eunuchen gemacht hat,
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