Nr. 3

Für unsere Mütter und Hausfrauen

unerschöpflichem Reichtum an Naturgaben Verhältnisse und Men­schen geschaffen, bei denen der Sinn für Monumentalität vasch emporwächst. Die Vereinigten Staaten   find das Erntefeld der ge­waltigsten kapitalistischen   Wirtschaftsgebilde, die von Kondottieri beherrscht werden, wie sie verwegener, strupelloser und erfolgreicher teine Zeit gekannt hat, und die Natur selbst faßt mit Felsen- und Schneegebirgen, Riesenströmen, Seen und sich endlos dehnenden Prävien und Wäldern das ungestüm vorwärtsbraufende soziale Leben in einen Rahmen großzügiger Schönheit und Eigenart. Je­doch in der monumentalen Baukunst des Landes tritt uns der Niederschlag dieser Umstände in den Seelen der Menschen noch nicht fünstlerisch geläutert und kristallisiert entgegen.

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Das Drängen nach Monumentalität hat Bauten entstehen lassen, von denen die meisten soweit man nach Abbildungen urteilen fann nur als Seitenstücke der künstlerischen Sammlerwut ame= rikanischer Industrie- und Finanzmagnaten erscheinen, jener Sammlerwut, die nicht einmal Malerei und Bildhauerkunst in Europa  , geschweige denn in Amerika   mit emportragenden Lebens­fräften zu erfüllen imstande war, sondern lediglich die kapita­listische Verseuchung und Verwüstung des Kunstmarktes in kürzester Frist vollendet hat. Nicht eine Renaissance der Kunst aller Länder offenbart sich uns in den monumentalen Bauten der nordameri­tanischen Republik, vielmehr eine unfreie, falte, äußerliche und oft recht kritiklose Nachahmung berühmter Architekturen Europas  . Der mit Vorliebe übernommene klassische Stil in reinen Formen" kann diesen Eindruck nicht verwischen. Auch die Madeleine- Kirche  und die Börse in Paris   zeichnen sich durch klassischen Stil in reinen Formen" aus. Allein wie wohltuend die schöne Harmonie dieser Gebäude den Sinn und die Seele berührt, Höhepunkte der französischen   Architektur sind sie sicherlich nicht. Die Baukunft aller Länder würde in den Vereinigten Staaten   erst dann eine Re­naissance feiern können, wenn die von ihr geschaffenen Klassischen, also höchsten und vollendetsten Formen dadurch neues Leben er= hielten, daß sie den gewandelten Zwecken, dem veränderten Kultur­gehalt der Zeit, daß sie der natürlichen Umwelt angepaßt würden. Mit anderen Worten: die klassischen Formen der Vergangenheit und aller Länder sollten dem Rohstoff gleichen, den der Künstler individuell verarbeitet und gestaltet, als schöpferischen Ausdruck einer gewissen einheitlichen, inneren Gesamtkultur des ganzen Volkes und seiner Bedürfnisse.

Wohl spricht Professor Wilbrandt davon, daß der klassische Stil auch ,, in feiner Anpassung an Objekt und Umgebung" auftritt, daß sich eigener Stil, selbständiger Ausdruck eigenen Wesens" geltend macht. Als Beispiele dafür führt er den Bahnhof und das Gerichts­gebäude in Pittsburg   an, ferner manche der gigantischen 40- Stock­Türme der Wolkenkratzer". Diese Wertschätzung in allen Ehren, fie besagt jedoch günstigen Falles nicht mehr, als daß Ausnahmen von der allgemeinen herrschenden architektonischen Nachahmungs­kultur die Hoffnung auf Anfäße zu einer höheren, selbständigen Entwicklung erwecken. Was Professor Wilbrandt schon greifbar vor sich sieht, das schlummert meines Erachtens noch in der Zeiten Schoß. In den Vereinigten Staaten   fehlen gegenwärtig unerläß­liche Vorausseßungen für die Wiedergeburt einer wirklich monu­mentalen Baukunst.

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Wohl würden die reichsten Mittel und eine vorgeschrittene, jugendlich fühne Technik dem Emporblühen solcher Kunst förderlich sein. Allein die gleiche geschichtliche Entwicklung, der wir den Siegeszug der Technik verdanken, wirkte recht viele Erzeugnisse der amerikanischen   Industrie beweisen es der handwerklichen Durchbildung und Hingabe an den Gegenstand entgegen. Als fo= zialste aller Künste, auf das freudige, bewußte Zusammenwirken einer Vielheit zu einem Ziel angewiesen, kann die Architektur solche Hingabe und Durchbildung nicht entbehren; sie kann diese Eigenschaften am wenigsten missen, wenn alte Vorbilder nicht sklavisch nachgeahmt werden, sondern wenn es sich darum handelt, überkommene Formen unter dem inneren Gebot eines neuen Inhaltes in neue Beziehungen zueinander, zu neuen Formen und zur Umgebung zu sehen oder in anderem Material auszudrücken. Ferner halte ich dafür, daß die monumentale Baukunst in den Vereinigten Staaten   nicht eher Höhenwerke schaffen kann, als bis auch Malerei und Skulptur stolze Gipfel erflommen haben. Der Monumentalbau kann der Mitarbeit des Bildhauers gar nicht ent­raten und sollte auf die Mitwirkung des Malers nicht verzichten die Freskenmalerei großen Stils gehört zur Architektur großen Stils. Außerdem ist das Emporblühen der Malerei und Bildhauer­funst von erheblichstem Einfluß auf die Entwicklung des Formen­und Farbensinnes, der sich im Monumentalbau durchsehen soll.

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Ja, ich gehe noch weiter: eine wirklich klassische Baukunst hat jenes innerlichste ästhetische Verhalten" zur Boraussetzung, das in Kon­

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templation, Musik, Poesie, Mystik, Lyrik" seinen Ausdruck findet, die nach Professor Wilbrandt im Lande des Sternenbanners noch seltene, fremde Gäste sind". Erst mit diesem innerlichsten ästhe­tischen Verhalten" des Volkes wird der amerikanische   Monumental­bau das Gefäß einer eigenen, lebendigen Seele werden. Denn mit welchen Mitteln auch eine Kunst zu uns redet, schließlich ent­sproffen alle Künste dem nämlichen seelischen Mutterboden einer Gemeinschaft. Bon mancherlei zu schweigen, was noch Vorbedingung für eine amerikanische   Renaissance des Monumentalbaus ist, fehlt aber gerade in der Union   mit ihren jammerbollen ,, wops"- Ein­wanderern aus kulturarmen Ländern-, Milliardären, bedrängten Korruption in Politik und Gesellschaft, das Wichtigste dafür: näm­Korruption in Politik und Gesellschaft, das wichtigste dafür: näm­lich ein starkes Gemeinschaftsempfinden und Gemeinschaftswollen, das Jdeale zeugt, die gebieterisch Gestaltung durch eine Monumen­talkunst fordern.

Kennzeichnender als die monumentale Baukunst scheint mir Kontemplation, Musik, Poesie, Mystik, Lyrik" für die Entwid­lungsstufe, die der Drang, Kunst zu genießen und das Vermögen, Kunst zu schaffen, in den Bereinigten Staaten erreicht haben. Hier redet die Secle des amerikanischen Volkes" weit mehr in ihrer eigenen Sprache zu uns, manchmal schon erhaben und rein, oft genug noch primitiv, stammelnd, ja roh, aber doch selbständig und von eigenem Leben durchpulst.

Doch genug der Auseinanderseßung über Einzelheiten, zu der die Versuchung bei manchen Ausführungen Professor Wilbrandts groß ist. Gehen wir daran, einen gedrängten überblick über den Hauptinhalt seiner Schrift zu geben. Das soll in einem folgenden Artikel geschehen. Klara Bettin.

Feuilleton Lispeth.

Bon Rudyard Kipling  .

Sie war die Tochter des Hochländers Sonuh und der Jadéh, feines Weibes. Eines Jahres mißriet denen der Mais, und zwei Bären verbrachten die Nacht in ihrem einzigen Mohnfelde im Rot­garh- Tale; so wurden sie denn Christen und brachten ihre Kleine nach der Mission, um sie taufen zu lassen. Der Kaplan von Kotgarh taufte sie Elisabeth, was in der hochländischen oder Pahariaus­sprache Lispeth" flingt.

Dann kam die Cholera in das Tal von Kotgarh und raffte Sonuh und Jadéh hinweg, und Lispeth wurde halb Dienstmädchen, halb Gesellschafterin der Frau des damaligen Kaplans von Kotgarh. Dies war nach der Zeit der Herrnhuter Mission  , aber ehe noch Kotgarh seines Namens der Beherrscherin der nördlichen Berge" ganz vergeffen hatte.

Ich weiß nicht, ob das Christentum so wohltätig auf Lispeth wirkte oder ob ihre alten, angestammten Götter unter anderen Um­ständen ebensoviel für sie getan hätten; genug, Lispeth wurde sehr schön. Und wenn eine indische Hochländerin sehr schön wird, so ist es der Mühe wert, fünfzig Meilen weit über schlechte Straßen zu fahren, um sie anzusehen. Lispeth hatte ein griechisches Gesicht, eines jener Gefichter, welche man so häufig malt und so selten sieht. Sie hatte einen blaß- elfenbeinfarbigen Teint und war für ihre Raffe ungewöhnlich groß. Sie hatte wundervolle Augen; und wäre fie nicht in die abscheulichen Kattunkleider gehüllt gewesen, die dem Geschmacke der Missionen entsprechen, man hätte, wäre man ihr unerwartet begegnet, sie für die leibhaftige Diana gehalten, im Be­griff, das Wild zu jagen.

Lispeth behagte das Christentum recht gut, und sie verließ es nicht, als sie ermachsen war, wie so viele Mädchen der Berge. Ihre Stammesgenoffen haßten sie, weil sie, wie sie sagten, eine Mem= sahib", eine Gnädige Frau", geworden war und sich täglich wusch; und die Frau des Kaplans wußte nicht, was sie mit ihr anfangen sollte. Schließlich kann man doch nicht eine schlanke Göttin, die fünf Fuß zehn in ihren Schuhen steht, Schüsseln und Teller abwaschen beißen. So spielte sie denn mit des Kaplans Kindern und besuchte die Sonntagsschulklassen und las alle Bücher, die ihr in die Hände fielen, und wurde alle Tage schöner, wie die Prinzessinnen im Märchen. Die Frau des Kaplans meinte, sie sollte in Simla einen Boften als Bonne oder sonst etwas" Feines" annehmen. Aber Lis­peth wollte keinen Bosten annehmen. Sie fühlte sich ganz wohl, so wie sie war.

Wenn Reisende- sie waren zwar in jenen Tagen noch nicht sehr häufig nach Kotgarh kamen, verschloß sich Lispeth in ihr Zimmer

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