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Für unsere Mütter und Hausfrauen
lung der Sonne während der Zeit, da das Leben auf Erden besteht, und das sind Millionen und Millionen von Jahren, an= nähernd gleich geblieben sein, und das, obwohl die Sonne in jeder Sekunde ungeheure Wärmemengen in den Weltraum hinausstrahlt. Für die Deckung dieser Energieverluste kann der oben angeführte Vorgang nur von untergeordneter Bedeutung sein. Oder aber es müßten riesige Massen von Meteoren auf die Sonne stürzen, der Weltraum müßte so von ihnen erfüllt sein, daß auch die Erde viele abbekäme und heißer und heißer würde und kein Leben mehr auf ihr bestehen könnte. Dennoch ist die in diesem Falle irrige Anschauung Mayers genial wie alle seine Gedanken. Und sicherlich wird wohl ein Teil des Wärmeverlustes der Sonne aus mechanischer Energie gedeckt. Indem die Sonne Wärme ausstrahlt und kälter wird, zieht sie sich zusammen; ihre Teilchen fallen da= bei gegen ihren Mittelpunkt, leisten sich gegenseitig Widerstand, wodurch ihre mechanische Energie in Wärme umgewandelt wird. Mayer teilte das Schicksal so manchen Genies in der bürgerlichen Gesellschaft: seine Ideen bleiben erst unbeachtet, stoßen auf Widerstand, finden Spott und Hohn; dann kommen andere und crwerben Ruhm mit diesen Ideen, während sein Verdienst verschwiegen wird, und er wird in einen Kampf hineingezwungen, der ihn bis an den Rand des Grabes und ins Jrrenhaus führt; als endlich Verständnis und Anerkennung sich einstellen, ist die Kraft zu weiteren Gedankenflügen gebrochen, zu denen sein Geist die Flügel spannte. Die Zeit, da Mayer seine Gedanken in sich trug, sie klärte und ausarbeitete, war die glücklichste seines Lebens. Auch äußerlich. Er verheiratete sich damals, war als Arzt gesucht und erhielt die Stelle cines Oberamtswundarztes zu Heil bronn .
Wir erwähnten schon, daß seine erste Abhandlung auf der Redaktion der führenden naturwissenschaftlichen Zeitschrift ihr Grab fand. In Liebigs Annalen blieb dann Mayers geniales Erstlingswerk ziemlich unbeachtet. Dasselbe Schicksal hatte seine großzügige Schrift„ Die organische Bewegung in ihrem Zusammenhang mit dem Stoffwechsel", die er in Heilbronn auf eigene Kosten herausgab. Die Erkenntnisse Mayers mußten in ihren Konsequenzen so manches heilige Dogma der Wissenschaft zerstören, und sie fanden um so weniger Verständnis oder Sympathie, als er zu feiner bestimmten Gelehrtenzunft gehörte und seine Gedankengänge die Schranken zwischen den einzelnen Wissenschaften durchbrachen. In Heidelberg erklärte die staatlich patentierte Universitätsgelahrtheit den Mayer für einen Narren".
Doch Mayer sollte noch bitterere Erfahrungen machen. Im Jahre 1843 hatte der Engländer Joule, gleichfalls kein Fachphysiker, sondern von Beruf ein Brauer, selbständig das mechanische Wärmeäquivalent entdeckt und berechnet. Er teilte dies 1847 der Akademie der Wissenschaften zu Paris mit; als aber Maher auf die Priorität seiner Entdeckung hinwies, nahm die Akademie davon keine Kenntnis. Fünf Jahre nachdem Maher seine erste Schrift veröffentlicht hatte, begründete Helmholtz seinen wissenschaftlichen Ruf mit einer Abhandlung, in der das Prinzip von der„ Erhaltung der Kraft" in mathematischer Form ent= wickelt wurde, Maher aber mit feinem Wort erwähnt war.
Als Mayer sein Erstgeburtsrecht verteidigte, setzte eine Hetze der Fachgelehrten gegen den Dilettanten" ein. Leute, die ihn überhaupt nicht verstanden hatten, bezeichneten seine Arbeiten als„ vollfommen unwissenschaftlich". Bis in die Tagespresse setzten sich diese Angriffe fort und richteten Maher auch in den Augen der Laien. Als Mayer es nicht erreichen konnte, daß seine Entgegnung auf einen besonders gemeinen Angriff aufgenommen wurde, verfiel er in krankhafte Erregung und stürzte sich nachts in einem Anfall von Verzweiflung unangekleidet zwei Stockwerke hoch aus dem Fenster auf das Straßenpflaster. Er genaß nach monatelangem Krankenlager dank seines kräftigen Körpers, behielt jedoch infolge der starken Verstauchung seiner Beine zeitlebens einen schleppenden Gang. Im folgenden Jahre, 1851, zwang ihn eine Gehirnhautentzündung aufs Krankenlager, aber auch diese überwand er. Doch man brachte Mayer nun in eine private Jrrenanstalt und später zwangsweise in die staatliche in Winnental. Dort wurde er ein ganzes Jahr lang mißhandelt. Man steckte ihn in die Zwangsjacke und schnallte ihn in den Zwangsstuhl. Aber nicht nur körperlich, auch seelisch wurde er gefoltert. Der Leiter der Anstalt suchte Mayer die Erklärung abzupressen, sein Anspruch auf eine große wissenschaftliche Entdeckung beruhe auf Größenwahn. Vergeblich flehte Mayer seine Frau und andere Besucher an, ihn aus dieser Hölle zu befreien; sie rührten keinen Finger, wie er ja bei seiner enggeistigen Umgebung nie Verständnis gefunden hatte. Endlich wurde Maher als Todeskandidat" entlassen. Er hat aber nachdem noch 25 Jahre gelebt.
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Nun da es in der Gelehrtenwelt hieß, Maher sei im Irrenhaus gestorben, fanden seine Verdienste allmählich Anerkennung. Neben Justus Liebig und Clausius war es der Engländer Tyndall, der dem großen Forscher zu seinem Recht verhalf. Auch die äußerlichen Anerkennungen blieben nicht aus, aber das Wertvollste war doch, daß Mayer noch das siegreiche Durchdringen seiner Ideen auf dem gesamten Gebiet der Wissenschaften erlebte. Heute ist es nicht mehr bestritten, daß er als erster unabhängig und selbständig dan Gedanken gefunden, der den größten neueren Fortschritt der Naturwissenschaft bedingte".
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Der Hospitalismus der Säuglingsheime.
Die Frage, ob gute Anstalts- oder Familienpflege für die körperliche und geistige Entwicklung des Kindes von größerem Werte sei, ist wohl niemals ernstlich für den Säugling aufgeworfen worden. Daß das neugeborene Kind an der Mutterbrust genährt werden, bei der Mutter bleiben soll, steht fest, es entspricht den natürlichen Verhältnissen selbst. Die Sozialdemokratie ist deshalb auch stets für einen möglichst langen Wöchnerinnenschutz eingetreten, der es der Mutter ermöglicht, den Säugling zu nähren und zu pflegen. Aber die Berufstätigkeit der Frauen läßt sich mit einer dauernden Pflege der kleinen Kinder in der Familie nur sehr schwer oder überhaupt nicht vereinen. Die Anstaltspflege in irgendeiner Form, eine vollständige oder teilweise, muß also von einem bestimmten Alter des Säuglings an Platz greifen, sofern die Mutter ihre Berufstätigkeit nicht für längere Zeit aufgeben kann oder will. Damit wird die Anstaltspflege der Kinder zu einer sehr ernsten " Frage", für die praktische Erfahrungen die Antwort geben müssen. Zu einer Anstaltspflege, die in jeder Beziehung einwandfrei und dienlich ist, wird man nur auf Grund dieser Erfahrungen kom= men können. Ihnen muß die größte Beachtung und natürlich auch kritische Beleuchtung zu teil werden.
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Man begreift es, daß die Anstaltspflege, vor allem die der Kinder, in feinem guten Rufe stehen konnte, solange die Hygiene noch schwach entwickelt, die moderne Bakteriologie unbekannt war. Selbst die für ihre Zeit gut eingerichteten Findelhäuser waren reine Mördergruben, in denen achtzig und mehr Prozent der Pfleglinge zugrunde gingen. Bis in die Neuzeit hinein jedenfalls in der ganzen vorantiseptischen und voraseptischen Zeit- traten in allen Anstalten öfters Seuchen auf, durch die Ansteckung verursacht, dazu verschiedene Krankheiten, die auf die ungenügende und unzweckmäßige Ernährung zurückzuführen waren, Fast kein Kind blieb dort von Ausschlägen aller Art verschont. Dieser„ Hospitalismus"( Hospitalfrankheiten) tritt heute wohl noch in den schlecht ge= leiteten Anstalten auf, im allgemeinen jedoch kann er als überwunden gelten.
Zwar gibt es in Deutschland noch keine Säuglingsheime großen Stiles. Staatliche Mittel werden für solche Anstalten nur in verschwindend fleinem Maße aufgewendet, und auch die Kommunen überlassen zum großen Teil noch der privaten Wohltätigkeit, Säuglingsheime zu errichten. Aber es muß anerkannt werden, daß eine Anzahl der modernen Säuglingsheime auf das beste eingerichtet sind und von hervorragenden Kinderärzten vorzüglich ge= leitet und verwaltet werden. In diesen Anstalten finden alle Grundsäße der modernen Hygiene verständnisvolle und gewissenhafte Anwendung, sowohl in bezug auf Ernährung wie auf Reinlichkeit, Pflege und ärztliche Überwachung. Trotzdem tritt in diesen Anstalten eine Erscheinung zutage, die Birk in der Monats= schrift für Kinderheilkunde, Band 12, folgendermaßen charakterifiert:„ Die letzten Jahre haben uns ein Krankheitsbild kennen gelehrt, das unter dem Namen Hospitalismus einen Komplex pathologischer Erscheinungen vereinigt, die mit der Ernährung scheinbar nur in losem Zusammenhang stehend gleichwohl den Erfolg der Ernährung in entscheidendem Maße zu beeinflussen im= stande ist."
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über diesen Hospitalismus" der Säuglingsheime berichtet ausführlich im 5. und 6. Heft des Zentralblattes für allgemeine Ge= fundheitspflege" Dr. Walter Kaupe auf Grund seiner Erfahrungen im Säuglingsheim und der Kinderabteilung des Lungstrasstiftes in Bonn , wo er als Spezialarzt für Kinder tätig ist. Er kommt zu denselben Ergebnissen wie Birk.
In den vortrefflich eingerichteten Säuglingsheimen hat es sich nach den beiden Darstellungen gezeigt, daß Säuglinge nach anfäng= lichem Wohlbehagen und guten Zunahmen bald nicht mehr recht gedeihen wollten, daß es mit ihnen zurückgeht, ja daß sie einen geradezu kranken Eindruck machen. Birk ist der Meinung, daß das Zurückgehen der Kinder nach einem Aufenthalt in einem Säuglingsheim in der Hauptsache durch mangelnde oder ungenügende