Marxismus eine völlige Wandlung. Max Adler hält jedoch an den traditionellen Schemen Wissenschaft, Philosophie durchaus fest, womit er die Bahnen der Schulphilosophie des 19. Jahrhunderts getreulich innehält. In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig, festzustellen, daß sich Adler sehr oft darauf beruft, zentrale und grundsätzliche Positionen seiner Theorie schon 1904 in seiner Arbeit„Kausalität und Tclcologie im Streite um die Wissenschast" entwickelt zu haben. ' Das ist kein äußerlicher Hinweis: seine damaligen Konzeptionen sind von den„Sachen selbst" nicht mehr korrigiert worden. Nur so ist es verständlich, wenn Adler Martin Heidegger in einer sehr ilüchtigen Anmerkung(S. 77) als Mystiker bezeichnen kann; offenbar ist es Max Adler völlig entgangen, daß ein Wert wie Heideggers ..Sein und Zeit " doch sehr stark für die Selbstauslösung' der bürgerlichen Philosophie zeugt und im Zwang der Sachen der geschichtlichen Totalität, wie sie der Marxismus in der„Deutschen Ideologie" erstmalig umrissen hat, doch recht naherückt. Daß Max Adler vulgärmarxistische Mißverständnisse und Vor- urteile oder die philosophische Naivität Lenins leicht zurückweisen kann, ist klar. Andererseits sind seine Darlegungen, daß marxistische Begriffe wie Wirtschaft, Produktivkräfte nicht grobmaterialistisch verstanden werden dürfen, sondern auf eine„geistige Natur" zielen, ielbstverständlich. Aber oft scheint es so, als ob Adlers„geistige Natur" die konkrete Totalität des Marxismus verflüchtige. Ehe man dies aber mit Sicherheit behaupten kann, wird man den zweiten Band des Werkes, der die Theorie der Statik und Dynamik des gesellschaftlichen Prozesses darlegen will, abwarten müssen. � kckzvce. Ein neues Leben Zesu. Ein nierkwürdiges Buch ist dieses neueste wissenschaftliche„Leben Jesu" sIesus von Nazareth , Seine Zeit, sein Leben und seine Lehre von Dr. Joseph Klausner , Professor an der Hebräischen Universität Jerusalem, 1930, Jüdischer Verlag, Berlin . Autorisierte Uebcrsetzung aus dem Hebräischen von Dr. Walter Fische l.): Die deutsche Ausgab« ist eine Uebersetzang des hebräischen Originals, der Verfasser ein Universitätsprofessor in Jerusalem . Der Autor hat sich in langjährigen gründlichen Studien für seine Aufgabe vor- bereitet. Er beherrscht die gesamte ungeheuer umfangreiche Lite- ratur, die sich in wissenschaftlicher Form mit dem Jesus-Problem befaßt. Klausner verbindet diese einnwmdfrcie Sachkenntnis mit der Etabe einer fesselnden Darstellung und einem ehrlichen Willen zur Objektivität. Freilich kann kein Mensch aus seiner Haut heraus- kommen, auch nicht der Historiker. Klausner kann und will es nicht verleugnen, daß er vom Standpunkt nicht nur des Z i o n i st e n im allgemeinen, sondern speziell des bürgerlichen Zionisten .schreibt. Aber seine Objektivität ist mindestens ebenso groß wie die der evangelischen Theologen, von denen die bekanntesten wissen- schafllichen Bücher über Jesus herstammen. Klausners Buch ist ohne Zweifel eine der besten Arbeiten, die in letzter Zeit über die Ent» stehung des Christentums geschrieben wurden. Für den Laien, der sich mit diesem hochbedeutsamen Stoff kritisch beschäftigen will, und der sich über das Quellenverhältnis, den Wert der einzelnen bibli- schcn Zeugnisse und so weiter, orientieren will, gibt Klausner viel- bleicht die beste Einführung. Selbstverständlich hält Klausner, ebenso wie alle ernsthaften Forscher auf diesem Gebiet, an der Existenz des historischen Menschen Jesus von Nazareth fest. Klausners Stärke ist feine ganz genaue Kenntnis der jüdischen Umgebung, aus der heraus sich Jesus und das Christentum entwickelten. Sorgfältig sondert er die jüdischen und die unjlldischen Bestandteile in der Lehre Jesu . Er unterstreicht sehr stark die internationalen und eigen» tumsfeindlichen Züge in der Lehre Jesu:„Ihr verdankt er (Jesus ), daß ihn die Jakobiner der Französischen Revolution„le dem Sansculotte" nannten, während die modernen Bolschewisten ihn als den„großen Kommunisten" bezeichnen, obwohl Jesus , der sich gegen den aktiven Kampf wider dos Bös« ausgesprochen hat, dem furchtbaren Morden der französischen und dem noch furchtbareren der russischen Revolutioi, wohl kaum zugestimmt halle. Doch steht zweifelsfrei fest, daß sich in seiner ganzen Lehre keinerlei staats- erhaltende, sozial regulative Elemente finden."(S. 522 ff.) Das Judentum jener Zeit aber habe nur das eine Ziel gehabt, die Selbständigkeit des jüdischen Volkes zu retten.„Deshalb mußte das Volk als Ganzes in Jesu sozialen Idealen eine sonderbore und sogar gefährliche Schwärmerei' sehen, und seine Mehrheit, die den Pharisäern und Schristgelehrten als den Führern der Volkspartei folgte, konnte unter keinen Ilmständen seine Lehre annehmen." Klausner hat unbedingt darin recht, daß die sozialen Gegen- s ü tz e auch für das Verhältnis der Juden zum Christentum von entscheidender Bedeutung waren. Die jüdische besitzende Klasse konnte sich mit dem radikal eigentumsfeindlichen Urchristentum nicht abfinden, ebensowenig mit seinem internationalen Charakter, wie er seit Paulus immer stärker hervortrat. Dazu kam noch die blutig« Niederlage der jüdische» Revolution im Jahre 70 nach Christus. Die römischen Säbel haben damals alles zertrümmert, was im Judentum an kleinbäuerlichen, proletarischen und überhaupt revo- lutionären Kräften vorhanden war. Was übrig blieb, waren die Ghettojuden der Zerstreuung, die vom bürgerlichen Element be- herrscht wurden. Die spätere Entwicklung, als das Christentum römische Staatsreligion wurde und sich mit der herrschenden Klasse Roms verband, liegt außerhalb des Gebietes, mit dem sich Klausner hier beschäftigt. Wenn Klausner auch kein Sozialist und Materialist ist, so liefert er doch in seinem Iesus -Buch wichtiges Material für die kritisch- materialistische Betrachtung jener Epoche. Deshalb ist sein Buch gerade für den sozialistischen Leser von Wichtigkeit. i\rtliur Rosenberg. Vermächtnis der Gefallenen. Edwin R e d s l o b, der Reichskunstwart, hat, unter dem Titel„Vermächtnis", in der Verlagsabteilung der Deutschen Dichter-Gedächtnis-Stiftung Dichtungen, letzte Aussprüche und Briefe im Weltkrieg gefallener deutscher Dichter herausgegeben. Die aus- drucksstarke und visionengewaltige Generation der August S t r a m in, Georg H e y m, Georg T r a k l marschiert auf und sucht sich von dem übermächtigen Druck des Kriegserlebnisses dichterisch zu befreien. Die Deutiung, die diese Dichter iksid ander« dazu wie Gerrit C n g e l k c, Gustav B e u t l e r, Walter F l e x, Wilhelm Ja necke, Johannes Sorge, Peter Baum, Gorch F o ck, Franz Maro, Walter H e y m a n n dem Phänomen des Wellbrandes geben, kann nicht mehr die unsere sein. Dieses noch so rührend u, politische Geschlecht von 1914 sah in dem Krieg nicht- von Menschen Gemachtes, durch Menschen zu Beendendes, sondern höhere kosmische Gewalt, mll der man versuchen müßte, seelisch ins rein« zukommen. Sie stehen staunend und gelähmt vor der Furie, die über die Welt rast, bannen den Schrecken, den sie verbreite', in spvachtrunkene Bilder und suchen, verstört und aufgescheucht, in den Unsinn des Schlachtens einen höheren Wellsinn hineinzu» tragen. Aber eben die Mitgerissenheit jener vom Krieg verlöschten Dichterrzenenation, ihr unsicheres Tasten nach vermuteter neuer Wahrheit, ihre Todesprophetien, ihr Mystizismus hat etwas unendlich Wehmütiges an sich. Es ist nicht dt« Stimm« des Volkes, die in Redslobs Sammlung sich Gehör verschafft, es sind die Stimmen der Einzelgänger eine- Volkes. Die Zerquällen schreien und oft übertönen sie mit dithyrambischen Klängen nur die'trostlosen Schauer, von denen ihr Herz zersprengt wird. Sic ahnen den Tob imd philosophieren die Schrecken von ihm fort. Aber immer wieder bricht die Skepsis gegenüber der eigenen Phüosopie durch und sie versinken in ein« tarnnelnde Hoffnungslosigkeit, aus der sich hin uyd wieder die surchtbare Frage nach der Verantwortung hebl. „Gott hat«s schwerer als ich: Ich habe es nur zu ertragen, Gott hat es zu rechtfertigen, heißt es bei dem ISlö vor Thiaumont gefallenen F r a n z D i b e l I u s. Hans Bauer. �assenftagen. Pros. Dr. Friedrich herh(Halle ):„Han- Günther als Rassenforscher". Berlin 1930. Philo oerlag. 10 Seinen. Hertz hat schon früher in seinem größeren Buche:„Rasse u n d K u l t u r".— 3. Auflage 1925. Alfred Körner-Verlag, Leipzig . 426 Seiten.— sich mit der gesamten Rossenlehre von Ehamberlain bis Lenz auseinandergesetzt. Mit ungeheurem Ta.sachcnma«rial und größtem Scharfsinn hat er dort alle die soziologischen, histori- schen und kulturgeschichtlichen Fehlschlüsse und Irrtümer zurück- gewiesen, die sich aus der Ilebertragung biologischer Theorien-—| denen die wissenschosilichc Vasis fehlte— auf jene anderen Gebiete ergaben. In seinem neuen J)est nimmt er sich den Jenaer Rassenprofessor Hans F. K. Günther vor, dessen Rassenbücher schon so viel Unheil in den Köpfen urteilsloser oder fachlich nicht vorgebikdeier Leser angerichtet haben, und dessen Theorien die Grundlage der völkischen Ideen bilden. Schlag auf Schlag, Punkt für Punkt deckt Hertz die wissenschaftlichen Irrtümer, die logischen Fehler, Unter- stellungen und Fälschungen der Güntherjchen Bücher auf, zeigt er. wie oft Vernmtungen als Talsachen, Konstruktionen als gefchicht lichs Erfahrungen ausgegeben werden. Ein kleine- Hefichen mii ungeheuer viel Inhalt. Prof. Dr. Franz Oppenheimer :„Rassenprobleme" Berlin 1930. Phllooerlag. 22 Seiten. An die Rassensrage kann man soziologisch oder naturwissen- schosilich herankommen. Der berühmte Soziologe Oppenheime? war früher Arzt und ist daher die gegebene Persönlichkeit, zu diesei Dingen Stellung zu nehmen. Der Kern der vorliegenden Schris ist der Nachweis dex Unzulänglichkeit der üblicher Methoden, Klarhell in die Rassenprobleme zu bringen. Fas immer werden von den„Rassensorschern" grundsätzliche Tatsacher und wissenschaftliche Erkenntnisse unbeachtet gelassen. Besonder- eindrucksvoll ist der noch nirgends so klar formuliert« Hinweis daß bei de? Aufstellung der Menschenrassen Umweltswirkunz und Erblichkeit gar mcht eindnrng auseinandergehalten wer den können. Wenn Menschengruppen lange Zell unter gleich bleibenden Bedingungen leben, bleiben sie auch gleichartig uni täuschen so eine Erb-rosse vor. die vielleicht gar nickt existiert.— Den Abschluß bildet eine kurze Darstellung, wie sich Oppenheime' selbst das rassenmähige Zustandekommen der europäischen Volke.' denkt. Dr. K. Lewin. Sämtliche hier angezeigten und besprochenen Bücher können durch die Buchhandlung 3. h. DJ. Dich, Berlin SW 68, Linden- straße 2(Laden) bestellt werden. .-0*260 1 lj5sÄ-cfi|.-ur«J ,,,üdl1' n gemusrerr#"»«//>,**'<%* d. .!U�I SW-SP- Öardinen�.�e.'n-
Ausgabe
48 (15.2.1931) 2
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