Für unsere Mütter und Hausfrauen
Nr. 5
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oooooooo Beilage zur Gleichheit ooooooo
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Inhaltsverzeichnis: Frauenkrankheiten. Von Frau Dr. med. StoboyOstersetzer.( Schluß.)- Als Nationalökonom um die Welt. II. Von Selara Zetkin.( Schluß.) Feuilleton: Das rote Lachen. Von Leonid Andrejew. ( Fortsetzung.)
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Frauenkrankheiten.
Von Frau Dr. med. Stoboy- Osterfeber.
( Schluß.)
3. Die Leiden der Wechseljahre. Der Wechsel, das heißt der Zeitpunkt, wo die geschlechtlichen Funktionen des Weibes erlöschen, ist für viele Frauen eine schwere Leidenszeit. Wie wir wissen, ist das Zeitalter der geschlechtlichen Reife dadurch gekennzeichnet, daß allmonatlich ein Eichen vom Eierstock sich ablöst und in die Gebärmutter wandert. Erfolgt die Befruchtung, so setzt es sich an der Gebärmutterwand fest und wächst sich zum Kinde aus. Bleibt das Eichen unbefruchtet, so tritt eine Blutung aus der Gebärmutter ein, die wir die Monatsregel nennen. Mit dem herannahenden Alter, das heißt zwischen dem 44. bis 52. Lebensjahr, erlischt die geschlechtliche Funktion des Weibes; es werden keine Eichen mehr hervorgebracht, und die Monatsregel bleibt aus. Dieser Wechsel vollzieht sich jedoch nicht plöglich, sondern dehnt sich über Monate und sogar Jahre aus. Die Periode bleibt nicht mit einem Schlage aus, sondern wird zunächst unregelmäßig, tritt monatelang nicht auf und kommt wieder, oder die Blutungen wiederholen sich öfter als vierwöchentlich, dauern sehr lange und gefährden ernstlich die Gesundheit. Bei gesunden Frauen sind weder der Eintritt noch das Aufhören der Reife von tiefgreifenden Störungen begleitet, beide Vorgänge vollziehen sich durchaus ruhig und regelmäßig, ohne stürmische und gefahrdrohende Erscheinungen. Leider sind jedoch die Bedingungen des heutigen Lebens für die Frau an sich schon frankmachend, und so sehen wir, je länger je mehr, wie bei jungen Mädchen und alternden Frauen durchaus natürliche Vorgänge, wie es das Einseßen und das Aufhören der Periode sind, frankhafte Zustände, teilweise sogar schwere Leiden auslösen. Wie sehr die volle Gesundheit bei Frauen zu den Ausnahmen gehört, beweist der Umstand, daß die meisten diese Leiden als etwas Gegebenes, Unvermeidliches, ja„ Natürliches" ansehen, das zum Begriff „ Weib" gehört.
Sind die starken Blutungen der Wechseljahre an sich schon schädlich, so bedroht noch eine andere Gefahr die alternden Frauen. Die bösartigen Geschwülste, die wir schon besprochen haben, entwickeln sich gewöhnlich zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr. Diese verursachen ebenfalls Blutungen, die die Frauen für die gewöhnlichen Blutungen der Wechselzeit halten und die sie daher gleichgültig hinnehmen. Entschließt sich die Leidende endlich doch, zum Arzt zu gehen, so ist meist die bösartige Geschwulst bereits mit ihrer Umgebung, das heißt mit der Blase, den Därmen und dem Bauchfell verwachsen, und die benachbarten Lymphdrüsen sind schon mit Geschwulstkeimen durchsetzt. In diesem fortgeschrittenen Stadium ist cine Operation ausgeschlossen. Die Frau muß ihrem Schicksal überlassen werden und geht unter unsäglichen Qualen in furzer Zeit zugrunde. Wir können daher nicht oft genug den Frauen einschärfen, bei stärkeren oder unregelmäßigen Blutungen in den Wechseljahren schleunigst ärztlichen Rat einzuholen. Erfolgt die ärztliche Untersuchung und die Feststellung des Leidens rechtzeitig, so kann durch eine Operation die bösartige Geschwulst entfernt und das Leben um viele Jahre verlängert werden.
Die gewöhnlichen Wechselblutungen werden durch heiße Spülungen, fühle Sigbäder, wechselwarme Fußbäder, Aufenthalt in frischer Luft, reizlose Stost und Sorge für guten Stuhlgang günstig beeinflußt. In letzter Zeit werden auch Bestrahlungen mit Röntgenstrahlen erfolgreich angewendet. Der Ausfluß kann oft bei alten Frauen eine verhängnisvolle Bedeutung haben, weil er eine bösartige Neubildung ankündigt, die zerfällt und eitert. Deshalb sofort zum Arzt, wenn ein irgendwie auffallender, übelriechender, grünlich oder rötlich gefärbter wässeriger Ausfluß sich einstellt.
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Da bei alten Frauen das Fett schwindet und alle Gewebe schlaffer werden, so verlieren auch die Mutterbänder und die Wände der Scheide ihre Elastizität und gewähren der Gebärmutter nicht mehr den nötigen Halt. Es kommt dann zur Senkung der Gebärmutter. Die Senfung fann so start werden, daß die ganze Gebärmutter heraustritt und zwischen den Beinen liegt. Wenn die Frau noch rüftig ist, so wird man dieses Gebrechen operativ zu heilen ver
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suchen, indem man die Bänder verkürzt, die Scheide verengt und den Damm verstärkt. Ist die Leidende zu alt oder kann sie sich zur Operation nicht entschließen, so fann fie Stüẞapparate gebrauchen, die das Drgan zurückhalten.
Die Stuhlverstopfung.
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Die Besprechung dieses Leidens gehört eigentlich nicht in den Rahmen unserer Aufgabe. Da jedoch die Stuhlverstopfung so häufig die Quelle von Frauenleiden ist was ohne weiteres flar wird, wenn man unsere Zeichnung ansieht und die nahe Nachbarschaft des Mastdarmes und der Geschlechtsorgane berücksichtigt, so rechtfertigt sich eine kurze Betrachtung dieses Übels.
Normalerweise sollte die Stuhlentleerung ein- bis zweimal täglich erfolgen. Wenn wir aber die Frauen daraufhin befragen, so zeigt sich, daß die meisten von ihnen zwei, drei, selbst acht oder zehn Tage keinen Stuhlgang haben. Das führt zu schweren Schädigungen der Gesundheit. Werden die Auswurfstoffe des Verdauungskanals zu lange im Störper zurückgehalten, so vergiften ihre Fäulnisprodukte das Blut und die Gewebe; Appetitlosigkeit, Stopfweh, Müdigkeit, Blutarmut usw. sind die Folge. Das ist die chemische Wirkung der Stuhlverstopfung. Rein mechanisch schädigt der im Mastdarm ge= staute Kot die Geschlechtsorgane, indem die Mutterbänder gedehnt, die Blutgefäße und Nerven gedrückt werden. Der behinderte Blutfreislauf führt zu dauernden Entzündungen der Gebärmutter und damit zu unangenehmen Druckgefühlen im Unterleib, verstärkten Periodenblutungen und Ausfluß, vielleicht auch zur Bildung von Muskelgeschwülsten, den sogenannten Myomen. Die gedrückten Nerven bereiten Schmerzen. Die Behandlung des Stuhlganges ist daher außerordentlich wichtig bei der Behandlung aller Frauenkrankheiten. Die Ursache der Stuhlverstopfung liegt in falscher Ernährung und mangelnder Betpegung, und hier müssen wir den Hebel ansezen, wenn wir sie beseitigen wollen. Das beliebte Einnehmen von Abführmitteln und Tees, deren Zahl mit jedem Jahre unheimlich zunimmt, nüßt auf die Dauer nur dem Apotheker, schädigt hingegen die Frauen. Der Darm gewöhnt sich rasch an jedes Mittel, und es bedarf immer neuer und immer stärkerer Reize, um ihn zur Tätigfeit anzuregen, und zuletzt verschlägt nichts mehr. Darum müssen die Frauen sich mit den Grundsägen einer naturgemäßen Ernährung bekanntmachen, dürfen auch nicht körperliche Übungen, Sport und Gymnastik als Lurus und Zeitverschwendung ansehen und ihre Töchter davon abhalten. Im Gegenteil, auch die Mütter sollten mitmachen und wissen, daß nicht nur dem Geiste, sondern auch dem Körper eine angemessene Pflege zuteil werden muß, soll der Mensch nicht verkümmern.
Verhütung der Frauenleiden.
Bei der Besprechung der verschiedenen Frauenleiden haben wir immer auch hingewiesen auf die Mittel zu ihrer Verhütung. Wir gingen dabei von dem Grundsatz aus, daß verhüten leichter ist als Heilen. Zusammenfassend heben wir nochmals hervor, daß nur ein hygienisch richtiges Verhalten, eine naturgemäße Lebensweise geeignet ist, sowohl die Frauenleiden als auch die modernen Krankheiten zu verhüten und aus der Welt zu schaffen. Es sind aber nicht die mangelnden Erkenntnisse, sondern die sozialen Zustände, die uns am stärksten hindern, unser Leben den Anforderungen der Hygiene anzupassen, und diese sozialen Zustände sind auch daran schuld, daß so wenig zur Verbreitung hygienischer Erkenntnisse getan wird.
Man könnte meinen, daß gerade der Staat das größte Interesse daran haben müßte, die heranwachsende Generation schon in der Schule mit dem nötigen Wissen in der Gesundheitspflege auszurüsten. Nichts der Art geschieht. Und mit gutem Grunde. Wollte der Staat schon in der Schule verkünden lassen, welche Forderungen die Hygiene in bezug auf Wohnung, Ernährung, Arbeit, Schlaf usw. erhebt, so würden bereits die Kinder erfahren, daß die Lebensweise, zu der sie und ihre Eltern gezwungen sind, diesen Anforde= rungen ins Gesicht schlägt. Sie müßten die Überzeugung gewinnen, daß ihre Wohnung zu schlecht, die Kleidung unpassend, die Ernährung zu farg und einseitig, die Arbeit der Eltern und leider oft ihre eigene übermäßig, die Schlafenszeit zu kurz bemessen ist, daß für Körperpflege, Erholung und Lebensfreude ihnen die Mittel und die Zeit ganz fehlen. Die Kleinen und Größeren * Vergleiche Frauenbeilage Nr. 2.