Für unsere Mütter und Hausfrauen

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Nr. 1 。。。。。。。。 Beilage zur Gleichheit ooooooo

Inhaltsverzeichnis: Menschenmangel und Stellung der Frau in den Vereinigten Staaten  . Von Robert Wilbrandt  . Die Kriegs­teuerung und die Hausfrauen. Von M. Kt. Feuilleton: Die menschliche Gesellschaft. Von Friedrich Hebbel  , Preis sei der Mutter. Von Marim Gorki.

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Menschenmangel und Stellung der Frau in den Vereinigten Staaten.*

Von Robert Wilbrandt  .

Was dem Europäer zuerst entgegentritt, sobald er die Freiheits­statue und das märchenhafte Profil des himmelstürmenden New York   im duftigen Zauber des Morgennebels erschaut und das Land des neuen Menschentyps betreten hat, das ist der wohlgenährte, Behagen und Kraft ausstrahlende Amerikaner selbst, kraftvoll und zu intensivster Arbett befähigt; diese zur höchsten Leistung ge­diehene Arbeitskraft ist aber ein jahrzehntelang hinter der Nach­frage zurüdgebliebener teurer Artikel, trotz Einwanderung und Krisen noch immer hoch bezahlt, als Droschkenkutscher oder Barbier oder gar als Dienstbote kaum erschwinglich und darum, das ist das erste Grundprinzip amerikanischer Ökonomie, tunlichst durch andere Lebensgestaltung ersetzt.

Dienstboten zu halten ist Vorzug einer gewissen Wohlhabenheit. Der Mittelstand, besonders seine untere Schicht, hat sein Leben darauf eingerichtet, mit möglichst wenig Bedienung auszukommen oder auch ganz auf sie zu verzichten. Die Dienstboten sind die Herren der Situation, man muß vieles selber machen, und darum -schränkt man seine Ansprüche ein. Daher Gewohnheit, was deutsche Hausfrauen verabscheuen würden: daß man Unordnung und Un­gepflegtheit der Wohnung nicht allzu schwer nimmt, ebensowenig wie zerrissene Wäsche am Leibe oder auf Tisch und Bett, die zu fliden ja teure Handarbeit kosten würde; ebenso selbstverständlich ist der Verzicht auf häuslich gepuzte Stiefel, sie werden von einem Berufsvirtuosen des Stiefelpußens auf der Straße alle paar Tage mit einem, first class shine" versehen, für 5 Cents( 20 Pf.) glänzen sie tagelang; überhaupt: systematische Vereinfachung des Haushaltes, der möglichst wenig Arbeit kosten muß. Derselbe Dienstbotenmangel läßt oft auf größere Kinderzahl, ja wohl auch auf die Heirat oder wenigstens auf eigenen Haushalt verzichten. Auf der anderen Seite hat die Amerikanerin mehr Hilfe als die deutsche Hausfrau, nämlich am Mann.

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Der amerikanische   Mann hat als Kolonist, zunächst oft ohne ein weibliches Wesen, in harter einsamer Arbeit, die seine Kräfte stählte, sein neues Heim der Natur abgetrott; jeder auf sich gestellt, jeder ein Robinson, der alles selbst machen, alle Fertigkeiten aus­bilden mußte, praktisch und erfinderisch, wie die Not es verlangte. Der Mann macht alles das war die Grundlage der Ansiedlung im Westen, wo es an Frauen fehlte und bis jetzt noch fehlt. Um­worben von einer Mehrzahl von Männern, die das Weib ent­behrten, auf Händen getragen von dem, der sie gewann, hatte die Frau in dem kulturlosen Ansiedlerleben nur das zu bringen, was es selbst nicht bot: Schönheit und Bildung. Entbehrlich für die harte männliche Arbeit, wurde die Tochter in Colleges geschickt, während der Sohn dem Vater zu helfen hatte; mit verfeinerter Kultur zurückkehrend in die Farm, war sie der Schmuck des Le­bens, nicht sein Lasttier. Während bei uns die Berufsausbildung den Mann jahrhundertelang als den bildungsbedürftigeren er= scheinen ließ, dem die Frau, nur für die Hauswirtschaft erzogen, vielerlei Dienste zu leisten hatte, die er als Berufsvirtuose und Gebildeter unter seiner Würde fand, hat der Mangel an Frauen in den westlichen Ansiedlungen die umgekehrte Tradition be= gründet: der Mann macht alles, die Frau aber wird verehrt und ist Trägerin der Bildung.

Dem entspricht das Frauenstimmrecht in den Weststaaten; die Frauenberehrung hat es bald gewährt.

Dieser Frauenkultus ist es, der unsere Eindrücke in Amerika  selbst und auf dem amerikanischen   Schiffe während der überfahrt nach Ostasien   am besten erklärt. Wir sahen die Frau, trotz der Dienstbotennot, sehr viel in der Stellung der verwöhnten Dame: sie ist das zarte höhere Wesen, das der Starke ritterlich beschützt. * Aus Robert Wilbrandt  : Als Nationalökonom um die Welt. Ver­legt bei Eugen Diederichs   in Jena  . Wir werden dieses empfehlens­werte Büchlein demnächst besprechen.

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1914

Der amerikanische   Mann gedeiht dabei gut. Er entwickelt sich. Er übernimmt Vaterpflichten mit erstaunlichem Talent. Auf dem Schiff, während der siebzehntägigen Fahrt über den Stillen Ozean  , konnten wir die rührenden amerikanischen   Väter bewundern, die ihre kleinen Kinder auf Deck spazieren führten, sie beruhigten, sie ohne jedes harte Wort erzogen, während die Mütter und jungen Mädchen im bequemen Lehnsessel zurüdgelegt Romane lasen und fofettierten.

Die Amerikanerin hat selbstverständlich auch andere Seiten. Wir lernten wirklich zu verehrende, außergewöhnlich bedeutende und sympathische, wahrhaft vornehme Frauen kennen. Aber in der Verwöhnung durch den Mann fanden wir die Amerikanerin eher gefährdet als wirklich gehoben.

So hat der Menschenmangel, der als Dienstbotennot die Haus­frau bedrängt, als Mangel an Frauen der Hausfrau eine über­höhte Stellung gegeben, die ihr den Mangel an Bedienung erträg­licher macht: ist sie doch geborgen in der großen sorglichen Hand des amerikanischen   Mannes.

Er leistet seinerseits um so mehr. Aber auch er wird wiederum als kostbares, sparsam auszunußendes Gut behandelt.

Der Menschenmangel durchzieht, wie das Familienleben, so alle Zweige am Baume dieses neuen Volkes. Arbeitsparende Methoden begegnen dem Fremdling auf Schritt und Tritt( ganz wörtlich: auch als eine sich selbst bewegende Treppe zur Hochbahn hinauf). Jede umständliche Kontrolle wird ersetzt durch Einheitstarife; die Fahrkarte wird nur am Eingang, nie mehr am Ausgang vorge= zeigt und durch Einwurf erledigt. Die Zeit wird sparsamer be= handelt als das Geld. Expreßzüge der Untergrundbahn, nur für weite Strecken, und Expreßaufzüge, nur für die höheren Stock­werke, ersparen unnötigen Zeitverlust. Die industrielle Produktion wird durch strengste Arbeitszerlegung des Riesenbetriebs, wie in den Stockyards Chicagos  , und durch eine den Europäer geradezu beschämende Intensität der Anwendung von Maschinenkraft an Stelle von Menschen, wie in den Carnegie- Works in Pittsburg  oder gar in Gary, der jüngsten Schöpfung des Stahltrustes, aufs tapitalistisch gewaltigste konzentriert, spezialisiert und mechani­siert; die Technik wird neben genialem Erfinden des Weges zum Biele zugleich auch zur Skonomisierung, zur Abkürzung jedes Weges. Und derselbe Geist ergreift die Wissenschaft an ihren sonst so gern konservativen geheiligten Stätten: die Arbeitsteilung greift auch hier viel weiter als bei uns; ja die Staatsuniversität von Wisconsin  , das kleine Madison  , weiß die Arbeit seiner Pro­fessoren dem ganzen Lande direkt fruchtbar zu machen durch sein wohlorganisiertes junges System einer einzigartigen Ausdehnung der Tätigkeit und Anpassung der Forschungsergebnisse an den Be­darf des Lebens.

Die Kriegsteuerung und die Hausfrauen.

Noch stehen wir erst im Anfang all der Schrecknisse, die der Krieg auch über unser Volk heraufbeschwört, obwohl er bisher von Deutschland   mit kaum geahntem Erfolg geführt wird. Schon seit eine Teuerung sehr vieler Nahrungsmittel ein, die um so härter empfunden wird, als steigende Arbeitslosigkeit die ohnehin geringe Rauffraft großer Volksschichten noch weiter herabdrückt. Die be­hördlichen Verfügungen über Höchstpreise für Lebensmittel werden die drohende weitere Zunahme der Teuerung nicht aufhalten fön­nen. Die Hilfsaktionen der Wohlfahrtsinstitutionen werden immer nur einen Bruchteil des Massenelends zu lindern vermögen. Auch müssen wir vorsichtigerweise damit rechnen, daß bei längerer Dauer des Krieges in absehbarer Zeit wenn auch vielleicht nur vor­übergehend manche Nahrungsmittel knapp werden oder ganz mangeln. Alle diese Umstände nötigen die Hausfrau noch mehr denn je, darüber nachzudenken, wie sie nicht nur die höchsten Nähr­werte für die kleinste Summe einkaufen kann, sondern auch, wie die tägliche Kost so haushälterisch wie möglich zuzubereiten ist, so daß sie vom Körper mit den denkbar geringsten Verlusten aus­genügt wird. Denn nicht von dem, was er ißt, lebt der Mensch, sondern von dem, was er verdaut. Besonders jungen Hausfrauen mit geringer Erfahrung werden deshalb die nachfolgenden Winke und Anregungen von Nußen sein; sie bilden eine Ergänzung zu vielen einschlägigen Artikeln in den letzten Jahrgängen der Gleich­heit".