Jugend- Vorwärts
Nr. 6
Beilage zum Vorwärts
25. Juni 1931
Jugend und Arbeitersport.
Zum Reichs- Arbeitersporttag.
In großen Scharen ist im letzten Jahrzehnt die Jugend zum Sport geströmt. Mancher hat das bedauert, mancher stand dem verständnislos gegenüber. Und dennoch nüzt es nichts, hier negativ oder gar ablehnend Stellung zu nehmen und immer wieder die Frage zu wälzen, wie kann die Jugend dem Sportlichen abgewandt werden und der politischen Aufklärung zugeführt werden? Die Triebkräfte in der Jugendentwicklung sind im wesentlichen von Gefühlsmomenten beeinflußt. Gefühlsmäßig kommt der Jugendliche vorerst in die Jugendgruppe, um sich unter Gleichaltrigen und Gleich geftimmten wohl zu fühlen; gefühlsmäßig erfaßt er vorerst die gesellschaftlichen Dinge; ein Ausdruck des Gefühlsmäßigen ist es auch, wenn er sich mit in erster Linie körperlich frei bewegen, fret austoben, die törperlichen Kräfte frei spielen lassen möchte. Warum man bas früher nicht so bemerkte, wird man fragen. Nun, da spielt die gesellschaftliche Moral, die bürgerliche Kulturauffassung eine große Rolle.
Selbstvertrauen!
Fest in die Zukunft mußt du schauen, Dir selbst und deiner Kraft vertrauen, Denn sieh: Du lebst, du bist!
geist und Höchstleistungen schienen sogar in die Arbeiter- Sportbewegung einzudringen. Man war sich zumindest in breiten Mitgliederschichten nicht immer der Verantwortung gegenüber der Klassenbewegung des Proletariats bewußt. Das hat sich glücklicherweise gewaltig geändert. Das Kampfsportproblem ist auf ein Mindestmaß der Wertungen herabgedrückt. Das Wesentlichste wurde die ggemeinschaftliche Leistung, das Aneinander- Aufwachsen der Gesamtheit. Gemeinschaftssport wurde das Ziel, und in diesem traten sich selbst die einzelnen, bisher sehr getrennt arbeitenden Vereine einander recht nahe. Die Zusammenarbeit in den Spartenfartellen und in der Zentraltommission für Arbeitersport und Körperpflege wurde sehr eng. Und von dorther kam dann die engere Fühlungnahme mit Partei, Gewerkschaften und den sozialistischen Jugendverbänden. Besonders die Zusammenarbeit mit der Freien Gewerkschaftsjugend und der Sozialistischen Arbeiterjugend hat sich gut bewährt. Daneben wurde auf internationalem Gebiet eine engere Berbindung zwischen Sozia listischer Jugendinternationale, Sozialistischer Erziehungsinternationale und Sozialistischer Arbeitersport Internationale hergestellt. Die Gemeinschaftsarbeit unter den verschiedenen sozia listischen Organisationen hat sich vor allem auf dem Gebiet der Festkultur als wertvoll erwiesen. Kein großes Gewerkschaftsfest, feine Parteifeier und Parteidemonstration, feine größere JugendFeierstunde ist ohne zumindest sportlichen Einschlag denkbar. Sei es durch Massenfreiübungen, durch Gymnastik, durch einzelne sportliche Darbietungen oder durch Bewegungschor, überall kommt von dieser Grundlage des Sportlichen oder der Körperkultur ein be. lebendes Element. Und dabei sind die Darbietenden nicht etwa nur die Sportorganisationen, sondern auch in den Jugendverbänden selbst ist man zur Einschaltung von Sportſtunden, Sportkursen und Sportveranstaltungen, zur Eröffnung von Sport- und Gymnastikgruppen übergegangen. Das ist eine notwendige Bereicherung des Arbeitsplans, aber sie erfolgt wo der Selbstzweck ausgeschaltet wird immer auch zur Bereicherung und Anbahnung einer sozia listischen Kulturentwidlung.
An deinem Menschen mußt du bauen, Ihn stets von links und rechts behauen, Bis er vollendet ist!
Zu einer Zeit, in der die Moralisten noch hinter jedem Sporttrifot, hinter jeder Badehose herschnüffelten, da mußte alles Körperliche unter einem gewissen Zwang leben. Der Körper ist ja noch heute für manche Kreise etwas ,, Sündiges", dem man sich nicht frei gegenüberstellen kann, das man im Abstand betrachtet, um nachher an allzu großer Freiheit Anstoß" zu nehmen. Das ist leicht, aber wenig fair. Und die bürgerliche Welt hält sonst doch überaus viel auf diesen Begriff. Nach dem Zusammenbruch 1918 hat die Welle des Befreiungs gefühls auch in startem Maße auf Geistiges, Seelisches, Gefühlsmäßiges übergegriffen. Wir sollten darüber nicht greinen, sondern nur Obacht geben, daß aus dieser Entwicklung nicht die Zielsetzung bes Sports oder auch der Körperkultur als Selbstzweck wird. Dann haben wir für den Befreiungskampf der Arbeiterklasse nichts davon zu erwarten. Und diesem zu dienen, ist doch schließlich Aufgabe jeder Organisation der Arbeiterschaft, jei sie wirtschaftlich, politisch, Pulturell oder sportlich betont.
Wenn wir fomit feststellen, daß das sportliche Leben und das sportliche Interesse besonders in der Jugend nach dem Kriege einen gewaltigen Aufschwung genommen haben, so muß ein gleiches von ber Arbeiter- Sportbewegung selbst gesagt werden. Gerade unter dem Einfluß der Jugend hat sie sich einer ganzen Reihe sportlicher Uebungsarten angenommen, die bis dahin in Arbeitersportkreisen taum gekannt oder gar direkt verpönt waren. Die Spielersparte kann davon viel erzählen; erwähnt jei nur, daß der weiße Sport kann davon viel erzählen; erwähnt sei nur, daß der weiße Sport ( Tennis) lange Zeit als Domäne des besigenden Bürgertums galt. Dazu kommen beträchtliche Fortschritte im Wandern, im Wasser Sport, in der Leichtathletik und in schwerathletischen lebungen, wie Bogen, Jiu- Jitsu und Artistik. Wesentliche Fortschritte machten ferner Gymnastit und Freiförperkultur.
Was so von den verschiedenen Sportarten gilt, das fann im felben Sinn von der Kultivierung des sportlichen Leben behauptet werden. Die erste Sportinflation" trug auch in die Reihen der Arbeiterschaft den Geist der Oberflächlichkeit. Nur- Sport, Reford
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Hermann Nöll.
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Im besonderen Sinne günstig hat sich diese Entwicklung, in den letzten Jahren, u. a. bei den Maifesten der Jugend in Berlin , ausgewirkt. Die enge Fühlungnahme zwischen Arbeiter Sport und Jugend und die damit verbundene günstige Beeinflussung der Jugendentwicklung ist erfolgt. Auch weiterhin gilt es, diese Bahn zu beschreiten. Wenn die Arbeitersportler auf dem Posten waren, als die Jugend rief, dann darf man es jetzt auch in umgekehrter Weise erhoffen. Die Berliner Arbeitersportler haben ihre diesjährige Kampfdemonstration auf den 28. Juni im GrunewaldStadion festgesetzt. Der Reichs- Arbeitersporttag bietet dort die Gelegenheit zum gemeinsamen Aufmarsch unter roten Fahnen für die sozialistische Gedankenwelt. Auch die Jugend darf Adolf Lau. da nicht fehlen!