I i I O!fci l\ i#% PWl T 8 fij 1 T| Cf U 1 P N Journa, social-democrate destin6 J 1 1 Mi Mil I 1 1 1 1 1 Lb�LMlICbI V aux refugies de langue aliemande NOUVEL"EN AVANT!" Hebdomadaire en langue aliemande Redaktion und Verlag: 30, Rue des Ecoles, Paris -5. Telephone: Odeon 42-58 Nr. 348. SONNTAG, 18. Februar 1940 Aus dem Inhalt: Die Greuel in Polen Volk der Habenichtse Tagebuch des Henkers 100 Jahre deutsche Demokratie Zu August Bebels lOO. Geburtstag Am 22. Februar 1940 ist der hundertste Geburtstag August Bebels. Die Sozialdemokratische Partei Deutsch lands , die er gegründet hat, und deren grosser Führer er war, lebt heute in der Illegalität. Ihr organisatorisches und geistiges Zentrum ist im Ausland. Wenn wir hundert Jahre zurückblieben, so sehen wir darin nicht eine unerhörte einmalige Katastrophe. Unsere Partei ist älter als das Deutsche Reich. Sie ist hervorgewachsen aus der deutschen Demokratie, die unter Hitler nicht zum ersten Male schwere Niederlagen erlitten hat. Nicht zum ersten Male ist das Zentrum der deutschen Demokratie und der deutschen Sozialdemokratie im Exil, nicht zum ersten Male hat sich die graue Gleichförmigkeit einer konterrevolutionären Epoche über Deutschland gesenkt, und unsere Zeitgenossen sind nicht die ersten, die sich fragen, ob das deutsche Volk bestimmt sei, niemals selbständig, niemals innerlich demokratisch, niemals frei zu werden. Aber mehr als einmal auch hat sich die deutsche Demokratie aus der Niederlage wieder erhoben, um zu ringen um die Seele und den Willen des deutschen Volkes und um zu kämpfen für die Befreiung Deutschlands vom Druck der inneren Knechtschaft. Die Gründung der deutschen Sozialdemokratie war eine jener Wiedererhebungen, die Gestalt August Bebels ist das Symbol für den Kraftgewinn der Demokratie in Deutschland , der mit dieser Gründung begann. Auf diese Zeit Und auf die geschichtliche Rolle Bebels in dieser Zeit richten wir heute an seinem hundertsten Geburtstag unsere Blicke zurück. Die Stellung Bebels in der Partei war mächtiger und glanzvoller in den letzten zwanzig Jahren seines Lebens, vom Ende des Sozialistengesetzes bis zu seinem Tode, aber für den grossen, durch mehr als ein Jahrhundert deutscher Geschichte gehenden Zusammenhang des Geistes, der Ideen und der Kräfte ist die Gründungsperiode der deutschen Sozialdemokratie bedeutungsvoller. Die Partei ist nicht geboren worden aus der reinen Doktrin des Klassenkampfes. An ihrer Wiege standen die Ideen der grossen französischen Revolution und die Tradition der deutschen Revolution von 1848. Wie die gesamte deutsche Demokratie wollte sie die Nation, so wie die grosse französische Revolution den Begriff geboren hatte, als die Einheit in Freiheit und Gleichheit. August Bebel hat seine politische Laufhahn begonnen im Kampfe um die freie deutsche Nation gegen den Machtstaat, im Kampfe gegen den preussischen Mi- litärstaat, als Bundesgenosse der gross- deutsch -revolutionären Bewegung, die «ich gegen Bismarck und die Unterwerfung Deutschlands durch Preussen wandte. Seine Anfänge waren getragen von der Ueberzeugung, dass die freiheitliche Gestaltung der deutschen Zustände nur aus einer gemeinschaftlichen politischen Aktion der Arbeiter und der demokratischen Elemente des deutschen Bürgertums hervorgehen könnte. August Bebel wurde geboren acht Jahre vor dem Ausbruch der deutschen Revolution von 1848. In seine Kinder- llentüdilanil heule Ta�ebueli de« Henker« Am 25. Januar 4 Todesurteile Das Sondergericht in Bromberg verurteilte die Angeklagten Johann Schatten und Anton Klosiewicz wegen gemeinschaftlichen Mordes zum Tode, da sie angeblich an dem „planmässigen Abschlachten der Bromber- ger Volksdeutschen" in den ersten Septembertagen beteiligt waren. Ein dritter Angeklagter, Boleslaus Urbanski, erhielt 15 Jahre Zuchthaus für schweren Landfriedensbruch. Das Sondergericht Berlin I sprach gegen Karl Ratzke das Todesurteil wegen Strassen- raubcs in der Dunkelheit aus. Ratzke hatte einem Zechkumpan auf dem Heimweg die Geldbörse mit 18 Mark Inhalt entrissen. Todesurteil des Sondergerichts Köln gegen Hermann Müller aus Neunkirchen (Saarpfalz ) wegen„zweier Verbrechen des Betrugs". Müller hatte sich bei einigen Familien als Kamerad der im Felde stehenden Männer ausgegeben, Grüsse bestellt und Geld, sowie Lebensmittelpakete zur Ueber- mitlung erhalten. Am 26. Januar 1 Hinrichtung Am 26. Januar ist der in Altona geborene Arthur Waller hingerichtet worden, der vom Sondergericht in Kiel zum Tode verurteilt worden war. Er hat in der Nacht zum 14. September 1939 in Bilsen und Quiekborn„aus unbegründeter Rachsucht" zwei Futlcrmittelmühlen angezündet. Am 1. Februar 1 Hinrichtung Albert Schmidt aus Alsfeld wegen Ueberfalls und Vergewaltigung während der Verdunkelung. Am 2. Februar 1 Hinrichtung, 1 Todesurteil Hinrichtung des Konrad Sperling, Berlin , wegen versuchten Mordes. Vor dem Sondergericht Königsberg hatten sich 31 Angeklagte, darunter acht Aus- hilfsangesfellte des Ernährungs- und Wirtschaftsamts der Stadt Königsberg, wegen der Verschiebung von Bezugsscheinen zu verantworten. Der Hauptangeklagte, Friedrich Goldhagen, wurde zum Tode verurteilt. Einige Angeklagte erhielten Zuchthausstrafen bis zu 15 Jahren, andere Gefängnis- und Geldstrafen. Vier der Beschuldigten wurden freigesprochen. Am 4. Februar 5 Todesurteile Wegen Raubüberfalls verurteilte das Son- dergerichl in Bonn den 19jährigen Hans Riemenschnitter, Hermann Brach und Hermann Schäfer, beide 18 Jahre alt, zum Tode. Das Lodscher Sondergericht sprach das Todesurteil über den Landarbeiter Boleslaus Mikinka und den Schlossergehilfen Pytka aus, die angeblich am 5. September 1939 Volksdeutsche Einwohner misshandelt hatten. V 3 Jahre Zuchthaus für das Abhören ausländischer Sender: Wilhelm Reinhardt aus Badenwciler wurde vom Sondcrgericht in Freiburg i. Br. zu 3 Jahren Zuchthaus verurteilt, weil er von September bis Mitte November 1939 französische und englische Sender abgehört und die Nachrichten bei der Bedienung seiner Kundschaft weitererzählt hatte. V4aiiiera«leii mortis i Was In rtor*«l»%l* vor! Am 1. Februar 1940 hat Gauleiter Adolf Wagner auf einer Kreisleitertagung in Mün chen eine Ansprache gehalten. Wir zitieren wörtlich, was die„Münchner Neuesten Nachrichten " vom 2. Februar, Nr. 33, darüber aussagen: „Der siegreiche Ausgang dieses Krieges wird nur dann gewährleistet sein, wenn nicht nur die Armee draussen im Felde, sondern auch die Heimat vollauf ihre Pflicht erfüllt. Die Voraussetzung sei im letzteren Falle ein absolut intakter Führerkörper der Partei, dessen Zuverlässigkeit, wenn notwendig, auch durch einen harten Eingriff gewährleistet werden müsse." Diese Worte, im Dritten Reich gesprochen, können nur eines bedeuten: einen neuen 30. Juni. Aber im Kriegsjahr 1940 werden Massenabschlachlungen von führenden Parteimitgliedern für das Regime weit | ernstere Folgen haben. nie oreMtrlchonen Flasuifn Am 28. Januar erschien in der deutschen Presse die lakonische Anweisung; „Der Reichsminister des Innern und der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda geben bekannt, dass die am Tage der nationalen Erhebung(30. Januar) übliche allgemeine Beflaggung in diesem Jahr unterbleibt." Haben die Nationalsozialisten endlich begriffen, dass sie keinen Anlass haben, topmast zu flaggen, mussten sie befürchten, dass ihrem Beflaggungsbefehl diesmal nicht Folge geleistet werden würde— oder sind die Fahnen längst zu Wäschestücken und Kleidern verarbeitet worden? Die« natürlleli�tcn Dinare» Wir lesen in der Essener„National-Zei- tung" vom 5. Februar: „Die englische Greuelpropaganda hat sich daran gewöhnt, alle Meldungen aus den von Deutschland besetzten polnischen Gebieten mit einer deutschfeindlichen Spitze zu versehen und so die natürlichsten Dinge als„deutsche Greuel" in die Welt hinauszufunken." Zu den für Hitlerdeutschland„natürlichsten Dingen" gehören die Massenabschlachtungen polnischer Männer, Frauen Greise und Kinder, gehört die Aushungerung und Beraubung der Bevölkerung, die Vertreibung der Polen aus ihren Heimstätten.— Unbegreiflich, dass diese Engländer daran An- stoss nehmen. Der traditionelle deutsche Takt. In der schweizer Oeffentlichkeit herrscht grosse Erregung, weil im Anschluss an die Verhaftung des frontistischcn Oberst Fonjallaz fast täglich neue Spionagefälle zugunsten Deutschlands aufgedeckt werden. An alte wilhelminische Ueberliefcrungen anknüpfend, haben die Natoinalsozialisten gerade diesen Augenblick zu einer groben Taktlosigkeit ausgenutzt. Sie lassen illegale Flugblätter verbreiten, in denen„aus rassischen Gründen" ein Bündnis der Schweiz mit Deutschland und gegen Frankreich und England gefordert wird. jähre und Jugendjahre fielen der Eintritt des deutschen Bürgertums in die Politik, die Niederlage der Demokratie nach der Revolution von 1848 und die lange Reaktionsperiode. Am Ende der Reaktionsperiode, als die Versuche zur Neuorganisation der deutschen Demokratie begannen, war die Lage gegenüber 1848 grundsätzlich verändert. Neben die rein formal staatsrechtlichen Forderungen der Demokraten von 1848 waren lebendige und reale Kräfte getreten, die machtvoll auf die neue Parteibildung einwirkten. Im Zeitalter des aufstrebenden Kapitalismus beeinfluss- ten das Streben nach nationaler Einheit und die Vertiefung der sozialen Gegensätze die Parteibildung. Die Ereignisse von 1866 hatten eine Sammlung der deutschen Demokratie zunächst unmöglich gemacht. Nach 1868 begann von neuem eine lebhafte Agitation für die demokratische Sammlung, verbunden mit einem Kampfe um die Demokrati - 'sierung des Heerwesens im Sinne des Milizsystems, der von Süddeutschland her gegen den Bismarckschen Militärstaat gerichtet war. An diesem Versuch beteiligte sich Bebel lebhaft, der aus den sächsischen Arbeiterbildungsverei- nen hervorgegangen war und der gemeinsam mit Liebknecht im Jahre 1866 die Sächsische Volkspartei gegründet hatte. In diesen Jahren erfolgte der Eintritt der deutschen Arbeiterschaft in die Politik. Sie verlangte, dass die Demokratie die besonderen Forderungen der Arbeiter vertrete— allgemeines Stimmrecht, Koalitionsrecht, soziale Reform. Der Widerstand, auf den diese Forderungen stiessen, führte 1869 unter Bebels Führung zur Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in Eisen ach , zur Loslösung der proletarischen von der bürgerlichen Demokratie. Trotz dieser Gründung waren die Bande zwischen beiden keineswegs zerrissen, noch [immer hatten beide Parteien ein gemeinsames nationalpolitisches Programm. Da entzog der deutsch -französische Krieg von 1870/71 diesem gemeinsamen nationalpolitischen Programm jeden Boden. Die Ausdehnung der preussischen Hegemonie auf den deutschen Süden war das Ende der grossdeutsch-revolutionären Bewegung. Die deutschen Demokraten standen vor der Wahl, sich der nationalen Hochflut zu überantworten oder sich ihr entgegenzuwerfen. Die bürgerliche Demokratie wählte den ersten Weg, die proletarische unter Führung von Bebel den zweiten; er führte seine Freunde als Hochverräter in die Kerker von Lotzen und ihn selbst auf die Festung Hubertusburg . Bebel ist in diesen Jahren, in denen die Gestaltung der deutschen Geschicke gegen die deutsche Demokratie und ohne sie erfolgte, von der festen Ueberzeugung geleitet gewesen, dass die Zukunft der Arbeiterschaft gehöre. Sie hat ihn getragen, als der Hurra-Patriotismus von
Ausgabe
8 (18.2.1940) 348
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