Für unsere Kinder

Nr. 2ooooooo Beilage zur Gleichheit ooooooo 1914

Inhaltsverzeichnis: Spruch. Von Freiligrath.| den Herrschern und ihren Heerführern geleitet,

Ferdinand Lassalle  . Von Mar Adler. Das Pensionat. Von Wladimir Korolenko.( Schluß.) Die fleine Passion. Von Gottfried Keller.  ( Ge­dicht.) Die Prinzessin auf dem Baum.( Forts.)

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Spruch.

Das sei dir unverloren: Sest, tapfer allezeit

Verdien dir deine Sporen

Im Dienst der menschlichkeit! Rundum der Kampf aufs Messer! Lern' du zu jeder Frist, Daß Wunden heilen besser Als Wunden schlagen ist.

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Ferdinand Lassalle  .

Von Mar Adler.

Freiligrath.

In der Schule und in den Büchern, welche euch die Schule empfiehlt, ist viel von großen Männern die Rede, die sich um das Vater­land verdient gemacht haben und deren wir mit Dankbarkeit gedenken sollen. Aber fast immer ist es der Ruhm des Schlachtfeldes, den die Schule so preist, wie denn auch die Geschichte, so wie sie heute euch noch gelehrt wird, fast nur als eine Kette von Kriegen und Handlungen mächtiger Herrscher und großer Heerführer erscheint. So kommt es, daß ihr von Alexander dem Großen, der Asien   er oberte, viel mehr zu hören bekommt als von seinem großen Lehrer, dem Philosophen Ari­ stoteles  , der mit seinem Denken die Welt er­oberte und heute noch im Gedankenreich herrscht, während das Weltreich Alexanders längst zer­fallen und vergangen ist. So ist euch viel mehr von Prinz Eugen   und Napoleon   bekannt, als von Männern wie Galilei   und Lamarck  , ob­gleich diese beiden großen Naturforscher viel tiefergehende Kämpfe geführt haben, die heute noch nachwirken, Kämpfe nicht mit blutigen Waffen, sondern mit hellen, großen Gedanken, Kämpfe um die wissenschaftliche Wahrheit, um den Fortschritt der Erkenntnis und gegen die Irrtümer ihrer Zeit.

Es gibt eben noch einen anderen und größe­ren Krieg als von dem allein eure Geschichts­bücher erzählen, einen Krieg, der nicht von

der überhaupt nicht mit Soldaten und Waffen geführt wird und doch nicht weniger Blut und Opfer fostet, nur daß diese zu einem wahrhaft edlen und schönen Zweck erfordert werden: das ist der Krieg, den die Menschen mit dem Elend und der Unterdrückung führen, mit der Armut und Unwissenheit, der Krieg um Freiheit, Fort­schritt und ein menschenwürdiges Dasein für alle.

Nicht Völker

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werden bekämpft, sondern der Jammer, der die Menschen bei den Völkern quält. Die Unterdrückung soll beseitigt, die Quellen des Unglücks sollen verstopft werden; und nur, wer sich diesem Streben eigensinnig und eigen­süchtig entgegenstellt, weil ihm seine Macht, seine Herrschaft, seine Bequemlichkeit höher steht als das Wohl der Gesamtheit, der muß hier als Feind bekämpft, und wenn er es nicht anders will, vernichtet werden. In diesem Kriege können die Völker nicht entzweit wer­den, sondern sind im Gegenteil von vornherein verbunden. Denn Elend und Unterdrückung kommen ja leider bei allen Völkern vor, und so wird der Kampf dagegen von selbst eine allen Völkern gleich wichtige Sache. Hier er­tennt jedes Volk die gleichen Feinde- nicht mehr in dem anderen Volke, sondern in all dem, wodurch es in Unfreiheit und Dummheit niedergehalten wird. Unterdrückung, Ausbeu­tung und Unwissenheit das sind die wahren Erzfeinde der Menschheit, gegen welche der Kampf geführt wird, seit Menschen angefangen haben, über ihre Leiden nachzudenken, und der nicht eher enden kann, als bis die Ursachen des Leidens weggeschafft sind. So ist also kein Krieg zwischen den Völkern mehr, sondern ein Kampf, den sie gemeinsam führen, auch wenn sie dies lange Zeit nicht gewußt haben ist einfach der Kampf der Menschheit um bessere Lebensbedingungen, um ein reiches und schönes Leben für alle, kurz um das, was man mit dem Namen Kultur bezeichnet.

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