Im finnisclien Schnee Die drei lagen langgestreckt am Rande des Föhrenwaldes. Die scheidende Sonne strahlte schräg über den finnischen Schnee. Die weisse Decke flimmerte in unzähligen Kristallen. Fuhr der Wind durch die Baum­wipfel, so fegten schwere Flocken auf die drei hinab und häuften sich auf ihren hellen Mänteln. Manchmal ging ein Aech- zen und Stöhnen von ihnen aus und lief mit dem Winde davon. Der eine war ein Russe; seine schwarze Lammwollmütze hatte sich tief über das bärtige Gesicht ge­schoben. Die weissen Kappen der zwei anderen schienen in Schneehügel gebettet. Der mit der schwarzen Kappe wälzte sich zur Seite und murrte; es war das Finno- russisch der Grenzbewohner. Sein Blick ging zum Nachbar.«He, wofür das? Für Russlands Grösse hat man uns gesagt. Ist Russland nicht gross genug?» Die Wunde in seiner Brust brannte, er schluckte das aufquellende Blut hinab und röchelte.«He Bruder, wofür das?» Sein Nachbar lag mit abgewandtem Ge­sicht. Er konnte die Beine nicht rühren. Ein grosser roter Fleck breitete sich neben ihm im Schnee.«Uns gehts um die Frei­heit», sagte er. Der mit der schwarzen Kappe wandte sich wie im Krampf.«Du hasts gut. Du glaubst noch an etwas... Frieden, Frei­heit, Brot, so hats uns damals Väterchen Lenin verheissen. Ist das Frieden und Freiheit?» Er schwieg und wartete.«Du kannst ja reden jetzt, Bruder, der Polit- kommissar und die GPU in diesem Le­ben fassen die uns nicht mehr.» «Wir kennen keine GPU», sagte der an dere, und da erst wusste der mit der schwarzen Kappe, dass sein Nachbar ein Finne war. Der dritte lag ein Stück abseits, in eine Schneekuhle gebettet. Er verstand die Worte der beiden nicht, er sprach eine andere Sprache. Denn er kam hoch aus dem Norden, wo das Gebiet der Lappen beginnt. Aus seiner Kindheit her kannte er noch die Wanderungen mit Renntier- herden, wenn die Sonne ihren hohen Bo­gen zog und in der Tundra die Schwarz­beeren glänzten. Er wusste, wie sich im Frost des Winters die frierenden Renn­tiere zusammenscharrten, wenn die Wölfe kamen, um die Herde herum ihre Tänze aufführten und sich in die Luft schnellten, um junge Tiere zu verwirren und von der Herde zu locken. Er verstand noch die Sprache des Waldes und die Zeichen des Nordlichts, wenn es in langen Streifen überm Urwald flimmerte. Er schlug die Augen auf und blinzelte in die Dämmerung hinaus. Die grünen Pünktchen, die in der Ferne ab und zu auf­glommen waren es die Lichter der Wölfe? Kamen sie schon? Oder hatten sie mit anderen Verwundeten zuviel Arbeit? Der stechende Schmerz in den Eingeweiden entpresste ihm ab und zu ein Stöhnen und frass sich immer höher hinauf. Wenn der Wolf jetzt käme ein Biss in die Gurgel, aus mit allem Leid. Nie hätte er geglaubt, dass er einmal so auf den Grauen warten würde. Er versfand den Wolf, der sprang die Seinen nur an, wenn ihn der Hunger zum Aeussersten trieb. Die Menschen aber, fern im grossen Europa wie stand es um die? Sie hatten viel, viel Raum im weiten Russland und in allen Ländern grosse Städte mit schönen, steinernen Häusern, aus deren Wänden das Licht strahlte. Sie sassen in Wagen, die ohne Pferde dahin fuhren, sie assen herrliche Speisen und konnten Musik aus den Lüften herbeizau­bern. Warum mussten die einander töten und mit Giften ausrotten, von denen er einmal gehört hatte? So leuchtet es wirr durch seinen schwe­ren, müden Kopf, der nicht begreifen woll­te, dass die grossen Erfindungen, von denen Ihm erzählt worden war, nur deshalb zu den Menschen gekommen seien, damit sie gefährlicher lebten. Es hatte für ihn kei­nen Zweck, darüber nachzudenken, ihm dünkte das alles wie ein Märchen aus den Zeiten der bösen Zauberer. Er schloss die Augen. Schneeflocken tanzten über sein Gesicht. Der Traum der Kälte senkte sich auf ihn hernieder. Von weit draussen aus der Steppe, zogen die Gestalten seiner Ju­gend heran und wie im Reigen an ihm vorbei. Auch das Renntier war dabei. Es kam näher, senkte den Kopf mit dem brei­ten Geweih, blies ihn aus weiten Nüstern an und fragte:Kennst du mich noch? Ich habe mit dir am Rande der Tundra ge­spielt, aber du bist von uns gegangen, dort­hin, wo die Menschen in festen Häusern wohnen___" Er schlug die Augen auf. Ja, da standen wirklich Renntiere und scharrten mit den Hufen im Schnee, um aufs Steppengras zu kommen. Hinter ihnen Schlitten. Männer in weissen Mänteln gingen durch die sin­kende Dämmerung und betteten die drei zwischen Stroh und Decken. Der Lappe fühlte eine Flasche am Munde, trank in tie- Der iiolitisehe Stosstrnpp Die innern Slüfzen dets 8>s(eiiis- Minder al« Polizisten Was Hitler gegen den äusseren Feind vorhat, ob er die Neutralen weiter nur be­drohen oder wirklich überfallen will und welche Neutralen er dafür ausersehen hat, ist völlig ungewiss, und sicher nicht ein­mal, ob Hitler selbst es besser weiss als die übrige Welt. An der inneren Front ist man der Mühe, unter den möglichen Angriffs­objekten wählen zu müssen, enthoben. Hier wird denn auch der Kampf mit aller Zielbewusstheit geführt. Das kann man der Liste der Hinrichtungen entnehmen. Aber fast noch grausiger als diese tägliche Aufzählung der gefallenen inneren Feinde oder solcher, die dafür angesehen werden, ist die Art, wie man ihrer habhaft wird oder werden will. Man bedient sich eines Teils der Bevölkerung als Spitzel und Fronvögte gegen den anderen Teil. Schon lange vor dem Kriege gab es die Werkscharen. Sie wurden aus ausgewähl­ten nationalsozialistischen Mitgliedern der Belegschaft gebildet und sollten, nach dem Muster der russischen Stossbrigade, als Aufpasser. Angeber und Antreiber zugleich wirken. Wie derWestdeutsche Beobach­ter" vom 2. Januar meldet, werden die Werkscharen gemäss den Kriegsbedürfnis­sen sowohl hinsichtlich ihrer Aufgabe wie ihres Aufbaues umgestellt.Ihre neue Ein­satzform ist der.Politische Stosstrupp', der alle aktiven nationalsozialistischen Kräfte im Betrieb zusammenfasst." Den Bolschewistcn wird also nicht nur die Sa­che, sondern sogar der Name dieser neuen Einrichtung entlehnt. Der politische Stoss­trupp umfasst nicht die Werkscharen al­lein, sondern alles, was von der Beleg­schaft nationalsozialistisch ist oder ehren­amtliche Funktionen für die Nazis verrich­tet, also auchdie zum Betrieb gehörigen politischen Leiter, SA- und NSKK -Männer, sowie die Parteigenossen und die Block- und Zellenobmänner", ferner, als geschlos- beschäftigen haben. Sie sollen ein verlän­gerter Arm der Gestapo sein mit dem be­sonderen Zweck, ein Einverständnis der[ werden könnte. sene Einheit, die Werkfrauengruppen. Was ist die Aufgabe dieser Kriegsforma­tion für den Kampf an der inneren Front? Sie hat dafür zu sorgen, dass der Betrieb nicht durch passive Resistenz oder gar durch Sabotage oder durch sonstige Auf­sässigkeit der Belegschaft seineEinsatz­fähigkeit" für die Waffenproduktion ein- Immerhin gehören diesem getarnten Po­lizeikader nur Erwachsene an, wenn aach zumeist jüngere Jahrgänge. Aber es ist eine verbrecherische Vergiftung kindlicher Seelen und kindlichen Geistes, dass aach die Jugend zu Polizeidiensten missbraucht wird, und dass junge Menschen wie Poli­zeihunde auf ihre eigenen Altersgenossen büsst. Das wird natürlich nicht ausdrück- 1 und auf Erwachsene losgelassen werden lieh gesagt, es bedeutet aber nichts ande­res, wenn als nächste Aufgabe bezeichnet wird: Sicherheit und Einsiatzbereitschaft der Betriebe, Einflnss auf die Arbeitskame­raden als Voraussetzung für erfolgreiches Wirken. Dann sollen die politischen Stoss- trupps, mit gutem Beispiel nationalsoziali­stischer Opferbereitschaft voranleuchfend, zusätzliche Arbeit verrichten, für die nichts bezahlt wird, Hilfsdienst beim Werkluft­schutz, Unfalldienst usw. Die Werkfrauengruppen werden im be­sonderen bei der Kasernierung der Beleg­schaft mitwirken müssen, die jetzt im Gange ist, um die Rationierung wirksamer zu gestalten. Sie sollen bei der Einrich­tung von Kantinen, Gemeinschaftsküchen und Arbeiterinnenlagern und von Kinder­gärten mithelfen. Darüber berichtet unter dem TitelStrei­fendienst der HJ im Kriege" derWest­deutsche Beobachter" am 27. November. In allen Bannen der HJ werden Streifen­dienstgefolgschaften errichtet, die mit den SS -Führern für Ergänzung eng zusskni- menarbeiten und durch ihre besondere Ausbildung für den späteren SS-Dienst vor­bereitet werden". Nach mehrjähriger Aus­bildung können Hitlerjungen schon»it Jahren in den Streifendienst aufgenom­men werden. Ihre Sonderaufgabe ist: Ord­nungsdienst und Ueberwachung des ord- nungsmässigen Auftretens der HJ. Sie pJ#e- gen zu diesem Zwecke rege Zusammen­arbeit mit der Polizei,was sich aus der Aufgabe des Schutzes der Jugend zwangs­läufig ergibt". Man kann daraus schlies- sen, wenn es auch nicht ausdrücklich ge- Die wichtigste Aufgabe der politischen sagt wird, dass die Mitglieder dieses Strei- Sfosslrupps aber istdie Erziehungsauf- fendienstes als Angeber ihrer Altersgenos- gabe auf weltanschaulichem Gebiet". Um sen zu amtieren haben. Aber sie werden sie zu erfüllen, sollen die Stosstruppler zu nationalsozialistischen Erziehungskame­radschaften in den Betrieben" zusammen­geholt werden, umdie Parteigenossen, die politischen Leiter und die Angehörigen der Parteigliederungen in straffer Zusam­menfassung zum Einsiatz zu bringen". Um das Soldatische dieser neuen Organisation zu betonen, sollen die Zellen und Blocks in Kameradschaften und Rotten umgetauft werden. Sie werden sich weniger mit der weltanschaulichen Belehrung als mit der auf Erwachsene gehetzt, denn sie sollen mit der Polizei nicht nur zusammenwir­ken, sondern ihr auch Hilfskräfte stellen. um Fachleute für anderweitige Verwen­dung im Polizeidienst freizumachen". Um Anwärter für den Streifendienst heranzu­bilden, ist bereits ein besonderer Lehrgang in den Schulen eingerichtet worden, die also als Schulen für jugendliche Lockspitzel ausgebaut werden sollen. Am liebsten wäre es Hitler , wenn die deutsche Schule überhaupt nichts anderes würde als eine Bespitzelung ihrer Arbeitskameraden zu Polizeiakademie und wenn daraus ein gan- Belegschaft nicht aufkommen zu lassen, zes Volk von Polizisten und Lockspitzeln dias Hitler und seinem Krieg gefährlich, hervorginge. I G. A. F. fen Zügen. Dann vernahm er das Schlei­fen der Schlittenkufen und schloss wieder die Augen. Neben ihm lag der Russe. Er fieberte und lallte; vielleicht haderte er mit'den durch entsprechenden Terror gezwun- Klreielier kurhelt Im besetzten Teile Polens sollen die Ju- dem Politkommissar.«Frieden, Brot und Freiheit habt ihr versprochen, ja oder nein?" Der Lappe hörte ihn nicht. Durch sei­nen Kopf wirbelte alles, was er von den Herrlichkeiten Europas gehört und dass gen werden, für einen antisemitischen Film echte Staffage" zu bilden. Der Präsident der Reichsfilmkammer ist mit seinem Stabe bereits in Lodz eingetroffen, um die Pro­duktion einer antisemitischen Serie zu lei­ten. Man kann sich denken, mit welchem ein mächtiger Mann, der Schlösser besass.Hohn die in ärmlichem, ostisch-primilivem und christlich getauft war dass dieser j Milieu wurzelnden Ka/fanjuden im Dritten geschworen hatte, Europa solle in Flam- Reich alsHerren der Welt", als dieJu- men stehen; die Seinen aber liessen ihn den ohne Maske" heruragezeigt werden. Man frei umherlaufen und jubelten ihm zu. Si­cher ein Schelm, der ihm das erzählt hat­te; er stritt mit ihm im Halbtraum und sagte ihm, das sei wohl eins jener Grusel- märchen, mit denen sich die Hirten in der Tundra unterhielten... Denn er war eben ein primitiver, ungebildeter Lappe, der von den wirklichen Werfen und vom Sinn des Daseins keine Ahnung hatte. fragt sich angesichts dieser Barbarei: Wo bleiben die Filme gegen den Rassismus? Es gibt Dramen und Filme gegen die Greuel des Antisemitismus und des rassischen Dik­taturwahns, aber das Schaustück gegen den schcinwissenschafllichen Blödsinn des Ras­senwahns fehlt völlig. Man täusche sich nicht: mit diesem braunen Rassismus wird in verschiedenen kriegführenden Ländern Im Dunkel ncditalion eine» lelchtboscliädlston»oulschen Heut nacht hat einer auf mich eingeschlagen, Ein Kerl mit Bärentatzen, riesengross. Ich hab ein Loch im Kopf davongetragen und bin die letzten zwanzig Reichsmark los. Natürlich Luftalarm. Die Stadt verdunkelt. Wenn man den Kerl erwischt, wird er geköpft. Was nützt mir das? Im Hause wird gemunkelt, man habe gegen mich Verdacht geschöpft. Warum? Ich habe wirklich nichts verbrochen. Doch meld ich meinen Fall der Polizei, dann geht es los, dann hab ich viele Wochen von früh bis abends nichts als. Schererei. Und fängt man erst mal an, mich auszuholen, bekommt leicht alles einen anderen Sinn. Zum Beispiel;Wo hat sie der Mann bestohlen? Am Rossmarkt? Ei.' Wie kamen Sie dahin?" Dort wohnt mein Freund."Sieh da! Wie ist sein Name?" Und schon ertappt man mich auf böser Tat. Mit meinem Freund mach ich nicht gern Reklame, er gilt als Meckerer und Demokrat. Wie endet das? Wer kann es jemals wissen? Nein! Lasst mich mit der Fragerei in Ruh. Die zwanzig Mark kann ich zur Not vermissen, das Loch am Kopf wächst langsam wieder zu, Doch weh dem Deutschen , der ein Fall geworden! Das Tier beisst zu und gibt ihn nie mehr frei. Lasst euch bestehlen, schlagen, ausziehn, morden, nur eines haltet fern die Polizei! getarnte Propaganda für die Hitlerei ge­macht. Wer aber diese antisemitische Schrittmacherei für Hitler schlagen will, der darf sich nicht auf die Kritik der Me­thoden beschränken, der muss schon den rassistischen Kern aufs Korn nehmen. Die Propagandaämter des Westens sollten das nicht der Zeit, dem Zufall und der privaten Produktion überlassen. In wenigen Köllen Das Sondergericht in Dortmund verurteilte zwei Eheleute, die sich als Saar -Evakuierte ausgegeben hatten und denen wertlose Bilder aus Mitleid zu hohen Preisen abgenommen worden waren. Der Ehemann erhielt zehn Jahre, seine I�rau acht Jahre Zuchthaus. Bildergeschäfte sind der Nazibonzerie re­serviert: die machte es umgekehrt, sie er­gaunerte wertvolle Bilder zu Geschenkprei­sen. V Nachdem die deutschen Hunde mit Gar- Idemass bereits bei Kriegsausbruch mobili­siert worden sind, findet jetzt eine neue Musterung statt; alles soll genommen wer­den, was diensttauglich ist. Verbraucht der Kampf an der inneren Front soviel Hunde? Oder etwa die Konservenindustrie? Im Dritten Reich werden die katholiseken Ordensschwestern jetzt durch braune er­setzt. Die ersten Kontingente sind bereits vereidigt worden: vor einem Hitlerbild auf Hitler . Wehe den Kranken, die im Fieber meckern! BEZUGSBEDINGUNGEN Der NEUE VORWAERTS kostet Imp. Union, 13, nie M�ehaia, Paris . Le Girant: Albert MARION.