Für unsere Mütter und Hausfrauen

Nr. 3

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Beilage zur Gleichheit 。。。。。。。 o

Inhaltsverzeichnis: Schmudfitten in der jüngeren Steinzeit. Von Hannah Lewin- Dorsch. ,, Die Masken Erwin Reiners". Roman von Jakob Wassermann  . Von Dr. Jda Arelrod. Feuilleton: Wir Arbeits­frauen. Von Emma Döltz  . Der Apachenüberfall. Von Owen Wister  . ( Fortsetzung.)

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Schmuckfitten in der jüngeren Steinzeit.

Von Hannah Lewin- Dorsch.

Die Sitte, den Körper zu schmücken und mit allerlei Zierat zu behängen, die schon in der älteren Steinzeit existierte, entwickelt sich im Neolithikum noch mehr und nimmt reichere und mannig­fachere Formen an. Je weiter die Menschheit fortschreitet, desto mehr Rohstoffe lernt sie ja auch zu verarbeiten. So kommen zu den Schmuckmaterialien, die schon der Renntierjäger fannte, im Zeitalter des polierten Steines noch eine Menge neuer hinzu, während auch die altbekannten daneben weiter in Benutzung bleiben. Wir erkennen- die Schmucksitten der jüngeren Steinzeit wiederum hauptsächlich aus den Gräberfunden; die Beigaben an Schmuck, die den Steletten zur Seite liegen, berichten uns, was die Lebenden damals getragen haben. Besonders in den riesigen Stein­grabmälern, den sogenannten Dolmen, und in Felsgrotten ist uns viel Schmuck erhalten worden. Während des jüngeren Steinzeit­alters, namentlich gegen sein Ende hin, erscheinen hin und wieder schon fleine Schmuckteile aus Bronze, zum Beispiel in Form von winzigen Blättchen und Scheibchen, die zu Gehängen dienten. Die ersten Anfänge der Metallzeit spielen ins Neolithikum schon hin­ein und verkünden, daß eine Epoche im Herannahen ist, welche Umwälzungen mit sich bringen wird auf allen Gebieten auf denen der Nutzgeräte und Werkzeuge wie auch der Ornamente. Das Metall mit seinem verschiedenfarbigen Glänzen, mit seinen reichen Möglichkeiten der Verarbeitung ist natürlich, wo es einmal bekannt geworden war, in weitestgehendem Maße auch zum Schmuck herangezogen worden. Es überstrahlte an Pracht und an Beliebt­heit bald alle Stoffe, welche die Steinzeit zu bieten hatte. Immer­hin weist doch auch das Neolithikum bereits eine ganz ansehnliche Fülle von Schmuckmaterialien auf, und wir überzeugen uns leicht, daß auch die Steinzeitmenschen Gelegenheit und Möglichkeit genug hatten, ihren Körper reich und prächtig zu zieren.

Unter den Schmuckstücken des Neolithikums kann man drei ver­schiedene Gruppen unterscheiden; das sind: erstens Perlen von ver schiedener Form zum Aufreihen auf Sehnen oder Schnüre, woraus sich Hals- und andere Ketten ergaben; zweitens Gehänge, das heißt einzelne, mehr oder weniger funstreich bearbeitete Stückchen aus verschiedenem Material, die gleich unseren Medaillons getragen wurden; und endlich Arm-, Fuß- und Fingerringe. Dabei ist aber zu betonen, daß wir lange nicht in allen Fällen genau wissen, in welcher Art irgend ein Stück, das uns vorliegt, seinerzeit ge­tragen worden ist. Wir sind auch nicht selten im unklaren über die Art und Weise, wie es befestigt worden ist, ob und wie man es mit anderen Teilen zusammenheftete, und ob diese Teile dann von der gleichen Art waren oder anderartig als das uns vor liegende. Auch ist nicht zu vergessen, daß vom gesamten Schmuck des Neolithikums ja nur die dauerhaften Stoffe überhaupt uns er­halten geblieben sind. Alles, was aus leicht vergänglichen Stoffen bestand, mußte im Laufe der Jahrtausende natürlich zugrunde gehen. Dahin gehören Haare, Federn, gewisse Samen und Früchte und sicherlich auch mancherlei Webereien und Flechtereien. So wie sich heutzutage viele Naturvölfer mit bunten Federn, einzeln und in Form von Büschen und Hüten zu schmücken lieben, so werden es vielleicht auch die Steinzeitmenschen schon getan haben. Davon aber fann uns fein Fund in Gräbern mehr Kunde geben, denn Federn und ähnliches bleiben nicht lange erhalten. Wir dürfen also nicht meinen, daß wir ein ganz vollständiges Bild von den Schmuck­fitten jener alten Zeiten durch Funde zu belegen imstande wären. Die Perlen, Scheiben und Kugeln, welche man im Neolithifum zu Retten aufreihte, sind nach Stoff und Form sehr mannigfach gewesen. Neben wirklichen Kugelformen kommen Würfel, Zylinder, einfache und doppelte Kegel und auch allerhand ganz unregelmäßige Formen vor. Mit Vorliebe hat man die Kettenglieder aus feinen, hellfarbigen Rohstoffen zugeschnitten: Perlen aus weißem Kalkstein und aus Gips sind zahlreich vorhanden; daneben gibt es solche aus

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Schiefer, aus Jet, aus Holzkohle, auch aus weichem Stein. Harter Stein ist schon viel seltener zu Perlen und anderen Kettengliedern verarbeitet worden; man nahm wohl den grünlichen Serpentin, hellen Quarz und den uns auch heute noch zu Schmuckzwecken wohlbekannten Amethyst. Ketten aus Feuerstein   sind recht selten, kommen aber immerhin vor. Es mag ein schönes Maß von Geduld erfordert haben, bis der Neolithifer den harten Feuerstein perlenartig zuge­schnitten und dann in mühevoller Arbeit von einer oder von beiden Seiten her durchbohrt hatte. Muscheln sind, wie schon in der älteren Steinzeit, so auch noch im Neolithikum gern zu Zieraten verarbeitet worden; wie schon früher, so wurden sie auch jetzt von weither geholt. So finden sich aus dem Mittelmeer   stammende Muscheln in nördlichen Gegenden Frankreichs  . Oft hat man die ganzen Muscheln einfach durchbohrt und auf Schnüre gereiht, oft hat man aber auch allerlei Formen aus der Muschel geschnitten. Knochenperlen kommen häufig vor; meist sind sie aus den Lang­fnochen verschiedener Tierarten geschnitten.

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Im jüngeren Steinzeitalter scheint man auch die Koralle bereits gekannt und als Schmuck getragen zu haben. Nicht weit von Lausanne  fand man in einem Grabe, das der jüngeren Steinzeit angehört, ziemlich dicke Korallenperlen. Wahrscheinlich wird man sie noch öfter in neo­lithischen Gräbern finden; da die Koralle mit den Jahrhunderten gern eine weißliche Färbung annimmt und dann dem Kalt ähnlich sieht, so ist es möglich, daß man sie häufig an Orten, wo sie vorkam, gar nicht bemerkt hat. Auch Schmuckteilchen aus Schildpatt sind aus neo­lithischen Fundstätten nachgewiesen, sowohl in Pfahlbauten als in Landansiedlungen und in Erdgräbern. Glas ist im Neolithikum in Europa   wohl kaum schon sehr verbreitet gewesen. Seine Kennt nis kam aus dem Süden und Osten in unsere Gegenden; in der zweiten Hälfte des Bronzezeitalters und in der frühen Eisenzeit sind Glasperlen im Überfluß verwandt worden. Aus der jüngeren Steinzeit sind freilich eine Anzahl bläulicher, halbdurchsichtiger Glasperlen aufgefunden worden, doch sind die Funde dieser Art noch zu selten und zu wenig gesichert, als daß man daraus auf ein verbreitetes Vorkommen des Glases schon für diese Zeit schließen dürfte. Vielleicht bringen uns aber weitere Entdeckungen hierüber noch mehr und besseren Ausschluß.

Zu einzelnen Gehängestücken benußte der Neolithiker ebenso wie sein renntierjagender Vorfahre vor allem gern Zähne. Als Jagd­trophäen waren sie immer noch besonders beliebt, und es fommen die verschiedensten Arten vor: Eckzähne vom Eber, vom Hunde, vom Wolf und vom Fuchs, vom Bären, vom Pferd und vom Dachs, Schneidezähne vom Ochsen, vom Schwein, vom Biber und von manchen anderen Tierarten mehr. Der siegreiche Jäger durch­bohrte die Zähne an einem Ende, knüpfte sie an einen Faden und trug sie stolz am Halse. Einen eigentümlichen Gebrauch hat man manchen Ortes von den Hauern des Wildschweines gemacht: man durch­bohrte sie an beiden Enden, legte sie nebeneinander, etwa zehn bis zwölf an der Zahl, zog durch beide Löcherreihen je eine Schnur und erhielt auf diese Weise eine Art biegsamen Panzer, den man vor der Brust tragen konnte zum Schutze gegen feindliche Ge­schosse. Vielleicht verfertigte man auch auf gleiche Art für vor­nehme Leute einen Brustschmuck, indem man den Panzer aus Eber­zähnen mit Federn oder anderem leichten Flitterwerk verzierte. Die südamerikanischen Indianer machen es heute noch ähnlich. In einigen neusteinzeitlichen Gräbern lagen derartige Panzer unter den Köpfen der Skelette.

Es kommen im Neolithikum auch recht zahlreich kleine, fein ge­arbeitete und gut polierte Steinbeilchen vor, die an einem Ende durchbohrt und ersichtlich aufgereiht gewesen sind. Sie wurden als Gehänge getragen, und man konnte sich anfänglich diese Sitte nicht recht erklären. Seitdem man aber nachgewiesen hat, daß mit der Art schon in uralten Zeiten ein gewisser Kultus getrieben worden ist, versteht man, daß man den Toten und vielleicht auch den Lebenden die heilige Form der Art als Schmuck und gleichsam als Talisman umbing.

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Es gibt auch Anhänger in Form von Ringen, aus Knochen und dergleichen geschnitten, und bei diesen ist dann wohl manches Mal nicht mit Sicherheit festzustellen, ob es sich tatsächlich nur um Ge­hänge handelt, oder ob wir Arm- oder Fingerringe vor uns haben. Aus dem Neolithifum stammt der Fund einer Werkstätte, in der, wie es scheint, die ausschließliche Fabrikation von Armringen be­trieben wurde. Es lagen dort in einer Grube mehr als dreitausend