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Für unsere Mütter und Hausfrauen
Anwesenden waren an so etwas gewöhnt nur der Jüngling nicht. Er war eben erst aus dem Osten gekommen, und es war der erste Abend, den er in diesem Unterhaltungslokal zubrachte.
Nacht für Nacht waren alle Gäste in Twenty Mile glücklich und voller Whisky- wenn einer es nicht war, trafen seine Freunde Anordnungen für sein Begräbnis. In Twenty Mile gab es Wasser
das einzige Wasser meilenweit im Umkreise! Deshalb war Twenty Mile eine wichtige Station auf dem Wege zwischen dem südlichen Teile des Landes mit dem alten Camp Grant und den neuen Minen nördlich vom Mescal Ranch.
Die niedrige, nach Branntwein duftende Hütte aus ungebrannten Backsteinen lag wie ein vereinzelter brauner Fleck in der farblosen Wüste. Ein Hof, zwei trostlose Stallschuppen und ein sich langsam drehender Windmotor das war alles, was außerdem noch vorhanden war. Hier hauste Ephraim mit ein oder zwei Genossen und verkaufte Whisky. Sie mußten stets auf der Hut vor Indianern und zum Kampfe mit ihnen gerüstet sein.
In ihr einförmiges Leben, das sich aus Trinken und Töten zusammensetzte, brachten die Reisenden, die das ganze Jahr hindurch famen und gingen, einige Abwechslung hinein. Oft zeigte sich den ganzen Tag über nur ein zerlumpter Glücksjäger, der auf einem elenden Pony angeritten kam; dann wieder erschienen auf einmal zwei oder drei Reisende, die schwer beladene Esel mit sich führten; bisweilen tam es sogar vor, daß ganze Menschentrupps mit rasselnden Frachtwagen anrückten. Bald waren es junge, bald waren es alte Leute. Alle tranken sie Whisky und führten Messer und Flinten mit sich, um sich gegenseitig im Baum zu halten. Meist waren es Leute, die in die Minen wollten, manchmal auch solche, die von dort zurückkehrten. Alle diese Gesellen trauten einander nicht; fie hießen, wenn sie überhaupt Namen hatten, D' Rafferty, Angus, Schwarzmeyer, José Maria und Smith.
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Alle machten sie für eine Nacht bei Ephraim Rast, einige blieben betrunken liegen und verweilten auf diese Weise etwas länger hin und wieder kam es auch vor, daß einer für immer dort liegen blieb und mit einem Gitter umfriedigt wurde. Wer auch immer fam und was auch immer geschah- nach Sonnenuntergang herrschte laute Fröhlichkeit in Twenty Mile, der Stätte des Aufruhrs in der schweigenden Wüste von Arizona .
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An diesem Abend nun war einer dort, der sich die Sohlen in dieser Wüste noch nicht hart gelaufen hatte ein Neuling, der eben in Arizona angekommen war und seinen Mitmenschen noch traute. Gelegentlich tauchten auch solche Leute in Arizona auf! Er hatte aus freundlicher Gesinnung mehrfach die Getränke für alle bezahlt und schien es nicht bemerkt zu haben, daß niemand für ihn bezahlt hatte. Man hatte Karten mit ihm gespielt, hatte ihm seine Eporen gestohlen und ließ ihn nun tanzen.
Das Tanzen war ein ganz gewohnter Zeitvertreib in Twenty Mile; aber zwei oder drei Männer standen dabei herum und guckten neugierig zu, da es schon einige Zeit her war, daß sie zum letzten Male Theater genossen hatten.
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Der Neuling hatte die Leute hier nicht gleich richtig taxiert; er hatte sie für gute Gesellen genommen dafür hielten sie ihn jetzt zum besten. Aber selbst beim Tanzen kann man viel und rasch lernen! Außer dem Vorzug der Geschmeidigkeit besaß der junge Mann auch noch dichtes schwarzes Haar und blaue Augen, die kalt und furchtlos auf den alten Mann blickten. Sein Revolver hatte sich irgendwo im Halfter festgehakt, und er konnte ihn nicht rasch genug herausziehen.
,, Willst du auf mich schießen, du, was!?" sagte der alte Mann. „ Spring' höher! Spring', oder ich knalle dir eins in die Kniescheiben, du Rottehlchen hei!"
„ Der denkt, es geht ihm schlecht," bemerkte Ephraim.„ Na, wie es dem wohl zu Mute gewesen wär', wenn er den Indianern in die Hände gefallen wär', wie dieser Mann."
" Ja, sag', war sein Ohr nicht fomisch?" fragte einer, der geholfen hatte, den Mann zu begraben.
,, Sein Ohr?" fragte Ephraim.„ Nun, Jungens, ihr hättet sehen sollen, was sie mit seinem Munde gemacht hatten!" und er beschrieb die Einzelheiten so genau, daß die Zuhörer schauderten.
Dem jungen Mann ekelte bei diesem Bericht und bei dem lauten Gelächter. Und doch hatten diese halb betrunkenen Witzbolde den Mann vor wenigen Stunden mit einer gewissen Ehrsurcht zur letzten Ruhe gebettet! Der Jüngling mußte seine erste Tosis von Arizonaart herunterschlucken.
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Die wenigsten sahen seinem Tanze zu sie hatten so oft Neulinge gesehen! Einige Merikaner spielten Karten, auf einer Ronzertina ertönten mexikanische Weisen, und in einer Ecke saß der Proben- Jones", drehte der Gesellschaft den Rücken und sang für fich. Alles, was da gesagt und getan wurde, interessierte ihn nicht im geringsten. Er hatte alles schon hundertmal gesehen.
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Nr. 2
" Höher, hüpf' höher, du feines Kalb," rief der Alte dem Tänzer zu, höher!" und er feuerte einen vierten Schuß ab. Die Kugel streifte den Stiefel des jungen Mannes am Knöchel und schlug dann in den Boden ein, so daß die Erde aufstäubte.
,, Trint' mir nur mit deinen Augen zu," sang der Proben- Jones leise. Man fümmerte sich in Arizona nicht viel um seinen Gesang. Diese lyrischen Gesänge waren das einzige, was Jones sich aus der Zeit seiner zwanzig Lenze bewahrt hatte- jetzt war er noch nicht 26 Jahre alt.
Der Jüngling tanzte, die Konzertina spielte„ Matamoras", Jones sang plötzlich fuhren zwei Merifaner aufeinander los, und die Konzertina hörte mit einem schrillen Miston auf.
Los voneinander," schrie Ephraim, der hinter dem Schenktisch stand, und richtete seine Waffe auf die beiden. Ich will nicht, daß die Bestien in der Nacht um das Haus schleichen. Wir haben eben erst aufgeräumt."
Die Karten hatten den Streit verursacht. Zu Proben- Jones' Bedauern machten die Mexikaner aber Frieden. Er hatte sich in der Hoffnung, daß etwas passieren würde, umgedreht und erblickte jetzt erst den jungen Mann.
" Bum Teufel, wenn das nicht ein fixer Junge ist," murmelte er vor sich hin. Aber der Ausdruck von Interesse verschwand sogleich wieder von seinem Gesicht, und er drehte der Gesellschaft wieder den Rücken zu.
,, Lieb Vaterland, magst ruhig sein," sang er vor sich hin.. Denn sein Repertoire war groß und auserlesen.
,, Du kannst jetzt aufhören, mein Tierchen," sagte der alte Mann nicht unfreundlich und steckte die Pistole in seinen Gürtel.
Der Jüngling hielt inne. Da er geschmeidig und kräftig war, war er weder ermüdet noch sehr außer Atem; aber er zitterte vor Begier, den Plan, den er sich während des Tanzens zurecht gelegt hatte, auszuführen.„ Schenk' ihnen ein," sagte er zu Ephraim, „ schent' ihnen allen ein!"
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Bei dem Klange der jungen Stimme wandte Jones sich wieder um. Der alte Mann sagte immer noch in ganz wohlwollendem Tone: Was du sagst, ist ganz gut, aber deine Stimme flingt nicht angenehm, junges Böckchen." Er warf einen flüchtigen Blick auf den Halfter des Jünglings sehr ängstlich war die Sache nicht, schien ihm, der Neuling hatte schon einmal vergebens an seinem Halfter herumgenestelt. Aber er stellte sich doch so, daß er den Halfter fest im Auge behielt und jede Bewegung der jungen und ungeschickten Hand rasch hindern konnte.
Alle traten an den Schenktisch heran, und ein Glas nach dem anderen wurde vollgeschenkt. Der junge Mann stand neben seinem Quälgeist in der Mitte der Gäste. Der Quälgeist stellte sein Glas immer mit einem Nebengedanken an den Halfter auf den nassen Zahltisch und wartete, bis alle Gläser gefüllt waren.
,, Nun, allerhand Achtung," sagte er, als der junge Mann das Glas ergriff, und erhob das seine. In diesem Augenblick fuhr die Hand des Jünglings blitzschnell an den Gürtel des alten Mannes. Mit raschem Griff riß er dessen Pistole heraus und hielt dem alten Manne die eigene Waffe vor das Gesicht.
„ Jetzt wirst du tanzen!" sagte er. Juhu!" rief ProbenJones voller Entzücken. Zum Teufel, wenn das nicht ein figer Kerl ist!" Und sein hübsches Gesicht strahlte.
,, Halt," rief der junge Mann, denn der bestürzte alte Mann trant aus lauter Furcht ganz mechanisch seinen Whisky. Die übrigen vergaßen das Trinken.
,, Reinen Schluck mehr, sag' ich!" fuhr der junge Mann fort. „ Nein, stell' das Glas nicht hin, du sollst es in der Hand halten, während du herumtanztherum, immer rund herum! Und daß du keinen Tropfen verschüttest! Unterdessen will ich mir überlegen, was du danach tun sollst."
Proben- Jones beobachtete den Jüngling mit steigender Achtung. Gott , und der ist eben erst aus dem Ei gekrochen," murmelte er vor sich hin.
„ Nun los," fommandierte der junge Mann und feuerte einen Schuß zwischen die nur wenig gespreizten Beine des Alten.
" Der Fußboden gehört Ihnen, Mister Adams," bemerkte Jones respektvoll bei dem Sprunge des alten Mannes. Niemand soll Sie stören."
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Die Kapriolen begannen, und die Gesellschaft trat zurück, um Play zu machen.
„ Ich habe saftige Dinge in diesem Lande gesehen," sagte Proben- Jones laut zu sich selbst,„ aber so etwas habe ich doch noch nicht erlebt." ( Fortsetzung folgt.)