Nr. 5
10. Mai 1931
Mit Recht darf man wohl fagen, daß der Faschismus und feine deutsche Parallelerscheinung, der Nationalsozialismus , das allgemeine Interesse Europas wach halten. Denn die Diftatur Mussolinis und die Diktaturwunschträume Hitlers find politische Erscheinungen, die fich weit über die Grenzen des jeweiligen Landes auswirken tönnen und sich schon öfter ausgewirkt haben. So ist es auch nicht ver. wunderlich, daß sich die Literatur eingehend mit diesen Fragen und Erscheinungen auseinandersetzt.
I.
Die Entstehung und Entwicklung des italienischen Faschismus untersucht Prof. Dr. Robert Michels in seinem neuen Band der vom Orell Füßli- Verlag herausgegebenen Reihe„ Der Aufbau moderner Staaten"( 5. Bd. Robert Michels ,, Italien von heute". Politische Kulturgeschichte von 1860 bis 1930. Zürich 1931. 416 S. Beittafel, Statistiken, Karte, geh. 14,60 Mart. Leinen 17,- Mart ). Der bekannte italienische Soziologe hat in dieser Arbeit aus reicher Kenntnis der Materie ein umfassendes Wert der italienischen Politit, Wirtschaft und Kultur geschaffen. Die Fülle des dargebotenen Stoffes macht diese glänzend geschriebene Darstellung zu einer wichtigen Quelle auch in Einzelheiten, die man allgemein nicht in zusammen faffenden Darstellungen erwarten tann. Die Ausstattung des mit Statistiken, Literaturangaben und angenehmen Verweisen versehenen Buches entspricht der Leistungsfähigkeit des befannten Schweizer Verlages, nur die beigegebene Uebersichtskarte ist nicht von gleicher Güte.
Beim Studium der einzelnen Abschnitte überrascht hin und wieder eine Redewendung, die mit tönenden Worten Mussolini feiert und in der fachlichen Sprache des Gelehrten auffällt. In naiver Lobhubelei wird der gewaltige, cäsarische Mussolini " z. B. auch bei den Erfolgen der Weizenschlacht und der Neulandgewinung gerühmt, Er folge, die durch den 3wang der Nachkriegszeit auch in anderen Staaten erzielt worden sind und deren wahre Ursachen zwischen den Zeilen stehen. Denn der in Italien lebende Berfasser steht wie alle Italiener unter der Macht des Despoten und muß ihm seinen Tribut Bollen. II.
Es ist daher zweckmäßig, zu einem ergänzenden Wert zu greifen, will man fich ein möglichst eingehendes Bild vom heutigen Italien verschaffen. Ein solches Buch legt der Verlag Heß u. Co., Wien , vor.
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( Adolf Saager , mussoliniohne mythos, vom Rebellen zum Despoten". 1931. 275 S. Leinen 8 Mart, fart. 6 Mart ). Der Berfasser versteht es, die verlogene Bose und den heuchlerischen Glanz, mit dem sich der Schöpfer des neuen Italien " umgibt, mit zwin genden Argumenten zu zerstören. Zum Schluß steht ein bis zum genden Argumenten zu zerstören. Zum Schluß steht ein bis zum Bahnsinn ehrgeiziger und selbstfüchtiger Mensch vor uns, der wegen feiner Gewiffenlosigkeit und Geschicklichkeit von der Bourgeoisie emporgehoben ist, um dem Vormarsch des Proletariats entgegen zutreten.
dierte Studie und Darstellung des Faschismus. Einige Ereignisse, die Das Buch Saagers ist eine soziologisch und psychologisch gut fundierte Studie und Darstellung des Faschismus. Einige Ereignisse, die bei Michels mur vorsichtig angedeutet werden durften, sind bei Saager scharf herausgearbeitet, so die Weizenschlacht und die Neulandgewinnung. Ein Vergleich dieser Abschnitte in beiden Büchern ist beSonders intereffeant, zeigt es sich doch, wie verlogen und gewalttätig die faschistische Propaganda zu Werke geht.
III.
Ein zweites Buch aus dem Heß u. Co.- Verlag, Angelica Balabanoff Besen und Werdegang des italie. nischen Faschismus", ist den Opfern des Faschismus ge widmet. Die Aufzählung der vielen, vielen Opfer und die Schilderung der Plünderungen, Zerstörungen und sonstiger ungefühnter Berbrechen sind erschütternd und zeigen den unmenschlichen Heldenkampf des italienischen Proletariats. Hier treten uns ungeschminkt das Banditentum und das legalisierte" Berbrechen des Faschismus sowie seine Doppelzüngigkeit, alles mit reichem Material belegt, entgegen. Leider aber spürt man aus jeder Seite den tiefen Haß der von Mussolini enttäuschten Verfasserin. Das ist verständlich, stört aber die Wirkung des Buches. Diese überspitzte Herabsetzung des exponierten Führers ist negative Heldenverehrung und bringt uns in der Er fenntnis der Zusammenhänge nicht weiter.
Bon den nahezu mittelalterlichen Folterqualen, die in Italien demokratische und sozialistische Freiheitskämpfer zu ertragen haben, berichtet uns Ernesto Nittis Flucht, das Tagebuch eines Flüchtlings.( Müller u. Kiepenheuer, Potsdam 1930). Es ist dies die deutsche Ausgabe der aufsehenerregenden Schilderung der Flucht von den Liparischen Inseln , eine vernichtende Anklage gegen den Faschismus. Einen guten Beitrag zur italienischen Außenpolitik liefert in den
Cola di Rienzo.
Ein Sohn des Voltes vor 600 Jahren.
Rienzo, der berühmte italienische Bollstribun des 14. Jahr-| hunderts( der Held von Richard Wagners Oper Rienzi") hat nun endlich eine wissenschaftlich einwandfreie Lebensdarstellung gefunden. Der Verfasser ist der angesehene Spezialforscher Paul Piur( Cola di Rienzo , Darstellung seines Lebens und seines Geistes, Berlag Seidel u. Sohn, Wien 1931). Das Buch von Piur verbindet wissenschaftliche Gründlichkeit mit einer flaren Darstellung. Es beruht auf dem großen Attenwert über Rienzo, das die Preußische Akademie der Wissenschaften seit 1912 herausgab. Biur war zusammen mit dem hervorragenden Berliner Forscher Konrad Burbach der Herausgeber dieses Rienzo- Wertes. Wie tam die Berliner Akademie der Wissenschaften dazu, so viel Zeit und Mühe auf Cola di Rienzo zu verwenden? Man wollte in dem Bolfstribunen einen der Urheber der sogenannten Renaissance erfassen. Auch wer die landläufige RenaissanceIdee nicht billigt, kann sich doch darüber freuen, welch eine bedeutende historische Leistung hier zustande gekommen ist.
C
GSohn eines Gastwirts und einer Wäscherin in Rom , wollte diese Zustände ändern. Er wollte die italienische Nation einigen, die kleinen lokalen Tyrannen aufhängen, den Adel bändigen und ben Bürgern und Bauern die Macht geben. Rienzo wollte die herrlichkeit des römischen Volkes wiederherstellen, wie er fie in den Büchern der lateinischen Klaffiter gefunden hatte.
Aber gerade der Lebenskampf Rienzos zeigt, daß eine Auf erweckung des Altertums im Italien des 14. Jahrhunderts gar nicht möglich war. Das alte Rom , die Republit Ciceros, be ruhte auf einer mächtigen bürgerlichen Gesellschaft. Im Italien der fogenannten Renaissance dagegen gab es nur fleine enge Zunftmeister und feudalen Adel. Die wenigen Großlaufleute und Bantiers fuchten sich dem Abel anzupassen. Die Masse der Bauern war stumpf und passiv. Wenn Rienzo das italienische Bolt zum nationalen Freiheitstampf aufrief, mußte er sich an die Zunftmeister und kleinen Krämer wenden. Diese halfen dem Tribunen, wenn es galt, ein paar Raubritter aufzuhängen. Eine nationale Demokratie war auf solchen Elementen nicht aufzubauen.
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Beilage des Borwärts
Beiheften zur Zeitschrift Geopolitit", Heft 7, Ibrahim Sey.. fullah mit der kleinen Schrift Italien im östlichen Mit telmeer ", eine politische Studie über die Bedeutung der anato lischen Küsteninseln.( Kurt Vohwinkel- Berlag, 1930, mit 13 Karten und Skizzen).
IV.
Die Geistesverfassung des deutschen Faschismus liegt in einer fleinen, aber treffenden Schrift Friedrich Franz von Unruh nieber: ,, Nationalsozialismus " Sozietäts- Verlag, Frank furt a. M., 1931, 1 Mart ). In einem Anhang seht sich Karl Buse. mann mit dem Wirtschaftsprogramm der Nationalsozialisten auseinander. Die kleine Schrift bringt gutes Material für Diskussionen.
Eine sozialpsychologische Arbeit über die inneren Bedingungen der faschistischen Bewegung und ihres Widerhalls weit über die Kreise des Bürgertums hinaus liefert Hendrit de Man in dem Buch„ Sozialismus und Nationalfascismus"( Alfred Brotte Berlag, Potsdam , 1931, brosch. 1,50 Mart). De Man untersucht die auffällige Erscheinung, daß die Proletarisierung der Mittelstandsschichten wohl antitapitalistische Affekte hervorgerufen hat, nicht aber eine Verstärkung der organisierten Arbeiterbewegung herbeiführte. Die Auswirkungen dieser gesellschaftlich- politischen Erscheinung werben eingehend betrachtet und schließlich stellt der Verfasser den Nationalfafchismus dem Sozialismus gegenüber. Die instruktive Schrift gehört in die Hand eines jeden Sozialisten.
In zweiter, durchgearbeiteter Auflage erscheint Hermann Sellers Europa und der Faschismus", W. de Gruyter, Berlin 1931, geb. 7 Mart). Heller beckt die ideologischen Grundlagen des Faschismus auf und zeigt Besen und Aufbau des faschistischen Staates. Das Buch des Staatsrechtlers ist eine philosophisch und ftaatsrechtlich tiefschürfende Arbeit und behandelt mehr die wissenfchaftliche Erkenntnis des Faschismus als die tagespolitische Agitation gegen ihn. Aber gerabe darum wird diese Arbeit für Politiker wie für Staatsrechtler unentbehrlich sein.
Zum Schluß mag noch auf das April- Heft der Sozialisti ichen Bildung"( heft 4, Jg. 1931) hingewiefen werden, in dem Fred Bud and eine umfassende Zusammenstellung der Literatur über den Faschismus veröffentlicht.
Vilhelm Tietgens.
Das fleine Lehrbuch.
Schriften zur Wohlfahrtspflege.
wohlfahrt unter dem Titel„ Das Kleine Lehrbuch" herausbringt. Eine wichtige Schriftenreihe, die der Hauptausschuß der ArbeiterHandliche Taschenbücher von Brattikern für die Bragis der täglichen Arbeit in der Wohlfahrtspflege. Nummehr liegt auch Band 5
bis 8 vor.
In Band 5 behandelt Franz Nathansohn das Thema: Die Fragen der pädagogischen Fürsorge an Eltern und Kindern. Ein Bademecum für Jugendfürsorger, Jugendberater, Jugendhelfer, Lehrer, Erzieher und jugendfürsorgerisch tätige Aerzte. Franz Nathansohn geht von den neuen Erkenntnissen der Individuale und Sozialpsychologie aus, deren Fragen und Erscheinungen allen in ber Jugendfürsorge Tätigen wenigstens foweit geläufig sein müßten, wie Krankenschwestern und Heilgehilfen hygienische Grundvorstellun gen. Dem Berfasser ist es gut gelungen, denen, für die sein Leitfaden in erster Linie bestimmt ist, Anregungen und Anweisungen zu geben, die ihnen helfen werden, die sozialpolitische Betreuung, der ihnen anvertrauten sozial und psychisch Gefährdeten wie er selbst in der Einführung schreibt: zu verfeinern und zu vertiefen".
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In Band 6 behandelt Dr. Hans Maier , Gegenwartsfragen des Fürsorgerrechts". Eingeleitet wird dieses Heft mit den programmatischen Forderungen des Heidelberger Programms zur Sozialversicherung und Wohlfahrtspflege. Dr. Hans Maier entwickelt, was bisher in dieser Richtung erreicht wurde und was noch zu tun bleibt. Wichtig erscheint die Feststellung, daß ,, nach dem Still. stand und Rückgang in der Inflationsgeit seit 1924 eine ständige Mehrung und vor allem Verbesserung wohlfahrtspflegerischer Einrichtungen festzustellen war, bis die jüngste schwere Wirtschafts- und Finanzkrise ein neues Halt gebot. Trotzdem fann die Gesetzgebung auf dem Gebiet der Wohlfahrtspflege nicht still stehen bleiben. Die eine Schrift umreißt klar und konkret( und sehr zur rechten Zeit!), welchen nächsten Aufgaben die Gesetzgeber in Fragen der JugendLande" von Hermann Kranold- Steinhaus , Landrat in wohlfahrt ganz besondere Bedeutung beimessen müssen. Band 7 des fleinen Lehrbuchs Wohlfahrtspflege auf dem Sprottau , ist eine ungeachtet ihrer Knappheit sehr umfassende und instruktive Einführung in die wohlfahrtspflegerische Praxis auf dem Sprottau , ist eine ungeachtet ihrer Knappheit sehr umfassende und Lande. Dort sehen die Fragen und Aufgaben natürlich wesentlich
In den meisten Büchern über politische und Kulturgeschichte Europas findet man die schöne rührende Geschichte von der Renaissance", der Wiedererwedung oder Wiederauferstehung der antiken Bildung in Italien vom 14. bis 16. Jahrhundert. Damals sei die„ Finsternis des Mittelalters" verschwunden, der moderne Mensch sei geboren worden, Kunst und Wissenschaft hätten geblüht, Es ist selbstverständlich richtig, daß die italienischen Städte in feiner politischen Idee stellen wie heute Mussolini . Der Erfolg anders aus als in den Städten, weil sie ja aus anderen Lebens
der Zeit von 1200 bis 1500 eine bedeutende Kulturentwicklung erzeugt haben, aber im 16. Jahrhundert ist diese italienische Blütezeit aus bestimmten gesellschaftlichen und ökonomischen Gründen zu Ende. Die sogenannte Renaissance war keine Wiedergeburt, sondern ein Absterben. Die wirkliche Neuzeit beginnt mit der Ausbildung der bürgerlichen Gesellschaft in Holland und
England.
Gerade das ausgezeichnete Buch von Piur zeigt uns, wie die italienische Gesellschaft um 1350 wirklich aussah und warum der Glanz der italienischen Städte damals nicht von Dauer sein fonnte. Italien war in unzählige Kleinſtaaten zersplittert, die Städter wurden von einem übermütigen Feudaladel bedrängt. Rienzo, der
noch ein modernes Proletariat. So schwebte Rienzo in der Luft. Es gab damals in Italien weder ein modernes Bürgertum, Seine verblüffende Persönlichkeit errang manche vorübergehende Erfolge. Hochinteressant ist zum Beispiel seine Politik gegenüber der römischen Kirche. Er wollte sie ungefähr ebenso in den Dienst ist beide Male gleich negativ.
zahlen, mußte Rienzo eine Art von Umsatzsteuer einführen. Er ver Um seine Truppen, die Rom vor dem Adel schüßten, zu beteuerte den Römern Salz und Wein. Daß man für die nationale Demokratie Opfer bringen müsse, wollten die römischen Zunftmeister nicht einsehen. Die Agenten des Adels schürten die Mißstimmung; dem Verräter, der die neue Steuer eingeführt hat", totgeschlagen.
bei einem Krawall in Rom wurde Rienzo unter der Parole: ,, Tod
Das ist die Renaissance" ohne Maske und Schminke! Rienzo fiel als ehrlicher Freund des armen Boltes, weil seine Ideen mit den gesellschaftlichen Voraussetzungen nicht übereinstimmten.
bedingungen und Voraussetzungen erwachsen. Für die Funktionäre der Arbeiterbewegung ergeben sich auf dem Lande große Aufgaben: ,, Sie fönnen, wenn sie sich mit voller Kraft in die Wohlfahrtspflege
auf dem Lande hineinarbeiten, den ländlichen Proletariermassen unendlich viel helfen und sehr viel bitterste Not lindern. Es wird dann gewiß nicht ausbleiben, daß die Massen der Bevölkerung auf
dem platten Lande sich auch politisch freundlicher zu uns stellen, als
das in weiten Landbezirken Deutschlands heute noch der Fall ist."
Kranold- Steinhaus hat es verstanden, über sein eigentliches Thema hinaus die gesellschaftliche, soziale und politische Struttur des platten Landes in seine Betrachtung einzubeziehen, so daß sich selbst der ein Bild über den bedeutungsvollen Fragenkomplex der
Raucher, freue Dich!
Als eine der besten Ernten der letzten 20 Jahre sind die 1930er Vorstenlandentabake ( Niederländisch- Ostindien) in hervorragend milder, wundervoller Qualität ausgefallen. Villiger hat auf dem Markt in Amsterdam fast die ganze Sandblatternte der berühmtesten Stumpen noch milder und noch feiner. Vorstenlandenmarke zu höchsten Preisen aufgekauft. Dadurch wird der Villiger- Junior Jadlee nond
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