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Für unsere Mütter und Hausfrauen
dich heute schon, weil du nichts zustande gebracht hast. Sie werden mit Steinen nach dir werfen, wenn dir's gelingt."
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" Ich verbitte mir das, Krummacher!" rief Schwarzmann grob. Wenn Er nicht sieht, wo's mit der Welt hinauswill, mut Er nicht anderen zu, den Maulwurf zu spielen. Überhaupt! Das ist das Jahrhundert des Fortschritts, hab' ich mir sagen lassen. Scher Er sich zum Teufel, wenn Ihm das nicht gefällt, und schreib Er's in seine alte Chronik. Die Zukunft gehört Leuten wie meinem Neffen Berb linger und und mir!"
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,, Laß die Zukunft für sich selber sorgen, Brechtle," fuhr der Magister dringender fort, als ob er Schwarzmann nicht gehört hätte. Ich habe Vaterstelle an dir vertreten, seitdem du ein kleiner Abeschütz warest und laß mich nicht über Nacht verdrängen. Glaub wenigstens deinem Freund, dem Türmer, der dir heute geschrieben hat."
„ Der alte Herenmeister!" rief der Rat grimmig.„ Der Schwindel ist ausgespielt, und jetzt hab' ich's satt. Laß Er den Berblinger in Ruh. Der Junge hat genug zu tun, auch ohne Ihn! Ich auch. Und Er würde mir einen großen Gefallen tun, wenn Er zu Bett ginge, ' s ist Zeit für alte Leute."
Aber heute war alles aus Rand und Band. Der Pestilenziarius wandte sich jetzt gegen Schwarzmann.
„ Ich gehe zu Bett, wenn ich nichts mehr zu tun habe, aber hier braucht man mich noch, um auch Euch einmal die Wahrheit zu sagen, Herr Rat: Ihr habt das Geld gestohlen, das Brechtles Mutter ge= hörte, Ihr habt ihn zum Schneider gemacht und gebt Euch alle Mühe, ihn in den Tod zu treiben, um Euch mit fremden Federn herauszupuzen, und der dumme Bub merft's nicht. Das wollte ich ihm sagen, und will's durch die ganze Stadt schreien, eh' ich zu Bett geh."
Der Rat war aufgesprungen und suchte stammelnd nach Worten und nach seinem Stock, der hinter der Feuerspritze auf dem Boden lag. Man war zu jener Zeit mit Tätlichkeiten rascher bei der Hand als heutzutag, und der Pestilenziarius hatte sich bereits mit einem Feuereimer als Schutzwaffe bewehrt. Aber auch Berblinger richtete fich jetzt auf.
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,, Lassen Sie mich in Ruh, Herr Krummacher," sagte er bittend. ,, Was geschieht, muß geschehen. Bei Gott, es ist nicht der Rat, der mich treibt, und wenn's schlimm geht mein Vater wäre an seinem Perpetuum mobile zugrunde gegangen, wenn ihn nicht ein Franzose erschossen hätte. Ich bin nicht besser als meine Väter, und vielleicht kommt die Zeit, daß auch Sie noch sagen werden, der Brechtle, der dumme Bub, hat uns alle um einen Schritt vorwärts gebracht. Daraufhin wag' ich's. Was macht's ein lumpig Schneiderlein mehr oder weniger auf der Welt?"
,,' raus!' naus!" schrie Schwarzmann, dem der elegische Ton nicht gefiel.„ Er soll in seinem Münsterhäuschen weiterheulen, nicht hier! ' naus!"
Aber der Magister hatte den Rückzug bereits angetreten. Zum erstenmal seit Jahrzehnten war ihm die Galle übergelaufen. Beim Nachhausegehen merkte er mit Verwunderung, welche Wohltat dies war, obgleich er das Schlachtfeld nicht zu behaupten vermocht hatte. Erst als er sich niederlegte, kam es wie ein großer Jammer über ihn, daß er seinen Brechtle nicht hatte retten tönnen, und er bat Gott mit aller Inbrunst, er möge ein Einsehen haben und den Jungen nicht in diesem Teufelswerk untergehen lassen. Daß er seine letzte Hoffnung auf Lombard, den alten Heiden, segte, sagte er seinem Herrgott nicht.
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Auch Schwarzmann verließ die unbehagliche Werkstätte, nachdem er den Zurückbleibenden mit wichtiger Miene eine gute Nacht und gute Verrichtung gewünscht hatte. Fast ohne ein Wort zu wechseln, arbeiteten sie weiter: Berblinger jezt in fieberhaftem Eifer, der Gürtlergeselle, der anstatt des Meisters gekommen war, grämlich und verschlafen, Fränzle kaum noch imstande, die Augen offen zu halten, entschlossen, eher tot umzufallen, als seinen Meister im Stich zu lassen. Ringsum herrschte tiefe Stille. Nur von Zeit zu Zeit hörte man draußen das Tuten eines Nachtwächters. Laßt sie tuten; sie gehören auch zum alten Eisen!" sagte Berblinger und schnitt einen zweiten Bruſtriemen zurecht, da der Gürtler den ersten im Halbschlaf verpfuscht hatte.
Gegen drei Uhr war der rechte Flügel fertig. Es war jetzt zweifellos, daß sie mit dem anderen bis Mittag ebenfalls zurechtkommen würden, und Berblinger beschloß, Feierabend zu machen. Schläfrig sagte der Gürtlergeselle Gute Nacht und verschwand. Fränzle bersprach bereitwillig, Wache zu halten, sichtlich ohne zu wissen, was er sagte, warf sich auf eine Pferdedecke und schlief nach zwei Minuten wie ein Murmeltierchen. Auch Berblinger wollte das Sprizenhaus nicht verlassen, um sicher zu sein, daß der geheimnisbolle Bösewicht von gestern sein finsteres Treiben nicht wiederhole.
Nr. 23
Er streckte sich ebenfalls auf dem Boden aus, schob einen Feuereimer unter den Kopf und wollte so den Morgen erwarten.
Bald aber umgaukelten ihn Träume aller Art, in denen schließ lich ein neues Flügelpaar aus riesigen Adlersfedern und Lucindens leztes Lächeln in eine stille, tiefe Nacht hinüberführten, durch die er hinsegelte, wie es Adler tun, langsam, feierlich, ohne Mühe; weiter, immer weiter. Wie lange das dauerte: stundenlang jedenfalls, vielleicht aber auch eine halbe Ewigkeit, vermochte er nicht zu schäzen. Endlich wurde es Dämmerung und dann heller, immer heller. Nun sah er über sich etwas fliegen, langsam, feierlich, ohne Mühe; eine hell wallende Gestalt, aber nicht mit zwei Flügeln. Sie hatte deren vier; ganz deutlich vier! Wenn das eine Paar nach unten schlug, hob sich das andere; eins war immer im Niedergang, eins im Aufsteigen, und so oft das rätselhafte Wesen in den weißen, langhin flatternden Gewändern eine raschere Bewegung machte, hob es sich leicht, ohne alle Anstrengung, wie man es Fische tun sieht, die in flarem Wasser auf- und niedersteigen. Wie die zwei Flügelpaare aneinander vorbeikamen, konnte Berblinger nicht sehen; wohl aber fühlte er mit großer Bestimmtheit, daß das ganze Geheimnis dieser Art des Fliegens auf den vier Flügeln beruhte.
Hatte er das Wesen nicht schon früher gesehen? Gewiß: in der alten Bilderbibel seiner Mutter. Es war ein Cherubim. Daß er sich hieran nicht früher erinnert hatte!
Er nahm alle Kraft zusammen, ihn zu erreichen. Sie stiegen beide; es wurde immer heller um ihn her, aber er kam dem Cherub nicht näher. Ein neuer Aufschwung!- Er fühlte den Schweiß, der ihm auf die Stirne trat, den Schmerz in den Armen, denen die Flügel zu schwer wurden.
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Da erwachte er. Der Feuereimer war davongerollt; er lag mit dem Kopf auf den kalten Steinplatten des Bodens. Rasch richtete er sich auf und rieb sich die Augen. Es war heller Tag.
„ Vier Flügel!"
Der Lehrjunge hatte bereits Wasser in einem ledernen Eimer herbeigeholt und wusch sich in einem Winkel der Kammer, laut plätschernd. ,, Vier Flügel!"
Er sah jetzt, daß der Meister erwacht war, aber vor sich hinstarrte, als schliefe er mit offenen Augen. Er fragte, ob er ihm auch Wasser bringen solle, draußen vom Fischkasten; erhielt aber feine Antwort.
„ Vier Flügel!"- Der Traum begann erst zu weichen, nachdem er sich einen Eimer Wasser über den Kopf gegossen hatte. Es fiel ihm plöblich ein, daß er heute nicht träumen durfte und seinen flaren Verstand brauchte; aber immer wieder sah er die helle, wallende Gestalt mit ihren vier Flügeln ruhig dahinsegeln. " O, wenn ich Zeit hätte nur vier Wochen," murmelte er vor sich hin, wie wenn ihn eine plötzliche Angst erfaßte,„ Gott im Himmel, wenn ich. Zeit hätte!"
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Doch was half das Geseufze. Franz brachte heiße Milch und Brot aus der Schenke über dem Weg. Man mußte rasch frühstücken und die Arbeit aufnehmen. Es war gar mancherlei zu tun, wollte man ganz sicher gehen, und immer wieder verwirrte ihn der eine Gedanke:
„ Vier Flügel! Das war die Lösung! O, wenn ich Zeit hätte, nur drei Wochen nur zwei!"
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Wo aber sollte er Zeit herbekommen im Drang dieser Stunden? Er hatte das Tor der Spritenkammer verriegelt, um einige Minuten wenigstens ruhig denken zu können, und saß bleich und schlaff auf einer Feuersprize, während der Lehrjunge den zweiten Flügel zurechtlegte, wie er es gestern mit dem ersten hatte tun müssen. Aber schon tamen die ersten Sonnenstrahlen eines herrlichen Frühlingstages durch die verstaubten Fenster, und an der Türe klopfte es heftig mit einem Stodtnopf. Franz öffnete.
Schon wieder Schwarzmann! Auch der Herr Rat hatte schlecht geschlafen.
Nun, wie steht's?" rief er laut. Guten Morgen, Brechtle! Sind fie fertig?"
Man hörte es den kurzen Säßen an, wie es ihn umtrieb. Aber schon tam hinter ihm ein zweiter Besucher: George Baldinger.
Morgen, Berblinger ! Schon munter? Wie ging's heute nacht? Sie haben hoffentlich Zeit gefunden, auszuschlafen. Heute werden Sie alle Kräfte beisammen haben müssen. Sind die Flügel fertig? Berblinger sprang auf.
.., Einer ist fertig," sagte er entschlossen, der andere wird's. Aber laffen Sie mich in Ruh, meine Herren. Mit Schwaben ist niemand gedient, und ich habe keine Minute zu verlieren.( Schluß folgt.) Berantwortlich für die Redaktion: Frau Klara Bettin( Bundel), Wilhelmshöhe, Post Degerloch bet Stuttgart .
Druckt und Verlag von J. H. W. Diez Nachf. G.m.b.g. in Stuttgart .