Für unsere Kinder

ist unmöglich, länger draußen zu bleiben, man sollte meinen, der Himmel stürze zusammen, auch im Dorfe wird man erdrückt. Schnee und Sturm! D, was für ein Sturm ist das, was für ein Sturm! Ich sagte mir, ich gehe in den Sathi, wärme mich und mache mich wieder auf."

Der Mann setzte sich.

Oberhalb des Buchar,* in einer kleinen ge­schwärzten Nische leuchtete friedlich die Öl­lampe. Die trübe Flamme schwankte und zit terte leise, als ob auch sie sich vor dem Sausen des Windes fürchtete. Aber sie gab doch ein schwaches Licht, so viel, daß sich einige Ge­sichter unter dem Schatten der dichten Lamm­fellmützen abzeichneten. Auch auf den Neu­angekommenen fielen einige schwankende, gelb­liche Strahlen. Es war ein bäuerliches Gesicht, auf das ein qualvolles Leben den Stempel der Rauheit gedrückt hatte, und Kummer hatte sich in den tiefen Falten der festen Haut ein­genistet. Er war noch ein junger Mann, aber er schien viel erlebt zu haben. Unter dem dichten Schnurrbart erschienen zwei dicke, fest aufeinandergepreßte Lippen, die seinem Gesicht einen eigensinnigen Ausdruck gaben. Die Augen waren klein, aber lebhaft und feurig. Er war der Wächter des Dorfes, der bezahlte Nacht­wächter. Er war Armenier, deren viele im Dorfe D... wohnten, aber sie waren wieder fortgezogen, und nur dieser eine blieb zurück, wie ein verspäteter Kranich. Betteln wollte er nicht, so wurde er Wächter. Die Bewohner tannten seinen Namen nicht genau. Anstatt Nacho nannten ihn einige Mcho, andere sagten auch Miko, aber schließlich schienen sich alle dahin zu einigen, daß sie ihn einfach Chai" nannten. So war es gut, es war leicht aus­zusprechen. Er war auch wirklich Chai,** denn er war Armenier aus dem Dorf Osm. Das war der Chai, der in einer Ecke an der Wand Platz genommen hatte, sich zusammendrückte und schwieg.

Der Sathi war warm.

"

Der Schneesturm hielt noch immer an. Der wütende Wind brüllte und heulte wie ein ver­wundetes Tier.

,, Von einer solchen Nacht wurde auch der arme Unglückliche überrascht; ja," sagte der Schulze Gewo, wie sollte er sich auch retten."

*

Offener Kamin, der sich in der Mitte der Hinterwand des Sathi befindet.

** Mundartiche Form für Haj  , wie sich die Ar­

inter beniteit.

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Es handelte sich um einen Bauern, der einige Tage vorher in den Bergen vom Schneesturm erfaßt worden und erstickt war.

,, Wie oft haben wir gesagt, gehe nicht, laufe nicht bei diesem Schnee und Winterwetter um­her, du hast Frau und Kinder," bemerkte ein anderer.

" He, was schwaßest du so dumm, das war im Schicksal des Mannes so bestimmt," sagte der Melith, er mußte gehen, er mußte er­sticken. Wer kann seinem Schicksal entfliehen?" " Wahr, wahr, Melith," sagten einige ,,, das vom Schicksal Geschriebene läßt sich nicht aus­löschen."

Schicksal, allmächtiges Schicksal! Zu dieser furchtbaren Nachtstunde, im halbdunklen, höhlen­artigen Sakhi, unter dem häßlichen Getöse des Windes, der über die blinde Macht schreckliche Dinge erzählte, war es schwer, einen passen­deren Unterhaltungsstoff zu finden. Jeder hatte seine eigenen Betrachtungen, alle aber kamen zu dem Ergebnis, daß der Mensch ein Spiel­zeug der Willtür des Schicksals sei, daß diesem gegenüber alle Mittel, all sein Verstand, seine Mühe und Arbeit machtlos seien.

" Ich glaube nicht an das Schicksal," sagte eine Stimme aus einer Ecke des Sakhi. Aller Blicke wandten sich nach der Seite hin, das Erstaunen war allgemein. Wer ist dieser Riese?" fragte der Melikh spöttisch.

Dein Diener, ich bin es, Melith. Ich glaube nicht an das Schicksal," wiederholte dieselbe Stimme hartnäckig.

Die Männer wußten nicht, ob sie lachen oder zürnen sollten. Der, der an die allvermögende Kraft des Schicksals nicht glaubte, war der erbärmliche Chai.

Die elendeste Ziege fönnte in Wut geraten, fürwahr," murmelte der Melikh, halb spöttisch, halb erzürnt. In der Tat waren alle erregt, und wie sollten sie es auch nicht sein. Der Melikh, der reiche, mächtige Melikh glaubte an das Schicksal und fürchtete sich vor ihm. Der Schulze Gewo, vor dessen Stock alle wie Weiden­blätter zitterten, entsetzte sich vor dem Schick­sal. Und der Pfarrer, was er auch predigte, zum Schlusse kam das Schicksal. Alle waren doch dieser unsichtbaren Macht unterworfen und hatten Angst davor, allein dieser erbärm­liche, elende Chai glaubte nicht an das Schick­sal und fürchtete sich nicht vor ihm.

" Ja, ich glaube nicht an euer Schicksal," wiederholte der Chai, und dieses Mal, als er die auf sich gerichteten verächtlichen Blicke sah,