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Für unsere Mütter und Hausfrauen

Kurpfuscher noch die Frauen selbst bei der Abtreibung sachgemäß vorgehen können, so kommen jahrjährlich sehr viele Fälle vor, wo die Frauen entweder bald zugrunde gehen oder an ihrer Gesund­heit schwer und dauernd geschädigt werden.

Es wäre ein müßiges Beginnen, den Frauen zu predigen, die Natur unbeschränkt walten zu lassen. Selbstredend müssen wir den weitestgehenden Kinderschutz fordern, damit alle Geborenen auch die Existenzmöglichkeit haben. Leider aber sind wir noch weit davon entfernt, und wie schlecht die Lebensbedingungen für Proletarier­finder sind, sehen wir an der großen Säuglingssterblichkeit. Nahezu 20 Prozent, also ein Fünftel aller Geborenen geht in Deutschland  schon im ersten Lebensjahr zugrunde, während die normale Säug lingssterblichkeit 7 Prozent, nach anderen Berechnungen sogar nur 3 bis 4 Prozent betragen sollte. Solange nicht die Gesellschaft jeder Frau als Mutter und ihrem Kinde die Existenzmöglichkeit ge= währt, können wir die Selbsthilfe der einzelnen nicht verdammen. Vor allem muß dem Arzte das Recht gegeben werden, einzugreifen, wo es nach seinem Ermessen angezeigt ist, namentlich in den Fällen verminderter körperlicher Leistungsfähigkeit der Mutter und bei Notlage der Familie.

Die Schwangerschaft außerhalb der Gebärmutter. Nach erfolgter Befruchtung setzt sich das weibliche Eichen normaler weise an der Gebärmutterwand fest, wird von deren Schleimhaut umhüllt und wächst sich in neun Monaten zum Kinde aus, worauf die Geburt erfolgt. Es gibt aber Fälle, die von dieser Regel ab­weichen. Das Eichen, anstatt in die, Gebärmutter zu wandern, setzt sich am Eierstock oder im Eileiter   fest und beginnt sich hier zu ent­wickeln. Da diese Orte aber dafür ungeeignet sind, so geht die Frucht in der Mehrzahl der Fälle in den ersten Monaten zugrunde. Dabei kann der die Frucht umhüllende Fruchtsack plagen und eine tödliche Blutung verursachen. Oder die tote Frucht geht in Fäulnis über und gefährdet ebenfalls die Mutter mehr oder weniger schwer, ja bringt ihr nicht selten den Tod. Mitunter wird die abgestorbene Frucht von Kaltsalzen eingehüllt und durchtränkt, es entsteht ein sogenanntes Steinkind, das die Mutter oft jahrelang ohne Be schwerden im Leibe fragen kann.

Die Schwangerschaft außerhalb der Gebärmutter ist nicht so selten. Treten bei einer Frau, die sich schwanger glaubt, irgendwelche ab= norme Erscheinungen auf, wie wehenartige Schmerzen, allgemeines Unwohlfinden, Ohnmachtsanfälle, so muß man auch die Möglich feit einer regelwidrigen Lagerung der Frucht ins Auge fassen und unverzüglich einen Frauenarzt zu Rate ziehen. Hat dieser die Schwangerschaft außerhalb der Gebärmutter festgestellt, so muß in den meisten Fällen zur Operation geschritten werden, um die Frucht zu entfernen, die wie eine bösartige Geschwulst das Leben der Frau unmittelbar bedroht. Tritt eine Blutung ein, bevor die Feststellung getroffen worden ist, wird der Arzt sich in vielen Fällen abwartend verhalten, und der Frau kann möglicherweise eine Operation erspart bleiben. Man darf aber auf einen solch günstigen Ausgang nicht von vornherein rechnen. Deshalb sollte man eine Operation nicht nur in jedem Falle vornehmen lassen, wo noch vor einer Blutung die Schwangerschaft außerhalb der Gebärmutter festgestellt wurde, sondern auch dann, wenn eine solche Blutung unter bedrohlichen Erscheinungen eintritt. Denn die Operation erzielt meist viel bessere Ergebnisse als ein nur abwartendes Verhalten. Der Fall, daß die Frucht sich außerhalb der Gebärmutter zu einem lebensfähigen Kinde entwickelt, das durch eine Operation entbunden wird, hat wegen seiner großen Seltenheit lediglich wissenschaftliches Interesse. ( Schluß folgt.)

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Als Nationalökonom um die Welt.

II.

Professor Wilbrandt   reist als Nationalökonom um die Welt, allein wie stark auch die Aufmerksamkeit ist, die er im Westen und Osten den wirtschaftlichen Zuständen zuwendet, stets empfindet man das eine: die Menschen stehen im Mittelpunkt seiner Ge­danken. Die wirtschaftlichen Dinge find ihm nicht interessante falte Dinge für sich", die er als wissenschaftlicher Forscher unter Lupe und Seziermesser nimmt. Sie gewinnen für ihn erst Leben und Bedeutung durch das, was an menschlichen Werten in ihnen kristallisiert ist, durch das, was sie den Menschen geben und von ihnen fordern, mit einem Worte durch ihre Beziehungen zu den Menschen. Er würdigt die Wirtschaft der Völker mit Recht und unter Berufung auf den historischen Materialismus als den festen Grund, der die übrige kulturelle Entwicklung trägt. Ohne die Rolle anderer Kräfte für diese Entwicklung zu verkennen, sucht und findet der Verfasser letzten Endes in der Wirtschaft den Schlüssel zum

Nr. 4 Verständnis der Formen und Erscheinungen, die ihm das soziale Leben in fernen Zonen zeigt.

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Stärker als Ideen, die in die Höhen einer fernen Zukunft vor­ausgeflogen sind, ist die Wirtschaftsstufe, auf der man mit beiden Füßen steht, in der man wurzelt." Diese Auffassung ist der Ari­adnefaden, an dem sich Robert Wilbrandt   inmitten des schier ver­wirrenden Reichtums fremder Gesichte orientiert, die ihn in den Vereinigten Staaten  , in Japan  , China   und den Tropen umdrängen. Sie trägt seinen fragenden Geist auf die Höhe, von der aus Weiten und Zeiten durchmessend er die eine Kulturmenschheit erblickt, zu der die Völker und Rassen durch die Macht eines Entwicklungsstroms zusammengefügt werden, der einer vollkom­menen Stufe der Gesellschaftsorganisation entgegentreibt: dem Sozialismus. Wie verschieden und eigenartig die Kulturen in den bereisten Ländern sein mögen, der Tübinger   Gelehrte sieht sie Bächen und Flüssen gleich früher oder später einmünden in diesen allgemeinen Entwicklungsstrom.

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Wirtschaft und Kultur der Vereinigten Staaten   sind Ableger aus Europa  , aber sie sind auf neuen, urkräftigen Boden verpflanzt worden, und die besonderen Entwicklungsbedingungen haben ihnen bei aller Gemeinsamkeit mit europäischem Wesen doch eigene cha­rakteristische Züge aufgeprägt. Der fabelhafte natürliche Reichtum eines unermeßlich weiten neuen Landes konnte lange von einer noch wenig zahlreichen Bevölkerung genossen werden. Das wurde bestimmend für die Ausnutzung der Naturgaben, beziehungsweise die Erzeugung der Güter wie auch für den Bedarf. Der Ameri­kaner greift nach dem Boden und seinen Schäßen wie nach freien Gütern, die vor allem der ärgsten Verschwendung, der Unbenutzt= heit zu entreißen sind.... Mit der Natur nicht verwachsend, son­dern eilig von ihr nehmend,... und dann gierig ergreifend, was des allgemeinen Reichtums mit teilhaftig werden läßt, hat der Yankee mit allen Schäßen der Natur wie mit unbegrenzten Mög­lichkeiten um sich geworfen." Er trieb und treibt zum Teil noch Raubbau, der sich am Ergebnis zeigte: verödete und verlassene, weil ausgefogene Fluren, Flora und Fauna verarmt. Allein, je mehr die Bevölkerung und mit ihr der Bedarf anwächst, je mehr zugleich der Raubbau den Vorrat an Natur vermindert hat, um so mehr ändert sich das Verhältnis zwischen Vorrat und Bedarf; um so mehr muß, damit es nicht schließlich an Mitteln fehle, eine ganz veränderte, mehr konservierende Wirtschaft zum Prinzip gemacht werden." Diese Erkenntnis drängt sich auf und findet einen er­starkenden Bundesgenossen an den Bestrebungen für Natur- und Heimatschuß, die die Schönheit, Majestät und Eigenart des Landes gegen die Verheerungen durch das nüchterne Zweckmäßigkeits­prinzip verteidigen.

Als erster Grundsaß der gesellschaftlichen Skonomie fällt in der Union   das Bestreben auf, dem Menschenmangel zu begegnen. Es hat sich in der Vereinfachung des Haushaltes und in der ganzen Lebensgestaltung durchgesetzt. Es beherrscht die Entwicklung der Technik, die neue Wege für die Gütererzeugung, die Befriedigung des Bedarfes zeigt und die alten Wege abkürzt. Unsere Leserinnen kennen bereits einen großen Teil der anschaulichen, anregenden Schilderungen zu diesem Kapitel; auch Professor Wilbrandts Aus­führungen über das Verhältnis zwischen Bedarf und Kulturent­wicklung sind ihnen in der Hauptsache bekannt.

Für die Gesellschaft und Politik der nordamerikanischen Repu­blik sind dem Verfasser zwei bekannte Erscheinungen charakte= ristisch. Der berühmte Milliardärreichtum, der alles in entwürdi­gende Abhängigkeit von den großen Geldgebern setzt, sowie die technisch und wirtschaftlich vorteilhafte, sozial aber aussaugerische und thrannische Konzentration der Trusts."..." Reinigung des öffentlichen Lebens von der Korruption und Unterstellung der Trusts unter Staatskontrolle sind denn auch das Programm der Reformbewegung, die aus den beiden großen Parteien als eine jüngere dritte Gruppe jezt hervorgeht. Tief eingewurzelt ist in­dessen vom Osten bis zum Westen die Bestechlichkeit der Polizei, die Abhängigkeit der Beamten von der Wahlmacht raffiniert ar­beitender politischer Gesellschaften und die Selbstverständlichkeit, auch die Politik nur als Geschäft zu bewerten. Ein Geisteszustand, der jeden Gemeinsinn auf das äußerste erschwert, die Organisation der Konsumenten bisher nicht über kümmerliche Anfänge hinaus­kommen läßt und auch die junge sozialistische Bewegung gefährdet." Der noch schwach entwickelten Gemeinwirtschaft steht die groß­zügige Widmungswirtschaft" von Stiftungen gemeinnüßiger Ver­eine und Milliardäre zur Seite. So wird die herrschende Tausch­wirtschaft durch Schenkungen korrigiert, zugleich aber auch in ihrem Ergebnis als fehlerhaft bezeichnet; ihr geheimnisvoller Ver­teilungsprozeß wird verdächtig, die Reichtumshäufung auf Kosten ausgebeuteter Produzenten oder Konsumenten wird angeklagt."