Nr. 3
8. März 1931
Blick in die Bücherwelt
Alfred Brouathal: Die Wirtſchaffstrife.
Wenn Julius Hirsch seine Stimme erhebt, pflegen alle ökonomisch Interessierten aufzuhorchen. Denn sie wissen, daß er immer Interessantes zu sagen weiß, daß er sich von großen Gesichts= punkten leiten läßt, und daß er das, was er zu sagen weiß, in feffelnder Sprache sagt. Und doppelt begierig ist man zu hören, was Julius Hirsch zu den Problemen der Wirtschaftsfrise zu sagen hat( in dem bei S. Fischer erschienenen Büchlein: Die Wirt schaftstrife", Breis 1,50 M.). Denn diese Problema sind heute Lebensfragen der Wirtschaft, der Gesellschaft geworden.
Beilage
*** des Borwärts
,, Die Kommunisten verschmähen es, ihre Ansichten und Ab fichten zu verheimlichen. Sie erklären es offen, daß ihre Zwecke nur erreicht werden können durch den gewaltsamen um= fturz aller bisherigen Gesellschaftsordnung."
Marg und Engels find beide nicht beim Kommunistischen Manifeft" stehengeblieben, sie haben immer wieder Theorie und Bragis einheitlich aufeinander bezogen. Das Werk der letzten zwölf Bebensjahre von Engels darf nicht willkürlich aus der Gesamtleistung des Marrismus herausgeschnitten werden. Gerade das letzte Werk von Engels, seine 1895 gefchriebene Einleitung zu Marg ,, Klaffenfämpfe in Frankreich ( die soeben in der neuen LehrbuchReihe des Diez - Verlages von Kampffmeyer neu herausgegeben worden ist) betont die grundsägliche Aenderung der Kampfesweise des Proletariats durch die erfolgreiche Benutzung des allge meinen Wahlrechts:
In den von Cart Grünberg herausgegebenen Beiheften zum| margistischen Grundposition. Uni hier klar zu fehen, mögen auch Archiv für die Geschichte des Sozialismus und der Arbeiterbewegung" die Säße aus dem Kommunistischen Manifeft" angeführt sein, auf ( Berlag C. L. Hirschfeld, Leipzig ) erscheint soeben eine Arbeit von die sich Brandis als Gegeninstanz beruft: Kurt Brandis über die Deutsche Sozialdemokratite Wer mit der Erwartung an das Büchlein von Hirsch heran- bis zum Fall des Sozialistengeseges", die sorgfältige tritt, auf neue grundlegende Aufschlüsse über das Problem der Beachtung verdient. Der Verfasser, der über eine ausgezeichnete Krise und ihrer Lösungsmöglichkeiten zu stoßen, die ihm in der Quellenkenntnis verfügt, beansprucht mit seinem Buch nichts weniger bisherigen wissenschaftlichen Diskussion nicht zuteil wurden, wird als eine Revision des Mehringschen Werkes über die Geschichte der freilich enttäuscht sein. So tiefschürfend wie etwa die beiden Krisen- deutschen Sozialdemokratie, um von der sogenannten revisionisti broschüren von Lederer und Naphtali find die Untersuchungen schen" Geschichtschreibung gar nicht erst zu reden. Als exemplarischen von Hirsch nicht. Wurde in jenen Broschüren versucht, die Wirt- revisionistischen" Historifer bezieht sich Brandes auf Bernstein , leider schaftskrise aus den Bewegungsgesetzen der kapitalistischen Wirtschaft vermeidet er eine Auseinanderseßung mit den Arbeiten Kampff abzuleiten und ihre besondere Schärfe einerseits aus den Kriegs meyers; wenn auch des letzteren Bollmar Buch nicht mehr wirkungen, andererseits aus den inneren Widersprüchen des Mono- berücksichtigt werden konnte, so wäre doch eine Auseinandersetzung polfapitalismus zu erklären, so begnügt sich Hirsch damit, den mit den Werken, welche die Geschichte unserer Partei vor und stürmischen Rationalisierungsprozeß in der Roh- während der Sozialistengeseze schildern, unumgänglich gewesen, stoffproduktion, vornehmlich in der Landwirtschaft, und die zumal doch Kampffmeyers Darstellung sich auf bis dahin unaus tünstliche Preisstügungsattionen auf dem ganzen Ge gewertetes Archivmaterial stützt. biet der Weltrohstoffwirtschaft für die Krise verantwortlich zu machen. Damit greift Hirsch aus dem gewaltigen Komplex der Krisenursachen eine wichtige Teitursache heraus, aber er erschließt nicht den Blick auf den Gesamtkomplex und sein Ineinandergreifen. Ebenso geht Hirsch bei der Darstellung der Wege aus der Krise" nicht so weit wie die beiden genannten Theoretiker. Zwar stimmt er erfreulicherweise in der Grundtendenz mit ihnen überein: daß die Krise nicht von der Lohnseite, also nicht durch Lohnabbau, sondern nur von der Preissette und von der Kreditseite her, d. h. also durch den Abbau überhöhter Monopolpreise und das Einströmen ausländischen Kapitals gelöst werden kann.
Wir wollen die wertvolle Hilfe, die uns Hirsch damit in unserem schweren Kampf gegen die wirtschaftspolitisch unsinnigen und sozial unheilvollen Lohnabbaubestrebungen leiftet, gern anerkennen. Aber zu vermissen bleibt doch, daß Hirsch nicht die letzten Konsequenzen aus der Erkenntnis der Krisenursachen zieht, zu denen jeder sozialistische Theoretiker gelangen muß. Er begnügt sich mit der Forderung, daß der Mensch, um des unbarmherzigen Krisenmechanismus Herr zu werden, danach streben muß, daß er vom Unterworfen fein unter das wirtschaftliche Naturgeschehen zur bewußt fen. fenden Wirtschaftstechnik fommt". Aber der Margift meiß genau - und mer ist heute in diesem Punkte nicht Marrist? daß dieses hohe Ziel der bewußten Lenkung der Wirtschaft nicht eine Frage der bloßen Wirtschaftstechnik, sondern der sozialen Struttur ft. Nicht durch bloß technische Hilfsmittel, sondern nur durch den Sieg der Arbeiterflaffe in ihrem sozialen Befreiungstampf fann dieses Ziel erreicht werden.
Das prinzipielle Ergebnis von Brandis Untersuchungen geht dahin, daß in die Geschichte der deutschen Sozialdemokratie so gut wie nichts von den Lehren von Marg und Engels eingeströmt sei, der Lassalleanismus habe sich allein durchgesezt, auch dann, meint Brandis , wenn sich führende Theoretiker und Politifer der Partei Mary- Engelsscher Formulierungen bedient haben. Bon Lassalle erklärt Brandis :
Ideengeschichtlich und entsprechend der Entwicklungsstufe des Proletariats, die er repräsentiert, ist Lassalle vormarristischer Sozialist."
Ich stimme dieser Auffassung Brandis völlig zu( Brandis Dar legungen über Lassalles politische Theorie sind m. E. die besten Teile seiner Arbeit), glaube aber, daß er den Marxismus von Marg und Engels zu starr faßt. Gerade der von Brandis doch durchaus zutreffend gesehene grundsätzliche Charakter des Marrismus als Einheit von Theorie und Praxis läßt es als völlig unmöglich erscheinen, gegen Bebels Aeußerungen aus dem Jahre 1885 mit einem Zitat aus dem Kommunistischen Manifest" von 1847 zu argumentieren. Bebel schreibt nämlich
1885:
3wei Wege gibt es nur, unser Ziel zu erreichen. Der eine ist, nach Herstellung des demokratischen Staates, die allmählige Berdrängung der privaten Unternehmer durch Gesezgebung. Dieser Weg würde eingeschlagen werden, wenn die beteiligten Kreife, gegen welche die sozialistische Bewegung gerichtet ist, beizeiten zur Einsicht gelangten.... andere, entschieden türzere, aber auch gewaltsamere Weg wäre die gewaltsame Expropriation... Danach hängt alfo der Ausgang der Krise von der Kapitalistenflaffe ab."
Diese Ausführungen bedeuten durchaus feine Abschwächung ber
Diese tritischen Anmerkungen mußten gemacht werden, um im Befer nicht falsche Hoffnungen zu erweden. Tritt er aber ohne solch hochgespannte Erwartungen an das Büchlein heran, so wird es thm eine Fülle der, intereffantesten Aufschluffe über Striferursachen, Krifenerscheinungen und Krisenlösungen bringen. Und überall mer. den thn die große Linienführung und die weiten Zahlenvorstellungen und dann als einer der menigen Generaloberärzte des Beurlaubten 44 Jahre später als Chefarzt eines Striegslazaretts hinter der Front von Hirsch überraschen. Gewiß entbehren fie manchmal wiffen standes in der Stellung eines Kriegslagarettbirettors die fchaftlicher Craftheit, aber oft ist ein großzügiger Ueberblid wichti. Organisation des Heeressanitätswesens von der guten, aber auch ger als wissenschaftliche Affuratesse: denn schließlich ist das Büch red oft von der weniger guten Seite fennengelernt. Rang lein nicht für den Mann der Fachwissenschaft geschrieben. Daher kann dieser neueste Beitrag zum Krisenproblem als Eritreitigteiten und Formal bürokratie haben oft Zwed gänzung zu den erwähnten Broschüren Lederers und Naphtalis mäßiges verhindert. Der aus der Braris der freien ärztlichen Tätig. empfohlen werden. feit Schöpfende hatte es oft nicht ganz leicht, fich gegen den aktiven Sanitätsoffizier durchzusehen. Der Verfasser kommt zu dem Schluß:„ Alles Bemühen zur Heilung kann mit den Fortschritten der Kriegstechnik im 3erstören nicht Schritt haiten. Nach meinem Grleben in der Fürsorge für die Kranten und Verwundeten in zwei Kriegen fenne ich nur ein Leitwort: Nie wieder Krieg". Dr. H. Rosenhaupt.
Zur Dolchfroß- Legende.
In einem fürzlich erschienen Buche eines Arztes( 1870/1871 und 1914/1918 von der Barwundeten und Krantenpflege in zwei Kriegen von Prof. Dr. M. Flesch bei Kern u. Birner, Frant. furt a. M. 1930, 296. illustriert) ist ein Dokument veröffentlicht, das als untrügliches Beweismaterial gegen alle die gelten darf, die noch immer das Märchen von der von hinten erdolchten Front für thre triegshegerische und rückschrittliche Propaganda zu verbreiten suchen. Dieses Dotument stammt vom 6. November 1916(!) und ist an sämtliche Herren Chefärzte" gerichtet. Diese werden dringend ersucht, bei der Entlassung von Mannschaften nicht zu fragen, ob einer oder der andere noch Klagen hat, sondern die zur Entlassung Bestimmten ohne weiteres zu entlassen, ohne auf deren Klagen einzugehen. In der Begründung dieser Verfügung heißt es wörtlich: andererseits ist es leider eine bekannte Tatsache, daß die Frontdienstfreudigkeit bei einem großen Teil unserer Soldaten im Aonehmen begriffen ist. Das ist eine von militärischer Seite gemachte Feststellung zmei volle Jahre vor dem Waffenstillstand und der Revolution.
Aber Fleschs Buch bietet neben diesem und anderent politisch wertvollen Material( auch solches über die psychologisch sehr geschickt abgefaßten gegnerischen Flugblätter gehört hierzu) viel des Intereffanten. Der Verfasser hat als achtzehnjähriger Student den deutsch französischen Krieg bei einer freiwilligen Sanitätstolonne mitgemacht und tiefe Einblicke in die Führung der freiwilligen Krankenpflege durch die Johanniter getan. Er hat
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Der Kampf um Nobile.
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Willi mener, attiver Hauptmann der alten Armee, aber schon früh zur Einsicht gekommen, daß Altes überlebt ist, und daher Freund aller Bestrebungen, die den Frieden und die Demokratie fördern, hat ein Buch herausgegeben, das den Titel trägt: Der Kampf um Nobile"( Verlag Gebr. Radegki, Berlin SW. 48, 1931). Meyer, selbst alter Flieger, führt in diesem Buche einen Verteidigungskampf für den italienischen General, der im Mai 1928 mit dem Luftschiff„ Italia " beim Nordpolflug scheiterte. Er zeigt dabei eine Leidenschaft, die zuweilen auf einen Mangel an Objektivität schließen läßt.
Mener rühmt Nobiles Leistung beim Flug der Norge " im Jahre 1926, über die freilich die Teilnehmer Amundsen und Larsen ganz entgegengesetzter Ansicht sind. Amundsen hat in der Tat über Nobile in seinem Buch Mein Leben als Entdecker" ein vernichtendes Urteil gesprochen, das in gewissen Einzelheiten über den Rahmen der Objektivität hinaus ins gehäffig Persönliche ausartet. Leider antwortet Meyer mit gleicher Münze, indem er Amundsen vorwirft:„ Der Norweger fühlte sich von dem Staliener in seinem Ruhm geschmälert und finanziell geschädigt." Die Position
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DIE SCHONE
DAS SCHONE
Außerdem
im
Und so geschah es, daß Bourgeoisie und Regierung dahin famen, sich weit mehr zu fürchten vor der gesetzlichen als vor der ungejeglichen Attion der Arbeiterpartei, vor den Erfolgen der Wahl als vor denen der Rebellion."
Sind diese Engelsschen Säge unmarristisch, weil sie zwölf Jahre nach Marg Lob- und doch in seinem Geiste geschrieben sind? Tod Es hat den Anschein, als ob Brandis jedwede sozialdemokratische pofitive Mitarbeit im Parlament als revisionistisch" bezeichnen möchte. Hierin steht er der bolschemistischen Mary- Auffassung sehr nahe, wenngleich er es vermeidet, dies offen zu dokumentieren. Marxismus bedeutet Einheit von Theorie und Praxis der gesellschaftlichen Bewegung. Man fann ihn nicht beliebig als Rahmen verwenden und dann feststellen, daß die fortschreitende Geschichte und die neuen Aufgaben, die sie stellt, sich nicht in diesen Rahmen einfügen.
So verfehlt Brandis quch wiederum den tieferen Sinn der Epoche der Sozialistengefeße, wenn er sie nicht als die heroische" Epoche der Sozialdemokratie anerkennen will. Nicht der Organi fations fetischismus bestimmte damals die Parteiführung zunächst zur Legalität, sondern man ließ sich von der Einsicht leiten, daß die Erhaltung der Organisation( Presse und Drudereien) die Substanz der ganzen Bewegung garantiere. Mit der Zerschlagung der Organisation wäre die Bewegung zu einent besorganisierten Butschismus geworden. Die Ge schichte wird auch zur Lehrmeisterin: Wir haben nach dem 14. September 1930 nicht aus Organisationsfetischismus" die Regierung Brüning toleriert, sondern weil uns eine Regierung mit führender nationalsozialistischer Beteiligung wahrscheinlich sehr bald die Mög lichkeit genommen hätte, als organisierte Arbeiterflasse für die Ziele des Sozialismus zu fämpfen. J. P. Mayer. I
der verunglüdten Expedition des Italieners zu retten, starb, wird Nobiles gegenüber Ummösen, der beim Bersuch, die Teilnehmer on durch solche nicht schlüssig bewiesene Behauptungen nicht gestärft.
als mustergültig bewerteten Beiftungen Umberto Nobiles die Fahrten Meyer behandelt unter ständiger Herausstellung der von ihm bertalia" bis zur Katastrophe. Dann kommt er zum kritischen Moment, zur Frage, die sich jeder damals 1928 stellte: Warum ließ fich Nobile durch Lundborg als Erster retten? Meyer spricht Nobile von jeder Schuld frei. Er war verwundet, Cecioni, der schwer verlegte Untergebene, war zu schwer, und der Führer Nobile war der Mann, der von der Citò di Milano" die Rettung der Gefährten mit größter Aussicht auf Erfolg betreiben tönne. Gegen wir Mener recht und laffen vor allem den legten Grund sprechen: was hat dann aber Nobile auf dem Mutterschiff Ernsthaftes getan? Er hat einent Trostspruch zum Roten Zelt gefuntt, er hat sich mit dem Kapitän Romagna unterhalten. Mehr meiß auch Meyer nicht anzugeben. Er sagt, und das ist bekannt, daß zwischen ihm und dem laschen, mutlosen Kapitän Romagna Differenzen bestanden. Wie hat Nobile fich dem Kapitän gegenüber gewehrt? Hat er die starke Führers person in die Wagschale geworfen, um seine Rettungsmission durchy zuführen? Er hat nichts getan! Warum nicht? Weil er nicht die Führerperson ist, die für die von ihm geleitete Expedition nötig und unentbehrlich war.
Nobile soll ein guter Ingenieur und Konstrukteur sein. Abe er ist nicht der Führer, der er zu sein wahrscheinlich ehrlich geglaubt hat. Nicht der Leichtblütige, der Können und Nerven überschätzt und ein verderbliches Unternehmen wagt, sondern der Gewissenhafte der in strenger Selbstkritik die eigenen Fähigkeiten mißt und im gewonnenen Rahmen seine Pflicht tut, ist der wahre Förderer der Menschheit. Nobile hat den falschen Weg gewählt.
Henning Duderstadt.
Sämtliche hier angezeigten und besprochenen Bücher können durch die Buchhandlung 3. H. W. Dieh, Berlin SW 68, Lindenstraße 2( Caden) bestellt werden.
Grünfeld Ausstellung
GARDINE BETT
Führungen zu jeder halben u. vollen Stunde
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Landeshuter Leinen- und Gebildweberei
von der Brautkrone bis zu den Leinenstrümpfen