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Für unsere Mütter und Hausfrauen

,, Set' dich nieder und sprich, ich will dich anhören!" Sie ließ sich im engen Kreise der Könige nieder und begann: Ich komme weit aus Italien   her, aus Salerno  , du kennst den Ort nicht! Mein Vater war ein Fischer und mein Mann eben­falls; er war sehr schön und glücklich, und er verdankte sein Glück mir! Auch einen Sohn hatte ich, den schönsten Knaben auf der Welt...."

Wie mein Dschegangir," flüsterte der alte Kriegsheld leise. Der schönste, flügste Knabe war mein Sohn! Er war sechs Jahre alt, als sarazenische Seeräuber an unserer Küste landeten. Sie erschlugen meinen Vater, meinen Gatten und viele, viele Leute und raubten mir meinen Knaben, den ich nun schon vier Jahre an allen Enden der Welt suche. Jetzt weilt er bei dir, ich weiß es, denn Bajazets Soldaten ergriffen und fingen die See­räuber, du aber hast Bajazet besiegt und ihm alles fortgenommen, was er besaß. Du mußt also wissen, wo mein Sohn ist; du mußt ihn mir wieder geben!"

Alle Anwesenden brachen in ein Gelächter aus, und die Könige, die sich immer für sehr flug halten, sprachen:

" Sie ist wahnsinnig!" riefen sie. Und Timurs   Freunde, die Fürsten   und Feldherrn, stimmten ihnen bei und alles lachte.

Nur Kermani blickte ernsten Angesichts auf das Weib und Ta­ merlan   starrte sie tief erstaunt an.

,, Sie ist so wahnsinnig wie eine Mutter!" flüsterte der trunkene Dichter Kermani. Allein der König, die Weltgeisel, rief aus:

" Weib! Wie konntest du bloß aus jenem mir unbekannten Lande hierhergelangen, über Meere und Flüsse, durch Gebirge und Wäl­der? Haben denn die wilden Tiere und die Menschen, die oft noch schlimmer sind als die wildesten Tiere, dir nichts getan? Du hattest ja nicht einmal eine Waffe bei dir, diese einzige Freundin der Schußlosen, die sie nicht verrät, solange noch eine Spur von Kraft in ihren Händen ist! Ich muß alles wissen, wenn mein Erstaunen es mir nicht unmöglich machen soll, dich zu begreifen!"

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Preis sei dem Weibe, Preis sei der Mutter, deren Liebe kein Hindernis kennt und deren Busen die Welt gesäugt hat! Alles Schöne im Menschen stammt von den Sonnenstrahlen und aus der Milch der Mutter das ist es, was uns mit Liebe zum Leben erfüllt! Sie aber sprach zu Timurleng: ,, Auf meinem Wege traf ich nur ein einziges Meer; darauf gab es viele Inseln und Fischerkähne, und wenn man etwas Liebes sucht, weht stets ein günstiger Wind. Die Flüsse sind leicht durch­schwommen, wenn man an der Küste geboren und groß geworden ist. Und die Berge? Ich habe keine gesehen."

Hier unterbrach sie der trunkene Kermani mit heiterer Stimme. Wenn man liebt, wird der Berg zum Tale!"

Ob ich unterwegs auf Wälder gestoßen bin?" Wohl, doch ich durchschritt sie leichten Fußes. Jch begegnete Ebern  , Bären, Luchsen und wilden Stieren mit gesenkten Hörnern. Zweimal stieß ich auf einen Panther, der mich ebenso anblickte wie du, aber jegliches Tier hat ein Herz; ich sprach mit ihnen wie mit dir, und sie glaubten es mir, daß ich eine Mutter bin und ließen mich seufzend ziehen, denn sie hatten Mitleid mit mir! Weißt du denn nicht, daß die Tiere ihre Kinder gleichfalls lieben und nicht weniger für ihr Leben und ihre Freiheit kämpfen als wir?"

" Du hast recht, Weib!" sprach Timur  . Oft lieben sie gewaltiger und hartnäckiger als der Mensch!"

Die Menschen," fuhr sie fort wie ein Kind, denn jede Mutter ist in ihrem Innern ein hundertfältiges Kind, die Menschen sind doch stets Kinder ihrer Mütter. Jeder nennt eine Mutter sein eigen, selbst dich, Mann, hat ein Weib geboren! Du kannst Gott   ver­leugnen, aber deine Mutter kannst du nicht verleugnen."

" Du hast recht, Weib!" rief der furchtlose Dichter Kermani. Eine Herde Stiere gebiert keine Kälber, ohne Sonne wachsen feine Blumen, ohne Liebe gibt es kein Glück, ohne das Weib keine Liebe, und ohne die Mutter gibt es keine Dichter und keine Helden." Und das Weib sprach:

,, Gib mir mein Kind wieder, denn ich bin eine Mutter, und ich liebe mein Kind!"

Wir wollen uns beugen und dem Weibe Ehrfurcht erweisen, denn es hat uns einen Moses, einen Mohammed und Jesus  , den großen Propheten, geboren, der von den bösen Menschen getötet ward; aber wie Cheriff- Edin sagt er wird wieder auferstehen und Gericht halten über die Toten und die Lebendigen zu Damas fus; ja, das wird sich in Damaskus   zutragen.

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Beugen wir uns vor der Mutter, die uns unsere großen Männer gebiert Aristoteles   und Firdussi und der honigfüße Saadi sind ihre Söhne. Omar Chijam, der einem feurigen Weine gleicht, in den Gift geträufelt ward, Iskander und der blinde Homer alle sind ihre Kinder, sie alle haben ihre Milch gesogen, sie alle hat

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Nr. 1

sie an ihrer Hand in die Welt geführt, als sie noch nicht größer waren als eine Tulpe der höchste Stolz dieser Welt ist das Werk

der Mütter!

Und der große Zerstörer der Städte, der lahme Timur- Gurugan, neigte sein Haupt. Lange schwieg er, dann aber sprach er, zu den Anwesenden gewandt.

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,, Men tangri kuli Timur  ! Jch, der Knecht Gottes, Timur  , sage euch, was recht ist! Seht- ich habe schon viele Jahre gelebt, die Erde ächzt unter meinen Tritten, und dreißig Jahre lang schon bin ich am Werke, mit dieser Hand dem Tode seine Ernte zu ent­reißen, um Rache zu nehmen an ihm, weil er meinen Sohn Dsche­gangir, der Sonne meines Lebens, das Lebenslicht ausgeblasen hat. Königreiche und Städte haben mit mir- gekämpft, nie aber und nirgends hat der Mensch in meinen Augen einen Wert gehabt, nie und nirgends habe ich gewußt, wer er ist und was er mir auf meinem Wege begegnet. Jch, Timur  , habe nach meinem Siege über Bajazet zu diesem Könige gesprochen:" O, Bajazet, Gott  schätzt die Staaten und Menschen offenbar sehr gering ein: sieh, welchen Menschen er die Macht über sie anvertraut: du bist krumm und ich bin lahm!" So sprach ich damals zu ihm, als man ihn ge­fesselt zu mir brachte und als er unter der Last der Ketten zu­sammenbrach. So sprach ich im Unglück zu ihm, und ich fühlte, daß das Leben bitter ist als die Wermutstaude, die aus den Ruinen sproßt."

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" Ich, der Knecht Gottes Timur  , ich sage, was recht ist! Seht, hier vor mir sitt ein Weib, wie es ihrer unzählige gibt, sie aber hat Gefühle in mir entfacht, die mir bisher unbekannt waren. Sie spricht zu mir wie zu Ihresgleichen. Sie bittet nicht- sie fordert. Und ich sehe nun, weshalb dieses Weib so mächtig ist: sie liebt, und sie erfuhr durch die Liebe, daß ihr Kind der Funke des Lebens ist, der zur Flamme für viele Jahrhunderte werden kann. Sind nicht alle Propheten Kinder gewesen, und waren nicht alle Helden hilf­los und schwach? O, Dschegangir, Licht meiner Augen, vielleicht warst du dazu bestimmt, der Erde   Wärme zu spenden, Glück zu säen ich habe sie reichlich mit Blut getränkt, bis sie fett und fruchtbar ward!"

Und lange noch saß die Geisel der Völker in Gedanken versunken da. Endlich aber sprach Timur- Chan:

Jch, der Knecht Gottes Timur  , sage, was recht ist! Dreihundert Reiter sollen sich sofort nach allen Enden meines Reiches begeben, um den Sohn dieser Frau aufzufinden. Sie aber soll hierbleiben und mit mir warten, bis er hierher gebracht wird. Und wer mir das Kind auf seinem Sattel wieder bringt, den will ich glücklich machen für alle Zeiten. Bist du zufrieden, Weib?"

Sie strich das schwarze Haar aus dem Gesicht, lächelte ihm zu und neigte ihr Haupt:

" Ich bin es, o Herr!"

Da erhob sich der furchtbare Greis und verneigte sich stumm vor dem Weibe. Der Dichter Kermani jedoch sprach voll Freude: " Was ist schöner als ein Lied von Blumen und Sternen? Ein jeder wird gleich sagen, ein Lied von der Liebe. Was ist schöner als die Sonne am flaren Mittag des Maitags? Und der Verliebte wird sagen: Sie, die ich liebe.

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O wie schön sind die Sterne am Mitternachtshimmel- ich weiß es! Auch die Sonne ist schön am klaren Sommertage ich weiß es! Aber die Augen meines Liebchens sind schöner als alle Blumen ich weiß es! Und ihr Lächeln ist lieblicher als die Sonne ich weiß es! Aber nicht gesungen ward das Lied der Lieder Von dem Ursprug dessen, was hier lebt auf Erden. Nicht besungen ward das Herz des Weltalls, Das wir Menschen unsere Mutter nennen."

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Und da sprach Timurleng zu seinem Dichter:

Recht, Kermani! Gott   hat sich nicht geirrt, als er deinen Mund dazu ausersah, feine Weisheit zu preisen!"

,, Ach, Gott   ist selbst ein guter Dichter!" sprach der trunkene Dichter Kermani.

Und das Weib lächelte, und alle Könige, Fürsten   und Feldherrn; auch alle übrigen Kinder richteten ihre Augen auf die Mutter und lächelten.

Was hier erzählt ward, ist Wahrheit, jedes Wort davon ist wahr; unsere Mütter wissen's, fragt sie nur, und sie werden euch sagen: " Ja, es ist die lauterste Wahrheit, wir sind mächtiger als der Tod, wir, die wir der Welt unablässig Dichter, Weise, Männer und Helden schenken, wir, die wir die Saat säen, aus der das Herrlichste aufgeht, dessen die Welt sich rühmt."

Berantwortlich für die Redaktion: Frau Klara Bettin( Bundel), Wilhelmshöhe, Poft Degerloch bet Stuttgart  . Druck und Berlag von J. H. W. Die Nachf. G.m.b.8. in Stuttgart  .