Für unsere Mütter und Hausfrauen
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Nr. 6 。。。。。。。。 Beilage zur Gleichheit ooooooo °°°°°°°° Beilage
Inhaltsverzeichnis: Goethe über den Krieg. Mayer. Von Felix Linke. Für die Hausfrau. Das rote Lachen. Von Leonid Andrejew. ( Schluß.)
Goethe über den Krieg.
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Julius Robert Feuilleton:
„ Kriegslieder schreiben," sagte Goethe zu Eckermann, und im Zimmer sitzen! Das wäre meine Art gewesen! Aus dem Biwak heraus, wo man nachts die Pferde der feindlichen Vorposten wiehern hört: da hätte ich es mir gefallen lassen! Aber das war nicht mein Leben und nicht meine Sache, sondern die von Theodor Körner . Ihn kleiden seine Kriegslieder auch ganz vollkommen. Bei mir aber, der ich keine kriegerische Natur bin und keinen kriegerischen Sinn habe, würden Kriegslieder eine Maske gewesen sein, die mir sehr schlecht zu Gesicht gestanden hätte."" Ich habe in meiner Poesie nie affetttert.... Wie hätte ich nun Lieder des Hasses schreiben können ohne Haß! Und, unter uns, ich haßte die Franzosen nicht, wiewohl ich Gott dankte, als wir sie los waren. Wie hätte auch ich, dem nur Kultur und Barbarei Dinge von Bedeutung sind, eine Nation hassen können, die zu den kultiviertesten der Erde gehört und der ich einen so großen Teil meiner eigenen Bildung verdankte!" überhaupt" fuhr Goethe fort„ ist es mit dem Nationalhaß ein eigenes Ding. Auf den untersten Stufen der Kultur werden Sie ihn immer am stärksten und heftigsten finden. Es gibt aber eine Stufe, wo er ganz verschwindet und wo man gewissermaßen über den Nationen steht, und man ein Glück oder ein Wehe seines Nachbarvolkes empfindet, als wäre es dem eigenen begegnet. Diese Kulturstufe war meiner Natur gemäß, und ich hatte mich darin lange befestigt, ehe ich mein sechzigstes Jahr erreicht hatte."" Lord Bristol kam durch Jena , wünschte meine Bekanntschaft zu machen und veranlaßte mich, ihn eines Abends zu besuchen. Er gefiel sich darin, gelegentlich grob zu sein; wenn man ihm aber ebenso grob entgegentrat, so war er ganz traktabel. Er wollte mir im Laufe unseres Gespräche eine Predigt über den Werther halten und es mir ins Gewissen schieben, daß ich dadurch die Menschen zum Selbstmord verleitet habe. Der Werther, sagte er, ist ein ganz unmoralisches, verdammenswürdiges Buch!
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Und
Halt! rief ich. Wenn Ihr so über den armen Werther redet, welchen Ton wollt Ihr denn gegen die Großen dieser Erde anstimmen, die durch einen einzigen Federzug hunderttausend Menschen ins Feld schicken, wovon achtzigtausend sich töten und sich gegenseitig zu Mord, Brand und Plünderung anreizen. Ihr danket Gott nach solchen Greueln und singt ein Tedeum darauf!- ferner, wenn Ihr durch Eure Predigten über die Schrecken der Höllenstrafen die schwachen Seelen Eurer Gemeinden ängstigt, so daß sie darüber den Verstand verlieren und ihr armseliges Dasein zuletzt in einem Tollhause endigen!- Oder wenn Ihr durch manche Eurer orthodoxen, vor der Vernunft unhaltbaren Lehrsäße in die Gemüter Eurer christlichen Zuhörer die verderbliche Saat des Zweifels säet, so daß diese halb starken, halb schwachen Seelen sich in einem Labyrinth verlieren, aus dem für sie kein Ausweg ist als der Tod! Was sagt Ihr da zu Euch selber, und welche Strafrede haltet Ihr Euch da? Dieser Ausfall tat auf meinen Bischof eine herrliche Wirkung. Er ward so sanft wie ein Lamm."
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Von Felix Linke.
An einem herrlichen Julitage des Jahres 1840 lief der Kauffahrer Java" aus Rotterdam in die Bucht von Surabaya ein, an der Nordküste der großen Sunda- Insel Java. In Surabaya sollte das Schiff Zucker laden. Zwar erkrankte von der Besatzung der " Java" niemand, aber immerhin mußte der Schiffsarzt des öfteren bei den Matrosen zu dem damals allgemein üblichen Mittel des Aderlasses greifen. Jedesmal sah er dabei das Venenblut so hell aus den Adern springen, daß er zuerst eine Arterie getroffen zu haben glaubte. Denn in unseren Breiten ist das Blut, das in den Venen, den Blutadern, zum Herzen zurückfließt, um von dort in die Lunge zur Auffrischung zu gelangen, beträchtlich dunkler als das Blut, das aus dem Herzen durch die Arterien, die Schlagadern, strömt. Von den Ärzten in Surabaya erfuhr der Schiffsarzt, daß diese Hellfärbung eine allgemeine Eigenschaft des venösen Blutes in den Tropen sei.
1914
Mit dieser„ Erklärung" hatten sich die anderen stets zufrieden gegeben, wie sich ehedem alle Menschen bis Newton gedankenlos damit abgefunden hatten, daß der Apfel zur Erde fallen müsse. Nicht so der Schiffsarzt der" Java", ein Dr. Julius Robert Mayer aus der schwäbischen Stadt Heilbronn . In dessen selbständig dentenden Geist weckte die beobachtete Erscheinung ganz plöglich einen Gedanken auf, der den jungen Weltreisenden so gefangen nahm, daß er feinen Sinn mehr hatte, für die ihm unbekannten Wunder des fremden Landes, sondern auf dem häßlichen Frachtsegelschiff saß, auf das er schon vier Monate gebannt war, und angestrengt grübelte. Während andere Streifzüge in der herrlichen tropischen Gegend unternahmen, blieb Mayer in seiner Kabine. Er schrieb darüber einst selbst an einen seiner Freunde:„ Ich hing dem Gegenstand mit solcher Vorliebe nach, daß ich, worüber mich mancher auslachen mag, wenig nach dem fernen Weltteil fragte, sondern mich am liebsten an Bord aufhielt, wo ich unausgesezt arbeiten konnte, und wo ich mich in manchen Stunden gleichsam inspiriert fühlte, wie ich mich zuvor oder später nie an etwas ähnliches erinnern fann." Was das hieß, auf dem Schiffe zu sitzen, erfährt man aus dem Tagebuch, in dem Mayer erzählt, daß die Schwüle in den Räumen so groß war, daß selbst das Briefschreiben eine erhebliche Arbeit war! Mayer fühlte sich durch sein Nachdenken begeistert und gehoben und konnte die Zeit nicht erwarten, da er wieder nach Hause zurückkehren durfte. Es muß also etwas ganz Außergewöhn liches gewesen sein, was den Mann beschäftigte. Und das war cs auch wirklich!
Freilich, wollte man nach dem Urteil der Welt, insonderheit nach den Zeugnissen der Schulmeister gehen, so war der Dr. Mayer zu allem anderen eher befähigt, als zu einer wissenschaftlichen Großtat. Der jüngste Sohn des Apothekers Mayer aus der ehemals freien Reichsstadt Heilbronn war fein Wunderkind, dem staunende Muhmen spätere Größe prophezeiten. Er war ein guter Sohn, seines heiteren Wesens wegen von Bekannten und Verwandten gern gesehen, von Gesundheit und Kraft strozzend, scheinbar ohne besondere Begabung, ja ein schlechter Schüler! In den unteren Klassen des Gymnasiums war Robert Mayer ein mittelmäßiger Schüler, in den oberen gehörte er gar zu den schlechtesten, war fast immer vorlegter oder letzter. Trotzdem war er bei seinen Lehrern nicht unbeliebt, was schon auf ein ungewöhnliches Maß liebenswerter persönlicher Eigenschaften schließen läßt. Denn damals ging es den schlechten Schülern" noch schlimmer als heute; wer im Lateinischen und Griechischen„ nichts taugte", durfte es zu nichts bringen, selbst wenn er wie Mayer in der Mathematik gut, sogar sehr gut war. Glücklicherweise ist es Mayer wie vielen anderen gegangen, die ebenfalls als hoffnungslose Erziehungsfrüchte des humanistischen Schulbetriebs schlechte Schüler waren. Es gelang ihm, mit Ach und Krach die künstlich aufgerichteten Examensklippen zu umschiffen.
Ein wirklicher Erzieher allerdings hätte an Robert Maher schätzbare Fähigkeiten entdecken können. Dieser zeigte dieselben Anlagen wie sein Vater: nämlich unbezwingliche Lust und außergewöhnliches Geschick zum Experimentieren, eine rege Phantasie, die ihn eigentümliche Gedankensprünge machen ließ, und Kombinationsgabe, das heißt die Fähigkeit, weit auseinanderliegende Dinge zu verknüpfen. Für industrielle Betriebe befundete der Jüngling großes Interesse. Aber all das wie auch seine körperliche Ausdauer waren Dinge, die den verknöcherten Schulmeistern wenig galten, und so blieb Robert Mayer doch nur ein schlechter Schüler". Aber auch als Medizinstudent in Tübingen ließ er noch nicht erkennen, wer und was er wirklich war. Er fiel höchstens durch seine Starrköpfigkeit auf. Zu seiner weiteren ärztlichen Ausbildung hielt sich Mayer in München , Wien und Paris auf und ging dann als Schiffsarzt, als„ Offizier von der Gesundheit", nach Niederländisch- Indien.
Damals war die Reise nach Java nicht so kurz wie heute, die Hin- und Rückfahrt dauerte 8 Monate, und dazu kam noch ein Aufenthalt in den Haupthäfen der Insel von 4 Monaten. Während der Fahrt war Mayer ganz auf sich angewiesen, er hatte sich reichlich mit wissenschaftlichen Büchern und physikalischen Instrumenten versehen. Nur ein einziges wertvolles Erlebnis im Verkehr mit der Schiffsmannschaft weiß er zu berichten, nämlich die gelegentliche Bemerkung eines alten Steuermannes,„ daß die vom Sturme gepeitschten Wellen wärmer als die ruhige See seien". Ein anderer wäre daran gleichgültig vorbeigegangen, bei Mayer scheint das die große Erkenntnis vorbereitet zu haben, die in Surabaya infolge