Nr. 1

Für unsere Mütter und Hausfrauen

Schließlich noch ein Rat an die Kaffeetrinker unter unseren Le­sern. Wer seinen Gersten-, Zichorien- oder echten Bohnentrank oder eine Mischung dieser drei gern süß trinkt, aber mit Zuder sparen will, der brühe den Kaffee nach orientalischer Sitte mit dem Zuder zugleich auf. Die Süßigkeit des Buckers tritt bei diesem Verfahren so stark hervor, daß man kaum die Hälfte der sonst üblichen Zucker­menge braucht. M. Kt.

Feuilleton

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die menschliche Gesellschaft.

Wenn du verkörpert wärst zu einem Leibe Mit allen deinen Satzungen und Rechten, Die das Lebendig- freie fchamlos knechten, Damit dem Toten diese Welt verbleibe; Die gottverflucht in höllischem Getreibe, Die Sünden selbst erzeugen, die sie ächten, Und auf das Rad den Reformator flechten, Daß er die alten Ketten nicht zerreibe: Da dürfte dir das schlimmste deiner Glieder, Keck, wie es wollte, in die Augen schauen, Du müßtest ganz gewiß vor ihm erröten!

Der Räuber braucht die fauft nur hin und wieder, Der Mörder treibt sein Werk nicht ohne Grauen, Du hast das Amt, zu rauben und zu töten.

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Preis sei der Mutter.*

Von Maxim Gorki.  

friedrich hebbel  .

Preis sei dem Weibe, der Mutter, dem unerschöpflichen Born des allesbesiegenden Lebens.

Wir wollen vom eisernen Timurleng, dem lahmen Panther, von Sahib- i- Kiran erzählen, von dem glücklichen Eroberer, Ta­ merlan  , wie ihn die Ungläubigen nannten, von dem Manne, der die ganze Welt zerstören wollte.

Fünfzig Jahre lang schritt er über die Erde, sein eiserner Fuß zerirat Städte und Staaten, wie der Fuß eines Elefanten wim­melnde Ameisenhaufen, wo er vorüberkam, da flossen rote Blut­ströme, und er errichtete hohe Pyramiden aus den Gebeinen der besiegten Völker. Er vernichtete das Leben, stritt mit dem Tode um die Macht und rächte sich an ihm, weil er ihm seinen Sohn Dschegangir geraubt hatte. Er, der Bezwinger der Welt, wollte dem Tod seine Opfer entreißen, auf daß er vor Hunger und Gram berreckte!

Seit dem Tage, da sein Sohn Dschegangir starb und das Volk von Samarkand   den Bezwinger der bösen Dschets, in ein schwarz­blaues Gewand gehüllt, mit Staub und Asche auf dem Haupt er­blickt hatte, von jenem Tage an bis zu der Stunde, da der Tod ihn in Otrara bezwang, hat Timur   dreißig Jahre lang kein ein­ziges Mal gelächelt, so hatte er sein Leben verbracht mit zu­fammengefniffenen Lippen, ohne jemals sein Haupt zu bewegen, und sein Herz war gewappnet gegen jedes Mitleid dreißig Jahre lang!

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Preis sei dem Weibe, der Mutter, der einzigen Macht, vor der sich der Tod demutsvoll beugt; wir wollen hier die Wahrheit über die Mutter erzählen, vor der sich der Knecht und Sklave des Todes, der eherne Tamerlan  , die blutige Geisel der Welt, neigte.

Das geschah also: Einst schmauste Timur- beg in dem herrlichen, mit Wolfen von Rosen und Jasmin bedeckten Tal Kanigula, in jenem Tal, das von den Dichtern Samarkands der Liebling der Blumen" genannt ward, und von wo aus man die blauen Mi­naretts der gewaltigen Stadt und die blauen Kuppeln der Moscheen sieht.

Fünfzehntausend runde Zelte bedecken wie ein großer Fächer die Ebene; sie gleichen Tulpen, und jedes ist mit Hunderten von Seidenflaggen geschmückt, die wie lebende Blumen auf und nieder wogen.

In ihrer Mitte erhebt sich das Zelt Gurugan- Timurs wie eine Königin unter ihren Gespielinnen. Es ist viereckig, hundert Schritt lang und ebensoviel Schritte breit, so hoch wie drei Speere. Es wird in der Mitte von zwölf mannsdicken goldenen Säulen ge= * Aus Marim Gorfi: Märchen der Wirklichkeit. J. Ladyschnikow Verlag, Berlin  .

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halten und ist von einer blauen Kuppel überspannt, es schimmert von schwarzen, gelben und blauen Seidenstreifen; mit fünf­hundert roten Schnüren ist es an dem Erdboden befestigt, vier silberne Adler prangen an den Ecken, und in der Mitte, unter der Kuppel, auf einer Erhöhung ruht ein fünfter der unbesieg­bare Timur- Gurugan, der König der Welt. Ein weites Gewand aus himmelblauer Seide fällt von seinen Schultern herab; Perlen überschütten es nicht mehr als fünf­tausend große Berlen eine hohe weiße Müße mit einem Rubin an der Spike ruht auf dem grauen, schrecklichen Haupte, und dieses blutige Auge, das die Welt umspannt, schwankt unablässig hin und her.

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Das Antlitz des Lahmen gleicht einem breiten Dolch, der rostig von Blut ist, in das er tausende Male getaucht ward; seine Augen sind klein und schmal, aber sie sehen alles, und ihr Glanz gleicht dem kalten Gefunkel des Zaramuts, des Lieblingssteins der Araber, den die Ungläubigen Smaragd nennen, und der die fal= lende Sucht heilt. In seinen Ohren aber funkeln Ringe aus Rubinen von Zehlon, herrlich wie die frischen Lippen einer schönen Frau.

Auf dem mit feltenen Teppichen bedeckten Fußboden stehen drei­hundert goldene Krüge mit Wein und allem, was zu einem fönig­lichen Festmahl gehört; hinter Timur siten die Musiker, niemand fist an seiner Seite, zu seinen Füßen aber lagern die blutsver­wandten Könige und Fürsten und die Truppenführer, ihm zu­nächst jedoch der trunkene Dichter Kermani, derselbe, der einst auf die Frage Timurs  : Kermani! Wieviel gäbest du für mich, wenn man mich dir feilböte?" dem Herrn des Todes und der Schrecken zur Antwort gab:

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" Fünfundzwanzig Askeri!"

So viel kostet ja allein mein Gürtel, Kermani!" rief Timur  erstaunt aus.

" Ich dachte ja auch nur an diesen Gürtel, nur an den Gürtel, o Herr, denn du selbst bist keinen Groschen wert!"

So sprach der Dichter Kermani zu dem König der Könige, dem blutigen Herrscher der Welt. Gepriesen sei der Name des Dich­ters, des Verkünders der Wahrheit, sein Ruhm erglänze höher als selbst der Tamerlans  .

Gepriesen seien die Dichter, die nur einen Gott haben ein schönes, furchtloses, wahrhaftiges Wort. Das ist ihr Gott, den sie ewiglich verehren.

In solch einer Stunde ausgelassener Fröhlichkeit, während eines Trinkgelages, wo stolze Krieges und Siegeserinnerungen gefeiert wurden, der Lärm der Musik und der Volksspiele ertönte, während zahlreiche bunte Gaukler vor dem Zelte des Königs umhersprangen, Athleten Ringkämpfe und fühne Fechter Kampfspiele aufführten, Seiltänzer ihre Künste zeigten und rot und grün bemalte Ele­fanten, die teils komisch, teils schredenerregend aussahen, im Kampfe lagen, in solch einer Stunde, wo die Leute Timur­Chans, trunken vor Furcht, aber auch vor Stolz, Siegesmüdigkeit, Wein und Stutenmilch, sich ungezügelter Lust ergaben, in folch einer wilden, tollen Stunde durchriß der Schrei der Frau den trunkenen Lärm, wie ein Blizz den Wolkenschleier, der stolze Schrei eines Adlerweibchens, ein Laut, der der vom Tode beleidigten

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und deshalb grausamen Seele Timurlengs bekannt und vertraut

war.

Er gab den Befehl, man solle erfahren, woher dieser freudlose Schrei käme, und man berichtete ihm, es sei ein in Lumpen ge= hülltes, mit Staub bedecktes Weib da, das arabisch spräche. Das Weib mache den Eindruck einer Wahnsinnigen und fordere ge­bieterisch, ihn, den Beherrscher dreier Weltteile, zu sehen.

" Führt sie herein!" sagte der Zar.

Und nun stand sie vor ihm, barfüßig, in fadenscheinige Lumpen gehüllt. Sie hatte ihr schwarzes Haar aufgelöst, um die nackte Brust zu verhüllen, ihr Antlitz schien wie aus Bronze gemeißelt, das Auge blickte gebieterisch, und die auf Timur   weisende dunkle Hand zitterte nicht.

Bist du der Besieger des Sultans Bajazet?"

" Ich bin es. Ich habe schon viele Könige besiegt und bin der Siege noch nicht müde. Was aber hast du mir zu erzählen, Weib?"

Höre mich an!" sprach sie. Soviel du auch vollbracht haben magst, du bist doch nur ein Mensch, ich aber bin eine Mutter! Du dienest dem Tode, ich aber zeuge neues Leben. Du hast eine Schuld gegen mich auf dich geladen, und so bin ich zu dir gekommen, da­mit du deine Schuld tilgest. Man hat mir gesagt, deine Losung sei: Gerechtigkeit ist Macht! Ich glaube nicht daran, gegen mich aber mußt du gerecht sein, denn ich bin eine Mutter."

Der König war flug genug, um die Kraft zu ahnen, die sich hinter der Kühnheit dieser Worte verbarg, und sprach: