Für unsere Mütter und Hausfrauen
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Der Apachenüberfall.
( Fortsetzung.)
„ Ich habe mir auch nicht eingebildet, daß ich den Weg zwischen zwei Mahlzeiten zurücklegen könnte," bemerkte Cumnor.
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,, Nein sicher nicht! Aber warum haben Sie denn gerade diesen Weg gewählt?"" Ein Mann hat mir dazu geraten."
„ Ein Mann? So! Na, ich will Ihnen nur sagen, daß Fremde immer angelogen werden in Arizona . Ich würde Ihnen geraten haben, über Tres Alamos zu gehen. Der Mann, der Ihnen Ausfunft gegeben hat, würde selbst wohl auch diesen Weg gewählt haben. Aber sagen Sie mir, Böckchen, lieben Sie die Indianer?" Cumnor atmete hastig. Ich bin nicht furchtsam."
Nicht furchtsam? Nein, natürlich sind Sie nicht furchtfam! Was wollen Sie denn in San Carlos? Haben Sie dort Stadtaftien?"
,, Nein," antwortete der Jüngling zu Jones' ungeheurem Vergnügen ganz ernsthaft. Ich habe einen Bekannten dort. Er steht bei der Kavallerie." Dann fuhr er in gezwungen heiterem Tone fort:„ Was für eine Stadt ist San Carlos eigentlich? Wird dort viel Sport getrieben?"
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„ Stadt?" Proben- Jones hielt sich an dem Geländer, das den Hof umzäunte, fest.„ Sport? Nun, ich will Ihnen beschreiben, was das für eine Art Stadt ist. Da gibt's keine Straßen und feine Häuser, da gibt's weder Land noch Wasser im gewöhnlichen der Sinne des Wortes. Aber einen Berg gibt's, den Turnbull sieht fast so aus wie ein gewöhnlicher Berg, aber niemand wagt ihn zu besteigen! Der Schöpfer hat San Carlos nicht gemacht; San Carlos ist viel älter als er. Nachdem der Schöpfer das Paradies mit den Obstbäumen verschlossen hatte, kam er an San Carlos vorbei und ließ es gerade so, wie er es fand zeigen wollte, wie man vor ihm gearbeitet hatte. Er tat dort herum gar nichts. Denken Sie sich einen Haufen Sand und Asche und Dornen und glühend heiße Steine und darunter Skorpione und Schlangen. Das ist San Carlos. Und in dem Sande verstreut sitzt die Armee der Vereinigten Staaten und jagt Apachen." Cumnor schwieg einen Augenblick, dann sagte er:„ Das schadet nichts. Ich will auch Apachen jagen!"
weil er
Haben Sie den Mann gesehen, den Ephraim heute vor der Echlucht gefunden hat?"" Nein, ich tam zu spät hier an."
" Der Mann hatte ein Loch in der Brust von einem Pfeil! Wenn man dann gleich stirbt, ist es ja teine große Sache. Aber der ist nicht gleich gestorben, der hat noch was aushalten müssen. Geröstet zu werden, muß auch nicht gerade angenehm sein! Hören Eie, Ihr Weg führt durch die Berge, in die diese Bande gezogen ist. Ich rate Ihnen, Böckchen, tommen Sie mit mir nach Tucson," drängte Jones plötzlich.
Cumnor schwieg. Endlich fragte er:„ Machen noch andere Leute denselben Weg?"
„ Ja, der Weg führt auch nach Grant, und die Mexikaner bringen Frachtgut dorthin. Aber wie ist's, wollen Sie mit mir nach Tucson gehen?"
,, Nein, ich gehe nach San Carlos," antwortete Cumnor.
" Sie sind ein dummer Kerl," brauste Jones auf. Gehen Sie meinetwegen zum Teufel, Sie mit Ihrer Weihnachtsbaumpistole! Und ob Sie Ihren Kavalleriefreund in San Carlos finden, ist auch noch nicht ausgemacht. Die Indianer haben kürzlich viele Soldaten totgeschossen. Na, gute Nacht."
Proben- Jones verschwand, und Cumnor ging zu dem Schuppen, in dem sein Sattel und seine Decken lagen. Er fühlte sich wie zerschlagen nach all den aufregenden Erlebnissen dieses Abends. Er breitete seine Decken über den trockenen Dünger, zog Rock und Hose aus und rollte beide zu einem Kopfkissen zusammen. Dann streckte er sich aus und legte die verachtete Pistole neben sich. Es war stockdunkel, nur der große weiße Frachtwagen leuchtete aus der Dunkelheit hervor.
Der Jüngling dachte, daß er sich auf dieser ersten selbständigen Reise in das Sandmeer von Arizona recht töricht benommen hätte. ... Kein Mensch war hier freundlich gegen ihn gesinnt, und jetzt hatte er es nun auch mit Jones verdorben.... Ein Fremder, der doch nichts gegen ihn gehabt haben konnte, hatte ihm absichtlich den falschen Weg gewiesen!... Er fürchtete sich nicht vor einem Haufen von Feinden.... In Pennsylvanien hatte er auch Feinde gehabt und war mit ihnen fertig geworden, mit seinen Feinden hier wollte er auch schon fertig werden. Aber diese unpersönliche Feindseligkeit, die sich nicht fassen und greifen ließ, war neu und hart für ihn er fühlte die grausame, mörderische und feige Atmosphäre des Südwestens, in der die Zuchthäusler, die Kalifornien ausgewiesen hat, prosperieren.... Gr dachte an den namenlosen, heute begrabenen Mann und an die rohen Witze über seine Ver
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ftümmelung. Enmnor war fein unschuldiges Kind mehr, aber dieser Spott über einen Toten hatte seine junge, noch nicht verhärtete Seele verlegt. So lag er und sah mit heißen, trockenen Augen zu dem glänzenden Sternenhimmel auf. Ein Luftzug streifte den Windmotor; seine Flügel drehten sich einen Augenblick knarrend und standen dann wieder still.
Dann fühlte er, wie die falte Morgenluft über seine Augen strich er mußte geschlafen haben fest geschlafen haben. Es war totenstill und noch ganz dämmerig. Er mußte sich erst besinnen, wo er war. Die Mexikaner waren schon aufgebrochen, der Frachtwagen war fort, und das Feuer, auf dem sie sich ihr Frühstück bereitet hatten, verglühte im Sande. Cumnor wußte, daß dort ein Wagen gestanden hatte, und jetzt sah er nur falte, ferne Gipfel. Während er so ruhig und warm in seine Decken eingehüllt lag, entstand Geräusch in der Hütte. Ephraims Stimme rief den jungen Mann in die Wirklichkeit zurück. Er wußte wieder, daß er in Arizona war, er wußte wieder, was er erlebt hatte. Sein Blick fiel auf das graue Pfahlwerk, welches das Grab umgab.... Jndianer? Er wollte den Merikanern nachjagen und in ihrer Gesellschaft nach Grant reisen. Frachtführer konnten nur fünfzehn Meilen am Tage zurücklegen, und wenn er gleich nach dem Frühstück aufbrach, fonnte er sie noch vor Mittag erreichen.„ Sechs Mann brauchen sich ja nicht vor den Apachen zu fürchten," dachte Gumnor. Er hörte die Stimme von Proben- Jones, hörte, daß man den Ofen anheizte, hörte die Unterhaltung drinnen lauter und lauter werden. Cumnor lag ganz still und horchte auf das, was Jones sagte; dieser Mensch war der einzige, der Teilnahme für ihn gezeigt hatte. Ephraims Whiskyflaschen flirrten, und der alte Mister Adams sagte heiter:„ Das ist das Beste zum Mund spülen," dann hörte er erneutes Klirren und eine Frage von Proben- Jones. ,, Wessen Sporen?" fragte Jones.
"
Meine," hörte er Adams antworten.
,, Wie lange gehören sie Ihnen?"
So lange, wie ich sie habe, glaube ich."
Nun, Sie haben sich lange genug an den Sporen gefreut." Die Stimme von Proben- Jones flang ganz verändert. Und Sie werden sie dem Jungen zurückgeben."
Dann folgte ein Gemurmel, das der Jüngling nicht verstehen konnte. ,, Sie werden sie zurückgeben," wiederholte Jones.„ Ich habe gesehen, wie Sie sie da unter dem Stuhl fortgenommen haben." „ Das ist wahr, Mister Adams," sagte Ephraim.„ Ich habe es auch gesehen ich habe aber natürlich nichts gesagt. Aber da Mister Jones darauf aufmerksam macht
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,, Seit wann sind Sie denn so ehrlich geworden, Jones?" grollte Adams, der einsah, daß er seine Beute hergeben mußte.„ Und warum haben Sie denn gestern nicht gleich was gesagt, he?"
„ Ich kannte den Jungen noch nicht," antwortete Jones.„ Und wenn Sie nicht verstehen, daß so ein tapferes junges Blut Achtung verdient ich verstehe es eben."
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Als der Jüngling draußen im Schuppen diese Worte hörte, bes gann er besser von den Menschen und dem Leben im allgemeinen zu denken und troch aus seinem Versteck hervor. Er war voll ständig für das Grenzleben ausgerüstet, und es bereitete ihm Ver gnügen, sich anzukleiden. Unterdessen ging die Sonne auf und machte die Welt mit einem Schlage strahlend hell. Die nahen Sandhügel färbten sich rot, die harten Yuccas und Mesquites schimmerten in blaffem, durchleuchtetem Grün und verhüllten mit ihren lanzenförmigen Blättern und ihren feinen Samenkapseln das Antlitz der Wüste wie mit einem Schleier. Violette Spigen und Backen umrahmten das wunderbare Bild. Aus den Fenstern drang der Geruch von Speck und Kaffee hervor und füllte das Herz mit Mut und Verlangen.
Ephraim guckte zum Fenster hinaus und rief Cumnor zum Frühstück. Jones saß schon am Tische und grüßte sehr kurz; aber die Sporen waren da, sie lagen wieder unter dem Stuhle in der Ecke, wo Cumnor sie hatte liegen lassen.
In Arizona wird bei keiner Mahlzeit viel gesprochen, beim Frühstück aber gar nicht. Cumnor saß da und aß und grübelte. Dabei fiel sein Blick auf die milchfarbene Dame und die Kette. „ Diese Sache muß ich noch in Ordnung bringen," dachte er. Aber wann und wie er es tun sollte, war ihm nicht ganz klar. Er hatte feine Eile, seine Reise fortzusetzen. Die Merikaner, die er früher oder später einholen mußte, besaßen keine große Anziehungskraft für ihn. Nach dem Frühstück lungerte er ebenso wie die anderen Gäste in der Hütte umher, während Ephraim und sein Gehilfe draußen tätig waren. ( Fortsetzung folgt.)
Berantwortlich für die Redaktion: Frau Klara Bettin( Bundel), Wilhelmhöhe, Poft Degerloch bet Stuttgart .