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Für unsere Mütter und Hausfrauen

Nr. 2

fenheit und den Allgemeinzustand des Organismus zu bessern. Und wie in allen anderen Fällen, so muß auch hier gesagt werden: Vorbeugen ist leichter als Heilen. Wir wissen ja, daß die über­mäßige Arbeit in einseitiger Körperstellung, daß die Atmung in der durch Kohlensäure und andere Gase, Wasserdampf und Staub verunreinigten Luft der Stuben und Fabriken die Blutbeschaffen­heit der jungen Arbeiterin schädigen und somit eine der Ursachen des weißen Flusses bilden. Daher muß jede Mutter darauf bedacht sein, ihre Töchter nach Möglichkeit zu Hause zu entlasten und ihnen die Gelegenheit geben, das zu tun, was für die jungen Burschen selbstverständlich ist, nämlich den Körper zu kräftigen durch Sport, durch Wanderungen in der freien Natur, durch Bäder und Waschungen, durch Nacktgehen im Luft- und Sonnenbad, durch Atemgymnastik usw.

" Das wilde Weib", sagt Havelock Ellis  , der berühmte englische  Forscher und Frauenarzt, ist ebenso groß und stark wie der Mann." Wir Kulturmenschen" sind geneigt zu glauben, daß die förperliche Schwäche des Weibes in ihrer Natur begründet liege. Diese Auffassung ist falsch: nicht die Natur, nein, die Gesellschaft macht aus der Frau in der Kultur das schwächliche Wesen. Die unnatürliche und unvernünftige Lebensweise, die übermäßige Ar­beit, der stete Aufenthalt in geschlossenen Räumen, die Unter­ernährung, die fehlende Körperpflege, zu häufige Geburten und eine große Reihe anderer Ursachen wirken zusammen. Allerdings hindert diese Schwäche der Frau den Kapitalisten durchaus nicht, aus ihr dasselbe Maß oder vielmehr Unmaß an Arbeit heraus­zuschinden wie aus dem stärkeren und größeren Mann.

Die Hausarbeit, die so viele Proletarierinnen nach dem täglichen Kampf ums Brot noch im Dienste der Familie leisten müssen, ge­schieht auf Kosten ihrer Ruhe, ihres Schlafes, ihrer Gesundheit. Je frühzeitiger diese Überlastung des Weibes einsett, um so ge­fährlicher. Man gönne dem weiblichen Kinde und dem jungen Mäd­chen ihre Kindheit und Jugend wenigstens in denselben Grenzen, wie sie den Knaben und Jünglingen des Proletariats zuteil werden. Es gibt eine Menge von Verrichtungen im Haushalt, die das Vor­urteil den Mädchen allein aufbürdet, die aber ebensogut von Knaben getan werden können, wenn diese von klein an dazu er= zogen werden, nach Möglichkeit selbständig für sich zu sorgen.

Sind die Mädchen aber bereits schwach, leiden sie an Blutarmut, weißem Fluß und anderen Beschwerden, so gibt es auch dann feinen anderen Weg, die verlorene Gesundheit wiederzugewinnen, als sachgemäße Körperpflege und vernünftige Lebensweise.

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Elternpflichten.

( Fortseßung folgt.)

Die Hoffnung, die viele auch in unseren Reihen hegten, daß der Krieg rasch beendigt werden würde, scheint trügerisch zu sein. Je länger aber das blutige Schauspiel währt, um so tiefer prägen sich seine Bilder in die Vorstellungswelt der Zeitgenossen ein. Es gibt auch im Geistigen ein Gesetz der Schwerkraft. Der ungeheure Komet des Krieges, der die regelmäßigen Kreise unseres Lebens vernichtend durchschneidet, zwingt auch das Denten in seine Bahn. Wir erleben es, wie selbst Persönlichkeiten, auf deren Festigkeit wir hätten schwören mögen, aus den Geleisen der Überzeugungen gerissen sind, die sie bisher mit Stolz verfochten.

Und nun erst das junge, werdende, bildsame Geschlecht, die Kinder! Man sagt nicht zu viel, wenn man behauptet, dieser Krieg drücke der heranwachsenden Generation den Stempel auf. Wie stark sahen wir die Jugend von Anno 70 ihr Leben lang unter den Ein­drücken jenes Jahres stehen! Und alle Zeugen versichern uns, daß die damalige Erregung der Bevölkerung nicht entfernt der heutigen gleichfam.

Wer mit der Jugend berufsmäßig zu tun hat, muß immer wieder feststellen, welch eine wilde Lust am Zerstören, am rohen Austoben der Kräfte, an der Verhöhnung der Gegner, die in ihr atavistisch verankert liegt, die planmäßige Erziehung zu fruchtbarer Arbeit zu sinnvoller Beherrschung, zu gerechtem Urteil in diesen Wochen hemmt. Das Kind, heroisch und unsozial, wie es von Natur ist, der geborene Anarchist", begrüßt die ureinfache, ja rohe Willens- und Gefühlswelt des Krieges als etwas ihm Verwandtes. Wie die Dinge liegen, ist es natürlich ausgeschlossen, daß der Geist der Schule ein Gegengewicht gegen diese Einflüsse bildet.

Den Jungen das Kriegspielen berbieten zu wollen, wäre wohl aussichtslos; da ist der Nachahmungstrieb zu start. Solange ihnen die Freude daran durch andere Eindrücke nicht vergangen ist, müssen wir uns begnügen, Roheiten zu verhindern: Ein anständiger Soldat schlägt keine Mädchen, nimmt den Besiegten nichts fort, schont die Kleinen und Schwächeren." Natürlich ist ein gelegentlicher Hinweis darauf schon am Plaße, daß es auch noch andere Spiele gibt. Wer weiß, wie fest sich das Spielgerät der Kinder mit all ihren Vor­stellungen verbindet, wird es auf keinen Fall dulden, daß sie Degen mit der Aufschrift in die Hand bekommen: Jeder Stoß ein Franzos." Was für die Mehrzahl der Erwachsenen hoffentlich nicht mehr als ein grobes Reimwort ist, bedeutet für das Kind ein Stück Wirklichkeit! Solcher Spielfäbel und Reim ist nur ein Beispiel dafür, welcher Aufreizung zu roher Gesinnung wider den Gegner sich jetzt die Industrie im Bunde mit dem Chor der Wizblätter schuldig macht. Da haben die Bolfserzieher jahrelang in edler Pose gegen die Verrohung der Jugend durch Wort und Bild" gewettert, und jetzt darf sich hemmungslos die brutalste und zugleich banalste Feinde- Verdreschungswißelei breit machen. Wo Kinder sich ge= dankenlos an Bildern ergößen, die etwa zeigen, wie aus Menschen­leibern Hackfleisch gemacht wird oder ein russischer Soldat im Todeskampf mit den Wellen nur an seine Schnapsflasche denkt, ist ein kräftiges Wort am Plaze, das die Jugend meist zur Be­sinnung bringt.

überhaupt muß es ganz allgemein unsere Aufgabe sein, zu ver­hindern, daß sich die Zeitungsklischees von dem" Maulheldentum" der Franzosen  , dem Krämergeist" der Engländer, der Mord­brennerei" und dem Stumpffinn" der Russen als stehende Begriffe in den kindlichen Hirnen festsetzen. Ein Teil unserer Presse bringt ja Gegenbeispiele zu diesen vielbeliebten Redewendungen, die in Wirklichkeit das deutsche Volt nicht erheben, sondern erniedrigen, denn es besagt wahrhaftig nicht viel, als Einäugiger unter den Blinden König zu sein.

Man

erzähle ihnen Züge der Tapferkeit, der Menschlichkeit, der Gerechtig­feit auch auf seiten der Gegner! Die älteren unter ihnen sollen auch erfahren, wie tapfer die Genossen in Serbien   und Rußland  gegen den Krieg aufgetreten sind, und wie die Unabhängige Arbeiter­partei in England gegen den Krieg demonstriert hat. Für diese Erziehung zur Gerechtigkeit ist noch ein zweites Mittel sehr an­gebracht. Wir dürfen die geistlose Verfolgung alles Fremdländischen nicht mitmachen, und es ist heute mehr als je an der Zeit, schon die Kinder auf die großen Kulturleistungen unserer Gegner hinzu­weisen. Keine Gelegenheit sollten wir vorübergehen lassen, ihnen die Kunstwerke und technischen Errungenschaften des Auslandes zu zeigen, von seinen großen Gelehrten und Künstlern zu sprechen. Gerade jetzt ist es geboten, den älteren Kindern Daudet  , Dickens  und Tolstoi um nur drei Namen herauszugreifen in die Hand zu geben.

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Der kräftigste Erzieher gegen den Krieg ist aber der Krieg selbst in feinen Greueln. In einem bürgerlichen Blatte äußerte sich eine " Dichterin" dahin, man solle wenigstens den Kindern die Not des Krieges verdecken. Wir grundsäßliche Gegner des Krieges denken ganz anders. Das junge Geschlecht soll vor dem blutigen Würger Grauen und Entfehen empfinden, auf daß eine Wiederholung dieses Schauspieles des Völkermordens unmöglich werde.

Und solange wir keine echten Schilderungen der mör­derischen Kämpfe haben, lassen wir die älteren etwa die Novellen Liliencrons lesen und Zamszus Menschenschlachthaus". Das Jugendschriftenverzeichnis unseres Bildungsausschusses enthält eine ganze Menge guter ausländischer Autoren sowie Kriegs- und Sol­datengeschichten. Auf solche Weise dämmen wir den gedankenlosen Siegesjubel ein. Selbstverständlich haben wir auch allen Grund,