Nr. 2

Für unsere Mütter und Hausfrauen

schon den Kindern zu sagen, warum der Vater keine Arbeit findet oder weshalb nebenan der Neubau ruht.

Die Not des Krieges hat eine umfassende Hilfstätigkeit hervor­gerufen. Die Opfer, die dabei und im Felde gebracht werden, haben im Bürgertum die Freude am Kriege ganz besonders gestärkt, der so viel schöne Tugenden entwickele". Wenn unsere Kinder von sol­chen Werken hören oder ihre Eltern dabei tätig sehen, ist das gut und nützlich. Aber wir wollen nicht verfehlen, wenigstens die älteren auf den Widerspruch hinzuweisen, daß erst der Krieg, der furchtbarste Zerstörer von Menschenwerk und Menschenglück, in der heutigen Gesellschaftsordnung eine stärkere soziale Besinnung der Volksgenossen hervorzurufen vermochte.

Zum Schlusse noch dieses: Alle diese einzelnen Winke, denn nur das wollen die obigen Ausführungen sein, finden ihre Zusammen­fassung, ihre Einheit im sozialistischen   Bewußtsein. Dieses bei sich selbst und den Ihrigen rein zu erhalten in einer Zeit, da die Partei völlig lahmgelegt ist, muß die erste und oberste Pflicht jeder Ge­nossin sein. Fritz Elsner.

Feuilleton

Frühlingsglaube.

Es wandert eine schöne Sage Wie Veilchenduft auf Erden um, Wie sehnend eine Liebesklage Geht sie bei Tag und Nacht herum. Das ist das Lied vom Völkerfrieden Und von der Menschheit letztem Glück, Von goldner Zeit, die einst hinieden, Der Traum als Wahrheit, kehrt zurück. Wo einig alle Völker beten

Zum einen König, Gott   und Hirt: Von jenem Tag, wo den Propheten Jhr leuchtend Recht gesprochen wird.

Dann wird's nur eine Schmach noch geben, Nur eine Sünde in der Welt:

Des Eigen- Neides Widerstreben, Der es für Traum und Wahnsinn hält.

Wer jene Hoffnung gab verloren Und böslich sie verloren gab, Der wäre beffer ungeboren:

Denn lebend wohnt er schon im Grab.

Die Geschichte von Gunnel.*

Von Pelle Molin.

Gottfried Keller  .

Jetzt sprach Märchen- Gunnels schöner Sohn: Und da ich mir, mein Herr, Ihre rasche Sympathie für mich irgendwie erklären muß, so denke ich mir, daß ich Sie an etwas erinnere, was Ihnen in der Jugend lieb gewesen an ein Gefühl voll hingebender Liebe, an eine füße Stimme... oder ein Haar, blond und kraus wie das meine...."

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Der junge Mann redete langsam, mit gemachter Schwerfälligkeit. " Ja, Mutter war blond wie ich, ihr Haar war kraus und lockig. Sie hatte dieselben Augen wie ich. Sie haben sie wohl nicht gekannt, Herr die Märchen- Gunnel, Gunnel Björklid....?" Der alte Herr wurde ganz blaß. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber er schwieg.

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Doch, wer kennt die Wege und Stege, die die Menschen gehen?" sprach der Jüngling weiter. Wie kann ich wissen, wo ein Professor der Mineralogie in seinem Leben überall hingekommen ist. Wir haben in unseren Schneebergen seltene Steinsorten."

Er richtete ein paar funkelnd blaue Augen auf den anderen, aber sein Blick blieb unerwidert. Er sah nur ein erstarrtes Gesicht, das mit den Augenlidern zwinkerte, und die Hände eines Gelehrten, die sich fest um das Geländer klammerten.

Aus Nordlandserzählungen" von Pelle Molin. Leipzig   1913. Verlag von Georg Merseburger.

7

Der Dampfer fuhr einen schönen Fluß hinauf zwischen hohen Ufern hin. Holzstämme flossen in gelben Kompanien vorüber. Der Kapitän hatte Freunde an seinem Punschtische versammelt. Lach­salven wogten auf und nieder.

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Die alte Mutter! Sie ist schon lange tot. Es wurde ihr zu schwer, alles zu tragen, und so brach sie zusammen. Das war die einzige Sorge, die sie mir bereitet hat, eine Sorge voll bitterer Tränen. Ich begreife nicht, was sie am Leben hielt; manchmal glaube ich, daß ich es war, ich, ihr Sohn, aber doch wieder war ich es nicht, sondern etwas anderes, das ich nicht kenne. Ich habe es nie ganz erfaßt, das, was dahinter lag und was niemand wußte...." Er stieß seinen Rucksack weiter unter die Bank und hob seine blauen Augen gegen den anderen. ,, Sie sagen, Sie empfinden eine eigentümliche Sympathie für mich, obwohl Sie mich niemals gesehen. Gunnel Björklid hätten Sie geliebt!" Die blauen Augen ließen nicht los. Jezt sahen sie, wie der andere gleichsam zusammen­froch und wie sein Gesicht noch starrer wurde. Dann fiel der blaue Blick auf eine elegante Reisetasche mit einer Silberplatte, auf der ein feiner Name stand. Er nickte für sich selbst. Ja, es war ihr ein Unglück geschehen an einem schönen Sommertag... dann kam ein andeves Unglück, und das war ein Kind das war ich. Früher war fie wie ein helles, schönes Zauberwesen auf ihrer Alm einher­gegangen, hatte von früh bis spät Sonnenschein gesungen und ge­dichtet, so daß es funkelte und glänzte um sie her.... Ich durfte sie nie so singen hören." Er sah den anderen an, und dann klang seine Stimme wieder still und gedankenvoll:" Und ihm, dem ich all dies verdanke, ihm habe ich geflucht, seitdem ich denken kann.... Ich size hier und erzähle Ihnen eine Geschichte, die Sie wohl gar nicht interessiert, und die Reisenden gehen auf und ab und wundern sich, daß ein Jüngling aus den Bergen und ein feiner Herr aus Stock­ holm   oder Upsala sich soviel zu sagen haben. Die Dörfer auf beiden Seiten gleiten vorüber in der Sommersonne, und das Leben mag oftmals schön sein... aber nirgends kann ich vergessen, daß ich jeden Tag einen Menschen verfluchen muß.... Ich glaube, Sie frieren mitten in der Hike, mein Herr?... Ja, Tränen flossen über meine Wiege und wunderliche Poesien. Liebe bekam ich im Übermaß. Wie sie küssen konnte und flüstern: mein Kind, mein Kind! Das können Sie nicht begreifen. Hätten Sie einmal von ihr einen Auß bekommen, Sie hätten es nie vergessen, ja, Gunnel Björklid konnte küssen.... Gott   weiß, wer es sie gelehrt."

Der Professor warf einen hastigen Blick auf den jungen Mann und begegnete seinen jetzt ganz kalten, listigen Augen.

Und es duftebe immer nach Wald, wenn ich meine kleine Nase in ihrer Brust vergrub... nach Wald und Wundern... nach irgend= einer schönen Ferne, die ich empfand und genoß und niemals mit Namen nennen konnte....

Ich sehe so deutlich mein Bergdorf! Graue Holzhäuser, die in fleinen Haufen beisammen liegen, um nicht so bitter allein zu sein, wenn der Winter kalt über dem Land steht. Ihre glimmenden Fenster kann man leicht für Wolfsaugen halten. Aber während der hellen Sommernächte liegen sie da wie eine Herde von Ziegen, die auf die Sonne warten....

Sie haben natürlich nie von Märchen- Gunnel gehört. Wenn sie vorüberging mit ihrem nach innen gewandten Märchenblick und dem goldenen Zopfe auf dem Rücken, dann nickten die alten Bäue= rinnen, und ihren Männern wurde es warm ums Herz. Die Jüng­linge aber verspürten zehrende Sehnsucht.

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Sie haben natürlich nie Gunnel erzählen hören aber Gott  weiß, woher sie ihre Farben nahm. Eine Geschichte war violett und wehmütig mit dunklen Gestalten, die sich in der Dämmerung be= wegten. Eine andere war blaugrau. Das war eine Geschichte vom Bergsee im Nebel eines Herbstmorgens. Der Häher schrie gern in dieser Geschichte. Oder sie saß da, blondhaarig und blauäugig, und versetzte den Zuhörer in eine Begebenheit, die sich glänzend gelb in der Sonne bewegte. Und mitten drin konnte man den Kranich rufen hören und die Kuhglocken läuten vom Laubwalde her...

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Aber Gunnel, die so weich war, legte eines Tages ihre zarten Finger um meinen Hals und drückte zu. Dann weinte sie und rief laut den Namen eines Mannes, den ich niemals vorher gehört. Niemand hieß so in unserer Gegend. Ich glaube und glauben Sie nicht auch?-, es war der Name eines Menschen, der weit von ihr fort war, und den sie wieder zurückrufen wollte...." Er lächelte, als er sah, wie der andere vor Erregung schauderte.... Und das zu vergessen," sagte er langsam, als wollte er jemand quälen, das zu vergessen, was man in einem solchen Augenblick gehört, vermag niemand. Was meinen Sie? Wenn der Mensch, den ich am meisten geliebt auf der Welt, vor Sorge die Vernunft berliert sollte ich dann vergessen, was ich hörte, als ich ihre fleinen Eisenhände an meinem Hals fühlte?- Aber ich tat es doch.

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