pr unsere Mütter und hausfraueuNr. 2Beilage zur Gleichheit1914Inhaltsverzeichnis: Fiauenkrankheiten. Von Frau DrinecLStoEioy»Ostersetzer.— Elternpflichten. Von Fritz Elsner.— Feuilleton:Frühlingsglaube. Von Gottfried Keller.— Die Geschichte vonGunnel. Von Pelle Molin.Frauenkrankheiten.*Von Frau Dr. med. Stoboy-Ostcrsetzer.Unter„Frauenkrankheiten" versteht man gemeiniglich die Krank-heiten der weiblichen Geschlechtsorgane. Der menschliche Körperbesteht jedoch nicht aus einzelnen Abteilungen, die untereinanderkeine Verbindung haben, unabhängig voneinander sind und aucheinzeln erkranken. Vielmehr sind die einzelnen Körperteile durchBlut- und Lymphgefätze und durch Nervenbahnen innig mitein-ander verbunden, und es werden sowohl schlechte Stoffe und Giftedurch die Blut- und Lymphbahnen von einem Körperteil zumanderen geleitet wie auch nervöse Erregungen von einem Organzum anderen. Der Ursprung eines Frauenleidens ist also nichtimmer in den weiblichen Geschlechtsorganen selbst zu suchen, son-dern kann anderswo liegen. Ein Beispiel: Blutarme Mädchen lei-den oft an Periodenstörungen, entweder bleibt die Regel bei ihnenganz aus oder es erfolgen übermäßige Blutungen. In beidenFällen liegt die Ursache der Störung nicht in den Geschlechts-organcn selbst, sondern in der fehlerhaften Blutbeschaffenheit. AlleEingriffe, die sich nur auf die Geschlechtsorgane erstrecken, werdenkeinen Erfolg haben, solange nicht dafür gesorgt wird, daß dasBlut verbessert wird. Ein anderes Beispiel: Nervös« Frauen er-kranken nicht selten an heftigen Schmerzen in den Eierstöcken, ohneDurchschnitt durch das wetb-ltche Becken.». Tesüllte Blase.b. Gebärmutter, c. Scheide.d. Gefüllter Mastdarm.Wetbltche Geschlechtsorgane, a, Gebärmuttennund.b. Eileiter, c. Eierstock, d. Bauchsellüberzug.daß an diesem Organ irgendeine Verände-rung festzustellen wäre. Eine lediglich ört-liche Behandlung des Leidens vermag da-her auch hier keinen Nutzen zu bringen.In den Zeiten, wo man glaubte, die meistenLeiden durch chirurgische Eingriffe heilen zukönnen, sind auch unzählige gesunde Eier-stöcke dem Messer operierwütiger Chirurgen zum Opfer gefallen,ohne daß die operierten Frauen irgendwie erleichtert worden wären.Erst eine sachgemäße Behandlung, die dem allgemeinen Nerven-zustand der Leidenden Rechnung trug, war imstande, sie von ihrerKrankheit zu befreien. Das Bewußtsein, von einem„Frauenleiden"befallen zu sein, wirkt niederdrückend auf jede Frau; die örtlicheBehandlung regt ihre Nerven oft auf, so daß in der Folge nebendas Frauenleiden manchmal auch noch ein Nervenleiden tritt, dashäufig schwerer zu bekämpfen ist als das erstere. Es ist deshalb sehrwichtig, die Frauen über den Ursprung der Frauenkrankheiten undder sich daran anschließenden nervösen Zustände aufzuklären. Siemüssen lernen, deren Ursachen auszuweichen, soweit es in ihrempersönlichen Vermögen liegt.Die weiblichen Geschlechtsorgane bestehen aus den äußeren ficht-baren und den im Körperinnern verborgenen Teilen. Die Gebär-Mutter ragt mit ihrem untersten Abschnitt in die Scheide hinein,der obere liegt in der Bauchhöhle. Die Eileiter besorgen die Ver-bindung der Gebärmutter mit den Eierstöcken und befinden sich wiediese ebenfalls in der Bauchhöhle. Die Gebärmutter ist ein musku-löses Organ von der Gestalt und Größe einer mittleren Birne.Sie besitzt eine Höhle, die mit Schleimhaut ausgekleidet ist und mitihrer äußeren Öffnung, dem Muttermund, nach der Scheide sieht.Die Eierstöcke sind drüsige Organe von der Größe und Gestalt* Der größte Teil des Artikels erschien bereits in Nr. 23 des letztenJahrgangs. Diese Nummer wurde von der Behörde beschlagnahmt,und wenn inzwischen die Konfiskation auch aufgehoben werden mußte,so kam doch das Blatt nicht in die Hände aller Leserinnen.großer Mandeln, die Eileiter schmale Röhren, die von der Gebär-mutter abgehen und zu den Eierstöcken führen. Sowohl die Ge-bärmutter als auch die Eileiter und Eierstöcke sind vom Bauchfellüberzogen.In den Eierstöcken reifen die weiblichen Geschlechtszellen, dieEichen. Jeden Monat löst sich ein Ei ab und gelangt durch die Ei-leiter in die Gebärmutterhöhle. Erfolgt Befruchtung, so setzt sichdas Eichen an der Gebärmutterschleimhaut fest und wächst sich all-mählich aus zu einem jungen Organismus. Im anderen Falle er-folgt der allmonatlich wiederkehrende Blutabgang aus der Gebär-mutter, den wir Periode, Monatsregel usw. nennen.Da es sich hier nicht darum handelt, ein Lehrbuch der Frauen-Heilkunde zu schreiben, so wollen wir die Beschreibung der au-geborenen abnormen Zustände des weiblichen Gcschlechtsapparatcsbeiseite lassen. Wir wollen nur andeuten, daß es verschiedene Miß-bildungen gibt, und zwar Fehler oder mangelhafte Ausbildungeinzelner Teile. Nicht selten ist eine angeborene Knickung derGebärmutter nach vorne, die sich durch starke Schmerzen bei derPeriode äußert. Sie wird oft durch die Geburt des ersten Kindesausgeglichen.Der besseren Übersicht halber teilen wir die Frauenkrankheitenein, und zwar in 1. Krankheiten des Entwicklungsalters, 2. Krankheiten der gebärfähigen Frauen und 3. Krankheiten der Wechseljahre.1. Krankheiten des Entwicklungsalters.Es kommt vor, daß schon klein« Mädchen an einem Scheiden-katarrh leiden, der sich durch grüngelblichen Ausfluß und Juckenund Brennen an den äußeren Geschlechtsteilen äußert. DieserKatarrh kann harmloser Natur sein, er kann aber auch durch An-steckung mit dem Erreger des Trippers verursacht sein. Nur derArzt vermag zu entscheiden, welche Form des Schcidenkatarrhsvorliegt, es ist daher in solchen Fällen ratsam, sofort ärztliche Hilsezu suchen.Die Leiden der jungen Mädchen beginnen gewöhnlich mit demEintritt der Monatsregcl. Immer mehr häufen sich die Fälle, woder Ursprung von Frauenleiden schon in der Jugend liegt. DieUrsachen dafür müssen wir meist in den sozialen Verhältnissensuchen. Schon frühzeitig wird das Kind gezwungen, neben derSchularbeit Hausarbett zu verrichten, und erst recht lastet dieseauf dem Mädchen, wenn es, der Schule entwachsen, ins Erwerbs-leben tritt. Die doppelt« Arbeitsbürde wirkt in doppelter, ja in drei-facher Weise schädlich auf das junge Mädchen ein. Erstens ist dasArbeitsmatz an sich zu groß für den unausgewachsenen Organis-mus. Zweitens muß dieser bei der Arbeit übermäßig lange in ge-wissen Stellungen verharren; die Arbeit bringt es mit sich, ent-weder zu sitzen, zu stehen usw. Fast gänzlich fehlt die Möglichkeitzu lebhaften ausgiebigen Bewegungen, die alle Muskeln und Ge-lenke in Mitleidenschaft ziehen, das Blut in kräftige, alle Körper-teile gleichmäßig durchdringende Bewegung versetzen und die geradefür den sich noch entwickelnden Organismus so notwendig sind.Drittens wird das junge Mädchen gezwungen, die dumpfe, verun-reinigte Luft der Wohnungen und Arbeitsräume zu atmen, undsein Blut verarmt immer mehr an Eisen, einem Bestandteil, derzu einem normalen Stoffwechsel unbedingt erforderlich ist. DasMädchen wird„blutarm", eine Krankheit, die unter den jugend-lichen Proletarierinnen fast allgemein ist. Diese Blutarmut ist derBoden, auf dem all« möglichen Krankheiten gedeihen, von denenhier nur die Lungentuberkulose genannt sei. Für uns ist an dieserStelle der Einfluß der Blutarmut auf die Geschlechtsorgane wichtig.Der weiße Fluß.Die Blutarmut ist oft die Ursache des sogenannten weißenFlusses. An ihm leiden so viele Mädchen und Frauen, ja er ist soallgemein, daß die meisten weiblichen Personen ihn als normalenVorgang ansehen. Dennoch ist der weiße Fluß durchaus krankhaft,die gesunde Scheiden- und Gcbärmutterschleimhaut ist leicht feucht,scheidet aber keine Flüssigkeit nach außen ab. Die Ausscheidungwirkt schwächend, denn es ist nicht Wasser, sondern eiweißhaltigeSubstanz, die dem Körper durch sie verloren geht.Da dieses Leiden meistens nicht eine lokale, sondern eine all-gemeine Ursache hat, eben Blutarmut oder schlechtes Blut, so trotztes auch gewöhnlich aller lokalen Behandlung und kann nur durchein Verfahren geheilt werden, das darauf ausgeht, die Blutbeschaf-