Für unsere Mütter und Hausfrauen
Nr. 6
O O O O O O O O
Beilage zur Gleichheit
Inhaltsverzeichnis: Freiheit- Handeln. Von Gottlieb Fichte. Aus der Geschichte unseres Hausrats: II. Von Hannah Lewin- Dorsch.. Tiermilch und Menschenmilch. Von M. Kt. Reformtleid aus einem Stüd. Von gd. Feuilleton: Nur leider." Von Lord Byron . Weihnachten unter dem Zepter des Zaren. Von Jan Kurländer.
-
Freiheit
"
-
-
handeln.
-
Jeder, der sich für einen Herrn anderer hält, ist selbst ein Sklave. Jst er es auch nicht immer wirklich, so hat er doch sicher eine Sklavenseele, und vor dem ersten Stärkeren, der ihn unterjocht, wird er niederträchtig kriechen. Nur derjenige ist frei, der alles um sich herum frei machen will.
Hinstehen und klagen über das Verderben der Menschen, ohne eine Hand zu regen, um es zu verringern, ist weibisch. Strafen und bitter höhnen, ohne den Menschen zu sagen, wie sie besser werden sollen, ist unfreundlich. Handeln, handeln! das ist es, wozu wir da sind. Gottlieb fichte.
Aus der Geschichte unseres Hausrats.
Von Hannah Lewin- Dorsch. Herd und Herdgeräte.
II.
In den ältesten Häusern befand sich der niedrige Herd gewöhnlich nicht an der Wand, sondern in der Mitte des Raumes ganz frei. Das ist zu erkennen aus alten Siedlungsfunden, aus alten Bauplänen und Bildern. Daß der Herd sich in alten Zeiten meist mitten im Hause und nicht an der Wand direkt befand, das entsprach einem Gebot der Vorsicht. Die Hütten und Häuser waren auf mitteleuropäischem Boden ja in der Hauptsache aus Holzwerk erstellt, und eine Feuerstelle, unmittelbar an der hölzernen Wand angelegt, hätte natürlich Feuersgefahr mit sich gebracht. Als man später anfing, den Herd an die Wand zu rücken, da wurde diese an der betreffenden Stelle durch Mauerwerk gesichert. Oder aber der Herd selbst erhielt einen Mantel und etwa auch eine überdachung aus Steinen oder Lehmziegeln, so daß er nach dem bloßen Anblick fast einem Kamin glich. Er unterschied sich aber deutlich von einem solchen dadurch, daß er feinen Rauchabzug besaß. Mit der Ableitung des Rauches war es überhaupt bei unseren alten Herdanlagen recht schlecht bestellt. Man fannte in Deutschland sehr lange teine Einrichtung, um den Rauch gleich über der Herdstelle zu sammeln und dann ins Freie zu führen. Aller Rauch verbreitete sich frei und ungehindert im ganzen Hausraum und mußte sehen, wie er einen Ausweg durch die Türe sand. Ich sage ausdrücklich nur: durch die Türe; denn das alte deutsche Haus besaß so gut wie gar keine Fenster. Die kleinen Schlitze, die man gelegentlich, nicht etwa immer, in den Hauswänden aus Reisigflechtwerk oder aus Blockstämmen anbrachte, würden wir heute kaum mehr mit dem Namen„ Fenster" beehren. Sie hießen im alten deutschen Sprachgebrauch Windaugen oder Augentüren. Aus diesem„ vindauga" stammt das englische Wort" window" für Fenster. Das Wort Fenster ist ein Lehnwort aus dem Lateinischen. Wie viele auf den Hausbau bezügliche Worte, zum Beispiel Ziegel, Mauer, wurde es uns mit dem römischen Steinbau übermittelt. Mitunter hatten diese alten Häuser auch ganz oben im Dachfirst eine kleine Öffnung, die von einem darüber erbauten kleinen Schutzdach überragt wurde; man nannte diese Einrichtung„ die Dachlaterne". Sie führte wohl dem halbdunklen Innenraum ein wenig Licht zu und sollte vor allem dazu dienen, dem Rauche vom Herde besseren Abzug zu verschaffen. Das geschah durch die kleine Dachlaterne, aber sicherlich nur in sehr unvollkommener Weise und konnte nicht verhindern, daß das Balfenwerk im Innern des Hausraumes, und besonders alles Holzwerk über dem Herde und in seiner Nähe mit den Jahren schwarz und glänzend angeräuchert wurde. Man kann das heute noch in alten Bauernhäusern von Niederdeutschland, die den offenen Herd in der großen" Diele"( dem Herd- und Wohnraum) haben, gut beobachten.
Oberhalb des Herdes, dessen Flammen ursprünglich ungehindert emporzüngelten, und dessen Funken von den knisternden Holzbränden gegen das umgebende Balkenwerk hinauffliegen konnten und dabei
1910
häufig Schaden anrichteten, lernte man mit der Zeit gewisse Schutzvorrichtungen anbringen: man verfertigte eine Art schwebenden Deckels aus leichtem Flechtwert, mit Lehm verkleidet, der über der Feuerstelle aufgehängt oder aufgestellt wurde, und der oft sehr umfangreich war. Dieser Schutzdeckel hat verschiedene Namen getragen: Feuerhut, Feuermantel, Rauchmantel , Kogel, Kobl und andere, man kann ihn noch jetzt in einsamen Gebirgsgegenden, in hölzernen Senn- und Holzknechthütten antreffen.
Im Mittelalter machte der Herd eine Reihe von Fortschritten, die aber ihrem Wesen nach sich meist nur auf die äußere Ausge= gestaltung oder aber auf die Geräte, die man am Herde zum Kochen und Braten benutzte, bezogen. Der Anlage nach haben wir auch im Beginne der Neuzeit immer noch den alten offenen Herd; das Feuer wird auf ihm und nicht in ihm entzündet. Um uns über die Beschaffenheit des Herdes und die ganze Einrichtung der Küche im deutschen Mittelalter flar zu werden, haben wir mancherlei Quellen zur Verfügung, in Gedichten sowohl als auch in Bildern. Es sind zum Beispiel Epruch gedichte und lehrhafte Gesänge der Meistersinger erhalten geblieben, die sich in sehr eingehender Weise mit dem Hausrat und dabei auch mit der Küche der damaligen Zeit befassen. Meister Hans Sachs , der berühmte Schuhmacher und Poet, hat uns in einem seiner Gedichte, betitelt:„ Der ganze Hausrat" sehr genau Stück für Stück aufgezählt, das ein Bürgerhaus seiner Zeit besitzen mußte. Auch haben wir allerlei Bildwerke und Illustrationen von Dichtwerken, denen wir Aufschlüsse über die Küche des Mittelalters verdanken; und die Kochbücher jener Zeit trugen wohl als Titelblatt Bilder von Küchen mit vollständiger Einrichtung, aus denen wir wiederum manches lernen können. Endlich sind uns auch noch manche Stücke des Kücheninventars aus dem deutschen Mittelalter erhalten geblieben und können von uns in Museen oder auch wohl in alten Schlössern, welche seit Generationen ihren Familienhausrat aufbewahrten, studiert werden.
Gewöhnlich waren die Herde des Mittelalters aus Backsteinen aufgemauert; ihre Höhe war unterdessen derart gewachsen, daß die Köchin nicht mehr beim Kochen vor dem Herde zu hocken oder zu fnien gezwungen war; sie entsprach etwa der Höhe unserer heutigen Herde. Hin und wieder bestand die Herdplatte auch aus einem einzigen großen Sandstein, der auf Sandsteinfüßen ruhte und an der einen Seite in die Mauer eingelassen war. Das Innere des Herdes war hohl und diente dazu, Vorräte an Brennholz dort unterzubringen. Der Zugang zum Inneren des Herdbaues wurde durch gewölbte Öffnungen in den Herdwänden vermittelt, die manchmal mit Holztüren verschlossen werden konnten. Einen Raum irgendwelcher Art zur Aufnahme von Glut oder gar zur Entzündung des Feuers besaß das Herdinnere zunächst noch keineswegs; Reisig und Holz wurden oben auf der Herdplatte aufgeschichtet und dort zum Brennen gebracht und in Glut erhalten. Die Kochtöpse und Pfannen wurden zwischen und über den Holzbränden ange bracht. Der äußere Rand der Herdplatte war gewöhnlich mit einer etwa 20 Zentimeter breiten Holzleiste eingefaßt, die oft hübsch mit heller Farbe angestrichen war. Oft war dieser hölzernen Randleiste an einer Seite des Herdes ein Stück Gemäuer eingefügt von ungefähr 10 Zentimeter Höhe, der sogenannte Wilstein oder Bilstein. Er diente dazu, die Holzklöße, die man in Glut bringen wollte, an einer Seite in etwas erhöhter Lage zu erhalten. Würden die Holzscheiter ganz flach und eben auf der Herdplatte gelegen haben, so wäre es schwer gewesen, sie in rechte Glut zu bringen, weil der Zug fehlte. Es war daher nötig, die Scheiter an einer Seite zu erhöhen und während der ganzen Dauer ihres Braudes in dieser erhöhten Lage zu erhalten. Dieser Wilstein", über den wir nur spärliche Nachrichten haben, muß im frühen Mittelalter eine bedeutsame Rolle gespielt haben; so wie den Herd im allgemeinen, machte man den Wilstein im besonderen zum Träger mytho logischer Beziehungen und betrachtete ihn wohl als den Sitz der Hausgeister. Später wurde er abgelöst durch ein Gerät, welches feinen Dienst übernahm, aber nicht mehr mit dem Herde fest ver bunden blieb, wie der Wilstein es gewesen war. Es ist das der Feuerbock, auch ein altes und wichtiges Stück des deutschen Hausrates.
Gegen den Ausgang des Mittelalters genügte die einfache, flache Herdplatte nicht mehr allen Ansprüchen der guten Küche. Seit dem Anfang des sechzehnten Jahrhunderts trifft man in größeren Haushalten eine Ergänzung des Herdes in der Form eines Backofens. Man hatte zwar schon lange vor dieser Zeit in den